Haben GG tatsächlich Reifepotenzial?

amateur des vins
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Re: Haben GG tatsächlich Reifepotenzial?

Beitrag von amateur des vins »

Ich misch' mich mal ein, weil ich das spannend finde.
Georg R. hat geschrieben: Di 18. Jun 2024, 18:50 Ollie, grundsätzlich, was Deutschland und die qualifizierten Lagen betrifft, bin ich der Meinung, dass das Rebalter eine grössere Bedeutung hat als die Lage selbst. Ich habe nun doch schon einige grosse Gewächse sämtlicher Rebsorten probiert, eine Lagentypizität konnte ich nur ganz selten finden.
Im Burgund sieht das deutlich anders aus, im Bordelais genauso, (linkes/rechtes Ufer).
Dann wäre es ja kein Wunder, daß keiner außer den Franzosen selber versteht, was wohl mit "Terroir" gemeint sein könnte.

Hast Du eine Vermutung, warum Du das so beobachtet haben könntest?
Besten Gruß, Karsten
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EThC
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Re: Haben GG tatsächlich Reifepotenzial?

Beitrag von EThC »

Georg R. hat geschrieben: Di 18. Jun 2024, 18:00 darf man mit 10-15 jährigen Reben ein GG erzeugen, nur weil sie auf klassifiziertem Boden stehen?
...eine offizielle Regelung diesbezüglich gibt's meines Wissens nach nicht, ob's verbandsintern da irgendwelche Regelungen / Empfehlungen gibt, weiß ich nicht. Ein Winzer hat mir mal erläutert, daß das Alter der Reben schon eine gewisse Rolle spielt, nämlich hinsichtlich der Kleinbeerigkeit, Traubendichte etc., was aber wohl nicht nur mit dem Alter selbst zusammenhängt, sondern auch mit den Umständen, mit denen die Rebe zurechtkommen muß, da spielt die Wasserversorgung und die Wurzeltiefe wohl eine entsprechende Rolle. Interessant wäre da für mich auch, woran sich das Alter der Rebe eigentlich bemißt, die allermeisten Stöcke bestehen ja aus der Unterlagsrebe und der Ertragsrebe. Und was passiert beim Umveredeln? Wenn ein 50 Jahre alter MT-Stock zu Silvaner umveredelt wird, als wie alt gilt die Pflanze dann eigentlich :?: :?
Viele Grüße
Erich

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Bernd Schulz
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Re: Haben GG tatsächlich Reifepotenzial?

Beitrag von Bernd Schulz »

Georg R. hat geschrieben: Di 18. Jun 2024, 18:50 Ich habe nun doch schon einige grosse Gewächse sämtlicher Rebsorten probiert, eine Lagentypizität konnte ich nur ganz selten finden.
Jenseits der GGs konnte ich bei deutschen Weinen gar nicht so selten lagentypische Charakteristika finden. Ich vertrete ja die ketzerische Meinung, dass sich lagentypische Noten bei konzentrierteren Weinen tendenziell eher weniger bemerkbar machen als bei "kleineren" Gewächsen....
Im Burgund sieht das deutlich anders aus, im Bordelais genauso, (linkes/rechtes Ufer).
Naja, beim linken und beim rechten Ufer handelt es sich ja nun nicht um zwei unterschiedliche "Lagen" :). Und bei Weinen von der Terrassenmosel lässt sich in der Regel schon ein klarer Unterschied zu Weinen von der Mittelmosel ausmachen - um weiter beim hinkenden Vergleich zu bleiben.... ;)
Georg R. hat geschrieben: Di 18. Jun 2024, 18:50 Es gibt viele hervorragende, auch grosse Weine in Deutschland, ohne dass sie auf einer klassifizierten Lage stünden.
Das stimmt fraglos. Aber ich würde mal behaupten wollen, dass es in Deutschland auch viele hervorragende/große Weine gibt, deren Traubenmaterial nicht an besonders alten Rebstöcken gewachsen ist. Bei "alten Reben" reden wir sicher um einen Parameter, der hohe Qualitäten begünstigt - aber eben um einen Parameter von vielen. Für meine Begriffe ist es ein äußerst komplexes Gemenge verschiedenster Faktoren, welches zu besonders bemerkenswerten Weinen führt, und in diesem Gemenge können sowohl die Lage wie auch das Alter der Reben eine mal mehr und mal minder große Rolle spielen.

