Wittmann

weinaffe
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Re: Wittmann

Beitrag von weinaffe »

EThC hat geschrieben: Di 11. Mär 2025, 19:11
Lars Dragl hat geschrieben: Di 11. Mär 2025, 18:49 ... und in heißen Jahren steht dann Ascorbinsäure auf der Inhaltsliste.
...die dient aber nicht der Aufsäuerung, sondern der Sauerstoffbindung, hat m.E. nichts mit der Jahrgangswärme zu tun...
Ich sag mal jein ;) Natürlich ist die Ascorbinsäure ein Reduktionsmittel und neben SO2 Hilfsmittel zum Oxidationsschutz. Sie wird aber auch gern zum Aufsäuern und Auffrischen "müder" Weine benutzt, vor allem, weil sie die Entstehung der UTA -zumindest mittelfristig- verhindert.

LG
Bodo
Ollie
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Re: Wittmann

Beitrag von Ollie »

Bernd Schulz hat geschrieben: Mo 10. Mär 2025, 22:33 Eigentlich kann ich nicht mitreden, jedenfalls nicht auf der Basis von Erfahrungen mit Wittmann-GGs aus den letzten zwanzig Jahren. Aber ich gebe trotzdem mal meinen Senf dazu :oops: : Bei Wittmanns Großen Gewächsen aus 2001, 2002 und 2004 war für mich die hohe Qualität auch schon im sehr jugendlichen Stadium problemlos erfahrbar, eigentlich sogar noch deutlicher als Jahre später. Das, was an Substanz, Dichte und Komplexität vorhanden war, zeigte sich auch bei den jungen Weinen selbst einem Laien wie mir ganz klar. Wieso genau sollen solche Eigenschaften im frühen Stadium (natürlich rede ich jetzt nicht von zwei Wochen nach der Abfüllung ;)) bei einem trockenen Riesling weitgehend verborgen bleiben?

Bitte nicht falsch verstehen: Ich habe (in einem nicht ganz mühelosen Prozess) gelernt, gereifte Weine zu lieben. Aber je älter ich werde, desto mehr tendiere ich zu der These, dass ein großer trockener Weißwein in nahezu jedem Stadium ein großer Wein ist. Es mag seltene Ausnahmen geben, die dann die Regel bestätigen - aber ich habe auch nicht so selten die Erfahrung gemacht, dass trockene Weiße aus gutem Hause, die in ihrer Jugend überwältigend wirkten, später nicht mehr genau die gleiche Faszination auf mich ausüben konnten.
Ohne dir zu nahe treten zu wollen, ich bilde mir ein, daß der neumodische, zunehmend "mineralischere" (euphemistisch für "phenolischere") Stil die GGs seit etwas über einem Jahrzehnt jung zunehmend schwierig einschätzbar macht. So hat sich zumindest in einigen Kreisen anscheinend eingebürgert, betont unfruchtige, auf "Phenolik" gestellte Weine höher einzuschätzen (und auch bevorzugt zu kaufen) als solche, die schon jung komplexe Fruchtaromen zeigen. Die GGs von heutzutage sind nicht mehr vergleichbar mit denen von vor 2012 oder so.

Schon in meinem GG-2015-Verkostungsbericht schrieb ich, daß die Weine im September 2016 viel zu unfertig seien für eine vernünftige Einschätzung, und es ist seitdem nicht besser geworden, ganz im Gegenteil. Wenn also nur noch "Dichte" und (möglichst "phenolisches") "Mundgefühl" als Metrik taugen, muss man sich darauf verlassen, daß z.B. Wittmann schon irgendwie ein brauchbares Morstein-GG auf Flasche gezogen haben wird. Aber jung zu erkennen, ob 2023 etwa ein Wiedergänger etwa des 2010ers wäre oder doch eher auf 2015 rausläuft, das halte ich für schwierig - schon weil erst jetzt ganz, ganz langsam hinreichend viele Erfahrungswerte generiert werden, wie genau denn sich die GGs über 5, 10 oder 15 Jahre entwickeln, zzgl. der vielen Stilwechsel seit Beginn des GGs, daß man solche Aussagen überhaupt treffen kann.

Ich mag aber auch völlig falsch liegen, denn für mich ist, was trockene Rieslinge angeht, die Messe seit einigen Jahren schon gesungen.

