Bordeaux 2024

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Sauternes
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Re: Bordeaux 2024

Beitrag von Sauternes »

UlliB hat geschrieben: Mi 23. Apr 2025, 20:40 Kelley ist übrigens ebenso wie ich und ein paar andere der Meinung, dass die Kampagne scheitern wird; er bezeichnet das ganze System der Subskription als "sinking ship".
Das die Kampagne scheitern wird, ist spätestens nach den ersten Preisveröffentlichungen zu erkennen, die Weinproduzenten wollen einfach immer noch nicht einsehen, das der Markt sich im freien Fall befindet, selber schuld.
Angesichts der Jahrgangsqualität weiter zu hoffen, das es noch genug dumme gibt, die bereit sind, viel zu hohe Preise für unterdurchschnittliche Qualität zu bezahlen, dieser Trugschluss kann nur nach hinten los gehen.

Ja es sind harte Worte, aber ich kann nicht verstehen, wie die Hersteller die kleinste Chance, mit wirklichen Preisreduzierungen, doch noch einiges an Wein zu verkaufen, einfach so mit dem Kantholz niederbügeln :shock: .

Grüße Heiko
amateur des vins
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Re: Bordeaux 2024

Beitrag von amateur des vins »

Message from a Bubble... 🎵

Wie groß ist wohl der Marktanteil der Nerds?
Welcher Anteil wird via Gastronomie an Nichtnerds verklappt?

Letztlich dürfte das eine Wette darauf sein, daß in Modernen Zeiten (tm) schlechte Jahre die Ausnahme sein werden. Also bloß nicht die Preise zu sehr verderben, sonst wird bei den Best-Ever-Jahrgängen 2025-27 über zu hohe Aufschläge gejammert, was auch wieder zulasten des Absatzes geht. Dann lieber auf 2024 sitzenbleiben.
Besten Gruß, Karsten
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UlliB
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Re: Bordeaux 2024

Beitrag von UlliB »

amateur des vins hat geschrieben: Mi 23. Apr 2025, 21:31 Welcher Anteil wird via Gastronomie an Nichtnerds verklappt?
Die Gastronomie scheint mir schon seit vielen Jahren als Kunde für Bordeaux völlig ausgefallen zu sein. Mit Ausnahme eines einzigen Restaurants (Schwarzer Adler in Oberbergen) kenne ich kein Restaurant, das nennenswerte Bestände an hochwertigem Bordeaux auf der Liste hat; bei vielen Betrieben der gehobenen Gastronomie gibt es tatsächlich gar keinen Bordeaux mehr. Was auch nicht überrascht, zu der momentan angesagten Küche passt Bordeaux nicht gut. Und als altmodisch und passé gilt der auch noch...
Letztlich dürfte das eine Wette darauf sein, daß in Modernen Zeiten (tm) schlechte Jahre die Ausnahme sein werden. Also bloß nicht die Preise zu sehr verderben, sonst wird bei den Best-Ever-Jahrgängen 2025-27 über zu hohe Aufschläge gejammert, was auch wieder zulasten des Absatzes geht. Dann lieber auf 2024 sitzenbleiben.
Könnte sein. Aber nach glaubwürdigen Berichten sind schon die 21er und 23ern zum größten Teil liegen geblieben, die 22er in erheblichen Mengen auch (wobei das bei den hohen Bewertungen möglicherweise die Zeit heilt), und es sind auch noch 20er bis zum Abwinken da. Da liegt massenweise unverkauftes Zeug in Bordeaux rum, und irgendwann sollte man vielleicht doch etwas verkaufen. Den Negociants dürfte jedenfalls langsam die Luft ausgehen.

Gruß
Ulli
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Matthias Hilse
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Re: Bordeaux 2024

Beitrag von Matthias Hilse »

Schaut man sich die bisher verfügbaren Bewertungen zum Jahrgang 2024 an, fällt die Disparität der Einschätzungen in Auge. Nun ist besonders der Wine Advocate in der Vergangenheit manchmal nicht abgeneigt gewesen, mit der Metaebene seines Urteils "Politik" zu machen.

