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Re: Bordeaux 2009
Verfasst: Mi 23. Mai 2012, 11:45
von nougat
Woran macht man das GC-Niveau am 09er Escurac fest? Ich habe mich gefragt, was dieser schwere Brocken überhaupt mit einem Medoc zu tun hat? Übrigens war er mir auch zu(!) reif, da hatte ich bedeutend frischere und spannendere 09er CBs im Glas.
Re: Bordeaux 2009
Verfasst: Mi 23. Mai 2012, 13:54
von Jochen R.
nougat hat geschrieben:Woran macht man das GC-Niveau am 09er Escurac fest? Ich habe mich gefragt, was dieser schwere Brocken überhaupt mit einem Medoc zu tun hat? Übrigens war er mir auch zu(!) reif, da hatte ich bedeutend frischere und spannendere 09er CBs im Glas.
Hallo Martin,
wie ich bereits geschrieben habe, finde ich D´Escurac 2009 ist ein sehr guter
Cru Bourgeois. Die Nase ist durchaus Komplex (zu Beginn Kirschen und Pfefferminz,
später domieren dann Cassis & Brombeeren, nach ca. 2 Std. gesellen sich florale
Noten dazu). Der Gaumen ist m. M. etwas eindimensional auf der fruchtigen Seite.
Ob das für Grand Cru-Niveau reicht, darüber kann man sicher streiten.
Geschmäcker sind halt unterschiedlich, 89-90 P. würde ich aber schon als angemessen
sehen. Ich hatte für mein Empfinden auch schon weniger spannende Sachen aus
2009 im Glas, die ein Vielfaches vom D´Escurac kosten.
Viele Grüße,
Jochen
Re: Bordeaux 2009
Verfasst: Mi 23. Mai 2012, 14:42
von Frankie Wilberforce
nougat hat geschrieben:Woran macht man das GC-Niveau am 09er Escurac fest? Ich habe mich gefragt, was dieser schwere Brocken überhaupt mit einem Medoc zu tun hat? Übrigens war er mir auch zu(!) reif, da hatte ich bedeutend frischere und spannendere 09er CBs im Glas.
Hallo Martin,
die Antwort ist ganz einfach:
Die Qualität des Weins.
Die Vielfalt der Geschmacksaromen im Bukett und Gaumen, die Eleganz, Finesse, die sehr gute Struktur und die Stoffigkeit, wie ich Sie sonst bei sehr viel teureren klassifizierten Gewächse vorfinde.
Als zu reif hatte ich diesen "billigen CB " ganz und gar nicht empfunden.
Im Gegenteil, er kann mit sehr vielen klassifizierten Gewächsen mithalten.
Ein Grand Cru Niveau beginnt für mich ab ~90 FW Points.
Re: Bordeaux 2009
Verfasst: Mi 23. Mai 2012, 16:05
von nougat
Hallo Jochen und Armin,
Danke für Eure Antwort. Ihr müsst 'irgendetwas' anderes im Glas gehabt haben
Ok, mein Eindruck stammt vom Nov.11. In einem 1/2 Jahr kann sich ein junger Wein ja schnell mal ändern. Darum habe ich jetzt beschlossen, Escurac in Revision zu nehmen. Morgen stehen wieder ein paar Flaschen kleiner 09er CBs zur Verkostung an, da nehme ich den mit rein. Werde natürlich berichten.
Re: Bordeaux 2009
Verfasst: Do 24. Mai 2012, 17:06
von port_ellen
moin zusammen,
nachdem ich bislang eher stiller leser und geniesser bin /war, will ich jetzt auch mal ein paar sätze zum 2009er schreiben.
so langsam trudeln die 09er auch bei mir ein, und bislang gibts nix zu meckern, einfach super lecker das zeug.
ich empfinde die 2009er nicht als teuer, nicht in relation zu dem was ich bislang getrunken habe (s.u.) oder auch in relation zum 2000er, dem ersten jahrgang, in dem ich mehr als 100 buddeln gesubst habe. heute ärgere ich mich, dass ich von 89 und 90 nur einzelflaschen gekauft habe, und das gleiche würde auch 20 jahre später mit dem 2009er passieren (wenn der keller denn leer wäre bzw. bliebe bzw. zu schnell würde...).
