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Re: Bordeaux 2010

Verfasst: Sa 2. Nov 2013, 13:34
von Ollie
So, nachdem ich endlich mal dazu gekommen bin, meine Notizen in die Datenbank zu hauen, hier meine Eindruecke von ein paar Weinen.

Zuerst das falsche Ufer:

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... und jetzt das richtige Ufer:

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Ich bin ziemlich happy mit meiner Subskriptionswahl. Bei den nachgekauften Weinen gab es "nur" zwei Nieten, Montlandrie (allerdings war der Cabernet Franc sehr reif, nicht den Hauch von vegetabilen Noten) und Labegorce, der mir weder in Stil noch in Ausfuehrung zugesagt hat.

Insgesamt gefaellt mir 2010 besser als 2009. Als Beispiel, das hier schon angesprochen wurde, einmal der Vergleich von Senejac 2009 vs. 2010. Der 2009er ist der vielleicht der beeindruckendere Wein (und er schmeckt auch nach vielen Parkerpunkten), aber den 2010er kann ich eimerweise trinken. Und das ist genau mein Ding.

Cheers,
Ollie

Re: Bordeaux 2010

Verfasst: Sa 2. Nov 2013, 16:06
von weinfex
Hallo Ollie,

kann Deine Präferenz sehr gut nachvollziehen.

Was Labegorce angeht. Warte ab, das wird schon,
wenn es auch im Moment nicht den Anschein haben mag,
ich verspreche hochundheilig... :D

Re: Bordeaux 2010

Verfasst: Sa 2. Nov 2013, 16:10
von weinfex
P.S. Was Senejac 2010 angeht, die Primeurfassmuster war meines
Erachtens (noch) besser, wie das auf die Flasche kam, was mit
den geänderten "Verantwortlichen" zu tun haben dürfte.
Nichtsdestotrotz ist das PLV des Jahrgangs 2010 ohne wenn
und aber sensationell...

Re: Bordeaux 2010

Verfasst: Sa 2. Nov 2013, 16:55
von Ollie
Hallo weinfex,

oh, du hast ja deine Signatur geaendert! Dabei wollte ich mich darauf beziehen... ;)

Was Labegorce angeht: OK, selbst wenn der Wein sich faengt, ein duftiger Feingeist wird nicht mehr aus ihm, oder? Wie gut, dass ich davon keine Kiste habe. 8-) - Tatsaechlich hatte ich den 2010er als Wasserstandszeiger fuer den 2012er missbraucht, weil der in die engere Auswahl fuer eine Subs gekommen war. Nach diesem Erlebnis (welches wohl dem Hausstil geschuldet ist; man haette den Wein auch filigraner stricken koennen) habe ich es aber gelassen. Kennst du den 2012er?

Interessant, deine Bemerkung zum Senejac. In meiner Originalnotiz hatte ich vermerkt: "Bisschen aggressiv ogygeniert?" Mir kam der Wein so vor, als ob man ihn etwas auf Gefaelligkeit und fruehen Genuss hingebogen haette. Er bleibt aber auch beim jetzigen Preis ein schoener Wein, keine Frage. Sehr, sehr empfehlenswert.

Cheers,
Ollie

Re: Bordeaux 2010

Verfasst: Sa 2. Nov 2013, 20:28
von weinfex
Hallo Ollie,

ich hatte es ja lange genug in der Signatur. ;)

Sagen wir mal so, duftige Feingeister, was ja der Inbegriff
eines klassischen Weines aus dieser Appellation im besten
Fall sein kann, sucht man inzwischen oftmals vergeblich.
Und wenn dann eher in Jahrgängen wie z.B. 2008. Aber in
vollreifen Jahrgängen leidet inzwischen praktisch immer
die Typizität, leider. Meine Sicherheit beruht eher auf das
zusammengehen der Komponenten in ein harmonisches
Ganzes. 2012 kenne ich leider nicht, da ich dieses Jahr
aus gesundheitlichen Gründen Primeur nicht in Bordeaux sein könne.

Der Unterschied bei Senejac 2009 und 2010 liegt nach meiner Vermutung,
natürlich neben den Jahrgangsunterschieden, in allererster Linie am Merlot.
Ich denke das man in der Cuveetierung für die Flaschenabfüllung dem Cabernet
mehr Gewicht/Anteil gab, auf kosten des Merlots, denn das Fassmuster damals
noch unter Führung von der Pontet Canet Equipe hatte stilistisch mehr
Ähnlichkeit mit dem Jahrgang 2009, wie es jetzt abgefüllt aus der Flasche kommt.

