Piemont - Roero, Monferrato und der Norden

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Erdener Prälat
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Re: Piemont - Roero, Monferrato und der Norden

Beitrag von Erdener Prälat »

Immer wieder tolle Erlebnisse können mehr oder weniger gereifte Nebbiolo-Weine (oder -Cuvées) vom Fuß der Alpen bereiten. Da die kaum jemand kennt, kann man sich so etwas hoffentlich noch länger leisten. Diesmal kommt die "flüssige Seide" von Sella aus Lessona.
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vanvelsen
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Re: Piemont - Roero, Monferrato und der Norden

Beitrag von vanvelsen »

Erdener Prälat hat geschrieben:Immer wieder tolle Erlebnisse können mehr oder weniger gereifte Nebbiolo-Weine (oder -Cuvées) vom Fuß der Alpen bereiten. Da die kaum jemand kennt, kann man sich so etwas hoffentlich noch länger leisten. Diesmal kommt die "flüssige Seide" von Sella aus Lessona.
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Ja, dem kann ich nur beipflichten. Hatte kürzlich den normalen Gattinara (nicht die Riserva) von Travaglini aus dem Jahr 1988 und der Wein hat richtig Spass gemacht. Er brauchte trotz des stolzen Alters ca. 1h Luft um sich voll zu entfalten, hat dann aber seine Eleganz voll ausgespielt. Wahrlich viel Nebbiolo für kleines Geld.

Ich habe daraufhin vor ca. einem Jahr das Gut besucht und ein paar jüngere Jahrgänge verkostet: allesamt in ihrer Preislage eine Empfehlung wert. Meine persönlichen Favoriten waren der Tre Vigne sowie die Riserva - 2005...
http://www.travaglinigattinara.it/ted/home.htm

Gruss,

Adrian
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Erdener Prälat
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Re: Piemont - Roero, Monferrato und der Norden

Beitrag von Erdener Prälat »

Nicht wirklich empfehlenswert ist in meinen Augen diese Ruchè von Dacapo, trotz guter Merum-Bewertung. In der Nase noch ordentlich, ist das Gezeigte am Gaumen für die Preislage nicht mehr akzeptabel.
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olifant
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Re: Piemont - Roero, Monferrato und der Norden

Beitrag von olifant »

Eine kurze Frage an die Nordpiemont - Kenner:

welchen Stil pflegt Torraccia del Piantavigna mit seinem Ghemme? Örtlich ist dieser Betrieb ein Nachbar von Cantalupo - auch stilistisch?
Lt. Homepage 36 Monate Ausbau in 'medium sized french oak barrels', was zwar auf 'tonnaux' und nicht auf 'barrique' schliessen lässt, aber trotzdem eher auf modernen Stil.

Also eher Travaglini oder eher Cantalupo ...
Grüsse

Ralf

Die Zukunft war früher auch besser.
Karl Valentin
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Erdener Prälat
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Re: Piemont - Roero, Monferrato und der Norden

Beitrag von Erdener Prälat »

olifant hat geschrieben:Eine kurze Frage an die Nordpiemont - Kenner:

welchen Stil pflegt Torraccia del Piantavigna mit seinem Ghemme? Örtlich ist dieser Betrieb ein Nachbar von Cantalupo - auch stilistisch?
Lt. Homepage 36 Monate Ausbau in 'medium sized french oak barrels', was zwar auf 'tonnaux' und nicht auf 'barrique' schliessen lässt, aber trotzdem eher auf modernen Stil.

Also eher Travaglini oder eher Cantalupo ...
Hallo Ralf,

ich schaue mir immer zuerst die italienische Version an, und dort steht:
"In seguito, in botti di rovere francese (tipologia allier) di media grandezza (23-28 ettolitri) prosegue per 36 mesi..."
Damit sollten alle Unklarheiten beseitigt sein. Den Wein würde ich auch einmal gerne probieren.

Beste Grüße
olifant
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Re: Piemont - Roero, Monferrato und der Norden

Beitrag von olifant »

Na, klingt doch mehr nach recht modernen exzessiven Holzeinsatz - mal schaun, dann doch eher Richtung Travalgini :| .
Trotzdem werde ich die Flasche 2004 zu Forschungszwecken aufziehen, zwar nicht gleich, aber früher oder später ...
Grüsse

Ralf

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Karl Valentin
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UlliB
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Re: Piemont - Roero, Monferrato und der Norden

Beitrag von UlliB »

olifant hat geschrieben:Na, klingt doch mehr nach recht modernen exzessiven Holzeinsatz - mal schaun, dann doch eher Richtung Travalgini :| .
Sorry, aber Fässer mit rund 2500 Liter Volumen (23-28 ettolitri) hören sich für mich überhaupt nicht nach "exzessivem Holzeinsatz" an, selbst wenn das zu 100% Neuholz sein sollte. Im Übrigen kann man von der reinen Menge des Neuholzes kaum auf den Charakter des Weines schließen, es kommt auch auf die Art und Behandlung des Holzes an - sowie natürlich auf den Wein selbst. Ich kenne Bordeaux aus 100% Neuholz (in 225 L-Barriques!), die überhaupt nicht holzbetont schmecken.

