Interessant: Spontanvergärung

Von der Weinbergspflege bis zur Kellertechnik
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Gerald
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Re: Interessant: Spontanvergärung

Beitrag von Gerald »

Spontanvergärung (wenn es denn wirklich echte ist) erschnuppert man sofort.
hmmm ... ihr bezieht euch aber nur auf Weißwein und ganz speziell auf Riesling, oder?

Im Burgenland gibt es nämlich durchaus einige Winzer, die spontan vergären (Krutzler fällt mir "spontan" ein ;) ), ein sofort erkennbarer Unterschied zu anderen Winzern der Region ist mir aber noch nicht aufgefallen. Dabei ist Spontanvergärung in Zusammenhang mit der Gefahr eines natürlichen Gärungsabbruches ja bei Rotwein viel problematischer als bei Weißwein, da beim - üblicherweise angestrebten - BSA Restzucker ein erhebliches Risiko von Essigsäurebildung mit sich bringt.

Grüße,
Gerald
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Markus Vahlefeld
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Re: Interessant: Spontanvergärung

Beitrag von Markus Vahlefeld »

Tja, was die so erfahrenen Verkoster angeht...

Letztes Jahr auf der GG-Vorprobe in Wiesbaden, nur geladene Journalisten, einer von ihnen, ein seit vielen Jahren bekannter deutscher Gastro- und Weinschreiber auf meine Nachfrage, wie ihm die Weine von X gefallen:

"Hm... Riesling muss doch fruchtig schmecken, mich wundert so früh nach der Abfüllung, dass die Weine fast keine Frucht mehr haben."

Ich: "Du meinst die Spontangäraromen?"

"Ach, das sind Spontangäraromen?"

___________


Was ich damit sagen will: auch wenn das Thema Sponti in Deutschland oftmals ideologisch gehandhabt wird, es gibt wohl kein Weinland auf der Welt, wo die Menschen mit Wein so stark Fruchtaromen assoziieren. Riesling ist Frucht. Punkt. Und ein authentisch arbeitender Winzer wird nie die Fruchtaromen im Riesling hervorheben wollen, weil Riesling eh die Traube ist, die schon soviel davon hat. Und da sind wir beim Thema Vielschichtigkeit: ein vielschichtiger Riesling hat auch etwas Frucht, aber vor allem erdige, tabakige, würzige und feuerstein-schiefrige Aromen. Und die, so zumindest meine Erfahrung, konserviert man beim Riesling ausschließlich mit Spontanvergärung. Sonst sind die futsch.
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octopussy
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Re: Interessant: Spontanvergärung

Beitrag von octopussy »

Markus, das ist aber eine ziemlich eingeengte Sichtweise. Gehst du da nicht etwas zu stark von deinen persönlichen Vorlieben aus?

Nimm mal Bürklin-Wolf oder Christmann: bei beiden wird m.W. der Großteil der Weine spontan vergoren. Viele von deren Rieslingen sind aber aus meiner Sicht mehr von der Frucht als von "erdig, tabakig, würzig und feuerstein-schiefrigen" Aromen geprägt, in einem sehr positiven Sinne. Und restsüße Rieslinge zeichnen sich doch ganz maßgeblich durch eine kristallklare Frucht aus, auch und gerade, wenn sie spontan vergoren werden (Beispiele gibt es zuhauf, ich nenne mal Willi Schaefer). Ich glaube, man kann diesen Winzern nicht absprechen, authentisch zu arbeiten.
Beste Grüße, Stephan
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Weinfreund
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Re: Interessant: Spontanvergärung

Beitrag von Weinfreund »

Im Burgenland gibt es nämlich durchaus einige Winzer, die spontan vergären (Krutzler fällt mir "spontan" ein ), ein sofort erkennbarer Unterschied zu anderen Winzern der Region ist mir aber noch nicht aufgefallen.
Ich muss zugeben, dass ich die typische Sponti-Nase bisher wirklich nur bei Riesling hatte. Aber auch hier in ganz deutlich unterschiedlichen Ausprägungen und Stärken.

IMHO gehe ich schon davon aus, dass spontanvergorene Weine durchaus wie Reinzuchtweine riechen und schmecken können (bei einer dominaten Hefe). Umgekehrt sollte es deutlich schwieriger (bzw. gar unmöglich) werden.

Viele Grüße
Sascha
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UlliB
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Re: Interessant: Spontanvergärung

Beitrag von UlliB »

Weinfreund hat geschrieben: Insofern kann / müsste dann eine dominate "Kellerhefe" fast wie ein Reinzuchtwein schmecken .. ;)
Sie tut es.

Wer nämlich nicht mit Reinzuchthefe arbeitet, ist deswegen noch lange kein "Spontanist"; hier herrscht gelegentlich auch bei den Erzeugern eine erhebliche Begriffsverwirrung.

Manche Erzeuger lassen in einem Gebinde die Gärung spontan anlaufen, und wenn hier die Vergärung zur Zufriedenheit läuft, wird aus dem sich bereits voll in der Gärung befindlichen Gebinde auf nachfolgende Mostpartien "übergeimpft" (vulgo: ein Eimer des gärenden Weines hineingeschüttet). Verwandte Verfahren sind "pied de cuve" oder Voransätze, bei denen man erst in einer Kleinmenge die Gärung (spontan) anlaufen lässt und später damit (bei zufriedenstellendem Verlauf der Gärung) die etwas später gelesene Hauptmenge in Gärung versetzt.

Da sich in der Vollgärung immer ein dominanter Hefestamm durchsetzt, arbeitet man hier im Prinzip mit einer betriebseigenen Reinzuchthefe. Und die Weine schmecken dann auch in aller Regel ziemlich reinzüchtig.

