Pestizidrückstände in GG, Smaragd & Co?

Von der Weinbergspflege bis zur Kellertechnik
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Gerald
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Re: Pestizidrückstände in GG, Smaragd & Co?

Beitrag von Gerald »

Hallo,
das Durchschnittsalter der Menschen in Dtld. steigt immer weiter an. So gefährlich bis tödlich können die Rückstände also nicht sein.
das halte ich für kein sehr realitätsbezogenes Argument. Denn damit könnte man ja auch alle anderen wichtigen gesundheitspolitischen Fragen wie Bewegungsarmut, Feinstaub, allgemein ungesunde Ernährung (zu viel Fett/Zucker, zuwenig Obst/Gemüse) etc. einfach vom Tisch fegen. Die moderne Medizin hält uns länger am Leben als früher, wenn auch nicht unbedingt bei hoher Lebensqualität (siehe z.B. die Überlebenszeiten bei Krebserkrankungen).

Aber was mir noch weniger einleuchtet: wenn man seinen Weinbedarf beim Discounter deckt, kann ich noch verstehen, dass man wenig Probleme mit Pestiziden hat, solange keine Gesundheitsgefährung nachweisbar ist und der Wein "lecker" und billig ist. Aber als Weinfanatiker, der über die verschiedenen bodenbezogenen Aromen, die Vorteile der Spontangärung etc. stundenlang diskutiert und der kein Gummi arabicum oder gar synthetische Aromazusätze im Wein haben möchte - wie man da eine ganze Menge naturfremder Substanzen im Wein einfach ignorieren kann, das verstehe ich nicht wirklich.

Das passt meiner bescheidenen Meinung nach nicht zusammen. Entweder beurteile ich einen Wein ausschließlich nach dem Geschmack (und mir ist egal, ob er mit synthetischen Aromastoffen, Holzchips, fraktionierter Destillation wie bei der SCC etc. zustandegekommen ist, solange das Resultat schmeckt), oder mir sind auch Herstellung und Authentizität wichtig. In letzterem Fall würden mich zumindest Pestizidrückstände - auch wenn man sie nicht direkt schmeckt und sie nach aktuellem Wissensstand nicht gesundheitsschädlich sind - doch sehr stören.

Grüße,
Gerald
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Gerald
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Re: Pestizidrückstände in GG, Smaragd & Co?

Beitrag von Gerald »

Ach übrigens: Eiswein ist vermutlich auch ein Kandidat, wo erhebliche Mengen an Botrytizidrückständen zu erwarten sind, oder?

Grüße,
Gerald
Neuppy
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Re: Pestizidrückstände in GG, Smaragd & Co?

Beitrag von Neuppy »

Hallo,
Ich verfolge die Diskussion sehr interessiert und versuche mir ein eigenes Meinungsbild zu machen.
Eure Argumentation bezüglich der Pestizidrückstände verstehe ich gut - allerdings sind dies doch bisher ausschließlich Vermutungen. Belegbare Fakten bezüglich der konkreten Rückstände in einzelnen Smaragden und Grossen Gewächse liegen ja wohl nicht vor. Vielleicht bin ich etwas naiv, aber als Jurist gilt für mich immer noch die Unschuldsvermutung. Solange also Pestizidrückstände im Wein nicht nachgewiesen sind, halte ich diese Diskussion für eine gefährliche Gratwanderung.

Vielleicht sollte man mal einzelne Weine genau untersuchen.
Es gibt ja zahlreiche Winzer, die ausdrücklich erst im November/Dezember (Keller, Hirtzberger, Pichler) ernten. Das müßten ja dann eigentlich die Weine sein, wo man am ehesten eine entsprechende Belastung nachweisen könnte.

Ich bin noch der Meinung, daß - wenn tatsächlich so spät geerntet werden sollte (Dirk Würtz hat dies ja schon mal etwas skeptischer betrachtet) - auch durch Laubmanagement, Ausdünnung etc. ein Schutz vor Botrytis möglich ist. Wenn man sich mal die angegebenen Hektolitererträge dieser WInzer anschaut, ist das doch durchaus realistisch (selbst wenn ich weiß, daß dies Eigenangaben sind). Darüber hinaus ist der Botrytisdruck in den Jahren doch unterschiedlich.
Off-Topic: Rebholz hat zum Beispiel in 2003 eine TBA aus komplett Botrytisfreien Trauben gemacht. Die waren am Stock rosiniert.