Herzliche offtopische Grüße

Bernd
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Re: Haben GG tatsächlich Reifepotenzial?

Beitrag von Kle »

EThC hat geschrieben: Di 18. Jun 2024, 20:28
Georg R. hat geschrieben: Di 18. Jun 2024, 18:00 darf man mit 10-15 jährigen Reben ein GG erzeugen, nur weil sie auf klassifiziertem Boden stehen?
...eine offizielle Regelung diesbezüglich gibt's meines Wissens nach nicht, ob's verbandsintern da irgendwelche Regelungen / Empfehlungen gibt, weiß ich nicht. Ein Winzer hat mir mal erläutert, daß das Alter der Reben schon eine gewisse Rolle spielt, nämlich hinsichtlich der Kleinbeerigkeit, Traubendichte etc., was aber wohl nicht nur mit dem Alter selbst zusammenhängt, sondern auch mit den Umständen, mit denen die Rebe zurechtkommen muß, da spielt die Wasserversorgung und die Wurzeltiefe wohl eine entsprechende Rolle. Interessant wäre da für mich auch, woran sich das Alter der Rebe eigentlich bemißt, die allermeisten Stöcke bestehen ja aus der Unterlagsrebe und der Ertragsrebe. Und was passiert beim Umveredeln? Wenn ein 50 Jahre alter MT-Stock zu Silvaner umveredelt wird, als wie alt gilt die Pflanze dann eigentlich :?: :?
vor Jahren hat ein Artikel meinen bis dahin vorhandenen Glauben an die Wichtigkeit des Alters erschüttert; hier ist noch so einer:
https://www.wiwo.de/lifestyle/weinbau-a ... 848-3.html
Denn wissenschaftlich untermauert ist davon nichts, weder die intensivere Versorgung mit Nährstoffen noch eine wie auch immer geartete stärkere Aromafülle. Im Gegenteil. Im Mai diesen Jahres präsentierte Manfred Stoll vom Institut für allgemeinen und ökologischen Weinbau an der Hochschule Geisenheim einem staunenden Fachpublikum beim Internationalen Riesling Symposium die Ergebnisse einer Studie, die den Einfluss des Rebenalters erforschen sollte. Dafür wurden Reben des gleichen Klons aus den Jahren 1971, 1995 und 2012 gepflanzt. Die Wissenschaftler fanden: Nichts. "Im dritten Versuchsjahr (...) konnten zwischen allen drei unterschiedlichen Pflanzjahren keine Unterschiede in den Qualitätsfaktoren mehr festgestellt werden", fasst die Studie zusammen.
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EThC
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Re: Haben GG tatsächlich Reifepotenzial?

Beitrag von EThC »

...daß nicht wenig im Weinbau übermystifiziert wird, ist eh klar, da gehört das Rebenalter sicher mit dazu, schon aus Marketinggründen. Daß es aber nun so gar nichts ausmacht, mag ich auch nicht wirklich glauben, warum sonst wird in Geisenheim (immer noch?) die Lehre verbreitet, daß man nach spätestens 20 bis 25 Jahren die Reben durch neue ersetzen muß. Die dort betriebene Forschung ist nach Aussage einiger Winzer, die dort ihren Abschluß gemacht haben, doch arg auf die Industrieweinproduktion fokussiert, also der überwiegenden Mehrheit der deutschen Weinproduktion, das hinterläßt bei mir bezüglich der "Kunst" oder "Kür" des Weinbaus schon regelmäßig ❓❓❓ hinsichtlich deren Relevanz für die Weine, über die wir uns hier so austauschen.
Dafür wurden Reben des gleichen Klons aus den Jahren 1971, 1995 und 2012 gepflanzt. Die Wissenschaftler fanden: Nichts. "Im dritten Versuchsjahr (...) konnten zwischen allen drei unterschiedlichen Pflanzjahren keine Unterschiede in den Qualitätsfaktoren mehr festgestellt werden", fasst die Studie zusammen.
...da würde mich schon mal der genaue Versuchsaufbau interessieren! So wie das geschrieben ist bzw. ich es folglich verstehe, wurden ja unterschiedlich alte Pflanzen gleichzeitig neu eingepflanzt und es wurden anscheinend anfangs Unterschiede festgestellt, die sich nach 3 Jahren egalisiert haben, möglicherweise weil sich das Wurzelwerk bis dahin angeglichen hat?
❓❓❓
Viele Grüße
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Re: Haben GG tatsächlich Reifepotenzial?