Gruß
Ulli
olifant
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Re: Piemont - Roero, Monferrato und der Norden

Beitrag von olifant »

... danke für den Hinweis zu ettolitri Ulli, dass kommt davon, wenn man einfach nur mal drüberliest - sodann freue ich mich über meinen Irrtum :D
Grüsse

Ralf

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Karl Valentin
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Alas
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Re: Piemont - Roero, Monferrato und der Norden

Beitrag von Alas »

Hallo allerseits!

Seit einiger Zeit habe ich einen Dolcetto aus dem Jahre 2003 bei mir liegen und war mir unschlüssig, ob ich die Flasche öffnen soll oder nicht, aus dem Grunde, daß überall steht, man solle einen Dolcetto spätestens 3 Jahre nach Abfüllung austrinken.
Neulich beim Weinhändler fand ich hinten im Regal einige Flaschen Dolcetto von 2006, die man dort wohl vergessen hat und deshalb der Preis für hiesige Verhältnisse günstig war (14,- €). Also nahm ich eine mit und siehe da:

Bild
Dolcetto.jpeg
Dadurch interessiert, machte ich nun eine Recherche bei Weinhändlern im Piemont und fand dort Dolcettos, die 30 - 40 Jahre alt sind. Ooh-Lala! Das setze ich mir auf die Liste: Interessiert mich.

Gruß

Alas
wat den een sien uhl is den annern sien nachtigall
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Alas
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Re: Piemont - Roero, Monferrato und der Norden

Beitrag von Alas »

Hallo!

Hier der zweite Teil meiner kleinen Weinstory. Der erste Teil findet sich hier:

http://www.dasweinforum.de/viewtopic.ph ... bal#p47709

1977 II.

Vera war da gewesen.
Der Hahn war excellent, wie sie sagte. Der Bobal hatte uns alle erfasst und begleitet.
Wie immer hatte Vera jemanden ohne Vorankündigung mitgebracht.
Dieses Mal war es ein Hugo gewesen, Enzymologe von Weltrang, mit Elvisfrisur, Aktentasche aus schwarzem Polyester und grauen Hosenträgern.
Im zu Ehren hatte ich uns Steve Hackett zur Untermalung gegönnt.

http://www.youtube.com/watch?v=NVd7xLiGyUE

Es hatte echt gepasst. Vera war plötzlich aufgebrochen, und wie üblich mir zum Abschluß eine weitere Überraschung hervorgezaubert:
Einen Dolcetto, wie ich flüchtig sah.
Wir verabredeten uns niemals, trafen uns aber immer wieder.

Vara hatte ich im Kaufhaus kennen gelernt. Es war zur Adventszeit. Sie ging vor mir mit einem ellenlangen Schal, dessen hinteres Ende am Boden schleifte. Am Anfang einer Rolltreppe trat ich darauf, es gab einen Ruck und ich hatte sie in den Armen. Wir fingen sofort an miteinander zu sprechen, als ob wir uns schon immer kennen würden, und ohne groß Bezug zur Situation zu nehmen. Den Abend und den folgenden Tag verbrachten wir zusammen, viel in Wolken.
Sie schenkte mir etwas: Meine Haut, vom einfachsten Kribbeln bis zur höchsten Wonne lernte ich kennen.
Und etwas Musik gab es auch:

1977 -> Brian Eno -> Before And After Science -> By This River

http://www.youtube.com/watch?v=SrZYP8SzlN8

Unvergessen sind auch die Kingprawns mit Topinambur. Alles schmeckte doppelt so gut, auch der Wein, ein PietraBianca von Tomaresca *, gelbe Wolke mit saftigen und kandierten Früchten und Kräutern, Zauberwiese.

Es tat so ungemein gut ein Stück Primitivität zu verlieren.
Als wir zum Abschied gegenüber standen mussten wir lachen. War das Zufall?
Darüber denke ich bis heute immer mal wieder nach.


