Bordeaux 2018

Medoc und seine Appellationen, Bourg und Umgebung, Fronsac, Pomerol, Saint Emilion und Umgebung, Entre Deux Mers, Graves und Pessac-Leognan, Sauternes und Co.
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innauen
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Re: Bordeaux 2018

Beitrag von innauen »

UlliB hat geschrieben:Poujeaux (~29 € EVP) und Cos Labory (~37 € EVP) sind raus. Heute geht es echt Schlag auf Schlag.

Gruß
Ulli
Diese Kampagne verläuft ungewöhnlich. Ungewöhnlich schnell. "Jahrhundertjahrgänge" laufen gewöhnlicherweise langsam. Die Kampagne 2009 beispielsweise verlief geradezu zäh. Und jetzt kommen mehrere klassifizierte Gewächse pro Tag. Seltsam.

Grüße,

wolf
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Ollie
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Re: Bordeaux 2018

Beitrag von Ollie »

Matthias Hilse hat geschrieben:Eine Hype, wie um diese beiden Weine, würde ja nicht entstehen, wenn das Publikum hinreichend glaubte, es gäbe Alternativen. Vielleicht ist das aber auch nur bei uns in Deutschland so, denn dass Dinge alternativlos seien, ist uns ja hinreichend indoktriniert worden ;) .
Hm. Wollte ich den Apologeten ueberteuerter Weine geben, ich schriebe im Strang "Burgund 2018" und schwadronierte davon, dass man Top-Vosne-Romanée ganz zufriedenstellend mit Top-Gevrey-Chambertin substituieren koenne, Walporzheimer Gaerkammer zu diesem Zwecke hingegen voellig ausscheide. Spielen wir also dieses Spiel.

Allein mir faellt nicht so recht ein, womit man z.B. einen Les Carmes ersetzen koennte. Ich hebe explizit nicht auf die Qualitaet ab, sondern tatsaechlich auf die Stilistik. Denn der Hype ist ja nicht zuletzt auch dadurch getrieben, dass es sich bei Les Carmes um einen in seiner Rebsortenzusammensetzung und Vinifikation voellig idiosynkratischen Wein (wie gesagt: Qualitaet mal beiseite gelassen).

Cabernet Franc ist ja der Pinot Noir des sozialmedial gelangweilten Mannes, und seit dem Clos-Rougeard-Urknall ist diese Rebsorte ziemlich en vogue. Figeac oder Lafleur will ich mir nicht leisten, Trotte Vieille ist nun auch ein preislicher (und eventuell qualitativer) Wackelkandidat, dann bleibt ja nicht viel uebrig. Das hat ja schon burgundische Dimensionen - uebrigens auch Mengenmaessig, denn Les Carmes its ein vergleichsweises Miniweingut; soviel Pferde koennen da bei Wurzelmond gar nicht durch den Weinberg traben, wie bei Pontet Canet Kunden veraeppelt werden.

Krassgesagt: Les Carmes ist der ideale Wein fuer die postironische Post-Hipster-Kultur, die auch eine huebsche, aber nicht zu verrueckte Geschichte bekommt: Winzer von der Rhone zeigt als underdog den Alten Herrschaften mal, wie man authenitische Wein macht (was kommt als naechste: Brauereispross bringt verfallenes Sarrweingut auf Kurs?), eine Weinerei, die ausseht wie ein U-Boot, komfortable Sicherheit (wo Haut Brion draufsteht, wird schon keine Fehler drinsein), und alles kombiniert mit einer bitte nicht zu herausforderndenden Heldenstory à la Star Wars (natuerlich ist Les Carmes eine Mary Sue, weil "It's the terroir, stupid!", der Rest ist plot armour). Ein perfekt auf den Zeitgeist abgestimmtes Narrativ, in dem Les Carmes tatsaechlich der burgundischste aller Bordeaux ist. Meta, natuerlich, denn "im Wortsinne" ist sowas von Neunziger, Oida.

Zumal nun endlich mal wieder Spekulationsgewinne moeglich sind in Groessenordnungen, wie sie schon sehr, sehr lange nicht mehr drin waren, was auch das tatsaechliche (naemlich finanzielle) Risiko mindert: Wenn mir der Wein nicht gefaellt, verscheuere ich ihn nach der Arrivage einfach fuers Doppelte, was mit gleich dreifachen Distinktionsgewinn bringt: Ich bin der wahre Kenner, der den laecherlichen Wein an Punktetrinker mit zu viel Geld verkauft, und bei Orange-Wine-Proben im Freundeskreis kriege ich mit der Story auch noch das Maedchen. Deal? Deal!

Also, womit nochmal soll ich Les Carmes substituieren wollen? Und, weil oben Mr. I sehr richtig vom Jagdfieber geschrieben hat: womit das tolle Gefuehl? Herr Hilse, wenn man Ihren Gedanken zuende fuehrt, landet man bei der Substitution der Subskription. Und das kann niemand wollen, schon gar nicht der Konsument.

