Bordeaux 2014

Medoc und seine Appellationen, Bourg und Umgebung, Fronsac, Pomerol, Saint Emilion und Umgebung, Entre Deux Mers, Graves und Pessac-Leognan, Sauternes und Co.
Trinkfreude
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Re: Bordeaux 2014

Beitrag von Trinkfreude »

Matthias Hilse hat geschrieben:An Montrose muss schon etwas "dran" sein, sonst wäre kaum zu verstehen, warum der ganze Markt - zumindest erschien mir das so - mit seinem Erscheinen die Kampagne für beendet hielt. Auch wenn ich mich mit Fleur Morange geirrt hatte, fehlen immer noch Weingüter, nicht zuletzt Tronquoy-Lalande.
Hallo zusammen,

ich denke nicht, dass das speziell etwas mit Montrose zu tun hat. Die Kampagne wird nach meinem Eindruck als beendet angesehen, sobald alle Güter aus der "trendsetzenden Oberliga" raus sind, also im wesentlichen die Crus Classés auf dem linken Ufer und deren Äquivalente auf dem rechten Ufer, und von denen war Montrose nun einfach der letzte.
Ob nun ein Cru Bourgeois wie Tronquoy-Lalande oder auch einzelne Classés wie Durfort Vivens noch fehlen (oder auch nicht), ist nicht so ausschlaggebend, da diese weniger im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses stehen (und ob das zu Recht so ist oder nicht, ist an dieser Stelle egal). Genausowenig ausschlaggebend ist für das Kampagnenende, ob nun Petrus oder Le Pin ihren Preis bekanntgegeben haben, denn per Minimenge und Maxipreis ist deren Zielgruppe viel zu klein, und ihr Pricing hat keine Aussagekraft für den Rest der Welt, da es ohnehin eigenen Regeln gehorcht.
"Die Kampagne" ist eben nicht vorrangig der eigentliche Verkauf der produzierten Weine durch die verschiedenen Handelsstufen selbst, sondern die kommunikative / mediale Begleitung desselben. Die Kampagne wäre wohl genauso als beendet erklärt worden, wenn nicht Montrose, sondern LLC oder Ducru oder LeoB das letzte Gut gewesen wäre, das seinen Preis veröffentlicht - insofern sagt das nichts über Montrose im speziellen aus.

Womit ich nicht sagen will, dass an Montrose 14 "nichts dran" sei, nur muss man das wohl an anderen Indikatoren ablesen.

Viele Grüße
Jürgen
Matthias Hilse
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Re: Bordeaux 2014

Beitrag von Matthias Hilse »

schneesurfer hat geschrieben:... Auf liv-ex gibt's zu Montrose einen Vergleich Primeur-Preis vs. aktuellen Marktpreisen + Angabe der Parker-Bewertung.
http://liv-ex.typepad.com/.a/6a00e55150 ... 970c-600wi
Dort ist ersichtlich, dass es einige verfügbare Jahrgänge (z.B. 2005) im Preis vergleichbar zu 2014 gibt. 2008 ist am Markt deutlich günstiger zu haben, und das bei 95 Parker-Punkten (vs. 95-97 von Neil Martin für den 14er).
Nehmen wir einmal an, diejenigen wie z.B. Rolf Bichsel, die 2014 (und eigentlich auch 2012 schon) eine neue Stilistik, die mehr an Klarheit, Brillanz und Frische orientiert ist, attestieren, gegenüber der mehr extraktbetonten in der Zeit davor, liegen in ihrer Analyse richtig, dann verstehe ich nicht, wie man die Jahrgänge - es sei denn, es geht nur um den Preis - miteinander vergleichen kann. Wenn es darum geht, einen günstigeren und ähnlich bewerteten Jahrgang zu finden, wird man in ziemlich vielen Fällen bei 2008 landen. Dann ist 2014 natürlich kein Thema. Aus vielen Kundengesprächen höre ich einen gewissen Überdruss an den extraktreichen und oplulenten Jahrgängen heraus. Wer das Neue Bordeaux (in Anlehnung an Jane Anson's website), das so voller Esprit, Ausdrucksstärke, Eleganz und Frische ist, kennenlernen will, verpasst deutlich etwas in der Allokation von Ressourcen in die "backvintages".