Die Frage nach der Unabhängigkeit der Bewerter steht quasi mit ihrer Profession im Raum. Da ich nun selber die meisten der besprochenen Weine verkostet habe - und bei einer Reihe von "Überschneidungen" die Bewertungen gut verstehen kann, gib es doch viele Urteile, die ich mir mit der Qualität der verkosteten Weine nicht erklären kann.

Wenn es ein Signum der aktuellen Gegenwart gibt, dann ist es die Unsicherheit - in Märkten auch als Volatilität bekannt. Wenn der Attentismus gedeihen soll, braucht es die babylonische Sprachverwirrung. Diese ist nun da - und wird den weiteren Verlauf der Kampagne bestimmen.

Ein Blick zurück in das Jahr 2009: die Kampagne 2008 blieb selbst bei Preisen für die Premier Crus von € 120,- ein Hort der Tristesse, bis Parker im Juni seine Bewertungen (nachdem alle anderen Verkoster bereits "on air" waren) preisgab.

Der langjährige Hüter der "first impression", James S. hat dieses Mal offensichtlich das Nachsehen.

Liest man die Kelley-Bewertungen zwischen den Zeilen, ist 2024 eine Art entschuldigende Hommage an Pontet Canet. Wer die letzten Jahre dort regelmäßig verkostet hat, konnte Kelleys Einwürfe aus den letzten Jahren schlicht nicht nachvollziehen. Mit seiner 24er Bewertung macht er Pontet Canet zum Wein des Jahres (denn Cheval Blanc wird ein x-faches kosten und La Conseillante doch wenigstens doppelt so teuer sein) - bei einer großzügigen Verfügbarkeit.

Man wird nun sehen müssen, ob das Kalkül, mit sehr frühen und teils haarsträubenden Bewertungen - genügend Druck auf das System auszuüben, sich verfängt.

Die dahinterliegende Strategie kann ich sehr gut verstehen; sie würde ja allen Interessierten und Beteiligten (ausser natürlich den Erzeugern) zu pass kommen.

Herzliche Grüße,
Matthias Hilse
diogenes
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Re: Bordeaux 2024

Beitrag von diogenes »

UlliB hat geschrieben: Mi 23. Apr 2025, 19:45 Wie von @diogenes schon angekündigt, hat W. Kelley / WA seine Bewertungen veröffentlicht. Er ist insgesamt deutlich zurückhaltender als AvV, seine Höchstnote ist 94-96, insgesamt drei mal vergeben - für Cheval Blanc, La Conseillante, und Pontet-Canet. Ja, Pontet-Canet, und die Notiz stammt laut WA tatsächlich von Kelley; also ist sein Bann durch das Chateau aufgehoben, und er hat sich auch gleich brav dafür bedankt ;)

Schaut man auf die hoch bewerteten Weine, bleibt festzuhalten, dass die 22er punktemäßig ganz durchgängig wesentlich besser bewertet sind als die 24er, und auch etliche 23er liegen höher. Das Niveau liegt im Schnitt etwa bei den 21ern; vielleicht minimal besser. Es wird am Ende darauf ankommen, wo in der jeweiligen Bewertungsbandbreite die Weine in der Flasche landen.

Der Artikel zu den Bewertungen unterstreicht noch einmal die extreme Heterogenität des Jahrgangs, gelungen ist er nur "dort, wo man wo man das nötige Kleingeld hatte, um streng zu selektieren", wie AvV gerade eben geschrieben hat. Die Liste der besten Weine umfasst nicht unerwartet vorwiegend die üblichen Verdächtigen.

