Warum ist dieser Wein nicht ausverkauft?

Hohe Brisanz, kurzes Verfallsdatum
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nougat
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Re: Warum ist dieser Wein nicht ausverkauft?

Beitrag von nougat »

KäptnKork hat geschrieben:Gut also, dass es diese Weine noch gibt? Ja, sicher. Gut für uns Weinenthusiasten, die gerne gereifte Weine trinken und deshalb meistens angewiesen sind, für die Flaschenreife selber zu sorgen (und einen vollen Weinkeller zu haben). Gut deswegen, weil wir überraschenderweise immer Weine bekommen, die schon ein gewisses Alter haben. Und gut auch, dass Weine, die uns ausgegangen sind, so einfach nachzubestellen sind. Und das, obwohl diese Weine oft nur in geringer Stückzahl aufgelegt wurden.
Ja wunderbar! Alles in bester Ordnung also. So, wie wir Weintrinker es uns wünschen.
KäptnKork hat geschrieben:Gut für uns. Okay. Aber gut für den deutschen Wein? Was sagt uns das, wenn die besten deutschen Weine im Handel nicht ausverkauft sind?
Hm, dass sie noch erhältlich sind :?:
Bleibt die Frage nach der Befindlichkeit des deutschen Weins offen. Ob es gut für ihn ist? Vielleicht würde er sich wohler fühlen, wenn er neben heißblütigen Franzosen und temperamentvollen Spaniern im Privatkeller schlummern dürfte als täglich die Krämerseele zu sehen, die ihn am liebsten loshaben würde. Wir wissen es nicht. Und ehrlich gesagt, es gibt andere Fragen, die sich in unserer Zeit eher aufdrängen.
KäptnKork hat geschrieben:Umfrage im Bekanntenkreis. Allesamt große Weintrinker, alle Mitte Vierzig, alle in gutem Einkommen. Was ist ein "Großes Gewächs". Die Mehrzahl fantasiert, weiß es also nicht. Wer sind die bedeutendsten deutschen Winzer? Weil und Vollrads. Aha! Da ist wohl gründlich was schief gegangen.
Oha, ein Fall für unsere professionellen Heißluftgebläse und Bedeutungsauflader in Weinmagazinen und Werbeagenturen. Sollte es etwa in unserer durch und durch kommerzialisierten Konsumwelt noch Namen geben, die nicht auf den Schild gehoben wurden? Dann aber schnell noch 'ne Linie schniefen und dann ran im Kreativquartier :ugeek:
KäptnKork hat geschrieben:Wer muss sich in sein Stammbuch schreiben, dass er für die Unwissenheit deutscher Weintrinker über die Winzer des eigenen Landes verantwortlich ist? Etwa die Weinpresse? Die Weinhändler, die - wie hier im Bezirk Prenzlauer Berg - oft den hintersten katalanischen Biowein importieren und mit deutscher Ware nichts am Hut haben wollen?
Hm, ich wähle Antwort c) niemand. Alternativ ist natürlich Hartmut Mehdorn immer eine Option.
KäptnKork hat geschrieben:Nein! Ich will kein nationales Getue.
Nein, natürlich nicht.
KäptnKork hat geschrieben:Aha, wieder die deutsche Scham...Es liegt am fehlenden Stolz. Deutschland und der deutsche Weintrinker sind nicht stolz auf ihre Winzer.
Äh, was jetzt :? Und nebenbei: stolz auf die Leistung anderer zu sein ist ziemlich armselig.

Ich fasse den Artikel mal zusammen: Wenn wir schon unseren Chauvinismus pflegen, soll es gefälligst auch jeder mitbekommen.

Für mich persönlich sind solche Artikel auch wichtig damit ich signalisiert bekomme, wann ich mich empören muss.
Ich bin nämlich ein Psychopath, unfähig einer seelischen Regung. Ich trinke doch glatt in aller Gelassenheit meinen deutschen Wein, obwohl ich doch wg. seiner internationalen Stellung ein schlechtes Gewissen haben müsste. Und Empathie für seine Befindlichkeit kann ich auch nicht aufbringen.
Ich bin in den Augen des Käptn wohl ein hoffnungsloser Fall :oops:
Grüße
Martin

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Gerald
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Re: Warum ist dieser Wein nicht ausverkauft?

Beitrag von Gerald »

Immerhin muss man dem Käpt'n zugestehen, mit so gut wie keinem Inhalt und ohne nachvollziehbare Aussage ein Maximum an Aufmerksamkeit und Resonanz hier und anderswo in Weinkreisen hervorgerufen zu haben. Das muss man neidlos anerkennen.

(Ähnliches gilt allerdings auch für die Bild-Zeitung :D )

Grüße,
Gerald
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Herr S.
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Re: Warum ist dieser Wein nicht ausverkauft?

Beitrag von Herr S. »

Hallo Martin,

feiner Beitrag! Danke dafür (und für die Träne im Augenwinkel)!

Erheiterte Grüße,
Björn
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Markus Vahlefeld
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Re: Warum ist dieser Wein nicht ausverkauft?