Cheers,
Ollie
Zuletzt geändert von Ollie am Mi 8. Mai 2019, 09:12, insgesamt 1-mal geändert.
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UlliB
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Re: Bordeaux 2018

Beitrag von UlliB »

innauen hat geschrieben: Diese Kampagne verläuft ungewöhnlich. Ungewöhnlich schnell. "Jahrhundertjahrgänge" laufen gewöhnlicherweise langsam. Die Kampagne 2009 beispielsweise verlief geradezu zäh. Und jetzt kommen mehrere klassifizierte Gewächse pro Tag. Seltsam.
Ja. Im Grunde ist die Bühne für die blue chips jetzt bereitet, zumindest im Médoc. Es müsste dann halt mal einer von denen herauskommen, und das kann erfahrungsgemäß dauern... diese Woche rechne ich nicht mehr damit, zumal morgen Pause ist. Aber nächste Woche könnte es so weit sein.

Unter Umständen sind wir vor Ende Mai durch. Das wäre tatsächlich ein Rekord - selbst die 17er Kampagne (bestimmt kein "Jahrhundertjahrgang") hat länger gedauert.

Gruß
Ulli
Ollie
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Re: Bordeaux 2018

Beitrag von Ollie »

Es haben ja auch alle relevanten Kritiker ihre Wertungen publiziert, der Wein muss vor dem Brexit raus sein (idealerweise vor der Europawahl), um der eventuell miesen Stimmung zu entgehen, die Weltwirtschaft schwaechelt (China?), alles Gruende, jetzt das Geld zu machen.

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Ollie
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octopussy
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Re: Bordeaux 2018

Beitrag von octopussy »

Ollie hat geschrieben: Allein mir faellt nicht so recht ein, womit man z.B. einen Les Carmes ersetzen koennte. Ich hebe explizit nicht auf die Qualitaet ab, sondern tatsaechlich auf die Stilistik. Denn der Hype ist ja nicht zuletzt auch dadurch getrieben, dass es sich bei Les Carmes um einen in seiner Rebsortenzusammensetzung und Vinifikation voellig idiosynkratischen Wein (wie gesagt: Qualitaet mal beiseite gelassen).

Cabernet Franc ist ja der Pinot Noir des sozialmedial gelangweilten Mannes, und seit dem Clos-Rougeard-Urknall ist diese Rebsorte ziemlich en vogue. Figeac oder Lafleur will ich mir nicht leisten, Trotte Vieille ist nun auch ein preislicher (und eventuell qualitativer) Wackelkandidat, dann bleibt ja nicht viel uebrig. Das hat ja schon burgundische Dimensionen - uebrigens auch Mengenmaessig, denn Les Carmes its ein vergleichsweises Miniweingut; soviel Pferde koennen da bei Wurzelmond gar nicht durch den Weinberg traben, wie bei Pontet Canet Kunden veraeppelt werden.

Krassgesagt: Les Carmes ist der ideale Wein fuer die postironische Post-Hipster-Kultur, die auch eine huebsche, aber nicht zu verrueckte Geschichte bekommt: Winzer von der Rhone zeigt als underdog den Alten Herrschaften mal, wie man authenitische Wein macht (was kommt als naechste: Brauereispross bringt verfallenes Sarrweingut auf Kurs?), eine Weinerei, die ausseht wie ein U-Boot, komfortable Sicherheit (wo Haut Brion draufsteht, wird schon keine Fehler drinsein), und alles kombiniert mit einer bitte nicht zu herausforderndenden Heldenstory à la Star Wars (natuerlich ist Les Carmes eine Mary Sue, weil "It's the terroir, stupid!", der Rest ist plot armour). Ein perfekt auf den Zeitgeist abgestimmtes Narrativ, in dem Les Carmes tatsaechlich der burgundischste aller Bordeaux ist. Meta, natuerlich, denn "im Wortsinne" ist sowas von Neunziger, Oida.
KEIN postironischer Post-Hipster kauft Les Carmes Haut Brion. Les Carmes Haut Brion ist das, was Pontet Canet oder die Mitjaville-Weine vor ein paar Jahren mal waren: ein Distinktionswein für die BORDEAUX-Trinker. Und die klassischen Bordeaux-Trinker, erst recht solche, die Bordeaux in der Subskription kaufen, und postironische Post-Hipster-Trinker sind Lichtjahre voneinander entfernt, konträer geht es kaum. Selbst Bel-Air Marquis d'Aligre oder Le Puy oder sowas haben als Hauptzielgruppe die klassischen Bordeaux-Trinker, aber postironische Post-Hipster trinken sowas nur so gerade eben. Les Carmes Haut Brion trinken wäre sowas wie Rick Astley hören: ein guilty pleasure.