Gruß
Ulli
Abgesehen von Cheval Blanc, La Conseillante und Pontet Canet hat auch, und nur noch, Les Carmes Haut Brion diesen Höchstwert bekommen. Allerdings mit einem um einen Punkt geringeren Anfangswert 93-96.
carpe vinum!
pessac-léognan
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Re: Bordeaux 2024

Beitrag von pessac-léognan »

UlliB hat geschrieben: Mi 23. Apr 2025, 19:45 Wie von @diogenes schon angekündigt, hat W. Kelley / WA seine Bewertungen veröffentlicht. Er ist insgesamt deutlich zurückhaltender als AvV, seine Höchstnote ist 94-96, insgesamt drei mal vergeben - für Cheval Blanc, La Conseillante, und Pontet-Canet. Ja, Pontet-Canet, und die Notiz stammt laut WA tatsächlich von Kelley; also ist sein Bann durch das Chateau aufgehoben, und er hat sich auch gleich brav dafür bedankt ;)
Gruß
Ulli
Die Unterschiede sind in der Tat eklatant. In AvV's Liste mit einer ziemlich breiten Spitze sehr guter Weine könnte man den Eindruck eines durchaus guten Jahrgangs gewinnen. Kelley 3 X 94-96 als Spitzenwerte zeigen da schon ein deutlich schlechteres Bild. Selbst der "Spitzenwein" Pontet-Canet bleibt knapp unterhalb der Bewertung von AvV. Auch Mathias Hilse macht auf diese Unterschiede aufmerksam. Damit gilt wohl erst recht: Abwarten, Tee (oder guten Wein) trinken und dann 2026 bei der Arrivage probieren, ob nicht doch Genießbares in 2024 dabei ist.
Gruß
Jean
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vanvelsen
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Re: Bordeaux 2024

Beitrag von vanvelsen »

Liebe Mitlesenden.

Ich bin der Meinung, dass hier im Forum - und generell unter vielen Journalisten - etwas gar stark pauschalisiert wird. Ein Jahrgang ist entweder top (und dann viel zu teuer) oder Flop (und dann ebenso zu teuer).

So einfach ist es aber nicht. Es gibt nicht einfach gute und schlechte Jahrgänge sondern schwierige und weniger schwierige Jahrgangsbedingungen. In beiden Fällen können grossartige Weine entstehen, die - gerade im Bsp. 2021 und 2024 - stilistisch wohl deutlich näher an dem liegen, was viele hier "klassisch Bordeaux" nennen und selbst gerne trinken; moderater Alkohol, Trinkfluss, Harmonie, Frische etc. Die Jahrhundertjahrgänge mit 14.5 und mehr Umdrehungen sind nicht zwingend das, was Bordeaux-Fans suchen.

Öffnet aktuell mal einige 2001er oder um noch etwas extremer zu gehen 2012er... diese Jahrgänge bieten grossmehrheitlich hervorragenden Trinkspass und waren ebenso "eher schwierige Jahre".

Dass die Bewertungen eines 2024ers oder auch 2021ers im Durchschnitt unter denen von 2022 liegen, ist klar, da es 2022 auch ohne Selektion einfacher war, einen guten Wein zu keltern. Das heisst aber nicht, dass es 2024 keine ausgezeichneten Weine gab - und ebensolche Enttäuschungen. Für mich waren z.B. Ausone und Cheval Blanc (auf hohem Niveau) enttäuschend während Beauséjour-Bécot und La Gaffelière mit ihren Weinen überzeugen konnten und ganz sicher hochattraktive Tropfen gekeltert haben.

Ich war im September 2024 vor Ort und habe mit eigenen Augen gesehen, wie zwischen Traubenanlieferung (das sah meistens echt übel aus) und dem, was nach der Triage gekeltert wird, ca. 50m Selektions-Maschinen stehen, die rigoros alles aussortieren, was nicht perfekt ist. Das Resultat ist in diesen (nicht raren) Fällen ein ausgezeichneter Wein, trotz schwierigem Jahrgang.