Herzliche Grüsse,
Matthias Hilse
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octopussy
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Re: Bordeaux 2014

Beitrag von octopussy »

Also für mich ist die Primeur-Kampagne durch. Ein paar tröpfeln vielleicht noch nach (so z.B. Rayne-Vigneau - und wo ist eigentlich d'Yquem?), aber an sich war's das.

Das Fazit? Am Ende war's wenig spektakulär. Ich würde vermuten, dass die meisten Weine nahe ihrem mittelfristigen Preis bepreist waren/sind und sich allenfalls langfristig der Preis nennenswert erhöhen könnte. Ausnahmen könnten einige schon jetzt offenbar sehr gut verkaufte Weine sein wie Pichon Lalande, Calon Segur oder Vieux Château Certan.

Dass Parker nicht mit verkostet hat, habe ich offen gesagt gar nicht wirklich bemerkt. Ich habe bei meinen eigenen Käufen durchaus auf Kritikernotizen geschaut, mich allerdings an keinem einzelnen Verkoster orientiert. Von vorneherein ausscheiden tue ich immer Suckling, Roger Voss und Molesworth und letztlich auch Rene Gabriel. Neal Martin schien mir ausgewogen zu bewerten, er hat halt andere Favoriten als Parker früher. Galloni? Keine Ahnung, wie dessen Bordeaux-Geschmack eigentlich einzuschätzen ist. Sehr gut anfreunden kann ich mich mit den Bewertungen der Revue des Vins de France (RVF).

Ein paar Pullen habe ich auch gekauft, halbe Flaschen und Pichon Lalande, Grand Puy Lacoste und Calon Segur auch in kleiner Anzahl in 0,75 l Flaschen. Ich bin sehr gespannt. Am gespanntesten bin ich offen gesagt auf die Sauternes - bei Climens wegen der nunmehr umgesetzten Biodynamie und weil der Wein en primeur immer noch eine Wundertüte ist (wird nicht assembliert) und bei Coutet, weil er wirklich hinreißend beschrieben wurde von den Kritikern.

Jedenfalls scheint mir, als hätten die Bordelaiser mit dieser Kampagne wieder etwas Boden gut machen können. Es wird sicher in den folgenden Tagen noch ein paar Berichte auf Decanter, usw. geben, ob und wie die Kampagne für Händler lief. Aber das Tal der Tränen ist vielleicht erstmal durchschritten.
Beste Grüße, Stephan
glycosid
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Re: Bordeaux 2014

Beitrag von glycosid »

octopussy hat geschrieben:Von vorneherein ausscheiden tue ich immer Suckling, Roger Voss und Molesworth und letztlich auch Rene Gabriel.
Wenn ich an dieser Stelle einmal nachfragen darf: Begründest du Vorausscheide dieser Art eigentlich "objektiv" (also: Die sind unfähig.) oder "subjektiv" (also: Die haben nicht dieselben geschmacklichen Präferenzen wie ich)?
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octopussy
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Re: Bordeaux 2014

Beitrag von octopussy »

glycosid hat geschrieben:
octopussy hat geschrieben:Von vorneherein ausscheiden tue ich immer Suckling, Roger Voss und Molesworth und letztlich auch Rene Gabriel.
Wenn ich an dieser Stelle einmal nachfragen darf: Begründest du Vorausscheide dieser Art eigentlich "objektiv" (also: Die sind unfähig.) oder "subjektiv" (also: Die haben nicht dieselben geschmacklichen Präferenzen wie ich)?
Rein subjektiv, aber zum Subjektiven zählt für mich auch, dass ich keine klare Linie erkennen kann. Suckling kann ich irgendwie nicht ernst nehmen, der schmeißt für mich zu sehr mit Punkten um sich. Das Gleiche gilt für mich für Roger Voss. Und zum Wine Spectator habe ich nie einen Zugang gefunden. Parker war insofern schon halbwegs verlässlich: wenn der irgendeinen modernen St. Emilion super fand, aber in der Notiz was von "hedonistic bouquet", "flamboyant" oder "Kirsch liqueur" stand, dann wusste ich: das ist nichts für mich. Wenn er einen eher klassischen Wein super fand, wusste ich einigermaßen, dass das was für mich ist. Bei Neal Martin: mal schauen, aber ich habe schon den Eindruck, dass er weiß, wovon er spricht.
Beste Grüße, Stephan
glycosid
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Re: Bordeaux 2014

Beitrag von glycosid »

Vielen Dank, octopussy.

