Bernd Schulz hat geschrieben: ↑Mo 10. Mär 2025, 22:33
Eigentlich kann ich nicht mitreden, jedenfalls nicht auf der Basis von Erfahrungen mit Wittmann-GGs aus den letzten zwanzig Jahren. Aber ich gebe trotzdem mal meinen Senf dazu

: Bei Wittmanns Großen Gewächsen aus 2001, 2002 und 2004 war für mich die hohe Qualität auch schon im sehr jugendlichen Stadium problemlos erfahrbar, eigentlich sogar noch deutlicher als Jahre später. Das, was an Substanz, Dichte und Komplexität vorhanden war, zeigte sich auch bei den jungen Weinen selbst einem Laien wie mir ganz klar. Wieso genau sollen solche Eigenschaften im frühen Stadium (natürlich rede ich jetzt nicht von zwei Wochen nach der Abfüllung

) bei einem trockenen Riesling weitgehend verborgen bleiben?
Bitte nicht falsch verstehen: Ich habe (in einem nicht ganz mühelosen Prozess) gelernt, gereifte Weine zu lieben. Aber je älter ich werde, desto mehr tendiere ich zu der These, dass ein großer trockener Weißwein in nahezu jedem Stadium ein großer Wein ist. Es mag seltene Ausnahmen geben, die dann die Regel bestätigen - aber ich habe auch nicht so selten die Erfahrung gemacht, dass trockene Weiße aus gutem Hause, die in ihrer Jugend überwältigend wirkten, später nicht mehr genau die gleiche Faszination auf mich ausüben konnten.
Ohne dir zu nahe treten zu wollen, ich bilde mir ein, daß der neumodische, zunehmend "mineralischere" (euphemistisch für "phenolischere") Stil die GGs seit etwas über einem Jahrzehnt jung zunehmend schwierig einschätzbar macht. So hat sich zumindest in einigen Kreisen anscheinend eingebürgert, betont unfruchtige, auf "Phenolik" gestellte Weine höher einzuschätzen (und auch bevorzugt zu kaufen) als solche, die schon jung komplexe Fruchtaromen zeigen. Die GGs von heutzutage sind nicht mehr vergleichbar mit denen von vor 2012 oder so.
Schon in meinem GG-2015-Verkostungsbericht schrieb ich, daß die Weine im September 2016 viel zu unfertig seien für eine vernünftige Einschätzung, und es ist seitdem nicht besser geworden, ganz im Gegenteil. Wenn also nur noch "Dichte" und (möglichst "phenolisches") "Mundgefühl" als Metrik taugen, muss man sich darauf verlassen, daß z.B. Wittmann schon irgendwie ein brauchbares Morstein-GG auf Flasche gezogen haben wird. Aber jung zu erkennen, ob 2023 etwa ein Wiedergänger etwa des 2010ers wäre oder doch eher auf 2015 rausläuft, das halte ich für schwierig - schon weil erst jetzt ganz, ganz langsam hinreichend viele Erfahrungswerte generiert werden, wie genau denn sich die GGs über 5, 10 oder 15 Jahre entwickeln, zzgl. der vielen Stilwechsel seit Beginn des GGs, daß man solche Aussagen überhaupt treffen kann.
Ich mag aber auch völlig falsch liegen, denn für mich ist, was trockene Rieslinge angeht, die Messe seit einigen Jahren schon gesungen.
Cheers,
Ollie
Yeah, well, you know, that’s just like, uh, your opinion, man.
Parfois, quand c'est trop minéral, on s'emmerde.
"Souvent, l'élégance, c'est le refuge des faibles." (Florence Cathiard)