Re: Bordeaux 2010

Verfasst: Sa 9. Nov 2013, 20:52
von innauen
Hallo,

der Senejac ist zweifelsohne ein großartiger Wein in einem uneinheitlichen Jahrgang. Bei der Mövenpickprobe standen einige 2010er zur Auswahl bereit, die mir gezeigt haben, dass ich 2010 weitaus selektiver als 2009 vorgehen werde:

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Bester Wein aus meiner Sicht: Le Boscq. Aber den habe ich irgenwo früher schon beschrieben.

Grüße,

wolf

Re: Bordeaux 2010

Verfasst: Mi 13. Nov 2013, 13:27
von nougat
Vorgestern gabs bei Bernd Kreis in Stuttgart nach vielen Jahren mal wieder eine bdx-Probe. Thema 2010. Ein paar Weine habe ich ausgelassen, konkret VCC, Leoville Barton und Roc de Cambes. Üblicherweise erhebt Herr Kreis einen pauschalen Aufschlag für die teuren Buddeln, diesmal sollten Aufschläge für einzelne Weine entrichtet werden, was mir pers. nicht verhältnismäßig erschien. Für 5cl VCC z.B. 15 Euronen :|

Aber auch ohne die 3 Genannten war es eine gelungene Probe. Hier mein launiger Kommentar in epischer Breite 8-)

Los gings mit Ch. Puygueraud, Cotes de Francs würzige und florale Nase, die frische dunkelbeerige Frucht etwas zurückgezogen, am Gaumen aber voll da. Voller Körper, mittlerer Abgang, endet etwas abrupt hart und etwas bitter. Kork? Intakt 16nP Sonst :roll:

Weiter mit zwei sehr beachtlichen Weinen aus Cotes de Castillon, der Spielwiese renommierter Erzeuger, die hier ihre Frankenstein-Plörren austesten. Dass es auch anders geht zeigen der eher moderne Clos Puy Arnaud mit sehr feinbeeriger Nase, edler Holzwürze, seidigen Tanninen und saftigem vollen Körper. Langer Abgang. Komplex, homogenes Trinkvergnügen aus einem Guß, locker auf 17 nP Niveau
und der klassisch daherkommende Clos Louie Der breite Rebsortenmix hebt ihn schon in der Nase von den üblichen Primeurfruchtnasen deutlich ab. Hier kommt noch etwas südfranzösische Wildheit ins Spiel, er bleibt dabei aber dennoch nordisch kühl. Die Fülle ist in der Nase streng fokussiert und genauso rollt, ach was, schneidet er über den Gaumen. Säurebetont, fordernd, ganz die alte Schule. Auf dem Niveau von Clos Puy Arnaud, nur ganz anders.

Ein leichter unkomplizierter Vertreter im besten Sinne ist Ch. La Grolet, Tete de Cuvee, Cotes de Bourg. Blitzsauberer Trinkwein ohne Schwere und Schnörkel , den man auf die Schnelle zum Essen aufzieht und ehe man sich versieht, hat man ihn geleert. 15.5 nP
Dom. De Cambes erinnert nicht nur vom Namen her an Roc de Cambes. Dieser saß lange in Einzelhaft im Barrique. Bewegt sich noch sehr schwerfällig im Licht und bekommt den Geruch seiner Zelle nicht ab. Neben dominierendem Holz dunkle Beeren und Pflaume in der ungemein dichten Nase. Auch am Gaumen sehr dicht und lang. Aber keine Angst, nicht überreif und nicht überdreht. Mir pers. fehlt hier momentan Leben in Form von Säure, die ihm in den Hintern tritt. Die ist zwar vorhanden, kann sich aber nicht durchsetzen. Jetzt 16,5nP mit Potential.

Ch. Calon, St-Georges-St-Emilion Tja, was soll man über diesen Wein sagen. Vielleicht erst etwas zu Herrn Kreis. Er kommt von der Sommelier-Schiene und bevorzugt trinkfreudige animierende Weine, die er nicht für sich allein betrachtet sondern in Zusammenhang mit dem Essen sieht. Er betont immer mal wieder, dass er es in seiner aktiven Zeit oft erlebt hat, dass der Gast, dem er den Wein vor dem Essen kredenzt hat, diesen nicht sonderlich schmeckte. Mit dem Essen zusammen dann aber die Sonne aufging.
Vielleicht tu ich deshalb diesem kreuzbraven Wein unrecht –oder allen…?
Er ist frisch, sauber und klar in der Aromatik, er ist trinkfreudig, vollmundig und gut balanciert. Passt alles, aber der Funke sprang an diesem Abend nicht über. Es gibt nichts auszusetzen, er hebt sich auch wohltuend von den vielen ermüdenden dicken Brummern des rechten Ufers ab. Eigentlich mein Ding. Ich nehme bei Gelegenheit eine Flasche mit und beschäftige mich mal mit dem eingehend.

