Burgund 2010

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sorgenbrecher
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Re: Burgund 2010

Beitrag von sorgenbrecher »

vor einer woche hatte ich über ein wochenende hinweg 3 basis-burgunder aus 2010 und einen weiteren aus 2009 im glas, wobei die jeweilige verkostung über 2,5 tage hinweg blind erfolgte.

die drei 2010er präsentierten sich wie folgt:

david clark, bourgogne au pelson
wunderschöne, klare, rotfruchtige pinot-aromen in der nase, mit etwas luft offen und zugänglich, auch am gaumen mit klarer, tiefer frucht, harmonisch, mittelgewichtig, ausgewogen. einfach wunderbar zu trinken und für einen basiswein überdurchschnittlich. ein wein, dessen klare, pure stilistik ich sehr mag - schade, dass es davon nur recht wenig gibt und der wein eher schwer zu finden ist.
exzellentes preis-genuss-verhältnis, jetzt wunderbar zu trinken.

michel gros, bourgogne hautes cotes de nuits
hier kommt eine ganz andere stilistik zum ausdruck. der wein zeigt sich bereits in der nase deutlich kühler, weniger fruchtig, strenger, mit spürbarem holzeinfluss. am gaumen dann auch weniger offen, neben einer klaren sauerkirschfrucht eine leicht würzige schärfe spürbar, sehr gute struktur für diese klasse, mit massiven (aber erstaunlich feinkörnigen) tanninen und einer guten säure.
erfahrungsgemäß brauchen die weine von michel gros etwas mehr zeit um zu zeigen, was in ihnen steckt, und das gilt auch für diesen wein hier. er bringt sehr gute anlagen mit, ich würde ihn aber eher noch mindestens 3 jahre liegen lassen.
das preis-genuss-verhältnis ist hier bei einem ab-hof-preis von € 11,- grandios.

anne gros, bourgogne
dieser wein wirkt ein wenig wie das beste aus den beiden welten der beiden anderen weine. zum einen zeigt er sich sehr offen in der nase, mit einer wunderschönen tiefen frucht, klar und intensiv, zum anderen bringt er deutlich mehr struktur und gewicht mit als der pinot von david clark und ist mit seinem massivem tanningerüst sicher auch ein ordentlicher langstreckenläufer. der aktuell intensivste wein, sicher auf gutem village-niveau.

drei einfache basis-weine aus 2010 mit sehr unterschiedlicher und individueller stilistik, die aber alle einen eindruck davon vermitteln, was in diesem wunderbarem jahr 2010 im burgund möglich war und die vorfreude auf die 1er und grand crus noch weiter steigern.
Gruß, Marko.
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octopussy
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Re: Burgund 2010

Beitrag von octopussy »

sorgenbrecher hat geschrieben:michel gros, bourgogne hautes cotes de nuits
hier kommt eine ganz andere stilistik zum ausdruck. der wein zeigt sich bereits in der nase deutlich kühler, weniger fruchtig, strenger, mit spürbarem holzeinfluss. am gaumen dann auch weniger offen, neben einer klaren sauerkirschfrucht eine leicht würzige schärfe spürbar, sehr gute struktur für diese klasse, mit massiven (aber erstaunlich feinkörnigen) tanninen und einer guten säure.
erfahrungsgemäß brauchen die weine von michel gros etwas mehr zeit um zu zeigen, was in ihnen steckt, und das gilt auch für diesen wein hier. er bringt sehr gute anlagen mit, ich würde ihn aber eher noch mindestens 3 jahre liegen lassen.
das preis-genuss-verhältnis ist hier bei einem ab-hof-preis von € 11,- grandios.
Hallo Marko,

in dem Zusammenhang ist sicher auch das folgende Snippet von Jancis Robinson aus ihrem letzten Besuch im Burgund interessant:
Jancis Robinson hat geschrieben:I was pretty impressed by my visit to Olivier Jouan, when I finally found him tucked away in a little lane in the Hautes-Côtes village of Arcenant. Although he has vines in the odd rather smart Côte d'Or village, he is a strong proponent of the Hautes-Côtes and I have certainly noticed a gradual increase in ripeness and quality in Hautes-Côtes wines over the last few years. (I might even devote an article to this thrilling topic.) According to Jouan, 'I really think that some of our Hautes-Côtes wines can now be confused with Côte d'Or wines blind. Eventually there will be individual village ACs in the Hautes-Côtes.' He also pointed out that he picks particularly late, 'sometimes almost at the same time as Ponsot'.
In letzter Zeit war ich auch sehr beeindruckt von einigen Hautes Côtes Weinen, z.B. dem hier im Thread erwähnten 2010 Hautes Côtes de Beaune "Les Perrières" der Domaine Parigot oder auch - eigentlich jedes Jahr - dem Hautes Côtes de Nuits "Le Clos du Prieuré" von Thibault Liger Belair. Liger Belair hat ja sogar noch eine zweite Hautes Côtes Lage im Programm ("La Corvée de Villy"), die ich aber noch nicht probiert habe. Mit der Klimaerwärmung würde ich vermuten, dass sich der Reifeverlauf und damit auch die Weinqualität in den höher gelegenen Lagen zunehmend verbessert. Da wird es vielleicht in den nächsten Jahren noch ein paar Überraschungen geben, gerade wenn Top-Winzer angesichts absurder Landkauf- und -pachtpreise in den Côte d'Ôr Dörfern nach Alternativen schauen.
Beste Grüße, Stephan
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weingollum33
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Re: Burgund 2010

Beitrag von weingollum33 »

Ein paar Notizen zu 2010-ern der letzten Wochen:

Bruno Clavelier, Bourgogne Champs d’Argent 2010 vv

Habe sowohl bei cellartracker als auch hier im Forum sehr unterschiedliche Meinungen zu dem Wein gelesen!