Diese Nachfrage scheint mir jedenfalls sehr wichtig, wenn man die vielen, in kurzer Zeit aufgelaufenen Beiträge in diesem Thread über Weine betrachtet, von denen die meisten Diskutanten noch keinen einzigen Tropfen getrunken haben und selbst diejenigen, die hierzu die Gelegenheit hatten, noch nicht mal das probiert haben, was dereinst in Flaschen gefüllt werden wird (wie im Übrigen ja auch die punktierenden Profi-Juroren...).

Insgesamt verfestigt sich für mich der Eindruck, dass die einzelnen Punkte-Zahlen der Primeur-Benotungen weniger ernst zu nehmen sind und letztere eher als eine erste, durchschnittliche qualitative Einordnung des zu erwartenden Jahrganges angesehen werden, ggf. noch mit Abstufungen unter den einzelnen Regionen - und für den Primeurkauf am Ende dann doch wieder die persönlichen Weingutsvorlieben den Ausschlag geben.
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octopussy
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Re: Bordeaux 2014

Beitrag von octopussy »

Jane Anson mit einem ganz interessanten Artikel zum en primeur System an sich:

http://www.decanter.com/news/blogs/anso ... en-primeur
Beste Grüße, Stephan
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octopussy
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Re: Bordeaux 2014

Beitrag von octopussy »

glycosid hat geschrieben: Insgesamt verfestigt sich für mich der Eindruck, dass die einzelnen Punkte-Zahlen der Primeur-Benotungen weniger ernst zu nehmen sind und letztere eher als eine erste, durchschnittliche qualitative Einordnung des zu erwartenden Jahrganges angesehen werden, ggf. noch mit Abstufungen unter den einzelnen Regionen - und für den Primeurkauf am Ende dann doch wieder die persönlichen Weingutsvorlieben den Ausschlag geben.
Dieser Eindruck ist richtig. Zugegebermaßen ist es aber schwer, erst einmal zu wissen, wo die persönlichen Weingutsvorlieben liegen. Ich kaufe durchaus auch mal blind ein paar Flaschen, ohne einen Wein zu kennen. Es hilft ja auch (leider) nichts, wenn man einen Wein einmal aus einem Jahrgang getrunken hat, gerade weil sich über die Jahre auch Stile ändern, Berater gewechselt werden, u.ä.

Die echten Bordeaux-Freaks werden darüber jetzt die Nase rümpfen, aber für mich sind einige Weine auch schlicht austauschbar, weshalb die Kritikerbewertungen ein bisschen an Relevanz (für mich) verlieren. Ob ich nun Langoa Barton, Talbot oder Branaire Ducru kaufe, für mich macht das nicht den Riesenunterschied. Alle drei Weine werden schon kein Schrott sein, keiner der drei Weine ist als übermäßig modern oder rückständig bekannt und alle drei kosten in etwa das Gleiche. Ob Martin oder Galloni oder Jancis Robinson dem einen oder anderen mehr oder weniger Punkte geben, ist mir in dem Fall völlig egal. Solange keiner der 100 Punkter unter ca. 88 P und keiner der 20 Punkter unter ca. 15-15,5 liegt, spricht nichts für einen besonders kontroversen Wein. Im "Bordeaux-Mainstream" fühle ich mich an sich ganz gut aufgehoben.
Beste Grüße, Stephan
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Re: Bordeaux 2014

Beitrag von Segla »

