Südtirol - die Rotweine

kristof
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Re: Südtirol - die Rotweine

Beitrag von kristof »

Guter Hinweis, Danke!
Viele Grüße,

Christoph
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UlliB
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Re: Südtirol - die Rotweine

Beitrag von UlliB »

Nach gängiger Literaturmeinung sollten Vernatsch-basierte Weine nicht gut reifen und innerhalb von 2 Jahren nach der Lese ausgetrunken werden. Dass das nicht unbedingt richtig ist, bewies heute abend zur Pasta:

2006 St. Magdalener classico (Ansitz Waldgries) 13%Vol. Transparentes Ziegelrot. Typische Nase: warme, süße, sehr würzige Kirschfrucht; keinerlei Oxidationsspuren; im Gaumen dicht und saftig, lebendig, gar noch ein Hauch Tannin; angemessener Abgang, unkompliziert, stimmig. Keine wirkliche Eile nötig, wird aber nicht mehr zulegen und sollte jetzt wohl doch langsam ausgetrunken werden. 86 UP.

Bei südtiroler Weinen vermisse ich meistens einen eindeutigen Herkunftscharakter - viele Weine sind zwar gut, aber irgendwie auch etwas gesichtslos; bei Blindverkostungen lösen sie regelmäßig Rätselraten aus (für mich mittlerweile ein Geheimtipp: Herkunft nicht eindeutig zuzuordnen & gute, aber nicht herausragende Qualität = Südtirol). Interessanterweise denke ich aber gerade beim einigermaßen übel beleumundeten Vernatsch in letzter Zeit immer häufiger "typisch Südtirol". Sollte diese alte Sorte vielleicht zum Kristallisationspunkt eines eindeutig zuzuordnenden südtiroler Charakters werden?

Gruß
Ulli
olifant
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Re: Südtirol - die Rotweine

Beitrag von olifant »

UlliB hat geschrieben: Bei südtiroler Weinen vermisse ich meistens einen eindeutigen Herkunftscharakter - viele Weine sind zwar gut, aber irgendwie auch etwas gesichtslos; bei Blindverkostungen lösen sie regelmäßig Rätselraten aus (für mich mittlerweile ein Geheimtipp: Herkunft nicht eindeutig zuzuordnen & gute, aber nicht herausragende Qualität = Südtirol).
Bei Rotweinen aus den internationalen Sorten, Merlot, Cabernet Sauvignon und Cabernet Franc, ist diese Folgerung nicht von der Hand zu weisen. Hier gibt es sicher fast so viele Ausbaustile wie Produzenten.
Zudem sind die Anbaubedingungen (Disposition, Böden, Höhenlagen) und die Mikroklimata und damit die Resultate die erzielt werden können, je nach Lage innerhalb des Weinbaugebietes, also bspw. Etschtal (Meran bis Terlan), Bozen und Süden (Bozener Talkessel bis Margreid) und Überetsch (St. Pauls bis Kaltern) jeweils deutlich andere. Die vorhandenen Strukturen innerhalb Südtirols zeigen sich deutlich kleinteiliger als andernorts. Zudem ist man sich auch innerhalb der Winzerschaft nicht einig, bzw. sieht auch keine Erfordernis einen 'südtiroler' Stil zu entwickeln.
Die Kunden erhalten so eben einen 'winzerbezogenen' Wein, bzw. Weinstil, was ja nicht das schlechteste ist.
Als 'gesichtslos' könnte ich nun spontan keinen mir bekannten südtiroler Rotwein bezeichnen, vielleicht auch eben aufgrund der Tatsache, das die Weine stark winzerbezogen sind.
In Sicht auf die Rebsorte Blauburgunder würde ich aber widersprechen wollen. Sicher sind die Endergebnisse der verschiedenen Produzenten auch unterschiedlich, aber auf irgend eine Weise zeigen sich mir hier doch Weine die als südtiroler Gewächse schmeck- und erlebbar sind, zumal die besseren derselben aus örtlich eng begrenzten Gebieten des Überetsch (Eppan) und Hochlagen im Süden (Montan) stammen.
UlliB hat geschrieben: Interessanterweise denke ich aber gerade beim einigermaßen übel beleumundeten Vernatsch in letzter Zeit immer häufiger "typisch Südtirol".
Dieses 'übel beleumundet' stammt aus den Zeiten des Massenweinbaus, der in Südtirol zumeist durch Qualitätsweinbau ersetzt wurde.
Inzwischen gibt es eine derartig grosse Palette an guten und sehr guten Vernatsch (sicher, man muss Vernatsch mögen, und sich keinen Rotwein im modernen Sinn erwarten) - und diese Vernatsch sind typisch Südtirol (egal ob Kalterersee, St. Magdalener, Meraner oder schlicht Vernatsch). Ein entsprechendes Geschmacksbild gibt es bei keinem anderen Wein - auch Trollinger ist anders, obwohl die gleiche Rebsorte.
Einige Winzer experimentieren dazu noch mit alten Vernatsch-Klonen, Vernatsch-Cuvees und geänderten Ausbaustilen - es wird spannend was da noch passieren wird.
Sicher gibt es auch noch Lagrein als autochtone Rebe - hier ist aber derzeit noch, oder aber wieder Geschmacksbaustelle - ein einheitlicher Typus ist nicht zu erkennen, obwohl eine klar strukturierte Qualitätspyramide (ich sag mal 'Kretzer' - quasi Rosé, (Basis-) Lagrein und Lagrein Riserva) grundgelegt scheint. Ein klares Geschmacksbild ist weder horizontal noch vertikal definiert.
UlliB hat geschrieben: Sollte diese alte Sorte vielleicht zum Kristallisationspunkt eines eindeutig zuzuordnenden südtiroler Charakters werden?
Das wäre nicht von der Hand zu weisen, wobei ich den Blauburgunder noch mit ins Boot nehmen würde.
Beim Lagrein muss man sehen - dieser ist zwar heimisch, aber hatte bis vor 20 Jahren quasi keine Tradition (ausser als Bauernwein) im Qualitätsweinbau - und anders als beim Vernatsch, mit dem die Winzer sehr gut um zu gehen wissen, tut man sich noch schwerer ein typisches Geschmacksbild zu erzeugen.
Grüsse