Beitrag von Kle »

… statt „Nichts“ gilt wohl eher "dies und das" nicht exakt Messbares wie es u.a. Nik Weis im selben Artikel formuliert:
Die Qualität ist gleich - aber die charakterlichen Unterschiede in der Aromatik sind schmeckbar
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Georg R.
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Re: Haben GG tatsächlich Reifepotenzial?

Beitrag von Georg R. »

EThC hat geschrieben: Di 18. Jun 2024, 20:28 ... Ein Winzer hat mir mal erläutert, daß das Alter der Reben schon eine gewisse Rolle spielt, nämlich hinsichtlich der Kleinbeerigkeit, Traubendichte etc.,
Ja, das ist auch mein Wissensstand was die Theorie betrifft, in der Praxis wurde das neulich wieder einmal bei einem Wein von Ziereisen bestätigt.
Selbe Lage, selbe Klone, aber die einen Reben um die 25 Jahre, die anderen 50. Es war ein gewaltiger Unterschied.

Gruss
Georg
Man kann die Erkenntnisse der Medizin auf eine knappe Formel bringen: Wasser, mäßig genossen, ist unschädlich.
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Georg R.
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Re: Haben GG tatsächlich Reifepotenzial?

Beitrag von Georg R. »

Bernd Schulz hat geschrieben: Di 18. Jun 2024, 23:31
Jenseits der GGs konnte ich bei deutschen Weinen gar nicht so selten lagentypische Charakteristika finden. Ich vertrete ja die ketzerische Meinung, dass sich lagentypische Noten bei konzentrierteren Weinen tendenziell eher weniger bemerkbar machen als bei "kleineren" Gewächsen....
Wenn ich ehrlich bin, habe ich bei "kleineren Weinen" nie so recht darauf geachtet...aber das könnte durchaus Sinn machen. Bei der Spitze dreht man ev. etwas mehr an diversen Schräubchen, in den unteren Kategorien lässt man die Weine doch eher so wie sie sind.


Gruss
Georg
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Re: Haben GG tatsächlich Reifepotenzial?

Beitrag von Weinschlürfer »

Das zu diskutieren is müsig. Denke auch die Lage schmeckt man bei vielen deutschen GGs nicht heraus.
Klar schmeckt man Schiefer darüber muss man nicht sprechen. Aber es gibt Regionen da kommt es auf ganz andere Dinge an.

ich würde es mal so sagen -> Es kommt schon bisl raus was der Winzer eben möchte.
Hier hat er viele Stellschrauben. Auch Ertrag und die Arbeit, die er in die Parzelle steckt. + vieles andere.

....und alte Reben erleichtern dies sicherlich irgendwo.
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Jürgen
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Re: Haben GG tatsächlich Reifepotenzial?

Beitrag von Jürgen »

Ich bin seit Jahren dazu übergegangen, meine Top-Rieslinge, wozu auch die GG's gehören, zehn Jahre reifen zu lassen, bevor ich wirklich drangehe. Natürlich probiere ich immer mal in der Zeit davor, meine Regel hat sich aber bewährt. Jung trinken, bedeutet für mich Potential verschießen.
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