Keine Zweifel gabs dagegen bei Ch. Guillot Clauzel, Pomerolklassische Pflaumennase mit Beerencocktail, gut eingebundene Holzwürze. Keinerlei Überreife oder Schwerfälligkeit. Frisch und elegant. Seidige Tannine, feine Säure, feine Frucht. Vollmundig, stoffig und samtig am Gaumen. Straff und kühl, langer beeriger und schokoladiger Abgang. Nüchterne 17 nP. Emotional mehr. Ich steh einfach auf die immer seltener anzutreffenden Weine, die ihre Qualitäten wie ganz selbstverständlich und natürlich präsentieren, so als ob keine unterstützende Hand eingreifen musste.

Dann gings ans linke Ufer Ch. Tour-Haut-Caussan, Medoc zurückhaltende dunkelfruchtige Nase. Animalische und fleischige Noten mag ich bei Südfranzosen ja schon, bei bdx habe ich ein Problem damit. Am Gaumen ziemlich weich und leicht. Widerstandslos ‚Dank’ weicher Tannine und gutmütiger Säure. Bezieht Charakter durch die Animalik. Wers mag. 15 nP

Als nächster Vertreter mein pers. Highlight des Abends aus der gleichen Appellation Clos Manou Diverse Kaffeeröstungen überlagern noch eine feine tiefe Frucht. Man muss sich geradezu durch das feine Holz‚durchriechen’, um zu dieser feinen vielschichtigen Eleganz durchzudringen. Am Gaumen zum ersten Mal am Abend ein vielschichtiges verwobenes Aromenspiel, wie bei guten klassifizierten Gewächsen. Dicht und lang, fein und elegant. Sehr guter Wein! 17,5+ nP
Ah, da ärgere ich mich, den entgegen dem Bauchgefühl nicht gesubst zu haben. Fand ich schon in kleineren Jahren wie 2006 sehr gut. Na gut, jetzt zahle ich zähneknirschend drauf.

Aus Haut-Medoc gabs den ollen Haudegen Sociando Mallet Jung konnte ich mit Sociando noch nie etwas anfangen. Ziemlich verschlossen, nicht grün, homogen, scheint vielversprechend zu werden. Der einzige Wein den ich 2010 gesubst habe. Verschwindet im Keller und gut ist die nächsten 10+ Jahre. Jetzt 16 nP aber was heißt das schon…

Aus St. Julien gab es einen interessanten CB Moulin de la Rose Ähnlich schwer zu verkosten wie Sociando. Noch sehr zugeknöpft. Cassis, Tabak und dunkle Beeren in der Nase. Frische zieht sich wie ein roter Faden durch die ganze Probe. Ziemlich dicht bepackt, auch am Gaumen. Momentan noch lebhaft säurebetont, Tannine sehr fest. Schöne Cassis im Abgang, endet natürlich noch ziemlich trocken., Leider keine preisl. Alternative zum Gloria. Der ist mittlerweile genauso teuer :x 16,5+? nP

Schließlich St. Estephe mit Segur de Cabanc Ein eher klassischer Vertreter was die Aromatik betrifft. Modern in der Zugänglichkeit. Zudem leicht und beschwingt. Wusste gar nicht, dass es solche Weine dort noch gibt. Viel Cassis und helle Beeren, mittlerer Körper, schöne Mineralik, mittlerer fruchtiger Abgang. Unkomlizierter Trinkgenuss mit Herkunftcharakter 15,5..16nP Auch hier wieder emotionaler Zuschlag wegen entwaffnender ‚Ehrlichkeit’. Hätte ich sofort mitgenommen, wenn der Preis nicht wäre...
Nicht zu vergessen Haut Marbuzet Holzebtont, kirschig, hellbeerig, sehr dicht und lang. Wirkte geradezu in seiner Kompaktheit gewollt und ins Holzkorsett gepresst. Macht momentan keinen Spaß und will ich nicht bewerten. Nicht mein Ding.

Auf Sauternes hatte ich keinen Bock mehr. Weiß nicht, ob ich mit Haut-Bergeron was verpasst habe.