Cheers,
Ollie
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Re: Wittmann

Beitrag von EThC »

weinaffe hat geschrieben: Mi 12. Mär 2025, 17:21 Ich sag mal jein Natürlich ist die Ascorbinsäure ein Reduktionsmittel und neben SO2 Hilfsmittel zum Oxidationsschutz. Sie wird aber auch gern zum Aufsäuern und Auffrischen "müder" Weine benutzt, vor allem, weil sie die Entstehung der UTA -zumindest mittelfristig- verhindert.
...ist die pH-Reduzierung da nicht eher der Nebeneffekt? Hauptzweck ist doch die Sauerstoffbindung! Zumindest im Kraftwerksbereich / Wasserchemie ist das so, hab ich frecherweise mal ins Weinwesen transferiert und es finden sich ja auch ein paar weinige Quellen dazu...
Viele Grüße
Erich

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Re: Wittmann

Beitrag von EThC »

...hat sich in den letzten drei Jahren deutlich verbessert, ist aber auch heute weit entfernt von einem wirklichen "Vin vivant":

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Viele Grüße
Erich

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Re: Wittmann

Beitrag von Nora »

Ollie hat geschrieben: Mi 12. Mär 2025, 18:15 ...
Ohne dir zu nahe treten zu wollen, ich bilde mir ein, daß der neumodische, zunehmend "mineralischere" (euphemistisch für "phenolischere") Stil die GGs seit etwas über einem Jahrzehnt jung zunehmend schwierig einschätzbar macht. So hat sich zumindest in einigen Kreisen anscheinend eingebürgert, betont unfruchtige, auf "Phenolik" gestellte Weine höher einzuschätzen (und auch bevorzugt zu kaufen) als solche, die schon jung komplexe Fruchtaromen zeigen.
...
Cheers,
Ollie
Ollie, sehr interessant, dass du mineralisch und phenolisch gleichsetzt.

Für mich waren das bisher zwei unterschiedliche Faktoren. Von Phenolik spreche ich lediglich bei einer haptischen Wahrnehmung (die Mundschleimhäute ziehen sich zusammen, man hat ein pelziges Mundgefühl, der Wein wirkt adstringierend). Mineralik dagegen ist für mich eine gustatorische Eigenschaft (kalkig, metallisch, salzig). Mineralik meine ich kann man schon im Geruch wahrnehmen, Phenolik dagegen nicht.

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Re: Wittmann

Beitrag von Ollie »

Nora,

ich sehe das genauso wie du. Ich glaube nur nur nicht, daß (genug) andere Weintrinker das auch tun. :mrgreen:

Cheers,
Ollie
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Re: Wittmann

Beitrag von amateur des vins »

Darf ich bitte auch in eurem Club mitspielen?
Gemeinsam sind wir unauswiderstehlich! :mrgreen:
Besten Gruß, Karsten
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Re: Wittmann

Beitrag von UlliB »

Nora hat geschrieben: Do 13. Mär 2025, 08:32 Von Phenolik spreche ich lediglich bei einer haptischen Wahrnehmung (die Mundschleimhäute ziehen sich zusammen, man hat ein pelziges Mundgefühl, der Wein wirkt adstringierend). Mineralik dagegen ist für mich eine gustatorische Eigenschaft (kalkig, metallisch, salzig). Mineralik meine ich kann man schon im Geruch wahrnehmen, Phenolik dagegen nicht.
Das sehe ich auch so. Übrigens ist das ein weiterer Beweis, dass Mineralik nichts mit Mineralien zu tun hat, die haben keinen Dampfdruck und riechen deshalb auch nicht.

Dass der Begriff "Phenolik" pseudowissenschaftliches Geschwafel ist, hatte ich ja schon an anderer Stelle geschrieben. Ich weiß gar nicht, wer diesen Begriff in die Weinsprache eingeführt hat, aber man sollte demjenigen mal eine Flasche Phenolum liquefactum über dem Kopf ausgießen, dann wüsste er für den Rest seines Lebens, dass Phenole durchaus riechen können (und wie!), allerdings nicht diejenigen, die man mit Phenolik im Wein bezeichnet :evil:

Aber nun ist der Begriff halt mal in der Welt, und ich werde damit leben müssen. Ich weiß ja, was damit gemeint ist.

Gruß
Ulli
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Gerald
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Re: Wittmann

Beitrag von Gerald »

Darf ich ergänzen?

Graphit (ist geruchlos, gemeint ist vermutlich der Geruch von Bleistiften, der vom verwendeten Holz - eine Wacholderart - kommt)
Aceton (gemeint ist vermutlich Ethylacetat)
Jod (gemeint ist vermutlich der typische Meeresgeruch, der von niedermolekularen Thiolen oder Thioethern kommt)

und vieles mehr ...

Grüße
Gerald
Bernd Schulz
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Re: Wittmann

Beitrag von Bernd Schulz »

Meinen Erfahrungen nach verhält es sich so, dass die sensorischen Eindrücke, die gerne als mineralisch bezeichnet werden, beim Weißwein oft nahe an den Eindrücken, die von Gerbstoffen hervorgerufen werden, liegen. Beide Eindrücke werden gerne und oft miteinander verwechselt - das schrieb weiland schon Hofschuster, dem ich hier ausnahmsweise :twisted: Recht gebe.

Überhaupt ist es das Wesen von Begriffen, die ästhetische Phänomene beschreiben, dass ihnen eine ziemlich große Unschärfe innewohnt. Die Naturwissenschaftler unter uns stört das aus verständlichen Gründen, aber zu ändern ist daran nichts (wobei man natürlich trotzdem bemüht sein sollte, seine Eindrücke so scharf wie eben möglich zu formulieren).

Herzliche Grüße

Bernd
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