Darüber hinaus, schmeckt man doch in einzelnen Weinen durchaus, daß Botrytis mitverarbeitet worden ist. Insofern glaube ich nicht, daß die SPitzengewächse tatsächlich in dem Maße mit Pestiziden behandelt werden, wie dies dieser Thread glauben läßt. Nennt mich gerne naiv. Bei Fakten ändere ich gerne meine Meinung.

Herzliche Grüße

Peter
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Gerald
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Re: Pestizidrückstände in GG, Smaragd & Co?

Beitrag von Gerald »

Hallo Peter,

nein, konkrete Analysenergebnisse liegen mir nicht vor. Es ist nur eine theoretische Überlegung, denn wenn man z.B. von den Daten wie im Link auf Seite 2 ausgeht, landen etwa 15% der auf den Trauben aufgebrachten Menge an Fenhexamid tatsächlich im Wein. Wenn man nun von den aufwändigen Spritzplänen (wie von Ulli erwähnt) ausgeht, wäre die logische Folge, dass recht erhebliche Rückstände zu erwarten sind.

Aber natürlich wäre es eine tolle Sache, einige entsprechende Weine einzukaufen und auf die Rückstände zu analysieren. Ich kenne genug Laboratorien, die so etwas machen können, nur müsste jemand die Sache sponsoren. Aber wer? Die Vinea Wachau, der VDP & Co werden wohl kein großes Interesse daran haben, oder? :?

Ich bin ja kein Jurist, aber gerade bei solchen Themen finde ich den Vergleich mit der Unschuldsvermutung nicht ideal. Wenn sich die Frage einer - theoretisch denkbaren - Schadstoffbelastung stellt, würde ich persönlich erst Entwarnung geben, wenn das Gegenteil bewiesen ist und nicht solange für harmlos halten, bis die Schadstoffe hieb- und stichfest nachgewiesen sind. Man vergleiche auch die Diskussion zum Klimawandel ...

Grüße,
Gerald
Neuppy
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Re: Pestizidrückstände in GG, Smaragd & Co?

Beitrag von Neuppy »

Hallo Gerald,
wie gesagt, Eure Argumentation kann ich gut nachvollziehen. Dennoch muss meines Erachtens eben auch hier sehr vorsichtig formuliert werden.
Die Formulierungen die hier im Thread von anderen gemacht worden sind, stellen die Winzer, die nach eigenen Angaben tatsächlich erst im November oder später ernten unter einen Generalverdacht. Es ist ja nun wohl nicht so, daß Ernte Ende September/Anfang Oktober = unverdächtig und danach = verdächtig gilt.

Dies ist meines Erachtens auch etwas anderes in Bezug auf den Klimawandel, da dort keine eingrenzbaren Vorwürfe an einzelne Menschen gemacht werden. Dass sich das Klima wandelt ist darüber hinaus auch nachweislich richtig. Warum ist da nur strittig (das ist natürlich sehr verkürzt).

Hast Du eine Vorstellung, was so eine Überprüfung kosten würde? Vielleicht kann das Forum ja mal eine entsprechende Analyse beauftragen.

Grüße Peter
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Gerald
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Re: Pestizidrückstände in GG, Smaragd & Co?

Beitrag von Gerald »

Hallo Peter,

nein, einen Generalverdacht kann man natürlich so nicht sehen, es hängt ja auch vom konkreten Jahrgang ab, vom Mikroklima der Lage (ständiger Wind etc.) und anderem. Es wurde ja auch kein einzelner Winzer "beschuldigt", sondern nur der Weinstil als solcher.

Genaue Preise für ein Pestizid-Screening in Wein habe ich nicht, ich würde aber ganz grob von ca. EUR 200 je Probe ausgehen. Das hängt aber davon ab, was konkret man sucht. Wenn nicht alle gesuchten Substanzen mit einem Verfahren (GC/MS) bestimmt werden können oder verschiedene Aufbereitungsschritte notwendig werden, könnte es auch teurer sein.

Für eine halbwegs repräsentative Untersuchung werden also leider die finanziellen Mittel unseres bescheidenen Forums nicht ausreichen. Und nur je eine Flasche Wachauer Smaragd und eine Flasche GG zu untersuchen wäre den entsprechenden Winzern gegenüber nicht sehr fair ...