Ralf

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olifant
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Re: Südtirol - die Rotweine

Beitrag von olifant »

... gestern im Glas ...

Lagrein 2009, Abtei Muri - Gries (Bozen)

dunkles bläuliches Rubinrot; opulente Heidelbeer-Kirsch-Nase mit Vanille und etwas Waldboden; recht voller Körper, dichte intensive Fruchtnoten korrespondierend zur Nase, dazu wiederum Wald- und gut eingebundene Vanillenoten, feinsandiges Tannin, schöne (eigentlich kräftige) Säure, die Frucht und Tannin sehr gut ausbalanziert; mittellanger-langer Abgang auf Frucht und Tannin, trinkige Säure - 16,5/20 op

Hat mir sehr gut gefallen ;) . Inzwischen recht moderne Stilistik bei Muris einfachem Lagrein, aber gekonnt ohne den Lagreincharakter all zu sehr zu übertünchen - eher im Gegenteil.
Grüsse

Ralf

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olifant
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Re: Südtirol - die Rotweine

Beitrag von olifant »

... gestern im Glas ...

Pinot Nero 2000, Franz Haas - Montan

transparentes Rubinrot mit leichtem Wasserrand und granatfarbenen Reflexen; feine Kirschfrucht, feines Leder und Spuren von Tabak; am Gaumen ebenfalls delikate feine Kirschfrucht und Preiselbeerkonfitüre, verwoben mit duftigem Leder und Tabaknoten, Tannine vollständig abgeschmolzen - morbide Süsse, die knackige Säure, optimal eingebunden, fällt erst nach dem Genuss der Flasche auf; langer Abgang mit schön verwobenen Reifenoten - 17/20 op

Besser kann ein südtiroler Blauburgunder dieser Kategorie kaum reifen - jetzt optimal, aber wohl kaum noch Reserven.
Grüsse

Ralf

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Re: Südtirol - die Rotweine

Beitrag von olifant »

... mal wieder zwei Südtiroler im Glas gehabt ...

