Neue Lagenklassifikation im VDP ?!

Hohe Brisanz, kurzes Verfallsdatum
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UlliB
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Re: Neue Lagenklassifikation im VDP ?!

Beitrag von UlliB »

Frühlingsplätzchen hat geschrieben: Aber letztlich tummeln sich im VDP eine ganze Reihe hervorragender Winzer.
Ich glaube nicht, dass es viele Leute gibt, die das bestreiten - vermutlich nicht einmal Bernd. Trotzdem darf man sich darüber ärgern, wenn der VDP ein "Klassifizierungssystem" entwickelt, das für den Konsumenten weitgehend nutzlos ist, ihm aber höhere Preise beschert.

Aber egal; wir können hier schreiben was wir wollen - der VDP wird machen, was er will, oder vielmehr: er wird das machen, was er angesichts der widersprüchlichen Interessen seiner Mitglieder gerade eben noch durchsetzen kann. Und es braucht nicht allzu viel prophetische Gabe, um zu sehen, was dabei herauskommen wird: ein komplexes, in vielen Aspekten widersprüchliches, weitgehend unverständliches Regelwerk (halt etwas sehr Deutsches ;) ). Der Zickzackkurs der letzten 10 Jahre hat schon gezeigt, wohin die Reise geht.

Eins ist jedenfalls schon jetzt sicher: die vollmundig verkündete Absicht des VDP, das deutsche Bezeichnungsrecht zu entrümpeln und klarer zu machen, ist schon jetzt gescheitert, und zwar gründlich (alleine die bedingungslose Kapitulation auf der Seite der restsüßen Weine sorgt dafür, dass jede Veränderung oder Ergänzung auf der trockenen Seite das bisherige System nur noch komplizierter macht).

Gruß
Ulli
Bernd Schulz
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Re: Neue Lagenklassifikation im VDP ?!

Beitrag von Bernd Schulz »

Der VDP ist halt ein Interessenverband. Und die Interessen der in ihm vertretenen Winzer korrelieren vor allem in der Preisfrage nicht mit meinen eigenen :mrgreen: .

Dort, wo es Deckungspunkte gibt/geben könnte, würde ich mir vom VDP mehr Klarheit und Konsequenz wünschen. Den katastrophalen Wirrwarr, den der Verband in punkto Bezeichnungen hervorgerufen hat, hat Ulli schon sehr treffend skizziert.
Aber letztlich tummeln sich im VDP eine ganze Reihe hervorragender Winzer.
Das bestreite ich nicht :mrgreen:.

Ich schaffe es ja auch leider nicht, alle VDP-Winzer komplett zu boykottieren, obwohl der Adler am Flaschenhals für mich inzwischen das Gegenteil eines Kaufarguments darstellt. Manche VDP-Weine bieten halt (auch unter PLV-Aspekten!) so viel, dass sie es trotzdem in meinen Keller schaffen.

Beste Grüße

Bernd
Frühlingsplätzchen
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Re: Neue Lagenklassifikation im VDP ?!

Beitrag von Frühlingsplätzchen »

Selbstverständlich darf man sich darüber ärgern, ich ärgere mich, wie gesagt, ja auch darüber. Ich wollte dem VDP nur zugute halten, dass er nicht allein Preistreiber, sondern eben auch Qualitätsmotor ist.
Ansonsten fände ich es bedauerlich, wenn ein Winzer aus einer Lage nur noch einen trockenen Wein (das GG) produzieren darf, denn ich finde gerade auch den Vergleich von Weinen unterschiedlicher Stilistik aus gleicher Lage spannend. In diesem Zusammenhang sollte auch nochmal erwähnt werden, dass es sehr wohl Winzer gibt, bei denen die Prädikatsbezeichnungen im trockenen Bereich einen Hinweis auf die Stilistik des Weins geben. Das finde ich als Konsument positiv, den Wegfall der Prädikatsbezeichnungen im trockenen Bereich somit ganz klar als Verlust und Nivellierung.
Sicher kann man sich auch mit dem rheinhessischen VDP-Modell (Gutswein, Ortswein, Lagenwein) arrangieren, aber ich denke, auch dieses wird vor qualitativen Abweichungen nicht schützen, und wie immer wird man am besten seinen Wein am nach dem Winzer und nicht nach Lagenklassifikationen auswählen. Der schon mehrfach genannten Meinung schliesse ich mich an: Im Zweifel wähle ich immer den Wein aus weniger begünstigter Lage eines von mir geschätzten Winzers als den Toplagenwein eines Produzenten der mir weniger zusagt.