Zwei Stunden vorher geöffnet und dann über nahezu eine Woche getrunken:

Die Nase ist eher verschlossen, rote Früchte lassen sich erahnen. Am Gaumen bestenfalls mittlerer Körper, jedoch durchaus intensiver roter Fruchtkern sehr klar und pur, vor allem rote Johannisbeeren, lang anhaltend für die Qualitätsstufe und gute aber etwas unruhige Säure. Der Wein hat sich an den nächsten Tagen etwas harmonisiert und ließ sich animierend und schön trinken. Guter bis sehr guter Bourgogne, der ein paar Jahre braucht, um richtig Freude zu machen! Sollte m.E., wenn richtig offen, dem 08 von der Charakteristik durchaus ähnlich sein!


Simon Bize, Savigny les Beaune Aux Grands Liards 2010

In der Nase recht offenherzig, leicht dunkle, rote Kirschen, im Mund zarter Körper, Anfangs leichte Grüntöne von den Stielen ansonsten ebenfalls dunkle rote Kirschen, etwas Mineralik transparent, elegant und sehr ausgewogen. Zurückhaltende Gerbstoffe und dezente Holzeinflüsse (kein Neuholz) geben dem Wein eine schöne Komplexität und machen Lust auf den nächsten Schluck. Der Wein ist Harmonie pur und trinkt sich wie von selbst! Toll! Was für eine Freude - mindestens sehr guter Village-Wein!! Über mehrere Tage getrunken und für mich ein Coup de Coeur!


Remi Jobard, Meursault Sous la Velle 2010 (375 ml)

Junge verhaltene Farbe, Nase von Zitrusaromen dominiert, mittlerer bis voller Körper, im Mund zarte Limonenaromen und deutlich von Mineralik dominiert. Transparent, durchaus intensiv und lang am Gaumen. Trinkanimierende schöne Säure – sehr offen – benötigt ein ebenbürtiges passendes Essen! Sehr guter Village-Wein, der derzeit viel Freude bereitet.

Gruß Tobias
Weinschlumpf
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Re: Burgund 2010

Beitrag von Weinschlumpf »

Gestern abend wollte ich eigentlich einen Chardonnay entkorken, habe daneben gelangt und diesen Wein erwischt (selten hat ein Fehlgriff so viel Freude bereitet):

Boisson-Vadot, Auxey-Duresses 1er Cru, 2010

Zarte feminine Nase. Walderdbeeren, Himbeeren und Herzkirschen. Frisch gemahlender Pfeffer. Am Gaumen anfangs noch etwas unharmonisch, aber das hat sich nach einer halben Stunde gelegt. Fein rotfruchtig schmeckender eleganter Pinot Noir. Kalkige Mineralität. Der Begriff "roter Riesling" trifft hier voll und ganz zu. Sehr gute Länge. 92+P

Für rund 30 Euronen ein (für Burgunder) gutes PLV. Mehr als die Hälfte der Flasche ist noch da, mal schauen wie er sich heute abend zeigt.

Viele Grüße

Nikolai
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moc
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Re: Burgund 2010

Beitrag von moc »

Na ja Nikolai!

30 EUR für einen Auxey Duresses 1er Cru wurde ich jetzt nicht als gutes PLV sehen. Aber wie auch immer. Deinen speziellen Wein kenne ich allerdings nicht.
grüße jens
Weinschlumpf
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Re: Burgund 2010

Beitrag von Weinschlumpf »

Weinschlumpf hat geschrieben: Boisson-Vadot, Auxey-Duresses 1er Cru, 2010

Zarte feminine Nase. Walderdbeeren, Himbeeren und Herzkirschen. Frisch gemahlender Pfeffer. Am Gaumen anfangs noch etwas unharmonisch, aber das hat sich nach einer halben Stunde gelegt. Fein rotfruchtig schmeckender eleganter Pinot Noir. Kalkige Mineralität. Der Begriff "roter Riesling" trifft hier voll und ganz zu. Sehr gute Länge. 92+P

Für rund 30 Euronen ein (für Burgunder) gutes PLV. Mehr als die Hälfte der Flasche ist noch da, mal schauen wie er sich heute abend zeigt.

Viele Grüße

Nikolai
Heute abend präsentiert er sich wiederum auf dem gestrigen hohen Niveau. Ich attestiere immer noch ein gutes PLV. gefällt mir aufgrund der Finesse z.B. besser als die auch guten 2010er 1er Crus von Joblot.