Re: Bordeaux 2010

Verfasst: Fr 22. Nov 2013, 15:12
von innauen
Hallo,

Euch zur Kenntnis. Herr Sauter hat Bordeaux 2010 auf der Flasche nachverkostet. Hier seine Einschätzung des Jahrgangs. Für die Notizen muss man zahlen ;)

http://www.weinkenner.de/2013/bordeaux- ... auf-29717/

Grüße,

Wolf

Re: Bordeaux 2010

Verfasst: Mi 27. Nov 2013, 10:26
von schneesurfer
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Re: Bordeaux 2010

Verfasst: Sa 14. Dez 2013, 11:43
von UlliB
Dieses Jahr haben die üblichen Arrivage-Runden bei mir aus einer Reihe von Gründen leider erst sehr spät begonnen. Was normalerweise im Frühsommer stattfindet, begann diesmal erst im Dezember. Die Befürchtung, dass einige Weine bereits dicht gemacht haben, hat sich glücklicherweise nicht bestätigt.

Die erste Runde: einige Pomerol 2010.

Zum Eintrinken gab es La Croix, meine erste Begegnung mit diesem Wein. Und keine schlechte. Jahrgangstypisch erhebliche Konzentration (dazu später noch ein paar Worte), sehr schöner Fruchtkern, einiges Spiel, ganz auf der eleganten Seite, wirklich seidig, gute Länge. Ein sehr schöner Wein, isoliert betrachtet vielleicht sogar ein echtes Highlight; konnte dann aber mit dem, was noch kam, nicht ganz mithalten.

Gazin: ein Brocken von Wein, massiv, breitschultrig, beinahe kolossal. Schafft es aber dank spürbarer Säure, den Eindruck von träger Fettsucht zu vermeiden; immer noch als Bordeaux erkennbar. Dennoch nicht ganz mein Fall: viel mehr Muskeln als Hirn; beeindruckend, aber nicht gerade subtil. Dürfte ein Langläufer sein, man muss abwarten, was da noch kommt. Für den, der enorme Konzentration in seinen Weinen schätzt: das hier ist er.

Ganz anders Le Gay. Der steht dem Gazin zwar konzentrationsmäßig nicht viel nach, aber hat alles, was dem Gazin abgeht: hier sind Subtilität und Eleganz; mit etwas Luft wird die Frucht immer vielschichtiger, feine Blütennoten kommen hinzu, enorme Tiefe. Beim 2009er störte mich der recht offensive Holzeinsatz, hier aber nicht: das Holz ist erst nach einiger Zeit zu detektieren, bleibt aber immer perfekt eingebunden und unaufdringlich. Ganz große Nummer.

Mein persönlicher Wein des Abends war aber La Conseillante. Beinahe ein Wunder: wie kann ein Wein mit 14%Vol. und entsprechender Konzentration mit derartiger Leichtigkeit daherkommen, fast schon tänzerisch und verspielt, aber gleichzeitig mit ungeheurem Tiefgang? Der Wein ist so vergnüglich zu trinken, dass man riskiert, seine wahre Größe zu übersehen - die wird mit beinahe lässiger Beiläufigkeit präsentiert. Ich glaube, ich würde davon eine Magnum alleine leerbekommen :D - Unverschämt teuer, aber auch unverschämt gut.

Schließlich noch Vieux Chateau Certan. Ganz schwierig zu verkosten. Nicht direkt verschlossen, aber sehr defensiv, geballt und undurchdringlich; hat sich auch nach 24 Stunden nur minimal bewegt. Gelegentlich öffnet sich für einen Moment ein minimales Fenster und gibt einen kurzen Blick auf einen Wein enormer Dimension und ungeheurer Tiefe frei. In zwanzig oder dreißig Jahren dürfte das ein absolut beeindruckender Wein werden; vielleicht sogar eine echte Bordeaux-Ikone. Im Moment würde ich die Finger von Versuchen damit lassen.


Noch ein paar Worte zur Konzentration: ich mache seit dem Jahrgang 1986 regelmäßig Arrivage-Proben. Ich kann mich nicht daran erinnern, schon jemals dermaßen konzentrierte Bordeaux ins Glas bekommen zu haben; hier sind alle Regler am obersten Anschlag. Mal sehen, was auf längere Sicht daraus wird. Vermutlich sind das enorme Langstreckenläufer; ich fürchte aber, es gibt eine ebenso enorme Verschlussphase. Aber bezüglich Verschlussphasen habe ich mich schon ein paar mal geirrt...

Gruß
Ulli