Viele Grüße, Roland
Dirk Würtz
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Re: Neue Lagenklassifikation im VDP ?!

Beitrag von Dirk Würtz »

Ich persönlich mag es gerne einfach, klar und überschaubar. Insofern finde ich eine Klassifizierung toll, denn die macht das Ganze einfach. Das ist allerdings nur die Theorie. In der Praxis tendiert "man" dann gerne dazu die Dinge unnötig zu verkomplizieren, ganz oft auch um sich abzuschotten. Zur aktuellen VDP-Geschichte:
Natürlich geht es um Wertschöpfung, sprich Geld verdienen. Natürlich geht es um Abgrenzung (Elitegedanke). Aber es geht natürlich auch - sollte es zumindest - um Qualität. Ich persönlich würde eine Lagenklassifizierung sehr begrüßen. Diese müßte dann aber bundesweit geschehen, von einem unabhängigen wissenschaftlichen Gremium durchgeführt werden und jedem offen stehen. Will heißen: Wer einen Weinberg in einer klassifizierten Lage besitzt, darf diesen auch als "GG" - oder wie man das auch immer nennen könnte - vermarkten. Ich würde diese Weine auch keinerlei Prüfung unterziehen. Wozu auch, der Markt (die Verbraucher) merken relativ schnell was "groß" ist und was eben nicht.
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octopussy
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Re: Neue Lagenklassifikation im VDP ?!

Beitrag von octopussy »

UlliB hat geschrieben: da bin ich mir überhaupt nicht sicher. Um mal wieder auf den VDP zurückzukommen: etliche, wenn nicht sogar die meisten GGs sind nicht besser als das, was der gleiche Winzer vorher als "Spätlese trocken" aus gleicher Lage verkauft hat (bevor die GG-Fans jetzt aufschreien: ja, es gibt löbliche Ausnahmen) - lediglich der Preis hat sich verdoppelt. Der Preisaufschlag (und richtig, Armin, der Zusatznutzen für den Konsumenten, der bereit ist, diesen Aufschlag zu bezahlen), ergibt sich ausschließlich durch die Tatsache der Klassifizierung, nicht durch eine Verbesserung der Qualität.
Hallo Ulli,

dem ist kaum etwas etwas entgegenzusetzen. Sicherlich hätte ein Teil des Preisanstiegs auch stattgefunden ohne "Großes Gewächs" Klassifikation (Inflation, gestiegene Nachfrage, geschicktes Marketing durch die VDP-Tastings, Preisabsprachen im VDP :mrgreen:, usw.). Aber ein ganz maßgeblicher Teil hat sicher auch allein mit der Klassifikation bestimmter Lagen als "Großes Gewächs Lagen" zu tun. Die Klassifikation schafft Exklusivität, und die treibt den Preis.
Bernd Schulz hat geschrieben:Beide Aussagen beißen sich für meinen Geschmack ein wenig....
Hallo Bernd,

das liest sich widersprüchlich, stimmt. Was ich damit meinte, ist Folgendes:

- Die Weinfreaks, die sich intensiv mit einem Weinbaugebiet, den Lagen und den Erzeugern beschäftigen, finden für sich erstens die besten Weine und zweitens die Weine, die das beste Preis-/Genuss-Verhältnis aufweisen. Sie brauchen letztlich keine Klassifikation, da sie ihre eigene Klassifikation vornehmen.