Ich hatte danach mit Hugo eine Weile zusammen gesessen. Er vertrat die Ansicht, das Bakterien Intelligenz besitzen, da sie kommunizieren können. Wir haben dann noch Worte abgewetzt über 'Die Demokratie der Dummen', 'Warum Weighttwatchers missverstanden wird' und 'Die Spanier', Spanien vor und nach 1977.
Schließlich war auch ein Abschied der Seine, zum Glück ohne falsche Beteuerungen.

Vera hatte gesagt, ich solle den Jaguar in Bordeaux umspritzen lassen. Mintgrün wäre nicht mehr mein Stil. Sie hatte recht, aber mir war mehr nach Nightviolett passend zu..., zu was? ..., ach, einem Schaf in Nightviolett.

Darüber schlief ich ein.

Und wachte wieder auf. 4.23 leuchtete das Radio.
Der Dolcetto tanzte vor mir so hin und her wie eine Glocke: Bim-Bam. Dazu fauchte eine Katze draußen.

Ich stand auf, nahm die Flasche von Vera und setzte mich in die Küche zu einem Kaffee. Nach Kaffee kann ich gut wieder schlafen.
Ich schaute die Flasche an. Sie schaute zurück ohne eine Miene zu verziehen. Das Etikett irgendwie alt. Ich hatte die Nummer 309 von 3000. Jetzt fauchten zwei Katzen.
Dolcetto d'Ovada, das gibt es, ja, und...

Kommt man die schmale Strasse von San Stefano nach Rocca Grimalda hinauf und biegt direkt am Ortsschild nach rechts in den kleinen Nebenweg, zwischen zwei Häusern und schaut sich nach weiteren 200 Metern um, wird eines schnell klar: Hier lebt jeder möglichst für sich, möglichst in der größten Hörweite vom Nachbarn.
Jeder hat mindestens ein Gewehr auf dem Dachboden, der Duce mochte die Gegend nicht und die Deutschen haben einen Bogen drum gemacht. Viel zu holen gab es sowieso nicht. Die Weintrauben wollen hier erobert sein.

logo-laterratrema-150x109.png
logo-laterratrema-150x109.png (2.62 KiB) 10428 mal betrachtet
In Ovada hatte man mir in der 'Trattoria Ghiglino'
erzählt, daß es dort einen Winzer gäbe, dessen Frau früh verstorben sei und er keinen Nachfolger hatte. Das war ihm mit 68 deutlich geworden und so hatte er verbreitet, daß er gegen Bezahlung einen solchen wollte. Bei der Armut war jemand passendes schnell gefunden worden. Er hat nun mit 72 einen fünfjährigen Sohn.
[/i]
Ich beschloss der Flasche am nächsten Abend auf den Grund zu gehen und legte mir noch etwas auf, von Mazzy Star, dieser kleinen Person, die eine wirkliche Person ist:

http://www.youtube.com/watch?v=1ZTppF-lxLQ

Beim Einschlafen strich der Wind sanft über Blech in Bordeauxrot.

Der nächste Tag war einer ohne Individualität, graue Masse in den Gesichtern. Daß Krieg nicht hilft, weiß man jetzt.
Den Jaguar lieferte ich bei Daniel ab, der einen Restaurator für PKWs empfohlen hatte. Ich wollte bei der Prozedur nicht dabei sein.

Für mich gab es am Abend etwas Gemüse mit Bagna caôda, dazu der Dolcetto d'Ovada.

Hände sind Würde
bedingungslos
wirken sie
Wein

Pino (Guiseppe) Ratto, Cascina Scarsi di San Lorenzo, 15078 Rocca Grimalda, Tel.: 0143/831888
rattobn_0015a.jpg
Gli Scarsi 2003, Dolcetto d'Ovada **

Der Korken quietsche missmutig beim öffnen.
Ob Winzer manchmal in ihrem Wein baden?

Eintauchen in den dunklen, roten Nadelwald, die Bäume, einige Kirschen mitgebracht, das Harz, Harz, ja, schön duftig, das Gras auf der Lichtung mit Vanille, ah, und die Brombeeren und Heidelbeeren so reif und saftig, ...und die Walnüsse...

Ich wollte weg, konnte die Koffer packen, am nächsten Tag schon. Meine Frau würde ich endlich wieder sehen.

Jeff Buckley -> We All Fall in Love Sometimes
http://www.youtube.com/watch?v=jYGZ4M-dXls

Gruß

Alas

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*Pietra Bianca

Bild
Pietra Blanca.jpeg
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**Dolcetto Gli Scarsi

Bild
Dolcetto GliSenasi.jpeg
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(Die beiden Bilder stammen von dieser Webseite:
http://www.laterratrema.org)
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