Matthias Hilse hat geschrieben:Mein Punkt sollte sein, dass durch den Personalwechsel der WA nun die Bedingungen des Erzeugers anerkennt.
Vielleicht liege ich ja falsch, aber ich hatte nicht die Wahrnehmung, dass der WA bzw. Parker selbst früher Leitlinien hatte, die eine Verkostung direkt auf den Gütern ausgeschlossen hätten. War es nicht eher so, dass das Fehlen einzelner Güter in den Primeur-Notizen des WA eher darauf zurückzuführen war, dass es einzelfallspezifisch zwischen Parker und den jeweiligen Eigentümern "geknirscht" hat?
Wie dem auch sei, ich empfinde die größere Vollständigkeit der Bewertungen aus Konsumentensicht jedenfalls begrüßenswert.
Matthias Hilse hat geschrieben:obwohl ich nur sehe, dass er Roc de Cambes zweimal - 2012 und 2011 - zuvor bewertet hat
Wenn ich die Funktion "Search Neal's Tasting Notes" in der linken Randspalte benutze, sehe ich insgesamt 16 Notizen zu diversen Jahrgängen zurück bis 1993. Viele davon sind Bewertungen des gefüllten, teils auch bereits gereiften Weines, Primeurnotizen gibt es zu 08 und 11-13. Die Notizen ab Jg. 14, in dem NM offizieller Primeurverkoster wurde, finde man so leider nicht, die sind über die reguläre Suche erreichbar.
Matthias Hilse hat geschrieben:Ich glaube im Übringen nicht, dass Neal Martin seinen unabhängigen Geist mit seiner neuen Funktion wird weiterhin - zumindest was Bordeaux betrifft - in gleicher Art artikulieren können. Was ich damit meine, ist bereits zuvor bei Ollie irgendwo angeklungen.
Es wäre natürlich schade, wenn es so wäre. Nun muss man natürlich sagen, dass mit der neuen Rolle auch eine neue Verantwortung kommt. Als freier Weinjournalist kann man es sich erlauben, seine persönlichen stilistischen Vorlieben auch sehr deutlich in den Punkten abzubilden - Beispiele gibt es ja zuhauf. Wenn z. B. Tim Atkin einen sehr reifen und konzentrierten St. Emilion stilistisch nicht goutiert, dann ist es völlig in Ordnung, wenn er ihn mit einer niedrigen 80er-Bewertung abstraft, auch wenn der Wein handwerklich vielleicht sehr gut gemacht ist und Menschen mit anderen Vorlieben sehr gut schmecken würde, denn Atkin darf und soll "Meinung machen". Wenn nun jemand wie NM als Bordeaux-Verkoster des WA eine neue Rolle übernimmt, darf man als Konsument m. E. eine andere Erwartungshaltung haben. Bei einer Publikation, die einer breiten Klientel von Konsumenten Orientierung über die Qualität der Weine geben will, muss die persönliche stilistische Vorliebe des Verkosters stärker in den Hintergrund treten. Ein Verkoster muss in der Lage sein, beides unter einen Hut zu bringen - er muss z. B. die unumstrittene Qualität eines Pavie in einer angemessenen Bewertung würdigen, sollte sehr wohl aber gleichzeitig die stilistischen Differenzen etwa zu Figeac herausarbeiten und durchaus auch deutlich machen, welches er warum als die bessere Interpretation sieht (vor allem sprachlich, aber auch in einer Feindifferenzierung der Bewertungen). Mir persönlich war Parker da immer wieder zu undifferenziert, da die eher knappen und knackigen Notizen dafür nicht genug Raum ließen. Bei NM finde ich mehr Nuancen, allerdings ist dafür etwas aufmerksameres Lesen nötig und auch ein gewisses Gefühl für die Besonderheiten des "British English", wo Kritik etwas subtiler daherkommt als "der Wein ist Mist", aber sehr wohl zum Ausdruck kommt. Gerade seine sprachlichen Fähigkeiten in diesem Punkt sind m. E. für Neal Martin die beste Voraussetzung, sich seine Unabhängigkeit zu bewahren, denn er kann Kritik am Wein aussprechen, ohne dabei - wie gelegentlich Parker - grob zu werden und die Erzeuger zu verprellen - letzteres ist nicht im Interesse der Leser.