Re: Bordeaux 2011
Verfasst: So 29. Apr 2012, 12:11
ich zitiere mal aus der Schwander-Empfehlungsliste "ganz große 2011er : Keine"
Wir haben mit den Parkernoten eine Beerdigung zweiter Klasse erlebt. Das Interesse an der Subskription geht sicher nicht nur hier im Forum nunmehr gegen Null. Mich persönlich interessiert 2011 (und dieses Problem werde ich übrigens mit den Rieslingen des Jahrgangs in Deutschland möglicherweise haben) schon deshalb nicht so stark wie 2008, weil der Terroircharakter in einem trockenen Jahr wegen des geringen Extraktgehaltes (Wasser spült die Mineralien aus dem Boden) nicht so ausgeprägt vorkommen dürfte. Worte der Kaufzurückhaltung sagen sich jetzt natürlich leicht, weil die Preise ohnehin hoch sein werden. Bordeaux ist eben Spekulation und deshalb lohnt sich ein Blick auf die Faktenlage. Was wissen wir denn überhaupt?
- Um den Jahrgang 2011 wird viel Politik gemacht. Parker macht sie (man lese sich mal den Text vor den reinen Punkten genauer durch. 2008 hat er Primeur hoch und die Arrivage runtergeschrieben. Diesmal wird es andersherum laufen. Eine der früheren Postings hat das schon schön analysiert). Die Chateaus machen sie (Ausstieg von Latour, frühes Erscheinen von Lafite und Cos).
- Die Erntemenge 2011 ist begrenzt. Es ist nicht sehr viel auf dem Markt vorhanden. Ergo: Es muss auch nicht so viel verkauft werden.
- Die Kampagne 2008 sitzt den Chateaus als Menetekel in den Knochen. Wer je mit einem Chateauvertreter über die Preisgestaltung 2008 gesprochen hat, weiss, was ich meine. Das ist für die ein Erlebnis wie für die DDR-Führung der 17. Juni oder für die Chinesische KP der Platz des Himmlischen Friedens. Never Again!
- 2010 hat sich schlechter verkauft als 2009, obwohl die Qualitäten vor allem auf dem linken Ufer mindestens so gut sind.
- Chinesen kaufen nicht per Subskription. Die Nachfrage in den BRIC-Staaten nach lieferbaren Weinen ist aber unverändert hoch. Nur: Es gibt nicht mehr viele lieferbare Weine.
- Die Krise ist noch da. Nur die Krisenreaktion ist eine andere. Statt sinkender Preise wie 2008 geht man nun einen anderen Weg. Latour macht vor, wie man sich für Inflation und Währungsausfälle wappnet. Man verkauft eben nicht die Vorräte, die einige von Euch in den Lagerhallen gesehen haben. Man hält einen Stock vor und verkauft nur so viel, wie man für den Umsatz braucht.
- Die Negociants haben ein Problem, weil ihre Umsatzbringer sie Jahr für Jahr mit immer geringeren Allokationen versorgen. Das ist das Ergebnis der neuen Vorratswirtschaft der Chateau. Ist das schlimm? Ja! Wenn ich einem Millionär eine Kiste Lafite für 12.000 Euro verkaufe, muss ich für den gleichen Umsatz vielen kleinen Kunden erst mal 8-10 Kisten eines Superseconds oder 20 Kisten eines guten GCC oder 80 Kisten eines ordentlichen Cru Bourgeois verkaufen - die Handlingkosten sind also ungleich höher. Das Risiko eines Zahlungsaufalls gestreuter, aber ebenfalls höher.
- Der Handel steht vor dem gleichen Problem. Wie wirkt sich das auf die Preise aus? Sie fallen! Jedenfalls relativ gesehen. Wenn ich mir die Angebote einiger Händler ansehe, den ex-Nego-Preis abziehe und noch die Mehrwertsteuer berechne, dann sehe ich kaum mehr eine Handelsspanne. Sprich: Im Bordeauxgeschäft geht es nicht mehr um Gewinn, es geht vielen nur noch um Kundenbindung.
Was heißt das für die Preise ab Montag? Erst mal wird wegen des Feiertags am Dienstag nicht viel laufen. Was kommt, wird aber wahrscheinlich zu den gleichen geringen Abschlägen laufen, wie vor Parker. Die Chateau, die dann vielleicht doch größere Abschläge geben müssen, werden es nötig haben. Die Streu wird sich möglicherweise vom Weizen trennen. Auf nette Preise von Pontet Canet wird man also nicht warten müssen. In der Bordeaux-Mittelklasse könnte es anders sein. Wait and See.
