Hallo,
vor ein paar Wochen bin ich über einen Artikel gestolpert,
Sensory and chemical drivers of wine minerality aroma: An application to Chablis wines [1],
[Link]. Der Artikel behandelt eine Fallstudie von Chablis-Weinen mit dem Ziel eine Verbindung zwischen wahrgenommener
Mineralität und der chemischen Zusammensetzung mit der Weinlage zu etablieren:
The goal of this work was to evaluate the effect of vineyard position on the minerality of wines and to establish relationships between minerality scores, sensory descriptors and chemical composition.
Eingangs wird unter anderem auf den nicht gut definierten Begriff
Mineralität eingegangen: Je nach Kultur und Erfahrung von Verkostern gibt es sehr unterschiedliche Wahrnehmungen, die mit diesem Begriff assoziiert sind. Häufiger sind es sensorische Deskriptoren von reduktiven Noten (z.B. Schwefel, Pappe, Feuerstein, Rauch, Kalk, Kreide, nasser Stein) bei gleichzeitig schwacher Ausprägung von Noten wie tropischen Früchten, Butter, Sahnekaramell, Vanille, etc. Der Begriff wird aber auch für die taktile Wahrnehmung von Säure benutzt.
In dieser Arbeit wurden den Verkostern (32
wine professionals; Produzenten aus Chablis) acht Weine vorgesetzt. In einer ersten Bewertungsrunde wurde die Intensität der
Mineralität auf eine Skala von 1-7 bewertet, getrennt für die Orthonasale- und für die Gesamtwahrnehmung. In einer zweiten Runde sollten die Partizipanten die Weine frei beschreiben. Aus der Häufigkeit der Nennung von Begriffen aus der freien Beschreibung wurden dann sensorische Deskriptoren identifiziert, die mit einer sehr starken oder sehr schwachen Ausprägung von Mineralität assoziiert sind. Für die Orthonasale-Wahrnehmung von
Mineralität z.B. diese sechs: smoky, gunflint, shellfish, chalky, white fruit and floral.
Die Stichprobe der zu verkostenden Weine setzte sich aus acht Chablis Premier Cru zusammen. Vier westlich der Serein (
Cote de Léchet, Montmains, Vaillons, Beauroy) und vier östlich (
Montée de Tonnerre, Mont de Milieu, Fourchaume, Vaucoupin). Alle Weine von einem Produzenten, aus einem Jahrgang (2013) und alle im Stahltank ausgebaut.
Der zweite Teil der Arbeit besteht aus der chemischen Charakterisierung der Weine. Es wurden die Konzentrationen von flüchtigen, aromatischen Bestandteilen, flüchtigen Schwefelverbindungen, Metallionen und Anionen bestimmt. Anschließend wird die oben erwähnte Fragestellung (ob es einen sensorischen Unterschied der Mineralität der Weine gibt, in Abhängigkeit von der Weinbergslage und kann dieser sensorische Unterschied mit der Konzentration von bestimmten chemischen Komponenten des Weins erklärt werden?) diskutiert.
Die gefundene Antwort gibt dann auch schon der
abstract wieder:
Results showed a significant effect of the river bank on wine minerality scores only in the orthonasal olfaction condition, samples from the left being more mineral than those from the right bank.
Es kann ein Unterschied in Abhängigkeit von der Lage identifiziert werden, zwar nur in der Orthonasalen-Wahrnehmung, aber signifikant. Weine westlich der Serein riechen mineralischer.