daher hab ich ordentlich gesubst, hauptsächlich im bereich 10-20 euro, aber punktuell auch darüber.
bislang getrunken:
ich gebe ja ungern punkte, weil die den trinkspass nicht abbilden, der lag aber durchweg über 90.
aurilhac
vieille cure
senejac
mille roses (margaux)
moulin haut laroque
clos floridene (rouge)
les gravieres
du retout
sarget de gruaud larose
mein favorit: sarget, sehr intensive aromatik, viel tannin (etwas rustikal), etwas wenig säure und damit länge/intensität, aber man möchte immer weiter trinken. vielleicht gefällt mir einfach st.julien am besten, ein kürzlich getrunkener 2008er st.pierre wollte auch immer weiter getrunken werden...
sehr gut: senejac, mille roses, MHL: alle sehr charaktervoll und eigenwillig, senejac sehr rotfruchtig und intensiv, mille roses dicht, schmelzig, fein+elegant, MHL sehr komplett (im vergleich mit dem 05er und 08er der kompletteste, ausgewogenste und dichteste).
du retout einfach lecker, nicht der intensivste, aber sehr bordeaux und von allem etwas (der 2005er is etwas leichter und saftiger / mehr säure, aber öffnet sich auch nach einem tag und wird runder).
clos floridene hat auch alles was er braucht, wenn auch nicht zu intensiv.
aurilhac fällt etwas ab, eher wenig charakter, wenig vielschichtig.
les gravieres habe ich gestern eine probeflasche geöffnet, der hat eher enttäuscht, es fehlte mir die komplexität, eher streng, aber auch nicht wirklich dicht, wenig trinkspass, die 93 parker points und auch die beschreibung des weins passen für mich gar nicht. vielleicht heute, wenn er länger offen ist.
somit gilt bei fast allen 2009er: man möchte immer gleich die nächste flasche öffnen, das passiert mir sonst nur beim riesling...
gruss, matthias
Re: Bordeaux 2009
Verfasst: Fr 25. Mai 2012, 15:08
von nougat
Jochen R. hat geschrieben:Frankie Wilberforce hat geschrieben:Gestern und heute Abend den frisch angekommenen
Chateau d'Escurac, 2009, Medoc im Glas gehabt.
Gestern Abend noch mit ziemlich strammen (weichen) Tanninen vollgepumpt, die die Zähne und den Gaumen beschlugen.
Heute Abend aber hat sich die Sache entspannt, dunkles Rot mit lila Randreflexen, saftig, frische Säure, Brombeeren, schwarze Johannisbeeren, gerösteter Kaffee, etwas Lakritze und Teer, elegant, sehr strukturiert. Herrlicher CB, schon wieder (wie der 03er) auf GC-Niveau. 90+ FW Punkte.
Ein Gand Vin du Bordeaux zum Otto-Normal-Bürger Preis.....

Hallo Armin,
heute
D´Escurac 2009 im Glas. Deine Notizen decken sich im Wesentlichen
mit meinen. Wirklich ein sehr guter Cru Bourg.! Noch besser hat mir vor wenigen
Tagen
Clos du Jaugueyron (Ht. Medoc) gefallen
Viele Grüße,
Jochen
Gestern hatten wir also nochmal
d'Escurac 2009 offen. Kann mich Euch anschließen. Kein Vergleich von dem Eindruck von vor 6 Monaten. Auch die mich damals überfordernde Konzentration hat sich gelegt, jetzt guter Trinkfluss. Dunkle Frucht, herrliche Frische, ganz leichter animalischer Ton und so eine Teer- / Bitterschokolade-Würze, wie sie an Rhone-Weine erinnert. Fülliger Körper aber nicht breit, feines, gut strukturiertes Tanningerüst, gut eingebundene Säure, langer fruchtiger und komplexer Abgang. 17 nP
Der dazu parallel geöffnete
Lamothe Bergeron2009 hatte keine Chance. Helle süße konfitürige Frucht in der Nase, die eindimensional, fast kitschig daherkommt (Ein Freund: „Wie Gummibärchen“). Wurde mit zunehmender Belüftung besser, aber nicht wirklich überzeugend. Am Gaumen auch wieder diese Eindimensionalität, einfach gestrickte Tanninstruktur, überzogene Süße. Die Säure wird hinten noch mal etwas spitz, bevor der Wein sich eher trocken sperrig verabschiedet. In dieser Form nicht mehr als 15,5 nP.