- Diejenigen, die keine Lust oder keine Zeit haben, sich intensiv auseinanderzusetzen, brauchen irgendeine Hilfe von außen bei der Kaufentscheidung. Das kann eine Klassifikation sein, das können Punkte sein (Parker, Gault Millau, usw.), das können persönliche Empfehlungen, Empfehlungen in Zeitungen, durch Sommeliers, usw. sein. Klar ist (das habe ich aber vorher zugegebenermaßen nicht so klar geschrieben): Guidelines durch Klassifikation muss man als Kunde bezahlen. Das höhere Prestige durch ein "Großes Gewächs" oder einen "Grand Cru" kostet den Kunden Geld. Es besteht dabei immer die Gefahr, dass man zuviel Geld für zu wenig Qualität bezahlt. Aber man kauft sich einen bestimmten Mindeststandard. Es gibt natürlich die Winzer, bei denen die Großen Gewächse nicht einmal ansatzweise mit den trockenen Spätlesen des oberen Drittels der Nicht-VDP-Mitglieder mithalten können. Aber das Problem ist m.E. eher, dass man zuviel Geld für nicht herausragende Qualität bezahlt, als dass man wirkliche Schrottqualität bekäme.
Beste Grüße, Stephan
Dirk Würtz
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Re: Neue Lagenklassifikation im VDP ?!

Beitrag von Dirk Würtz »

Eines habe ich noch vergessen:

Würde man alle Laghen klassifizieren, wären die besten sicherlich hauptsächlich in Besitz von VDPlern. Könnte ich mir jedenfalls vorstellen...
Bernd Schulz
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Re: Neue Lagenklassifikation im VDP ?!

Beitrag von Bernd Schulz »

Gut, Stephan, jetzt habe ich deinen Standpunkt verstanden und kann ihn zumindestens teilweise nachvollziehen.
Ich persönlich würde eine Lagenklassifizierung sehr begrüßen. Diese müßte dann aber bundesweit geschehen, von einem unabhängigen wissenschaftlichen Gremium durchgeführt werden und jedem offen stehen. Will heißen: Wer einen Weinberg in einer klassifizierten Lage besitzt, darf diesen auch als "GG" - oder wie man das auch immer nennen könnte - vermarkten.
Damit könnte ich mich schon eher anfreunden als mit einer VDP-internen Klassifikation. Allerdings sollte eine solche Maßnahme in regelmäßigen Abständen korrigiert und ergänzt werden, denn die Bonität von Lagen kann schwanken oder sich erst mit großere Verspätung herausstellen. Mein Lieblingsbeispiel dafür ist der Schodener Herrenberg, der bei Pigott/Johnson unter "sonstige Rebflächen" geführt wurde. Dann kamen die Lochs... -

Sehr erfreulich finde ich an der ganzen Diskussion, dass noch keiner auf den Plan getreten ist und "Bashing! Bashing!" gerufen hat, um mit diesem Modewörtchen jeden Versuch der Kritik von vorneherein zu diskreditieren. Danke euch allen dafür! :)

Beste Grüße

Bernd
Dirk Würtz
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Re: Neue Lagenklassifikation im VDP ?!

Beitrag von Dirk Würtz »

@Bernd
Das habe ich schon einmal irgendwo auf meinem Blog auch so geschrieben: Eine solche Klassifizierung muss permanent überprüft werden. Das beste Beispiel warum dies so seinmuss, ist die Rheingauer Klassifizierung der Ersten Gewächse. Die ist zwar vorbildlich - zumindest politisch - aber heute eigentlich nicht mehr up to date. Diese Lagenkarte ist eine "Zuckerkarte" und nicht mehr. Seitdem hat sich so viel verändert in Sachen Traubenreife.
BuschWein
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Re: Neue Lagenklassifikation im VDP ?!

Beitrag von BuschWein »

da bin ich mir überhaupt nicht sicher. Um mal wieder auf den VDP zurückzukommen: etliche, wenn nicht sogar die meisten GGs sind nicht besser als das, was der gleiche Winzer vorher als "Spätlese trocken" aus gleicher Lage verkauft hat (bevor die GG-Fans jetzt aufschreien: ja, es gibt löbliche Ausnahmen) - lediglich der Preis hat sich verdoppelt. Der Preisaufschlag (und richtig, Armin, der Zusatznutzen für den Konsumenten, der bereit ist, diesen Aufschlag zu bezahlen), ergibt sich ausschließlich durch die Tatsache der Klassifizierung, nicht durch eine Verbesserung der Qualität.
Sorry Ulli, da bin ich nicht bei Dir, aus meiner Sicht hat es in Deutschland und auch beim VDP in den letzten 10/15 Jahren eine deutliche Qualitätssteigerung gegeben, diese hat auch mit Mengenbeschränkungen zu tun, diese Mengenbeschränkungen haben dann halt immer auch etwas mit Preiserhöhungen zu tun.