Viele Grüße

Nikolai
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octopussy
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Re: Burgund 2010

Beitrag von octopussy »

moc hat geschrieben: 30 EUR für einen Auxey Duresses 1er Cru wurde ich jetzt nicht als gutes PLV sehen. Aber wie auch immer. Deinen speziellen Wein kenne ich allerdings nicht.
Hallo Jens,

jedenfalls wenn man die Preise in Deutschland zugrundelegt, ist 30 Euro für einen Auxey Duresses 1er Cru eines besseren Erzeugers nach meiner Wahrnehmung ein normaler Preis. Preise kann man m.E. auch nicht immer nur innerhalb der Appelation beurteilen, sondern muss dies eigentlich im Gesamtkontext der Unter-Region (hier vielleicht Volnay, Pommard, Auxey Duresses, Monthelie) sehen. Und wenn ein Auxey Duresses 1er Cru einfach saugut schmeckt und vielleicht auch besser als ein Pommard Villages eines anderen oder desselben Erzeugers zum ähnlichen Preis, stellt dann nicht 30 Euro trotzdem ein gutes PLV dar, auch wenn der Wein preislich innerhalb Auxey Duresses im oberen preislichen Mittelfeld liegt?

Den Wein kenne ich übrigens auch nicht, er klingt aber gut.

Mir fällt übrigens auf, dass noch erstaulich viele 2010er Burgunder im Handel erhältlich sind, während die 2009er ganz größtenteils schon weg sind (und aus 2007 und 2008 auch noch recht viel da ist). Das erstaunt mich am Ende doch, sind sich doch die Kritiker, gerade nach der Nachverkostung in der Flasche, nahezu einig, dass 2010 ein exzellenter Jahrgang ist. Siehe nur Stephen Tanzer...
Stephen Tanzer hat geschrieben:First, the very good news: all things considered, 2010 is the finest vintage for red Burgundy I have tasted since I made my first tour of the region in 1988. The vintage has virtually all the elements of Burgundy greatness: vibrant aromas and flavors accurate to terroir; bright acidity; inner-mouth tension; intensity without weight; palpable minerality; ripe, fine-grained tannins; and the concentration, balance and backbone to support a long evolution in bottle.


...oder Allen Meadows...
Allen Meadows hat geschrieben:2010 Revisited – Perhaps even Better than Originally Previewed

My in-bottle tastings of the 2010 vintage have served to confirm that it’s a stunning vintage though very different from the vintages on either side of it. ...The 2010s are absolutely classic in every respect and should provide for superb drinking in due time. More importantly, at least if you believe as I do that a burgundy’s duty first and foremost is to accurately reflect its origins, the 2010 vintage delivers this terroir attribute in spades. Two other attributes that I very much admire about the vintage is just how fresh and vibrant it is and as such the wines are, remarkably enough, already a pleasure to drink. Note however that I would not expect this enhanced drinkability to last because once the pinot baby fat begins to recede we will see the underlying structure more clearly.
Beste Grüße, Stephan
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Mr. Tinte
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Re: Burgund 2010

Beitrag von Mr. Tinte »

Heute eine Ausnahme und damit ein Wein im Glas:
Vincent Girardin 2010 Bourgogne Les Vielles Vignes
In der Nase rote Beeren, ein Hauch Nelken, trotzdem kühl, Gewürze, wirkt wild und gefällt. Im Gaumen typischer, dichter und tanninbetonter Pinot, streng mit kräftiger, jugendlicher Säure, am Schluss ein Hauch Kaffee und eine Süsse, die im aktuellen Stadium nicht ganz eingebunden ist und wenig bis gar nichts zum Schmelz beiträgt. Für einen Village erstaunlicher Abgang. Tja, sogar adstringierend und damit viel zu jung! Dieser Jahrgang bestätigt widereinmal, dass es sich um einen Langsträckenläufer handelt. Das Potenzial scheint gross, alle Elemente sind da. Nur machen die Weine aktuell wenig Spass. Vergessen und 08/07 er trinken!

Trinken 2015-2020

Von mir 88+ GPoints (Potenzial für 89/90 Punkte)
Liebe Grüsse,

Goce
argentum
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Re: Burgund 2010

Beitrag von argentum »

Ciao Goce

kann mir gut vorstellen, dass die 10er jetzt etwas unangenehmer zu geniessen sind. Aber die 08er find ich persönlich erst ab Bourgogne attackierbar, Villages würde ich noch 2-3 Jahre ruhen lassen (bei den Roten), da die Matiere dort sich noch etwas finden muss und man viel verschenkt, bei diesem doch speziellen Jahrgang. 07er trinken sich hingegen sehr schön auch auf 1er Niveau wie ich diese Woche und in der Zeit zuvor schon feststellen durfte...
Gruss
Philipp

http://www.pinotphil.tumblr.com

In vinum veritas - lassum bev amo ün
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Mr. Tinte
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Re: Burgund 2010

Beitrag von Mr. Tinte »

Hoi Philipp,

Enjoy Burgundy! Ich versuch mich aktuell wieder lieber an die CH Pinots
Liebe Grüsse,

Goce
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