Grüße,
Gerald
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UlliB
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Re: Pestizidrückstände in GG, Smaragd & Co?

Beitrag von UlliB »

Neuppy hat geschrieben: Vielleicht bin ich etwas naiv, aber als Jurist gilt für mich immer noch die Unschuldsvermutung.
Hallo Peter,

nun, was den Begriff Schuld betrifft, muss man etwas vorsichtig sein. Was geschieht - wenn es denn geschieht - ist ziemlich sicher absolut legal; ich gehe davon aus, dass Anwendungshöchstmengen, Wartezeiten und zulässige Rückstandsmengen nicht überschritten werden (auf Letzteres deuten auch alle verfügbaren Analysendaten hin). Von einem Fehlverhalten und damit von Schuld in engerem Sinne kann also eigentlich nicht die Rede sein.

Übrigens hatte in diesem Thread, soweit ich das sehe, bislang noch keiner den Namen eines Winzers ins Spiel gebracht - das blieb jetzt Dir überlassen. Wobei ich allerdings zugebe, dass mit ein wenig Insiderwissen ein paar Namen quasi 'auf dem Tisch liegen'.

Was die Analysenkosten betrifft, würde ich vermuten, dass die von Gerald geschätzten Kosten eher am unteren Ende liegen; es geht hier um Ultraspurenanalytik, da könnte auch leicht ein deutlich höherer Betrag zusammenkommen.

Gruß
Ulli
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Gerald
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Re: Pestizidrückstände in GG, Smaragd & Co?

Beitrag von Gerald »

Hallo Ulli,
es geht hier um Ultraspurenanalytik, da könnte auch leicht ein deutlich höherer Betrag zusammenkommen.
das glaube ich eher nicht, denn die üblichen Methoden dafür (GC/MS bzw. LC/MS) haben meist Bestimmungsgrenzen deutlich unter 1 ppb. Die zu erwartenden Konzentrationen werden aber vermutlich weit höher liegen. Man braucht ja nur einmal ganz grob zu schätzen, wieviel bei 1,6 kg/ha Fenhexamid pro kg Trauben hängen bleiben werden. Wenn davon 15% sich im Wein wiederfinden ...

Aber schon richtig, solange die Anwendungsvorschriften eingehalten und die Grenzwerte nicht überschritten werden, hat niemand etwas Verbotenes getan. Ob das Resultat für den Weinliebhaber "appetitlich" ist, das ist eine andere Frage ...

Grüße,
Gerald
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Gerald
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Re: Pestizidrückstände in GG, Smaragd & Co?

Beitrag von Gerald »

Ganz interessant übrigens auch der letzte Kommentar (zumindest dem Namen nach von einem Wachauer Winzer) im Online-Schiffchen ...

http://www.captaincork.com/Weine/Weissw ... 8-Kauftipp

Grüße,
Gerald
Rieke Riesling
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Re: Pestizidrückstände in GG, Smaragd & Co?

Beitrag von Rieke Riesling »

Ich klinke mich mal wieder ein. Bei uns ist es so, dass seit ca. 5...6 Jahren, regelmäßig die Weinkontrolle/Lebensmittelüberwachung zur Lese aufläuft und Traubenproben nimmt. Jedesmal pro Sorte (meiste nur 1 oder 2 Sorten) jeweils 1 Kg Trauben mitnimmt (ich verzichte auf eine Gegenprobe, die trinke ich lieber). Diese Traubenproben werden dann auf PSM Rückstände untersucht. Sollte hier schon ein Grenzwert überschritten sein wird es hart. Denn dann weiß ich nicht ob der Wein aus der Sorte überhaupt verkehrsfähig wäre, da ja schon zum Zeitpunkt der Verabeitung Grenzwerte überschritten wären. Das dient der Weinkontrlle auch um verbotene Substanzen nachweisen zu können. Letzlich auch uns als Schutz für uns, weil wir nachweisen können das alles ok ist.
Man bekommt dann erst ca. Ende November die Mitteilung ob alles ok ist.
Wie das in andern Anbaugebieten/Ländern ist, keine Ahnung. Wobei ich mir schon vorstellen kann das Kontrollen dürchgeführt werden. Natürlich kann man nicht alles kontrollieren, aber so einfach drauf los spritzen ist halt auch gefährlich. Für alle.
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