Ich gehe aber einig mit dem generellen Tenor, dass die 2024er Kampagne (selbst bei stark sinkenden Preisen) höchst problematisch werden wird (wie schon 2023...). Es liegt schlicht zu viel Wein an Lager - so auch 2019, 2020, 2021 und sogar 2022... Unter Zugzwang ist da klar der Verkäufer, nicht der Käufer.

Gruss,

Adrian
Fabian1855
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Re: Bordeaux 2024

Beitrag von Fabian1855 »

Ich (44) subskribiere seit dem Jahrgang 2009 mit wenigen Ausnahmen durchgängig. Bereits in den letzten 2 Jahren hatte ich mir den Vorsatz gefasst, damit aufzuhören, diesen jedoch stets gebrochen, wozu dieses Forum hier sicherlich auch seinen Beitrag geleistet hat. Neben rationalen Erwägungen (Preis, Sondergrößen, etc.) spielt bei der Subskription - zumindest bei mir - ja auch die vinophile Leidenschaft eine zentrale Rolle. Die Vorfreude, die Lektüre, mehr noch: das akribische Studium der nach und nach erscheinenden Bewertungen, der Austausch darüber unter Weinenthusiasten, der aufkeimende Sammlertrieb, all das macht für mich en primeur zu einem besonderen jährlichen Ritual. Tatsache ist, dass Bordeaux 2024 eine ganz schlechte Idee zu sein scheint. Und ich bin demgemäß wild entschlossen, nichts zu kaufen. Ob ich das aber durchhalte, wenn die Lieblingsweingüter doch noch mit einem attraktiven Preis um die Ecke kommen….? Ein bißchen Zweifel schwingt schon jetzt mit, vor allem, wenn ich mir vor Augen führe, was ich zuletzt für einige gute Burgunder bezahlen musste…

Auf jeden Fall ist es eine Freude, hier Euren Gedanken nachspüren zu dürfen. Vielen Dank dafür.
Fabian
pessac-léognan
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Re: Bordeaux 2024

Beitrag von pessac-léognan »

vanvelsen hat geschrieben: Do 24. Apr 2025, 09:03 Für mich waren z.B. Ausone und Cheval Blanc (auf hohem Niveau) enttäuschend während Beauséjour-Bécot und La Gaffelière mit ihren Weinen überzeugen konnten und ganz sicher hochattraktive Tropfen gekeltert haben.
Gruss,

Adrian
Mit dem Grundtenor dessen, was du schreibst, Adrian, bin ich schon einverstanden. Wie könnte man es vernünftigerweise nicht sein?
Allerdings sucht man halt als Primeur-Käufer doch auch Orientierungen. Und dann ist es durchaus irritierend, wenn etwa Cheval Blanc (als einer der 3 absolut besten Weine) 94-96 bekommt und beim anderen Bewerter als relativ "enttäuschend" immer noch 95-97. Da stimmt - jenseits unterschiedlicher "Geschmäcker" - etwas mit der Skalierung nicht.
Gruß
Jean
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vanvelsen
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Re: Bordeaux 2024

Beitrag von vanvelsen »

Lieber Jean,

Ich weiss nicht, was Kelley im Glas hatte auf Cheval Blanc, doch ich habe von div. Leuten gehört, dass CB nicht auf dem Niveau von z.B. 2021 ist, und selbst ein Weinmacher auf dem Gut hat das (hinter vorgehaltener Hand) bestätigt. Die Skalierung ist eine andere Sache - Kelley scheint den Jahrgang "aus Prinzip" sehr tief benotet zu haben - ich kann viele seiner Bewertungen schlicht nicht nachvollziehen - da deutlich zu tief.

Was sicher spannend wird, ist eine gründliche Analyse aller Pro-Bewertungen, um herauszufinden, welche Weine eher gut resp. eher schlecht sind und auch wie hoch die Standardabweichung (Polarisierung) der Bewertungen ist.

Gruss,

Adrian
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