Merlot Mühlweg 2000, Niedrist - Girlan
dunkles Rubinrot mit breiter granatroter Randaufhellung; Brombeere, Pflaume, schwarzer Tee, edles Holz; am Gaumen noch dichtes Mittelgewicht, gereifte Fruchtaromen korrespondierend zur Nase, Tee, Leder, gut verwobene Holznote, Tannin recht samtig, gut eingepasste Säure, harmonisch; langer Abgang auf gereifte Frucht und Tannin - 16,5/20 op

Vernatsch Freisinger 2009, KG Tramin - Tramin
recht helles glänzendes Mittelrot; typisch rotruchtige Nase (Walderdbeeren, Preiselbeeren), feiner Mandelton; am Gaumen leicht-mittelgewichtig, kristallklare rote Frucht, fein, mineralisch, feines leichtes Tannin, recht knackige Säure, elegant; langer Abgang auf feine rote Frucht und Mineral, animierende tänzelnde Säure - 16,5/20

Ein Vernatsch, klar, rein, exakt definiert, mit prägnanter Säure, eher untypisch, aber sehr animierend und Spannungsreich. War der Sieger des VernatschCup 2010 - mir gefällt dieser Vernatschtypus.
Grüsse

Ralf

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kristof
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Re: Südtirol - die Rotweine

Beitrag von kristof »

Gestern Abend:

KG Terlan, Lagrein Riserva Porphyr 2004

Holz vollständig integriert. Reife, dunkle Beerenfrüchte. Kaffee und Schokolade. Animierend, gute Länge. Dürfte jetzt am Beginn der Reifephase stehen - war aber meine Letzte.
Viele Grüße,

Christoph
olifant
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Re: Südtirol - die Rotweine

Beitrag von olifant »

... die letzte Zeit öfters im Glas, aus einer günstig erworbenen Partie ...

Blauburgunder Riserva 1994, Hofstätter - Tramin

dunkles Rubin-Granat, leichter Wasserrand mit teilw. ziegelroter Aufhellung; Leder, Schwarztee, auch Rumtopf und süsse Kirsche; am Gaumen zunächst recht presente Säure, Reste von recht harten Tanninen, mit Belüftung (längere Zeit in der geöffneten Flasche) je nach Flasche gute bis sehr gute Balance, teilw. Kirschnoten, Rumtopf, Pflaumenmus, schwarzer Tee, Leder, Holzfass, Laub und Teer, je nach Flasche wirkt der Wein etwas karg und hart mit kräftiger Säure, oder in sehr guter Balance mit einem baroloähnlichen Aromenspiel; je nach Flasche mittellanger - langer Abgang, zwischen karg und hart und nuanciert gereiften Noten - 14,5-16,5/20 op

Der äussere Zustand der Flaschen ist sehr gut, Füllniveau -into Neck-, die Korken zeigen unter der Kapsel bräunliche Verschmutzung, die Korken sind durchfeuchtet.
Der äussere Zuständ lässt bis dato nicht auf den Inhalt schliessen, sehr gute Flaschen wechseln mit deutlich gealterten (Oxidationsnoten) ab -trinkbar waren sie alle, die Frage nur wie gross der Genuss ausfiel.
Summa sumarum - Respekt für einen 17jährigen Blauburgunder aus einem 'klassischen' Jahr.
Grüsse

Ralf

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Re: Südtirol - die Rotweine

Beitrag von olifant »

... vor kurzem im Glas ...

2008 Rot IGT, Weingut Baron Widman - Kurtatsch

mittleres glänzendes Rubinrot; viel Rote und etwas schwarze Beeren, Fruchtwürze, etwas Paprika; am Gaumen mittelgewichtig, Fruchtnoten korrespondierend zur Nase (rote und schwarze Johannisbeeren, Waldhimbeere ...), dazu sehr würzig-gewürzige Fruchtnoten (wie eine Mischung aus eingekochten Schlehen und Cassis) im Hintergrund, leicht unreifes dennoch feines Tannin, trinkig-süffige Säure; mittellanger fruchtiger Abgang mit angenehmer Säure/Tannin-Balance - 15,5-16/20 op

In 2008 hatten die südtiroler Roten Probleme mit dem Ausreifen. Im besten Fall fruchtig-würzig-süffige Tropfen, die sich dafür sehr trinkanimierend zeigen.
Aus diesem Jahrgang hat der Baron kein 1.Gewächs, Auhof, erzeugt. Sämtliches Leesegut wanderte in den roten Zweitwein.
Grüsse

Ralf

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Erdener Prälat
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Re: Südtirol - die Rotweine

Beitrag von Erdener Prälat »

Nach den jungen Bordeaux-Schnäppchen, die mir leider gar nicht gefielen, entschädigte mich dieser leichte, aber schöne Südtiroler. Offenbar gab es in 2010 eine "Alkoholfalle"; dieser Wein ist da aber angenehm moderat.
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