Bordeaux 2010

Medoc und seine Appellationen, Bourg und Umgebung, Fronsac, Pomerol, Saint Emilion und Umgebung, Entre Deux Mers, Graves und Pessac-Leognan, Sauternes und Co.
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octopussy
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Re: Bordeaux 2010

Beitrag von octopussy »

weinfex hat geschrieben: genau aus diesem Grund ist es auch nonsens, immer früher
die Weine in irgendwelchen Verkostungen zu präsentieren.
Die Weine verändern sich in diesem Stadium in einem sehr
schnellen Tempo, sodass bereits eine einzige Woche "Weiterentwicklung"
sehr grosse Veränderungen mit sich bringen kann...
Nicht die Frage des Zeitpunkts der Präsentation, aber die Frage des Veröffentlichens von Verkostungsnotizen adressiert Jancis Robinson heute. Sie würde am liebsten erst dann mit ihren Einzel-VKNs rauskommen, wenn alle namhaften Chateaux mit ihren Preisen draußen sind. Der Vorteil wäre, dass man auch auf das Preis-/Leistungsverhältnis eingehen könnte. Die Nachteile nennt sie selbst. Erstens verändern sich die Preise im Rahmen einer Sub-Kampagne noch. Zweitens kann die späte Veröffentlichung dazu führen, dass man nicht mehr beachtet wird, weil alle Leute schon ihre Bestellungen auf Basis der VKNs von Parker, WS & Co. aufgegeben haben. Ihre Lösung sieht so aus, dass sie versuchen will, auch andere namhafte Verkoster dazu zu bewegen, erst später mit den Notizen an die Öffentlichkeit zu gehen.

Interessant finde ich einige Untertöne in ihrem Beitrag, die man etwas deutlicher auch woanders liest. Mir scheint, als ob immer mehr Wein-Journalisten daran zweifeln, ob sie in dem (letztlich aus Sicht der Chateaux und Négotiants genialen) System des Verkaufs von Bordeaux-Weinen in ihrer angestammten Rolle noch mitmachen wollen. James Suckling scheint jedoch nicht zu diesen Zweiflern zu gehören :evil: :lol:.
Beste Grüße, Stephan
weinfex
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Re: Bordeaux 2010

Beitrag von weinfex »

Ich zweifle mal ganz stark an der
Umsetzungsfähigkeit Ihres "Projektes"... ;)

Desweiteren wäre Sie dann keine Weinkritikerin mehr,
sondern eine Weinpreiskritikerin... :lol:

Und jetzt ganz im Ernst, bei deutlich mehr als die
Hälfte aller an der Subs teilnehmenden Chateaus
sind die Preise im Vorfeld mehr oder weniger klar
vorherzusagen, denn da gibt es keine wirklichen
"Preissprünge". Bei den verbleibenden Gütern
bewegen wir uns inzwischen so oder so in einer Grössenordnung,
wo der Preis in Bezug auf die Qualität, eine von mehreren
Kriterien darstellt, ob man ihn kauft oder nicht...
Auf den Punkt gebracht, ich weiss nicht so richtig,
was Sie sich davon eigentlich versprechen würde... ;)
Grüsse weinfex
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octopussy
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Re: Bordeaux 2010

Beitrag von octopussy »

weinfex hat geschrieben: Auf den Punkt gebracht, ich weiss nicht so richtig,
was Sie sich davon eigentlich versprechen würde... ;)
Ich schon. Der Gedanke ist m.E. auf dem Papier richtig. Das Subskriptionssystem ist ja nahezu einzigartig. Da außer einigen professionellen/semi-professionellen Journalisten und Einkäufern niemand die Weine probieren kann, bevor sie auf den Markt kommen, bleibt einem als Konsument nichts anderes übrig als entweder allein im Vertrauen auf die Qualität der Vorjahre zu kaufen oder auf die Einschätzung der professionellen/semi-professionellen Verkoster zu vertrauen. Das gilt natürlich nur, wenn man nicht bis zur Arrivage warten oder sich frühzeitig bestimmte eher seltene Weine oder vom Standard abweichende Größen sichern will.

Man sollte sich nichts vormachen, der Kauf nach Punkten/Verkoster-Einschätzung macht einen großen Anteil aus. Das gilt m.E. auch gerade deshalb, weil das im Vergleich zu anderen Anbaugebieten eher "distanzierte" Verhältnis zwischen Weingut und Käufer einfach keine so große Kundentreue mit sich bringt. Weil das so ist, haben die Einschätzungen der Professionellen einen erheblich höheren Stellenwert als z.B. bei Weinen aus dem Burgund, von der Loire, aus dem Elsass oder auch aus Deutschland. Wenn die Punkte rauskommen, bevor die Preise rauskommen, dann gibt man den Chateaux eine Steilvorlage für höhere Preise jedenfalls für die hochbewerteten Weine. Werden erst die Preise veröffentlicht, bevor die Punkte kommen, ist das Risiko für die Chateaux, sich zu verschätzen erheblich höher, was jedenfalls in der Theorie zu einer realistischeren Ansetzung der Preise führen könnte. In der Praxis würden wahrscheinlich vor den maßgeblichen Punkten nur Mini-Tranchen rausgehauen werden. Sind dann die Punkte da, wird die eigentliche Menge verkauft.