Hallo zusammen! Als ewig mitlesender melde ich mich jetzt halt auch zu Wort.
Das Nase rümpfen der Freaks war mein Stichwort... Dann oute ich mich mal, speziell bei Bordeaux durchaus ein "Punkte Käufer" zu sein. Ich bin einfach nicht in der Lage heute zu beurteilen, ob mir der in 20 Jahren gereifte Wein dann wirklich schmeckt. In diesem Punkt bewundere ich die Profis!
Das was mich eine hohe Bewertung heute mehr kostet, sehe ich einfach als Versicherung, den Wein bei nicht gefallen auch wieder verkaufen zu können. Bevor der Aufschrei kommt, mir geht es nicht um Spekulation. Ich möchte meine Weine trinken! Ich glaube nicht, dass ich mit den generell gut bewerteten 2014ern große Verluste fahren kann. (Extreme Krisen ausgenommen)
Ob ich den einen oder anderen in 2 Jahren zum gleichen Preis bekomme ist das einzige Risiko, weil wie gesagt, auch eine Verkostung von der Flasche zwar ganz nett ist, aber für mich nur sehr teilweise aussagekräftig ist.
Ernsthaft in Subskription kaufe ich seit dem 2000er Jahrgang, ich bin damit bisher gut gefahren.
Dann ist mir da noch was aufgefallen, man kann eigentlich alle Jahrgänge hier im Forum zurück gehen, TAW miteinbezogen, während der Subs Kampagne wurde jeder Jahrgang als nicht "Kaufwürdig" eingestuft! Zumindest habe ich das für mich so heraus gelesen. Die Preise wurden generell als zu hoch dargestellt. Nicht falsch verstehen, ich hätte die Weine auch lieber billiger! Nehmen wir Montrose, den 2003er hat das Chateau aus heutiger Sicht fast verschenkt, auch bei 2009 hat der Kunde heute schon fette Gewinne gemacht. Insofern ist der 2014er Preis nur logisch, zumal die Profis mit den Punkten die Richtung vorgegeben haben...
Soweit nur meine bescheidene Sichtweise... Duck und weg
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octopussy
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Re: Bordeaux 2014

Beitrag von octopussy »

Hallo Segla,

herzlich willkommen im schreibenden Teil des Forums! Ich glaube, das nach Punkten kaufen muss dir nicht peinlich sein. Mir kann keiner erzählen, dass er die Punkte völlig ausblendet.
Segla hat geschrieben:Dann oute ich mich mal, speziell bei Bordeaux durchaus ein "Punkte Käufer" zu sein.
Aber kaufst du nur in dem von dir bevorzugten Segment nach Punkten oder tatsächlich auch losgelöst davon? Es gibt so einige Weine, die z.B. Parker gerne sehr hoch bewertet hat, aber letztlich auch nur er (z.B. Monbousquet, Le Plus de Fleur Bouard oder wie der heißt, Peby Faugères, auch die 15,5% Alc. Troplong Mondots). Hast du solche Weine auch gekauft oder letztlich nur welche, die einen etwas größeren Track Record haben?
Segla hat geschrieben:Das was mich eine hohe Bewertung heute mehr kostet, sehe ich einfach als Versicherung, den Wein bei nicht gefallen auch wieder verkaufen zu können. Bevor der Aufschrei kommt, mir geht es nicht um Spekulation. Ich möchte meine Weine trinken!
Wie oft ist es denn seit dem 2000er Jahrgang bei dir vorgekommen, dass du tatsächlich mal einen Wein wieder verkauft hast, weil er dir gar nicht geschmeckt hat?
Segla hat geschrieben:Ob ich den einen oder anderen in 2 Jahren zum gleichen Preis bekomme ist das einzige Risiko, weil wie gesagt, auch eine Verkostung von der Flasche zwar ganz nett ist, aber für mich nur sehr teilweise aussagekräftig ist.
Das ist für mich ein guter Punkt. Eine Zeit lang dachte ich, ich gehe einfach zu Arrivage-Proben oder organisier selber welche und bin dann schlau. Aber das funktioniert einfach nicht. Da kann man auf lange Sicht trotzdem daneben liegen.
Beste Grüße, Stephan
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