Am Beispiel Pontet Canet sieht man übrigens, wie schnell ein Weingut nicht mehr en vogue ist. Die müssen neben ihren Pferden jetzt noch alles möglich weitere auffahren, um aufzufallen: Amphoren, Betoneier, Reduktion des Schwefels, Pressen von Hand, etc. Aber was - jedenfalls bei mir - hängenbleibt, ist, dass der Wein von Jahr zu Jahr dramatischer und konzentrierter zu werden scheint. An sowas habe ich wirklich null Interesse.
Beste Grüße, Stephan
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innauen
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Re: Bordeaux 2018

Beitrag von innauen »

Ollie hat geschrieben:Es haben ja auch alle relevanten Kritiker ihre Wertungen publiziert, der Wein muss vor dem Brexit raus sein (idealerweise vor der Europawahl), um der eventuell miesen Stimmung zu entgehen, die Weltwirtschaft schwaechelt (China?), alles Gruende, jetzt das Geld zu machen.

Cheers,
Ollie
Du liest meine Gedanken.. :geek:

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UlliB
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Re: Bordeaux 2018

Beitrag von UlliB »

Stephan (octopussy),

schön, mal wieder was von Dir zu lesen. Ich dachte, Du wärst dem Forum ganz verlorengegangen.

Gruß
Ulli
Figeac78
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Re: Bordeaux 2018

Beitrag von Figeac78 »

Cabernet Franc ist ja der Pinot Noir des sozialmedial gelangweilten Mannes, und seit dem Clos-Rougeard-Urknall ist diese Rebsorte ziemlich en vogue. Figeac oder Lafleur will ich mir nicht leisten, Trotte Vieille ist nun auch ein preislicher (und eventuell qualitativer) Wackelkandidat, dann bleibt ja nicht viel uebrig.
Ollie, da viele mir z.B. noch Petit Gravet Aine ein. Den 09er Petit Gravet Aine und den 09er LCHB hatte ich beide vor einige Jahren mal aus der Demi im Glas. Aus der (weit zurückliegenden) Erinnerung, der PGA war etwas kräuterwürziger, der LCHB etwas mehr auf der Fruchtseite. Das Verhältnis CF/Merlot ist aber auch nicht genau gleich.
Herzliche Grüsse,
Detlef
Ollie
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Re: Bordeaux 2018

Beitrag von Ollie »

Ha, octopussy! Freut mich sehr, wieder von dir zu lesen! Auch wenn nur aus dem Anlass, dass du so einen derartigen Bloedsinn nicht unkommentierte stehen lassen konntest. :lol:
octopussy hat geschrieben:Am Beispiel Pontet Canet sieht man übrigens, wie schnell ein Weingut nicht mehr en vogue ist. Die müssen neben ihren Pferden jetzt noch alles möglich weitere auffahren, um aufzufallen: Amphoren, Betoneier, Reduktion des Schwefels, Pressen von Hand, etc. Aber was - jedenfalls bei mir - hängenbleibt, ist, dass der Wein von Jahr zu Jahr dramatischer und konzentrierter zu werden scheint. An sowas habe ich wirklich null Interesse.
Wie geschrieben, kein Dissenz bezueglich Pontet Canet. (Das Pressen von Hand, so Harmstorf-Seewolf-maessig, ist schon fast wieder ironisch. Ich stelle mir gerade gutgebaute Bordelaiser Buben vor, deren traubensaftbenetztes Sixpack im gueldenen Schein der untergehenden--- Das ist doch wie The wine your wine could taste like, oder?)

Aber Les Carmes als guilty pleasure, dass sich der klassische Bordeaux-Trinker goennt? Darueber muss ich nachdenken. Was trinkt der postironische Post-Hipster denn stattdessen? Ich meine das wirklich nur halbwitzig, denn seitdem ich aus Berlin weg bin, ist soviel passiert, dass ich ehrlich nicht mehr wuesste, was gerade der letzte Schrei ist. Es ist doch alles durch, auch slowakischer Orange Pet-Nat aus Szparazy schon, da kommt man doch wieder am Anfang raus, oder nicht? Eben weil keiner Bordeaux trinkt.

Cheers,
Ollie
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Ollie
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Re: Bordeaux 2018

Beitrag von Ollie »

Figeac78 hat geschrieben: Ollie, da viele mir z.B. noch Petit Gravet Aine ein. Den 09er Petit Gravet Aine und den 09er LCHB hatte ich beide vor einige Jahren mal aus der Demi im Glas. Aus der (weit zurückliegenden) Erinnerung, der PGA war etwas kräuterwürziger, der LCHB etwas mehr auf der Fruchtseite. Das Verhältnis CF/Merlot ist aber auch nicht genau gleich.
Stimmt, PGA ist 80% CF oder so, der (imo bessere) Clos St-Julien aus gleichem Hause hat 50-50. Ich habe den 2016er noch nicht gehabt, aber wenn der besser ist als der Les Carmes (Galloni 94-97 oder sowas), waere das natuerlich ein interessantes Ding zu 50 Euro. Sollte man vielleicht im Auge behalten.

Cheers,
Ollie
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