Im Ergebnis würde es daher wahrscheinlich auch nichts ändern, wenn eine Mehrzahl der Verkoster ihre Notizen erst später veröffentlichen :(.
Beste Grüße, Stephan
weinfex
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Re: Bordeaux 2010

Beitrag von weinfex »

octopussy hat geschrieben:
...Im Ergebnis würde es daher wahrscheinlich auch nichts ändern, wenn eine Mehrzahl der Verkoster ihre Notizen erst später veröffentlichen :(.
Besser hätte ich es nicht ausdrücken können... :D

Aber noch eine gegensätzliche Betrachtung hinzufügend,
natürlich wurde und wird nach Bewertungen von Weinkritikern
gekauft, nur die Bedeutung sehe ich von Jahr zu Jahr schwinden,
und diese Entwicklung verändert den ganzen Brodeauxmarkt
radikal. Spätestens mit "der Rente von Parker" wird nichts mehr
so sein, wie es noch in Teilen jetzt ist, bzw. mal war...
Grüsse weinfex
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innauen
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Re: Bordeaux 2010

Beitrag von innauen »

Hallo,

im Decanter findet eine erste Vorberichterstattung für die Anfang April stattfindenden Verkostungen statt. Danach scheint der amerikanische Markt zurückzukommen (was sich bei gleichbleibender oder steigernder Nachfrage aus Fernost zu einem Nachfrageplus führen könnte). Zugleich ist der Jahrgang am rechten Ufer was die Eckwerte Alkohol, Reife und Tannine anbelangt wohl nicht unproblematisch. Das wäre dann eine Gemeinsamkeit mit 2009 - bei allen sonstigen stilistischen Unterschieden:

http://www.decanter.com/news/wine-news/ ... on-tasting

Grüße,

wolf
„Es war viel mehr.“

Johnny Depp dementiert, 30.000 Dollar im Monat für Alkohol ausgegeben zu haben. (Quelle: „B.Z.“)
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harti
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Re: Bordeaux 2010

Beitrag von harti »

octopussy hat geschrieben:Man sollte sich nichts vormachen, der Kauf nach Punkten/Verkoster-Einschätzung macht einen großen Anteil aus. Das gilt m.E. auch gerade deshalb, weil das im Vergleich zu anderen Anbaugebieten eher "distanzierte" Verhältnis zwischen Weingut und Käufer einfach keine so große Kundentreue mit sich bringt. Weil das so ist, haben die Einschätzungen der Professionellen einen erheblich höheren Stellenwert als z.B. bei Weinen aus dem Burgund, von der Loire, aus dem Elsass oder auch aus Deutschland. Wenn die Punkte rauskommen, bevor die Preise rauskommen, dann gibt man den Chateaux eine Steilvorlage für höhere Preise jedenfalls für die hochbewerteten Weine. Werden erst die Preise veröffentlicht, bevor die Punkte kommen, ist das Risiko für die Chateaux, sich zu verschätzen erheblich höher, was jedenfalls in der Theorie zu einer realistischeren Ansetzung der Preise führen könnte. In der Praxis würden wahrscheinlich vor den maßgeblichen Punkten nur Mini-Tranchen rausgehauen werden. Sind dann die Punkte da, wird die eigentliche Menge verkauft.
Diese Einschätzung teil ich nicht in allen Punkten:

(1) Die Weinerzeuger wissen selbst ziemlich genau, was sie im Keller haben. Dazu brauchen sie nicht die Einschätzung von Weinjournalisten, die im Zweifelsfall weniger Ahnung von der Materie haben als sie selbst.

(2) Es gibt mehr mündige Verbraucher als man gemeinhin annimmt, soll heißen: Wenn Weine eines bestimmten Weingutes den Geschmack eines Konsumenten treffen, wird er die Weine trotzdem kaufen, (fast) egal, was Parker und Co. sagen. Wenn nicht in der Subskription, spätestens dann, wenn er die Weine selbst verkostet hat.

(3) Es gibt innerhalb der professionellen Verkosterschar keine einheitlichen Beurteilungen, allenfalls eine grobe Tendenz. Der eine Journalist wird den einen Wein gut finden, der andere nicht. Für den Konsumenten kommt damit die Unsicherheit hinzu, voraussehen zu müssen, welcher Journalist nun (zufällig?) Recht hatte und welcher nicht.