Aus den Daten der chemischen Analyse der Bestandteile der Weine (aromatische Verbinungen und Ionen) und der sensorischen Bewertung wurde eine Hauptkomponentenanalyse erstellt. Eine Hauptkomponentenanalyse ist kein wissenschaftliches Werkzeug, welches ich verwende, ich kenne mich damit nicht gut aus. Ein hier schreibender Astrophysiker ist mit Sicherheit bewanderter. Ich verstehe es jedenfalls in diesem Kontext so, dass man dadurch Korrelationen von chemischen Bestandteilen und Sensorik sichtbar machen kann. Aber eben nur die Korrelation, eine Ursache kann man nicht ableiten. Als Ergebnis dieser Hauptkomponentenanalyse zeigt sich folgendes:
Die sensorische Wahrnehmung von mineralischen Deskriptoren wie Schalentieren, kalkig, rauchig, ist mit einer hohen Konzentration von Methanthiol (MeSH) positiv korreliert. Die Wahrnemung von floralen Aromen und hellen Früchten ist mit einer höheren Konzentration von von Norisoprenoiden verbunden und negativ mit Mineralität korreliert. Ebenfalls negativ mit Mineralität ist eine höhere Konzentration von Kupfer-Ionen korreliert. Bei Weinen von der Westseite der Serein ist die Konzentration an Methanthiol höher, bei Weinen von der Ostseite ist die Konzentration an Norisoprenoiden und Kupfer höher.
This article measures the effect of the banks of the Serein river on the intensity and the sensory and chemical drivers of wine minerality aroma. The results answer our two questions: Firstly, wines belonging to the left side of the bank were scored higher in minerality than wines from the right side. Secondly, methanethiol, which is involved in the shellfish aroma and exerts a masking effect on floral and fruity nuances, is present at higher concentrations in wines from the left (more mineral) than from the right side of the river. Contrary, norisoprenoids, responsible for white fruit and floral aromas, and copper levels, linked to lower levels to free MeSH, are at higher concentrations in wine from the right (less mineral) than from the left side. However further work is needed
to verify whether these results would generalize to other vintages.
Ich denke, die gustatorische Wahrnehmung entspricht auch der Erfahrung von vielen hier im Forum. Reduktive, schwefelhaltige Aromen rufen einen mineralischen Eindruck hervor, Weine, die expressiv fruchtig oder floral sind, wirken wenig mineralisch.
Noch etwas zu flüchtigen Schwefelverbingungen: Diese haben in der Regel einen sehr niedrigen Geruchsschwellenwert. Häufig sind sie in niedriger Konzentration angenehm, in höherer Konzentration unangenehm. Auch die assoziierten Aromen unterscheiden sich: So wird Methanthiol (MeSH) in niedrigen Konzentrationen mit Kalk, Kreide, Austernschalen, etc. assoziert. In höheren Konzentrationen sind es eher pflanzliche Eindrücke und gekochter Kohl.[2]
Die ganze Storyline vom Artikel ist verführerisch und hat mich erstmal motiviert, in den letzten Wochen immer wieder Chablis zu öffnen und dem Eindruck von Mineralität nachzuverkosten. Ich meine, der Artikel hat aber auch eine Menge Limitationen und deutet mit dem Einfluss der Kupferkonzentration auf einen eher entlarvenden Terroir-Einfluss hin. Bevor ich das ausführe, will ich aber von den verkosteten Chablis-Weinen schreiben.
Samuel Billaud - Chablis - 2017:
Samuel Billaud besitzt 4 ha in Chablis (gelegen in
Petit Chablis, Chablis; Chablis Premier cru:
Vaillon, Séchet, Mont de Milieu, Montée de Tonnerre; Chablis Grand Cru:
Vaudésir, Les Clos). Ich meine, in diesen Chablis gehen auch zugekaufte Trauben. Mir hat der Wein klasse gefallen, das ist genau mein Belag. Ein klarer und feiner Wein mit einer zurückhaltenden, aber durchaus klaren Aromatik, diese ganz deutlich mineralisch.
Der nächste Wein kommt von Yannick Cadiou. Der hat 2018 erstmals eigenen Wein abgefüllt, vorher hat er als Önologe bei der Domaine Laroche in Chablis gearbeitet.
