Matthias Hilse hat geschrieben:Eine Hype, wie um diese beiden Weine, würde ja nicht entstehen, wenn das Publikum hinreichend glaubte, es gäbe Alternativen. Vielleicht ist das aber auch nur bei uns in Deutschland so, denn dass Dinge alternativlos seien, ist uns ja hinreichend indoktriniert worden

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Hm. Wollte ich den Apologeten ueberteuerter Weine geben, ich schriebe im Strang "Burgund 2018" und schwadronierte davon, dass man Top-Vosne-Romanée ganz zufriedenstellend mit Top-Gevrey-Chambertin substituieren koenne, Walporzheimer Gaerkammer zu diesem Zwecke hingegen voellig ausscheide. Spielen wir also dieses Spiel.
Allein mir faellt nicht so recht ein, womit man z.B. einen Les Carmes ersetzen koennte. Ich hebe explizit
nicht auf die Qualitaet ab, sondern tatsaechlich auf die Stilistik. Denn der Hype ist ja nicht zuletzt auch dadurch getrieben, dass es sich bei Les Carmes um einen in seiner Rebsortenzusammensetzung und Vinifikation voellig idiosynkratischen Wein (wie gesagt: Qualitaet mal beiseite gelassen).
Cabernet Franc ist ja der Pinot Noir des sozialmedial gelangweilten Mannes, und seit dem Clos-Rougeard-Urknall ist diese Rebsorte ziemlich
en vogue. Figeac oder Lafleur will ich mir nicht leisten, Trotte Vieille ist nun auch ein preislicher (und eventuell qualitativer) Wackelkandidat, dann bleibt ja nicht viel uebrig. Das hat ja schon burgundische Dimensionen - uebrigens auch Mengenmaessig, denn Les Carmes its ein vergleichsweises Miniweingut; soviel Pferde koennen da bei Wurzelmond gar nicht durch den Weinberg traben, wie bei Pontet Canet Kunden veraeppelt werden.
Krassgesagt: Les Carmes ist der ideale Wein fuer die postironische Post-Hipster-Kultur, die auch eine huebsche, aber nicht
zu verrueckte Geschichte bekommt: Winzer von der Rhone zeigt als underdog den Alten Herrschaften mal, wie man authenitische Wein macht (was kommt als naechste: Brauereispross bringt verfallenes Sarrweingut auf Kurs?), eine Weinerei, die ausseht wie ein U-Boot, komfortable Sicherheit (wo Haut Brion draufsteht, wird schon keine Fehler drinsein), und alles kombiniert mit einer bitte nicht zu herausforderndenden Heldenstory à la Star Wars (natuerlich ist Les Carmes eine Mary Sue, weil
"It's the terroir, stupid!", der Rest ist
plot armour). Ein perfekt auf den Zeitgeist abgestimmtes Narrativ, in dem Les Carmes
tatsaechlich der burgundischste aller Bordeaux ist. Meta, natuerlich, denn "im Wortsinne" ist sowas von Neunziger, Oida.
Zumal nun endlich mal wieder Spekulationsgewinne moeglich sind in Groessenordnungen, wie sie schon sehr, sehr lange nicht mehr drin waren, was auch das tatsaechliche (naemlich finanzielle) Risiko mindert: Wenn mir der Wein nicht gefaellt, verscheuere ich ihn nach der Arrivage einfach fuers Doppelte, was mit gleich dreifachen Distinktionsgewinn bringt: Ich bin der wahre Kenner, der den laecherlichen Wein an Punktetrinker mit zu viel Geld verkauft, und bei Orange-Wine-Proben im Freundeskreis kriege ich mit der Story auch noch das Maedchen. Deal? Deal!
Also, womit nochmal soll ich Les Carmes substituieren wollen? Und, weil oben Mr. I sehr richtig vom Jagdfieber geschrieben hat: womit das
tolle Gefuehl? Herr Hilse, wenn man Ihren Gedanken zuende fuehrt, landet man bei der Substitution der Subskription. Und das kann niemand wollen, schon gar nicht der Konsument.
Cheers,
Ollie
Yeah, well, you know, that’s just like, uh, your opinion, man.
Parfois, quand c'est trop minéral, on s'emmerde.
"Souvent, l'élégance, c'est le refuge des faibles." (Florence Cathiard)