Grüße

Hartmut
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octopussy
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Re: Bordeaux 2010

Beitrag von octopussy »

weinfex hat geschrieben: Aber noch eine gegensätzliche Betrachtung hinzufügend,
natürlich wurde und wird nach Bewertungen von Weinkritikern
gekauft, nur die Bedeutung sehe ich von Jahr zu Jahr schwinden,
und diese Entwicklung verändert den ganzen Bordeauxmarkt
radikal. Spätestens mit "der Rente von Parker" wird nichts mehr
so sein, wie es noch in Teilen jetzt ist, bzw. mal war...
Hallo Andreas,
das finde ich interessant und halte ich auch für durchaus wahrscheinlich. Wie ist Deine Prognose, worauf die Konsumenten zukünftig achten werden?
harti hat geschrieben: Diese Einschätzung teil ich nicht in allen Punkten:

(1) Die Weinerzeuger wissen selbst ziemlich genau, was sie im Keller haben. Dazu brauchen sie nicht die Einschätzung von Weinjournalisten, die im Zweifelsfall weniger Ahnung von der Materie haben als sie selbst.

(2) Es gibt mehr mündige Verbraucher als man gemeinhin annimmt, soll heißen: Wenn Weine eines bestimmten Weingutes den Geschmack eines Konsumenten treffen, wird er die Weine trotzdem kaufen, (fast) egal, was Parker und Co. sagen. Wenn nicht in der Subskription, spätestens dann, wenn er die Weine selbst verkostet hat.

(3) Es gibt innerhalb der professionellen Verkosterschar keine einheitlichen Beurteilungen, allenfalls eine grobe Tendenz. Der eine Journalist wird den einen Wein gut finden, der andere nicht. Für den Konsumenten kommt damit die Unsicherheit hinzu, voraussehen zu müssen, welcher Journalist nun (zufällig?) Recht hatte und welcher nicht.
Hallo Hartmut,

das ist zwar das Idealbild. Ohne es genau zu wissen oder Belege zu haben, ist mein Eindruck aber ein anderer:

ad (1): Wenn das so wäre, müsste man nicht die ganzen Journalisten zu den Primeur-Verkostungen einladen. Dann bräuchte man auch nicht die immer gleichen Berater, die den Châteaux zeigen, wie man einen punktetauglichen Wein macht :twisted: ;) :mrgreen: . Letzeres habe ich jetzt bewusst übertrieben formuliert. Aber man kann sich doch schon fragen, warum kaum ein namhaftes Chateaux ohne externen Berater auskommt.

ad (2): Das kann sein. Gerade Märkte, bei denen sich der Geschmack noch festigt, (siehe z.B. derzeit China, lange Zeit USA) achten aber nach meiner Vermutung viel stärker auf die Einschätzungen der für sie jeweils relevanten Journalisten als z.B. hierzulande oder in Frankreich selbst.

ad (3): Stimmt. Die Tendenzen sind aber gar nicht so grob. Wirklich polarisierende Weine sind eher die Ausnahme. Zudem glaube ich, dass viele Leute auf einen Mittelwert gucken (siehe z.B. auch die Bordoverview Seite) oder zuerst auf Parker gucken und sich dann vergewissern, ob niemand anders den Wein verreißt.
Beste Grüße, Stephan
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octopussy
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Re: Bordeaux 2010

Beitrag von octopussy »

Der oben kurz beschriebene Beitrag von Jancis Robinson zum VÖ-Zeitpunkt für die Notizen zu den Bordeaux-en-primeur Weinen und eine Replik des Wine Spectator zu der gleichen Frage ist jetzt auch frei verfügbar für alle, die es interessiert:

http://www.jancisrobinson.com/articles/a201103204.html
Beste Grüße, Stephan
BerlinKitchen
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Mein erster 2010 Bordeaux

Beitrag von BerlinKitchen »

Dem Weinjournalisten Panos Kakaviatos/DECANTER und dem Besitzer Didier Cuvelier sei Dank, gestern Abend konnte ich meinen ersten 2010 Bordeaux verkosten.

Hinweis: hier haben wir ein *sample*

2010 Ch. Léoville Poyferré
WOW, ich bin schwer beeindruckt von der Qualität. Wunderschöne seidige Textur, natürlich mit big Frucht, kräftige Säure (höher als 2009!) und großartiger Struktur. Eleganz&Grazie und BALANCE. Alles ist ungemein harmonisch verwoben. So offen und einfach zu verkosten mit 14%.
Der Besitzer Didier Cuvelier vergleicht 2010 mit 2005, für mich erinnerte er an den 96er, da ich später noch einen grandiosen 1996 Léoville Poyferré verkostet habe (95 Punkte).
Wirklich kein Märchen bzw. Winzer-Poesie, 2010 scheint wirklich herausragend zu sein in Bordeaux.
94/100

Bild
"Ein Leben ohne Riesling ist zwar möglich, aber sinnlos!"
Frankie Wilberforce
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Re: Bordeaux 2010

Beitrag von Frankie Wilberforce »

Wie jedes Jahr vor, während und nach der Verkostungskampagne in Bordeaux, die immer wiederkehrenden Diskussionen über den Sinn und Zweck der Geheinmniskrämerei der Preisfindung, vor oder nach den veröffentlichten Bewertungen von Parker & Co. :arrow: Die Preise machen eh die Besitzer der Chateaux, und es findet sich global immer Jemand der kauft. :lol:
Who cares :?:
Grüße Armin

Sie fragen mich nach den besten Wein, den ich getrunken habe? Der ist wahrscheinlich im nächsten Glas ...
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