Beitrag von Markus Vahlefeld »

MichaelWagner hat geschrieben:Hmm.....Du sagst also Sie könnten viel mehr GG abfüllen, tun es aber nicht, da sie nur eine begrenzte Anzahl verkaufen können und verknappen damit künstlich um ausverkauft zu sein. Sorry, das widerspricht dann meiner Aussage überhaupt nicht, um nicht zu sagen ist deckungsgleich und wäre somit dann auch Quark mit Soße...
Nix da! Die Verknappung ist EIN Grund und sicher der unwesentliche. Ein weit wichtigerer ist der des Qualitätsanspruchs. Da die VDP-Güter mindestens dreistufig laufen (Guts- und Ortswein und GG) würden sie zum einen dem Qualitätsanspruch des GGs nicht gerecht werden, sollten sie da früh gelesene Partien, Trauben aus jungen Rebanlagen oder unselektioniertes Material reinlaufen lassen. Damit könnten sie zwar die Menge der GGs erhöhen, würden aber der Qualität derart schaden, dass sie im nä. Jahr nur noch die Hälfte absetzen dürften. Das ist BTW nichts VDP- oder Deutschland-Spezifisches, sondern wird überall - auch im Burgund oder Bordeaux (hier die Tendenz zum Drittwein) - so gehandhabt.

Zum anderen würde es den Guts- und Ortsweinen ebenfalls erheblich an Substanz mangeln, wenn Partien, die QUALITATIV und STILISTISCH in sie gehören, nur, weil sie einer GG-Lagen entstammen, auf einmal ihnen vorenthalten blieben. Merke: nirgends wird alles, was aus einer Lage kommt, auch unter dieser Lage als GG (oder Grand Vin oder Grand Cru oder oder oder) abgefüllt. Aber Du bist doch Winzer und weisst das ziemlich gut...?

Und um es deutlich zu machen: mit dem von Dir ins Feld geführten Subskriptionsargument hat das gar nix zu tun.
MichaelWagner hat geschrieben:Erkläre mir folgendes: wenn man einen Wein sowieso verkauft bekommt, wozu braucht man dann Subskription? Ist doch nur Verwaltungsaufwand? Wer zuerst kommt malt zuerst und zack, Keller leer, wozu der Aufwand?
Gerne!

Also das mit dem Mahlen (sic!) ist so eine Sache. Die Subskription dient zum einen den Kunden, liebgewonnene Weine auch wirklich zugeteilt zu bekommen (die Sub in Deutschland wird nur Endkunden angeboten, Händler sprechen eine Reservierung aus). Zum anderen dient sie den Weingütern, schneller an das Geld zu kommen (Endverbraucher bezahlen sofort, Händler erst bei Abnahme). Und als letztes wird die Subskription AUCH als eine Art Gradmesser eingesetzt, wie hoch wohl die Nachfrage nach dem Wein sein könnte. Da eine Subskription aber - das Weingut Keller ist da meines Kenntnisstandes nach die einzige Ausnahme in Deutschland - vielleicht 15% oder 20% des Gesamtmenge betrifft, fällt sie für die schließliche Abfüllmenge nur unerheblich ins Gewicht.

Und um den Begriff Subskription nicht überzustrapazieren: es gibt in Deutschland keine Subskription. Es gibt die Möglichkeit zu reservieren. Und wenn man das Geld gleich bezahlt, bekommt man einen Preisnachlass. Mit einer Subskription wie im Bordelais hat das nüscht zu tun.

Aber Du bist doch Winzer und weisst das ziemlich gut...?
MichaelWagner
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Re: Warum ist dieser Wein nicht ausverkauft?

Beitrag von MichaelWagner »

Ja, ich bin Winzer, und kenne neben dem ganzen Blabla auch die Realität:)
wenns läuft, dann läufts. Aber bis es läuft, dauerts...
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Markus Vahlefeld
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Re: Warum ist dieser Wein nicht ausverkauft?

Beitrag von Markus Vahlefeld »

Na, dann gehörst Du sicher zu den ganz, ganz Erfolgreichen:)
MichaelWagner
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Re: Warum ist dieser Wein nicht ausverkauft?

Beitrag von MichaelWagner »

na dann definiere mal Erfolg und ich sage Dir ob ich dazu gehöre;)
wenns läuft, dann läufts. Aber bis es läuft, dauerts...
olifant
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Re: Warum ist dieser Wein nicht ausverkauft?

Beitrag von olifant »

... etwas verspätet meldet sich nun noch Jens Priese in dieser Sache zu Wort, m.M. nach sachlich und lesenswert ...

http://www.weinkenner.de/2013/streitfra ... men-26902/
Grüsse

Ralf

Die Zukunft war früher auch besser.
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Charlie
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Re: Warum ist dieser Wein nicht ausverkauft?

Beitrag von Charlie »

olifant hat geschrieben:... etwas verspätet meldet sich nun noch Jens Priese in dieser Sache zu Wort,
Off topisch:
Das ist eine gutes Beispiel für die Art wie man im Netz über Wein falsch kommuniziert wird: es gibt ein interessantes Thema und jeder schreibt seine Position in seinen Blog. Im besten Fall wird verlinkt. Das ist fast so schlimm wie bei den Printmedien, Radio, TV. Wofür hat man dann das Netz?
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Gerald
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Re: Warum ist dieser Wein nicht ausverkauft?

Beitrag von Gerald »

Das ist eine gutes Beispiel für die Art wie man im Netz über Wein falsch kommuniziert wird: es gibt ein interessantes Thema und jeder schreibt seine Position in seinen Blog. Im besten Fall wird verlinkt. Das ist fast so schlimm wie bei den Printmedien, Radio, TV. Wofür hat man dann das Netz?
Gute Frage. Im konkreten Fall vermute ich einmal, dass es weniger darum geht, wichtige neue Gesichtspunkte der Diskussion hinzuzufügen, sondern um den eigenen Blog mit einem neuen Beitrag zu füttern und damit die Reichweite zu steigern. Ganz ehrlich gesagt gilt das ja schon für den Auslöserbeitrag, wo die "aufrüttelnde" Aussage ja erst durch Ausnützen aller Kunstgriffe der journalistischen Freiheit zustande gekommen ist. ;)

Grüße,
Gerald
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