Grüße,
wolf
Wir haben mit den Parkernoten eine Beerdigung zweiter Klasse erlebt. Das Interesse an der Subskription geht sicher nicht nur hier im Forum nunmehr gegen Null. Mich persönlich interessiert 2011 (und dieses Problem werde ich übrigens mit den Rieslingen des Jahrgangs in Deutschland möglicherweise haben) schon deshalb nicht so stark wie 2008, weil der Terroircharakter in einem trockenen Jahr wegen des geringen Extraktgehaltes (Wasser spült die Mineralien aus dem Boden) nicht so ausgeprägt vorkommen dürfte. Worte der Kaufzurückhaltung sagen sich jetzt natürlich leicht, weil die Preise ohnehin hoch sein werden. Bordeaux ist eben Spekulation und deshalb lohnt sich ein Blick auf die Faktenlage. Was wissen wir denn überhaupt?
- Um den Jahrgang 2011 wird viel Politik gemacht. Parker macht sie (man lese sich mal den Text vor den reinen Punkten genauer durch. 2008 hat er Primeur hoch und die Arrivage runtergeschrieben. Diesmal wird es andersherum laufen. Eine der früheren Postings hat das schon schön analysiert). Die Chateaus machen sie (Ausstieg von Latour, frühes Erscheinen von Lafite und Cos).
- Die Erntemenge 2011 ist begrenzt. Es ist nicht sehr viel auf dem Markt vorhanden. Ergo: Es muss auch nicht so viel verkauft werden.
- Die Kampagne 2008 sitzt den Chateaus als Menetekel in den Knochen. Wer je mit einem Chateauvertreter über die Preisgestaltung 2008 gesprochen hat, weiss, was ich meine. Das ist für die ein Erlebnis wie für die DDR-Führung der 17. Juni oder für die Chinesische KP der Platz des Himmlischen Friedens. Never Again!
- 2010 hat sich schlechter verkauft als 2009, obwohl die Qualitäten vor allem auf dem linken Ufer mindestens so gut sind.
- Chinesen kaufen nicht per Subskription. Die Nachfrage in den BRIC-Staaten nach lieferbaren Weinen ist aber unverändert hoch. Nur: Es gibt nicht mehr viele lieferbare Weine.
- Die Krise ist noch da. Nur die Krisenreaktion ist eine andere. Statt sinkender Preise wie 2008 geht man nun einen anderen Weg. Latour macht vor, wie man sich für Inflation und Währungsausfälle wappnet. Man verkauft eben nicht die Vorräte, die einige von Euch in den Lagerhallen gesehen haben. Man hält einen Stock vor und verkauft nur so viel, wie man für den Umsatz braucht.
- Die Negociants haben ein Problem, weil ihre Umsatzbringer sie Jahr für Jahr mit immer geringeren Allokationen versorgen. Das ist das Ergebnis der neuen Vorratswirtschaft der Chateau. Ist das schlimm? Ja! Wenn ich einem Millionär eine Kiste Lafite für 12.000 Euro verkaufe, muss ich für den gleichen Umsatz vielen kleinen Kunden erst mal 8-10 Kisten eines Superseconds oder 20 Kisten eines guten GCC oder 80 Kisten eines ordentlichen Cru Bourgeois verkaufen - die Handlingkosten sind also ungleich höher. Das Risiko eines Zahlungsaufalls gestreuter, aber ebenfalls höher.
- Der Handel steht vor dem gleichen Problem. Wie wirkt sich das auf die Preise aus? Sie fallen! Jedenfalls relativ gesehen. Wenn ich mir die Angebote einiger Händler ansehe, den ex-Nego-Preis abziehe und noch die Mehrwertsteuer berechne, dann sehe ich kaum mehr eine Handelsspanne. Sprich: Im Bordeauxgeschäft geht es nicht mehr um Gewinn, es geht vielen nur noch um Kundenbindung.
Was heißt das für die Preise ab Montag? Erst mal wird wegen des Feiertags am Dienstag nicht viel laufen. Was kommt, wird aber wahrscheinlich zu den gleichen geringen Abschlägen laufen, wie vor Parker. Die Chateau, die dann vielleicht doch größere Abschläge geben müssen, werden es nötig haben. Die Streu wird sich möglicherweise vom Weizen trennen. Auf nette Preise von Pontet Canet wird man also nicht warten müssen. In der Bordeaux-Mittelklasse könnte es anders sein. Wait and See.
Grüße,
wolf