Seite 6 von 8

Re: Rudolf Fürst

Verfasst: So 15. Sep 2024, 21:04
von amateur des vins
Zuletzt drangen immer mehr Elogen über Fürsts rote zu mir durch, so daß ich mir doch mal ein eigenes Bild machen wollte, hatte ich doch mit Entsetzen recherchiert, daß ich bisher nur einmal einen weißen im Glas hatte.

Fürst, Schlossberg GG 2022

Ziemlich helles Pinot-Rot mit deutlicher Purpurnote. Trotz aller Transparenz nicht glasklar.
Nase androgyn coté maskulin. Fein und elegant, gleichzeitig mit gewisser Würze: Süße Him- und Erdbeeren werden etwas von wacholdriger Holznote überdeckt. Ein Hauch dunklen Eukalyptus' verleiht einen Eindruck von Frische.
Am Gaumen weicher und samtiger Antrunk, der rasch von einer moderat frischen Säure abgelöst wird, bei der wahrscheinlich unterschwelliges CO₂ im Spiel ist.
Im Abgang sanftes Crescendo von Ingwerschärfe und holzig-kokelliger Bitternote.

[+1d] Weiterhin süße (dunkel-)rote Beere. Der Wacholder hält sich heute im Hintergrund. Dafür feiner Lebkukchen und zarte Curry-Note. Insgesamt geringfügig komplexer.
Antrunk immernoch samtig, die Säure weniger vorlaut: CO₂ ausgegast.
Die Ingwerschärfe und kokelige Bitternote Richtung Abgang sind noch da, aber wesentlich zurückhaltender.

Am ersten Tag fand ich den aufgerufenen Preis vollkommen absurd und jenseits von gut und böse. Am zweiten Tag ließ der Wein ein gewisses Potential aufblitzen und war dann für meinen Geschmack "nur noch" krass überteuert. Für das Geld kaufe ich mir gerne 3 Flaschen eines stilistisch recht ähnlichen anderen Weines (mir kommt da spontan einer in den Sinn¹) und habe mit jeder einzelnen mindestens genausoviel Spaß.

__________
¹ Möchte hier keine Winzer gegeneinander ausspielen.

Re: Rudolf Fürst

Verfasst: So 8. Dez 2024, 11:55
von Lars Dragl
Hallo!

Letzte Woche hatte ich den SB Tradition und den SB Bürgstadter Berg aus dem Jahr 2022 offen. Zusammenfassend kann ich nur sagen, dass, zumindest bei diesen beiden Weinen, der Hype nicht an den Haaren herbeigezogen ist. Gerade der Tradition bietet jetzt schon richtig viel Trinkfreude für einen Basiswein. Er zeigt sich schön ausgewogen, mit gutem Körper, feiner Kräuterwürze und leicht pfeffrig. Der Bürgstadter Berg ist deutlich dunkler in der Frucht, was durch die dezenten Röstaromen aus dem Fass noch etwas verstärkt wird. Im Mund ist er aber bei höherer Konzentration viel feiner und strukturierter, wozu auch die noch etwas aufrauenden Gerbstoffe beitragen. Momentan scheint mir die Lücke zwischen beiden Weinen nicht so riesengroß, weil der Tradition rotfruchtiger und zugänglicher ist. In ein paar Jahren dürfte das jedoch ganz anders aussehen. Von beiden Weinen werde ich meine knappen Bestände jedoch nicht weiter aufstocken. Der Tradition ist mir 20 € eigentlich etwas zu teuer für das gebotene und der Bürgstadter Berg, bei aller Kühle und Frische, ein wenig zu schwarzbeerig. Das hat aber eher mit meinen persönlichen Vorlieben zu tun, als mit der Qualität. Andererseits hatte ich vom Bürgstadter Berg auch den 20er, dem der Tradition 2022 zum deutlich günstigeren Kurs fast das Wasser reichen kann. Also doch irgendwie ein Schnapper!?

Herzliche Grüße

Lars

Re: Rudolf Fürst

Verfasst: So 8. Dez 2024, 12:05
von EThC
Lars Dragl hat geschrieben: So 8. Dez 2024, 11:55 Andererseits hatte ich vom Bürgstadter Berg auch den 20er, dem der Tradition 2022 zum deutlich günstigeren Kurs fast das Wasser reichen kann. Also doch irgendwie ein Schnapper!?
...ich hab die Weine vor ein paar Wochen bei einer Hausmesse probieren können und kam zu einem ähnlichen Ergebnis. Den "Berg" hab ich dann links liegen lassen und den "Tradition" eingesackt, dafür hab ich mir dann aber in einem Anfall von Wahnsinn noch das Centgrafenberg-GG gegönnt... :mrgreen:

Re: Rudolf Fürst

Verfasst: So 8. Dez 2024, 12:41
von weinaffe
EThC hat geschrieben: So 8. Dez 2024, 12:05
Lars Dragl hat geschrieben: So 8. Dez 2024, 11:55 Andererseits hatte ich vom Bürgstadter Berg auch den 20er, dem der Tradition 2022 zum deutlich günstigeren Kurs fast das Wasser reichen kann. Also doch irgendwie ein Schnapper!?
...ich hab die Weine vor ein paar Wochen bei einer Hausmesse probieren können und kam zu einem ähnlichen Ergebnis. Den "Berg" hab ich dann links liegen lassen und den "Tradition" eingesackt, dafür hab ich mir dann aber in einem Anfall von Wahnsinn noch das Centgrafenberg-GG gegönnt... :mrgreen:
Hallo Erich,

ich war noch wahnsinniger und habe mir den 22er Hundsrück geleistet, wohl einer der besten Pinots, die je in Deutschland produziert wurden..... und der steht noch ganz am Anfang. Wer den "Fürst-Stil" mag, sollte unbedingt die Klingenberger Schlossberg Pinots von Philip Bernhard aus Erlenbach probieren. Sein 22er Fass 01 hat für mich absolutes GG-Niveau und ist qualitativ ziemlich nahe an den Fürst'schen Vertretern, kostet aber nur 28 Euro. Der Vergleich mit dem Klingenberger GG von Fürst (jenseits der 100 Euronen) wäre extrem spannend. Vielleicht mach ich das mal blind ;)