In guter Stimmung haben wir dann noch die beiden 09er
Meyney und
Cambon-la-Pelouse aufgezogen. Bei letzterem dominiert noch die Röstaromatik die Nase. Am Gaumen mittelgewichtig und gut strukturiert und balanciert. Leider für die 09er typische Fülle auffallend kurz im Abgang. 16 nP
Der Meyney war der verschlossenste Kandidat, aber welch Potential! Wenn d'Escurac GCC Niveau erreicht, dann spielt Meyney souverän oberhalb dieser Hürde mit. Sehr feine frische Nase nach dunklen Früchten. Noch zugeknöpft und nicht so expressiv wie Escurac aber schon beeindruckend tief. Am Gaumen fleischiger mittlerer Körper, durch feinstes Tannin und feiner lebendiger Säure sehr gut strukturiert. Bei aller Feinheit und Eleganz enormer Druck am Gaumen. Langer Abgang. Ein Wein wie aus einem Guss. Wird bestimmt endlich mal wieder ein guter Meyney. 17+ nP
Re: Bordeaux 2009
Verfasst: Fr 25. Mai 2012, 15:25
von harti
nougat hat geschrieben:Der Meyney war der verschlossenste Kandidat, aber welch Potential! Wenn d'Escurac GCC Niveau erreicht, dann spielt Meyney souverän oberhalb dieser Hürde mit. Sehr feine frische Nase nach dunklen Früchten. Noch zugeknöpft und nicht so expressiv wie Escurac aber schon beeindruckend tief. Am Gaumen fleischiger mittlerer Körper, durch feinstes Tannin und feiner lebendiger Säure sehr gut strukturiert. Bei aller Feinheit und Eleganz enormer Druck am Gaumen. Langer Abgang. Ein Wein wie aus einem Guss. Wird bestimmt endlich mal wieder ein guter Meyney. 17+ nP
Hallo Martin,
das passt ja, heute Abend ist der Meyney bei uns dran. Nach Deinem positiven Urteil bin ich noch mehr gespannt. Er wird starke Konkurrenz haben, u.a. Batailley, La Lagune und Clos du Marquis.
Übrigens gab es m.E. in der jüngeren Vergangenheit mit dem 2003er bereits einen exzellenten Meyney (andere aktuelle Jahrgänge kenne ich leider nicht).
Grüße
Hartmut
Re: Bordeaux 2009
Verfasst: Fr 25. Mai 2012, 15:41
von weinfex
harti hat geschrieben:... eute Abend ist der Meyney bei uns dran. Nach Deinem positiven Urteil bin ich noch mehr gespannt. Er wird starke Konkurrenz haben, u.a. Batailley, La Lagune und Clos du Marquis.
Grüße
Hartmut
Hallo Hartmut,
das hört sich spannend an, freue mich auf die Eindrücke...
Viel Spass!
Re: Bordeaux 2009
Verfasst: Fr 25. Mai 2012, 17:53
von UlliB
Zwar nicht enttäuscht, aber auch nicht 100%ig überzeugt hat mich vor kurzem Ch. Branas Grand Poujeaux 2009 (Moulis). 14,5%Vol. Dunkle, unauffällige Farbe. Sowohl in der Nase als auch im Gaumen intensive, beinahe schon dicke Brombeerfrucht, gleitet aber nicht ins Fette ab; kein Ausbund an Finesse, macht aber durchaus Spaß. Aber dann... das Tannin... Unmassen von mehlig-feinsandigem Tannin, die den Eindruck erwecken, dass es sich bei diesem Wein nicht um eine Lösung, sondern um eine Suspension handelt; zwar nicht aggressiv, aber Zähne, Zunge und Gaumen völlig beschlagend. Boahhh... ein rustikaler Geselle, bei dem mich ein wenig der Gedanke beunruhigt, was daraus wird, wenn einmal die Primärfruchtphase zu Ende geht. Und das könnte schneller passieren als gedacht, nach rund drei Stunden in der offenen Flasche begann der Wein, langsam dicht zu machen. Unsichere Prognose.