Yannick Cadiou - Chablis - 2017:
Der ist extraktreicher und kräftiger in der Farbe, als der Wein von Billaud. Aber auch nicht so präzise und weniger fein. Insgesamt finde ich den zu deutlich vom Schwefeleinsatz und der reduktiven Stilistik geprägt. Der Rebsortencharakter und die Herkunft kommen nicht besonders heraus, zu viel Schwefel und Reduktion können Winzer aller Herkunft. Besonders mineralisch ist er nicht, sondern pflanzlich-vegetabil. Ich habe noch eine Flasche, mal sehen, ob es nur ein unglücklicher Moment für den Wein war.
Der
Chablis - Gerard Duplessis - 2016 hat mittelstark gekorkt. Was dadrunter wahrnehmbar war, wirkte aber eher grün und bitter. Keine Ahnung, wie viel Bedeutung man dem beimessen sollte.
Jean Paul & Benoît Droin - Chablis - 2016:
Der changiert so etwas zwischen mineralisch und vegetabil, wobei das Pflanzliche überwiegt. Insgesamt hätte ich hier auch etwas weniger Reduktionsnoten besser gefunden. Der hat schon eine gewisse Feinheit, aber im Gesamtkontext finde ich es für den Preis zu wenig.
Ein sehr schöner Wein, stilistisch aber merklich anders, war der Chablis von Bessin.
Domaine Bessin - Chablis - Vieilles Vignes - 2016:
Mit dem Schmelz, dem Süßeeindruck und der Zitrone geht das ein wenig in Richtung Zitronen-Baiser. Der hat etwas Holz gesehen und auch mehr malolaktische Gärung als die anderen. Entsprechend finden sich kaum reduktive und wenig mineralische Noten, die auch recht schnell verschwinden. Ein schmelziger, reifer Wein, aber immer noch leicht und frisch. Homogen und klar. Sehr gut, aber wohl wenig typisch.
Allgemein fand ich, hatten die Weine gute, qualitativ hochwertige Gerbstoffe, die gekonnt dosiert sind.
Mineralisch überzeugend war nur der Wein von Bessin.
Jetzt noch mal zurück zum eingangs beschriebenen Artikel. Die Arbeit kommt zu dem Ergebnis, dass es in Abhängigkeit vom Terroir einen Unterschied in der Ausprägung der Mineralität gibt. In der Einführung machen die Autoren auch Aussagen über den Unterschied des Terroirs der betrachteten Lagen:
The present work focuses on Chablis Premier Cru AOC: This AOC is marked by a temperate oceanic climate with continental trends [...] and has the peculiarity of being planted along both banks (right and left) of the Serein river (Fig. 1). Accordingto Cannard (1999) the right bank has vineyards with predominant southwest sun exposure that can facilitate the grape maturity and the wines tend to be fruitier. On the other hand, the left bank tend to have southeast sun exposure, and thus less is conducive to maturation.
Hervorhebung von mir. Der Artikel macht zwar eine statistische Analyse für die Ergebnisse der Verkostung, unterschlägt aber, dass eine Stichprobe von acht Weinen viel zu klein ist, um eine statistisch relevante Aussage bzgl. des Terroireinflusses treffen zu können. Ich denke, dass sollte den Autoren auch bewusst gewesen sein, ein Beitrag von wissenschaflicher Relevanz ist das in diesem Kontext für mich nicht, man kann nur mutmaßen, was der Antrieb der Autoren für das Anfertigen der Studie ist. Der Lehrstuhl ist jedenfalls kein klassisch önologischer, er sitzt am
Centre for Taste and Feeding Behaviour der University of Burgundy.
Die gefundenen Korrelation von chemischen Verbindungen und Aromawahrnehmung innerhalb der Stichprobe sind natürlich trotzdem richtig, zur Wiederholung: Hohe Konzentration an schwefelhaltigen, flüchtigen Verbindungen (Methanthiol) --> mineralisch; hohe Konzentration an Norisoprenoiden und Kupfer-Ionen --> nicht mineralisch.
Jetzt kann man sich fragen, wie kommt die hohe Konzentration an Methanthiol, respektive Kupfer, im Wein zustande?