LG
Bodo

Re: Rudolf Fürst

Verfasst: So 8. Dez 2024, 17:06
von EThC
weinaffe hat geschrieben: So 8. Dez 2024, 12:41 ich war noch wahnsinniger und habe mir den 22er Hundsrück geleistet
... :mrgreen: :!:
Ist für mich durchaus nachvollziehbar und ich muß gestehen, daß ich mir das auch kurz überlegt, dann aber doch wieder verworfen habe, ich wollte meine persönliche Preisspirale nicht weiter in Fahrt bringen, die dreht sich eh schon schnell genug. Es wird wohl auf absehbare Zeit bei meiner persönlichen, schon seit einigen Jahren bestehenden Höchstmarke von 139 Euronen für die Eintel bleiben... :oops:

Re: Rudolf Fürst

Verfasst: Fr 21. Feb 2025, 12:17
von icedtea
Bild

Sehr ordentlicher Auftakt aus meinen Erwerbungen vom August 2024!

Re: Rudolf Fürst

Verfasst: Sa 6. Sep 2025, 09:28
von UlliB
Weisser Burgunder >R< 2021 (Fürst) 12,5%Vol. Gleich nach dem Öffnen eine heftige Reduktionsnote, abgebranntes Zündholz, Schießpulver... nach ein paar Minuten beruhigt sich die Nase, aber ein deutlicher und für mich aufdringlich wirkender Reduktionston bleibt über die zweieinhalb Stunden, in denen ich den Wein verfolgt habe, erhalten. Ich weiß, dass diese Stilistik bei deutschen Winzern gerade angesagt ist (bei Chardonnay noch viel mehr als bei Weißburgunder) und offensichtlich viele Leute das sehr mögen, mir gefällt es aber gar nicht. Wenn ich an einem Glas Wein rieche, möchte ich nicht mit intensiver Schwefelchemie konfrontiert werden.

In diesem Fall ist das besonders schade, denn wenn man an dem ganzen Qualm vorbei riecht und schmeckt, ist da eine sehr schöne Zitrusfrucht, die Konzentration ist für einen Wein mit 12,5%Vol. hoch, die Säure für einen Weißburgunder ziemlich knackig, aber nicht spitz, der Holzeinsatz passend. Wie schön könnte das sein...

Hier kann man nur hoffen, dass der Reduktionston nach ein paar Jahren weiterer Lagerung verschwindet und der Wein seine wahren Qualitäten zeigt. Ich werde das nicht erleben, es war eine Einzelflasche, und nachkaufen werde ich ganz bestimmt nicht.

Gruß
Ulli

Re: Rudolf Fürst

Verfasst: Sa 6. Sep 2025, 09:37
von EThC
UlliB hat geschrieben: Sa 6. Sep 2025, 09:28 Ich weiß, dass diese Stilistik bei deutschen Winzern gerade angesagt ist (bei Chardonnay noch viel mehr als bei Weißburgunder) und offensichtlich viele Leute das sehr mögen, mir gefällt es aber gar nicht. Wenn ich an einem Glas Wein rieche, möchte ich nicht mit intensiver Schwefelchemie konfrontiert werden.
...so ganz grundsätzlich bin ich schon ein Fan von Reduktionsnoten, durchaus auch in intensiverer Art, aber dennoch muß die Balance zum Rest entweder stimmen, oder in der Reduktionsaromatik selbst muß soviel Komplexität enthalten sein, daß diese auch alleine -für mich- Spaß macht. Das muß man dann schon können! Oder Glück haben, je nachdem...

Re: Rudolf Fürst

Verfasst: Sa 6. Sep 2025, 10:43
von amateur des vins
UlliB hat geschrieben: Sa 6. Sep 2025, 09:28 heftige[r] ... aufdringlich wirkender Reduktionston ...
Ich weiß, dass diese Stilistik bei deutschen Winzern gerade angesagt ist (bei Chardonnay noch viel mehr als bei Weißburgunder) und offensichtlich viele Leute das sehr mögen, mir gefällt es aber gar nicht. Wenn ich an einem Glas Wein rieche, möchte ich nicht mit intensiver Schwefelchemie konfrontiert werden.
Du sprichst mir aus der Seele. Wie beruhigend, daß ich nicht alleine bin.

Re: Rudolf Fürst

Verfasst: Sa 6. Sep 2025, 11:28
von Ollie
amateur des vins hat geschrieben: Sa 6. Sep 2025, 10:43 Du sprichst mir aus der Seele. Wie beruhigend, daß ich nicht alleine bin.
Was heißt hier "nicht alleine"?! #wirsindmehr :mrgreen:

Solide Burgunder-GGs im "alten" Stil - der dann ehrlicherweise tatsächlich etwas altbacken und aus der Zeit gefallen wirkt - gibt's bei Heitlinger im Kraichgau. Zwar schwingen sich die Weine nicht zu höchsten Höhen auf (89-91 auf meiner Skala), aber sehr gutes Handwerk und Holzmanagement. (Disclaimer: Ich bin aus einem Nachbardorf und freue mich, daß endlich mal jemand das Potential der Lagen realisiert.)

Cheers,
Ollie