Gewissermaßen den Gegenpart spielte Ch. Lanessan 2009 (Haut Médoc) - 13,5%Vol. Wesentlich heller als der Branas, leuchtendes Purpur; eine wirklich sehr schöne Farbe, wenn auch vielleicht ein bisschen zu transparent für einen derart jungen Bdx. Feine, vielschichtige Frucht, leichter und deutlich eleganter als der Branas, durchaus mit gewissen Anklängen an die an das Gut unmittelbar angrenzende AOC St. Julien, allerdings ohne echten "Punch" und Länge. Offensichtlich sehr vorsichtig extrahiert, trotz 13,5% eher mittelgewichtig und vermutlich nicht für ein wirklich langes Leben gebaut. Sehr, sehr schön dennoch, 88 UP; gefällt mir im Moment deutlich besser als der Branas. Wird ein paar Jahre lang viel Spaß machen; allzu viel Zeit würde ich ihm allerdings nicht geben (und das nicht nur wegen des Presskorkens). Mit dem vierschrötigen Langstreckenläufer, der Lanessan vor 30 Jahren einmal war, hat das nichts mehr zu tun.
Gruß
Ulli
Re: Bordeaux 2009
Verfasst: Sa 26. Mai 2012, 21:12
von harti
Hallo zusammen,
hier eine kleine Zusammenfassung unserer 2009er-Verkostung in unserem Bordeaux-Kreis. Alle Weine wurden blind verkostet, aufgelöst wurde erst am Ende der Probe. Ich muss sagen, selten hatten wir bei Jungweinverkostungen ein solch hohes Niveau, mit Ausnahme des Pagodes de Cos haben mir alle Weine geschmeckt, wenngleich bei einigen das Holz noch etwas stark in den Vordergrund tritt. Aber die Frucht ist da, um das Holz harmonisch zu integrieren.
2009 Haut Batailley
Würzig, recht fruchtig, vielleicht fehlt etwas Komplexität; Mocca, schöne Frucht, gute Länge, guter Saft, lebendige Säure. 91.
2009 Capbern Gasqueton
Kräuter, süß, sehr intensiv; viel Tannin, schöne Frucht, gute Länge. 93.
2009 Gruaud Larose
Mocca, Cassis, sehr angenehm; sehr konzentriert, gute Struktur, große Anlagen. 94+.
2009 Meyney
Süß, helle Beeren, fruchtig, untergründig Schoki; kernig, viel Tannin, saftig, erdig, hat Dampf. 94.
2009 l’Ormes de Pez
Vanille, Kräuter, Heu; saftig, rund, schönes Holz, schöner Nachhall, Kirsche, etwas pfeffrig, macht Spaß. 90.
2009 Calon Ségur
Kerniges Holz; leicht am Gaumen, elegant, schöner Saft, gute Länge, Potenzial. 92+.
2009 Pagodes de Cos
Erdbeere, kräuterig, sehr intensiv, Karamell; ziemlich süß, vollmundig, nach hinten heraus kräftiges Tannin, es fehlt an Tiefe, etwas kurz. 90.
2009 Clos du Marquis
Fruchtig, beerig, intensiv; saftig, voll, Kirsche, rund, gutes reifes Tannin, schöne Länge, lebendige Säure. 93.
2009 Batailley
Viel Holz, dadurch zunächst sehr unzugänglich; rund, ziemlich viel Holz, viel reifes Tannin, viel Frucht, öffnet sich zunehmend im Glas, großes Potenzial. 94.
2009 Devise d'Ardilley
Kork.
Capbern, Meyney und Batailley sind für den Preis sensationelle Weine. Ich versteige mich zu der Behauptung, dass der 09er Meyney besser ist als der 11er Montrose.
Grüße
Hartmut