Schwefel ist ausreichend im Boden vorhanden, unabhängig vom Terroir. Im Most findet sich dann die schwefelhaltige Aminosäure
Cystein, aus der durch die Hefen die flüchtigen Schwefelverbindungen entstehen. Flüchtige Schwefelverbindungen (auch Methanthiol) werden aber auch mikrobiologisch aus anderen Schwefelquellen wie elementarem Schwefel und SO2 erzeugt. Einen viel größeren Einfluss auf die Konzentration der Vorläuferverbindungen für flüchtige Schwefelverbindungen hat also die Verwendung von Schwefel im Weinberg (wenn noch Reste auf den Schalen sind) und die Mostschwefelung. Die verwendeten Hefestämme haben auch einen Einfluss (Spontangärung) auf die resultierende Konzentration von flüchtigen Schwefelverbindungen.
Kupfer-Ionen sind nicht essentiel für Wein und kommen in der Pflanze nicht in relevanten Konzentrationen vor. Sie können ebenfall durch die Verwendung im Weinberg als Fungizid in den Wein gelangen und Kupfer ist zugelassen als Schönungmittel zum Binden von ungewollten oder zu hoch konzentrierten schwefelhaltigen flüchtigen Verbindungen im Wein. Das ist wahrscheinlich auch die Ursache für die Korrelation von der hohen Kupferkonzentration mit wenig Mineralität. Es formt sich ein nicht-flüchtiger Komplex von Kupfer(I) mit Methanthiol (Cu(I)-MeSH).
Wenn also die Ausprägung der Mineralität nicht auf die Praxis im Keller zurückzuführen ist, ist meine Vorstellung des Einflusses der Weinbergslage wenig romantisch. Da wo viel Pilzdruck ist und viel Kupfer gespritzt wird, bekommt man einen wenig mineralischen Wein.
Das ist auch ein Eindruck, den ich wahrscheinlich nicht exklusiv hier im Forum habe. Wenn Winzer es mit der Reduktion übertreiben, dann hat man nicht mehr eine dezente, angenehme Mineralität, sondern Kompost und Kohl. Ansatzweise ja auch in den von mir verkosteten Chablis von Droin und Cadiou.
Häufiger kann man die Reduktionsnoten ja recht gut wegschwenken, auch in jungen Weinen sind sie präsenter und nehmen häufiger mit der Zeit ab. Aber z.B. beim oben beschriebenen Chablis von Droin war es nicht so, nicht immer kann man diese für mich manchmal unanagenehme, pflanzliche Aromatik loswerden.
Nicht ganz unbeteiligt scheint mal wieder das Kupfer zu sein, aber jetzt wird es so richtig kompliziert: Methanthiol im Wein kann als flüchtige Komponente vorkommen, als Komplex gebunden an Kupfer (nicht flüchtig) und als oxidiertes Polysulfid (nicht flüchtig). Bei der Flaschenreife mit sehr wenig Sauerstoffeintrag agiert das Kupfer(II) gemeinsam mit Eisenionen als Redox-Katalysator und kann das oxidierte Polysulfid wieder in die reduzierte Form überführen und die Konzentration an freien Schwefelaromen (Methanthiol) wieder erhöhen.[3]
Es ist wohl recht komplex, Mineralität im Wein zu erzeugen. Beispielet bei denen es weniger gut geklappt ha sind häufig. Nach meiner Einschätzung hat die aktive Beeinflussung der Schwefelkonzentration und auch der Kupfer-Ionen einen sehr deutlichen Einfluss, Gärführung und verwendete Hefen wohl schon einen weniger ausgeprägten. Weinbergs-Grundgestein und Weinbergsexposition wohl nur einen vernachlässigbaren Einfluss.
Grüße, Josef
[1] Food Chemistry,
230, (
2017), 553–562.
[Link]
[2] Food Research International
87 ,(
2016), 152–160.
[Link]
[3] J. Agric. Food Chem.
2018,
66, 10, 2237–2246.
[Link]