Hallo zusammen,
auch in Tschechien gibt es eine ganze Reihe mehr oder weniger relevanter Weinwettbewerbe, die ich im Einzelnen nicht verfolge. Es gilt auch hier, dass viele sehr gute Produzenten an diesen Wettbewerben aus unterschiedlichen Gründen nicht teilnehmen, der Aussagewert dieser Veranstaltungen also mit Zurückhaltung zu genießen ist.
Dennoch, so denke ich, kann man, wenn man ein paar „Siegerweine“ eines repräsentativeren Wettbewerbs verkostet, einen Eindruck von dem bekommen, was gerade erfolgreich ist und wie so der Stand des gehobenen Mainstream-Weinbaus ist. Beim Wettbewerb „Král vín“ („König der Weine“), trotz des etwas dämlichen Namens einer der repräsentativeren und besser beleumundeten, haben dieses Jahr zwei Rieslinge gewonnen.
Eine trockene Spätlese wurde „absoluter Champion“ mit 92,4 Punkten, ein restsüßer / feinherber Riesling gewann die Kategorie „Weißwein 7 – 70g Restzucker“. Ich habe mir beide Weine mal angeschaut
Lahofer, Ryzlink rýnský 2011 pozdní sběr, suché (Riesling Spätlese trocken, 13%vol., 3,6g/ RZ, 6,9g Säure)
Reife Gelbfrucht, fast ins Überreife tendierend, florale Aromen, kräuterige und dezent medizinale Noten (Arzneischränkchen), wirkt ziemlich „elsässisch“. Am Gaumen eher zitrusig mit sehr frischer Säure, auch deutliche Mineralik, wirkt kräftig, aber nicht überzogen, hat durchaus Länge und Struktur, hinten leichter Bitterton, interessanter Riesling.
Dieser Riesling schmeckt m.E.wirklich sehr elsässisch. Mein Stil ist das nicht so ganz, aber ohne Frage ein guter Riesling, wer den Stil mag. 92 Punkte finde ich natürlich deutlich zu hoch gegriffen, von mir gäbe es 86-87 P.
Ampelos, Ryzlink rýnský 2012 pozdní sběr, polosladké (Riesling Spätlese feinherb, 13%vol., 19g/ RZ, 8,3g Säure)
Schöne, „offene“ Nase, feiner Duft nach getrockneten Aprikosen, süße Blüten, Honig, dezente Würze. Am Gaumen füllige Frucht, Aprikosenkompott, reife Zitrusfrüchte, sehr feine und elegante, die Restsüße abpuffernde Säure, angenehmer mineralischer Abgang, saftig, hoher Trinkfluss, harmonischer, stimmiger Riesling.
Das ist deutlich eher meine Baustelle! Ein klasse feinherber Riesling, bei dem ich blind auch Rheingau, Mittelrhein oder Mosel tippen könnte. Neben der sehr feinen Süße-Säur-Balance gefällt vor allem der mineralische Einschlag, der mir bei mährischen Rieslingen so oft fehlt. Interessanterweise wirbt der Händler auf seiner Webseite explizit damit, dass es sich um einen deutschen Klon handelt („GER“

). Einziger Wermutstropfen ist der relativ hohe Alkohol. Bei einem Preis im Handel von 8 Euro aber erstklassig. Bei mir auch diesmal keine 92, aber 88 gerne.
Beide Weine spiegeln den Zustand des tschechischen/mährischen Weinbaus dann doch ganz gut wieder: Es gibt gute und sehr gute Weine, aber immer noch zu wenig großartige.