Re: Bordeaux 2000
Verfasst: Fr 31. Mai 2013, 11:48
In der bekannten 1855er Klassifikation sind ein paar Weine vertreten, die heute ein ziemliches Schattendasein führen. Das gilt auch für die zweithöchste Rangstufe der 2eme grand cru classés, in der sich sonst einiger illustrer Bordeaux-Hochadel tummelt. Nachdem auf Rauzan-Gassies kürzlich wohl ein paar Weichen neu gestellt worden sind und der Wein sein Image als einer der miesesten klassifizierten Gewächse so langsam abzuschütteln beginnt, dürfte jetzt wohl Chateau Durfort-Vivens den Titel als obskurster deuxieme tragen.
Der Betrieb gehörte lange Zeit zu Chateau Margaux und wurde unter der Ginestet-Verwaltung praktisch als Zweitwein von Ch. Margaux geführt, bis er in den 60ern an Lucien Lurton, damals Besitzer mehrerer klassifizierter Güter im Bordelais, verkauft wurde. Mittlerweile wird der Betrieb von Luciens Sohn Gonzague Lurton geführt, der mit Claire Villars verheiratet ist, die Ferrière, Haut-Bages-Libéral und La Gurgue leitet. Eine echte Bordeaux-Dynastie.
Aber Dynastie hin oder her, der Ruf des Gutes ist gemessen am formalen Rang einigermaßen miserabel: von Parker sowohl en primeur als auch in der Flasche regelmäßig abgestraft, von anderen Verkostern auch nicht gerade mit warmen Worten bedacht oder gleich komplett ignoriert. Es gibt aber eine Ausnahme - Rolf Bichsel vom Vinum, der die Weine offensichtlich sehr gerne mag und regelmäßig ziemlich tief in die Punktekiste greift. In der neuesten Ausgabe geht er noch ein Schritt weiter und kürt Gonzague Lurton zum "Weinmacher des Jahres", unter anderem mit den Worten: "...jahrelang erntete er für seinen besonders eigenständigen Wein, der en primeur nicht immer leicht zu verstehen ist, sich nach 10 bis fünfzehn Jahren Flaschenreife aber als absolut herrlicher, eleganter, komplexer , klassischer Margaux outet, nur Spott..."
Ok, der hier hat gerade rund 11 Jahre Flaschenreife hinter sich und befand sich gestern abend im Glas:
Chateau Durfort-Vivens 2000 (Margaux 2eme GCC) 12,5%Vol. Sehr dunkles Rot mit schmalem, leuchtend kirschrotem Rand, ohne jede Alterstöne. Die Nase ist absolut klassisch für gerade eben reifen Cabernet, herb und kantig, mit einem interessanten Subtext: ein Hauch Teer, und mit einiger Belüftung dann auch leise, feine Blütennoten. Hat was. Im Gaumen setzt sich der Eindruck knapper Reife fort, sehr schlank, aber nicht mager, straff und kühl, lebendige Säure, allerdings ist da auch ein deutlich spürbarer krautiger Grünton, der m.E. in einem klassifizierten Bordeaux aus einem großen Jahr nichts zu suchen hat (und 2000 ist ohne Zweifel ein großes Jahr). Sauberer Abgang von mittlerer Länge.
Tja, schlecht ist das nicht, insbesondere die Nase ist schon sehr schön. Wirklich toll ist das aber auch nicht, den Eindruck knapper Reife und den Grünton hätte ich eher in einem Jahr wie 2004 erwartet, und ich frage mich, was hier in schwächeren Jahrgängen abgeliefert wird, wenn man in einem wirklich guten Jahr so etwas produziert. Auf der positiven Seite ist zu vermerken, dass das Gesamtpaket in sich sehr stimmig ist und der Wein über Stunden verfolgt nie langweilig geworden ist oder gar schlapp gemacht hätte. 88 UP; Anhänger des traditionellen Stils werden vermutlich ein wenig höher punkten. Von den Spitzen der Appellation ist das aber doch einigermaßen weit entfernt.
Gruß
Ulli
Der Betrieb gehörte lange Zeit zu Chateau Margaux und wurde unter der Ginestet-Verwaltung praktisch als Zweitwein von Ch. Margaux geführt, bis er in den 60ern an Lucien Lurton, damals Besitzer mehrerer klassifizierter Güter im Bordelais, verkauft wurde. Mittlerweile wird der Betrieb von Luciens Sohn Gonzague Lurton geführt, der mit Claire Villars verheiratet ist, die Ferrière, Haut-Bages-Libéral und La Gurgue leitet. Eine echte Bordeaux-Dynastie.
Aber Dynastie hin oder her, der Ruf des Gutes ist gemessen am formalen Rang einigermaßen miserabel: von Parker sowohl en primeur als auch in der Flasche regelmäßig abgestraft, von anderen Verkostern auch nicht gerade mit warmen Worten bedacht oder gleich komplett ignoriert. Es gibt aber eine Ausnahme - Rolf Bichsel vom Vinum, der die Weine offensichtlich sehr gerne mag und regelmäßig ziemlich tief in die Punktekiste greift. In der neuesten Ausgabe geht er noch ein Schritt weiter und kürt Gonzague Lurton zum "Weinmacher des Jahres", unter anderem mit den Worten: "...jahrelang erntete er für seinen besonders eigenständigen Wein, der en primeur nicht immer leicht zu verstehen ist, sich nach 10 bis fünfzehn Jahren Flaschenreife aber als absolut herrlicher, eleganter, komplexer , klassischer Margaux outet, nur Spott..."
Ok, der hier hat gerade rund 11 Jahre Flaschenreife hinter sich und befand sich gestern abend im Glas:
Chateau Durfort-Vivens 2000 (Margaux 2eme GCC) 12,5%Vol. Sehr dunkles Rot mit schmalem, leuchtend kirschrotem Rand, ohne jede Alterstöne. Die Nase ist absolut klassisch für gerade eben reifen Cabernet, herb und kantig, mit einem interessanten Subtext: ein Hauch Teer, und mit einiger Belüftung dann auch leise, feine Blütennoten. Hat was. Im Gaumen setzt sich der Eindruck knapper Reife fort, sehr schlank, aber nicht mager, straff und kühl, lebendige Säure, allerdings ist da auch ein deutlich spürbarer krautiger Grünton, der m.E. in einem klassifizierten Bordeaux aus einem großen Jahr nichts zu suchen hat (und 2000 ist ohne Zweifel ein großes Jahr). Sauberer Abgang von mittlerer Länge.
Tja, schlecht ist das nicht, insbesondere die Nase ist schon sehr schön. Wirklich toll ist das aber auch nicht, den Eindruck knapper Reife und den Grünton hätte ich eher in einem Jahr wie 2004 erwartet, und ich frage mich, was hier in schwächeren Jahrgängen abgeliefert wird, wenn man in einem wirklich guten Jahr so etwas produziert. Auf der positiven Seite ist zu vermerken, dass das Gesamtpaket in sich sehr stimmig ist und der Wein über Stunden verfolgt nie langweilig geworden ist oder gar schlapp gemacht hätte. 88 UP; Anhänger des traditionellen Stils werden vermutlich ein wenig höher punkten. Von den Spitzen der Appellation ist das aber doch einigermaßen weit entfernt.
Gruß
Ulli