Echte Spontanvergärung bedeutet: jedes individuelle Gebinde startet seine Gärung von alleine = spontan.

Gruß
Ulli
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UlliB
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Re: Interessant: Spontanvergärung

Beitrag von UlliB »

Gerald hat geschrieben:hmmm ... ihr bezieht euch aber nur auf Weißwein und ganz speziell auf Riesling, oder?
Hallo Gerald,

ich habe die typische Sponti-Nase tatsächlich noch nie in einem Rotwein ausmachen können, auch nicht bei Erzeugern, bei denen ich sicher bin, dass sie "echt" spontan vergären. Ich nehme mal an, dass die völlig anderen Bedingungen bei der im Regelfall durchgeführten offenen Maischegärung (höhere Temperatur auch bei temperaturgeregelter Vergärung, offener Gärständer + regelmäßiges Überpumpen bzw. Untertauchen des "Hutes") plus der nachfolgende deutlich oxidativere Ausbau diese durchaus flüchtigen Noten beim Rotwein verschwinden lassen.

Gruß
Ulli
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Weinfreund
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Re: Interessant: Spontanvergärung

Beitrag von Weinfreund »

Wer nämlich nicht mit Reinzuchthefe arbeitet, ist deswegen noch lange kein "Spontanist"; hier herrscht gelegentlich auch bei den Erzeugern eine erhebliche Begriffsverwirrung.
Hallo Ulli,

ich denke auch, dass man hier noch mehr differenzieren müsste.

Interessant wäre auch, wie lange sich eine Hefe z.B. in Holzfässern hält (diese werden ja gewässert aber nicht sterilisiert). Hier wären dann auch die einzelnen individuellen Gebinde nicht mehr ganz so spontan.

Führt dies mglw. gar dazu, dass der wirklich spontanvergorene Wein auf eine fast sterile Kellertechnik treffen muss?

Viele Grüße
Sascha
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DerFranki
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Re: Interessant: Spontanvergärung

Beitrag von DerFranki »

UlliB hat geschrieben:Wer nämlich nicht mit Reinzuchthefe arbeitet, ist deswegen noch lange kein "Spontanist"; hier herrscht gelegentlich auch bei den Erzeugern eine erhebliche Begriffsverwirrung.

Manche Erzeuger lassen in einem Gebinde die Gärung spontan anlaufen, und wenn hier die Vergärung zur Zufriedenheit läuft, wird aus dem sich bereits voll in der Gärung befindlichen Gebinde auf nachfolgende Mostpartien "übergeimpft"

Yepp.

Beim Besuch im Weingut Bernard Eifel in Trittenheim hat mir der Chef nämlich auch mal erzählt, er würde seine Weine spontan vergären.

Auf meine Nachfragen begann er dann rumzueiern (er versuchte wohl heraus zu finden, was ich gerne hören wollte ;) ) und am Ende hatte ich den Eindruck, er setzt eigentlich Reinzuchthefen ein und vermengt es mit einem Alibi-Schluck Spontanvergorenem.

Ich konnte mir darauf zunächst keinen Reim machen, bis ich irgendwo gelesen habe, dass durchaus beide Methoden bei einem Wein eingesetzt werden.

Ich vermute es wird reinzuchtvergoren weil die Winzer diesen Vorgang sicher im Griff und die Sponti-Nummer wird hinten drauf gepackt um bei den Freaks und in Foren als Sponti-Winzer auch noch zu glänzen.


Ich erkenne Spontis sofort.
Oder auch mal nicht. :D
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Gerald
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Re: Interessant: Spontanvergärung

Beitrag von Gerald »

Ich konnte mir darauf zunächst keinen Reim machen, bis ich irgendwo gelesen habe, dass durchaus beide Methoden bei einem Wein eingesetzt werden.

Ich vermute es wird reinzuchtvergoren weil die Winzer diesen Vorgang sicher im Griff und die Sponti-Nummer wird hinten drauf gepackt um bei den Freaks und in Foren als Sponti-Winzer auch noch zu glänzen.
so etwas Ähnliches habe ich mir auch schon manchmal gedacht. Das ist natürlich das Problem, wenn es keine klaren Richtlinien gibt, wann ein Winzer seine Weine als "spontan vergoren" bezeichnen darf und wann nicht.

Ein bisschen so wie die Sache mit "bio", wo man nicht selten zu hören bekommt, dass das Weingut ohnehin "bio" arbeitet, man sich nur eben nicht zertifizieren lassen wollte ;)

Apropos bio: auch hier in Ö arbeiten meines Wissens die meisten Biowinzer mit Spontanvergärung (die biodynamischen nach Demeter müssen sogar, RZ-Hefen sind nur für Sekt zugelassen), als typisches Kennzeichen von Bioweinen wird aber normalerweise nicht die aromatische Komplexität, sondern die Struktur am Gaumen genannt. Irgendwie fällt mir Goethe ein "... und bin so klug als wie zuvor :o "

Grüße,
Gerald
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Weinfreund
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Re: Interessant: Spontanvergärung

Beitrag von Weinfreund »

Ich vermute es wird reinzuchtvergoren weil die Winzer diesen Vorgang sicher im Griff und die Sponti-Nummer wird hinten drauf gepackt um bei den Freaks und in Foren als Sponti-Winzer auch noch zu glänzen.
Hi Franki,

gibt es sicher auch. Ich fürchte aber fast, dass wie Ulli es schon angedeutet hat, viele Winzer ehrlich davon ausgehen (und kommunizieren) spontan zu vergären, in Wirklichkeit aber doch eher Eigenselektionen verwenden.

Z.B. Haart, aber vor allem auch P.J. Kühn sind definitiv im Wortsinn "spontan".

Grüße
Sascha
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