Zum Zweiten, glaubst Du wirklich, dass die Preise der deutschen VDP-Winzer konstant geblieben wären, wenn es keine GG gegeben hätte? Dann schau doch mal auf die Preise der nicht VDP-Winzer, oder auf Preise in anderen Weinregionen der Welt, da Wein ein endliches Gut ist übersteigt die Nachfrage nach den besten Weinen immer das Angebot, heute noch mehr als früher, weil die Kommunikation hoher Güte in Zeiten von Internet einfacher und globaler ist.

Dass in Deutschland nicht NUR die Preise einzelner gehypter Weingüter hochgehen, sondern auch insgesamt hat eben auch mit einem Verband wie dem VDP zu tun, der eine gemeinsame Vermarktung betreibt. Natürlich hilft diese gemeinsame Vermarktung auch den schwächeren Mitgliedern, was tendenziell dem Weinkonsument schadet, weil er vielleicht irrtümlich einen Wein von einem "schwächeren" Mitglied des Verbands bekommt, andererseits ist ein gemeinschaftliches Auftreten auch Solidarität. Aber auch national und international hilft ein gemeinschaftlicher Marktauftritt der Vermarktung. Darin sehe ich auch nichts verwerfliches.

Zu guter Letzt bleibt das Problem, dass es insbesondere bei den trockenen Weinen in Deutschland das Problem gab, dass Weine mit Lagenbezeichnung auf dem Markt waren und sind, die überhaupt keine Lagentypizität haben, Lagenweine sind in aller Welt etwas besonderes in Deutschland waren Lagenbezeichnungen "normal", aber die Weine waren nichts besonderes. Ein Lagenwein ohne Lagentypiziät ist aber sinnlos und schadet einer Lagenkultur.
Armin
www.gutsweine.com

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UlliB
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Re: Neue Lagenklassifikation im VDP ?!

Beitrag von UlliB »

BuschWein hat geschrieben:[...] glaubst Du wirklich, dass die Preise der deutschen VDP-Winzer konstant geblieben wären, wenn es keine GG gegeben hätte?
Nein, natürlich glaube ich das nicht. Es gibt aber in Deutschland nicht sehr viele Weine außerhalb der GG-Gruppe, die in den letzten 10 Jahren um 100% und mehr teuer geworden sind, wenn man die GG-"Stammväter", nämlich die jeweilige "Spätlese trocken", als Preisbasis zu Grunde legt. Bei den VDP-Winzern ist das Sortiment unterhalb der GGs auch deutlich langsamer im Preis angestiegen. Im Übrigen war der Preisanstieg bei den GGs kein kontinuierlicher Prozess, sondern der Hauptteil der Preiserhöhung erfolgte ruckartig mit der Einführung der GGs, ist also ausschließlich auf die Klassifizierung zurückzuführen - sofern man nicht unmittelbar massive qualitätsverbessernde Maßnahmen gegenüber der Spätlese annehmen will, diese sind aber bei den meisten Weinen nicht zu erkennen gewesen.

BuschWein hat geschrieben: Zu guter Letzt bleibt das Problem, dass es insbesondere bei den trockenen Weinen in Deutschland das Problem gab, dass Weine mit Lagenbezeichnung auf dem Markt waren und sind, die überhaupt keine Lagentypizität haben, Lagenweine sind in aller Welt etwas besonderes in Deutschland waren Lagenbezeichnungen "normal", aber die Weine waren nichts besonderes. Ein Lagenwein ohne Lagentypiziät ist aber sinnlos und schadet einer Lagenkultur.
Da bin ich mal völlig einer Meinung mit Dir. Nur hilft gegen dieses Problem eine Lagenklassifizierung wenig bis nichts, denn ich kann auch aus einer Toplage mühelos einen Wein ohne jede Lagentypizität vinifizieren (viele Winzer beweisen das regelmäßig). Allenfalls fliegen durch eine Klassifizierung wirklich ungeeignete Lagen heraus - aber wer soll entscheiden, welche das sind, und auf Basis welcher Kriterien? Gelegentlich fehlt einer Lage vielleicht nur der richtige Interpret - die nackte Tatsache, dass eine bestimmte Lage nicht von einem VDP-Winzer bewirtschaftet wird, reicht jedenfalls nicht hin, um sie nicht zu klassifizieren.

Gruß
Ulli
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