Matthias Hilse hat geschrieben:
Dazu vielleicht einmal ein konkretes und in seiner Konsequenz beachtliches Beispiel, dass das in Burgund mit der Flächenaugmentation doch genauso geht: Nachdem Armand Rousseau im Burgund einen knappen Hektar Chambertin von Jean-Claude Belland kauft hatte, stieg der Preis für den anteiligen Wein aus den gleichen Reben innerhalb eines Jahres etwa um den Faktor 10.
Hallo Herr Hilse,
das Beispiel hinkt insofern, als dass hier eine
grand cru - Fläche von einem Winzer zum anderen gewechselt hat, d.h. im formalen Klassifizierungslevel hat sich überhaupt nichts geändert. Im Médoc ist aber in den vergangenen drei Jahrzehnten im erheblichen Umfang
cru bourgeois - Fläche von
grand crus erworben worden, eben um darauf
grand crus zu produzieren. Das wäre im Burgund wegen der dortigen Lagenklassifikation gar nicht möglich.
Betrachtet man sich die Entwicklung der letzten Zeit, dann ist es doch nicht so, dass ein bekanntes Weingut ein weniger bekanntes kauft, um zukünftig mehr Wein unter eigenem Namen zu produzieren.
Ach nein? Was ist mit dem Deal Phelan-Ségur <-> Montrose:
cru bourgeois - Fläche zu
2eme GCC - Fläche? Das ist jetzt nicht so lange her...
Und wenn man die Zeitspanne der Betrachtung etwas weiter ausdehnt, wird es doch dramatisch. Als Bordeaux-Händler haben Sie doch sicher eine ältere Ausgabe des Féret? - Dann schlagen Sie mal dort nach, was es Ende der 70er oder Anfang der 80er in St. Julien und Pauillac noch alles an
cru bourgeois und sogar komplett unklassifizierten Gütern gegeben hat. Und heute?
Gone with the wind, fast alle sind spurlos verschwunden, nämlich in
grand cru - Flächen aufgegangen. In Pauillac erinnere ich mich an einen konkreten Fall, in dem sogar Lafite seine Fläche mit
cru bourgeois - Land arrondiert hat. Und in Margaux sind ein paar
grand crus, die nach dem zweiten Weltkrieg komplett erloschen waren, wunderbarerweise aus dem Nichts wieder erstanden; im Wesentlichen durch Kauf von
cru bourgeois - Fläche.
Ich bin gegenüber dem Terroir-Gedanken gerade im Médoc einigermaßen skeptisch. Ich würde jetzt nicht so weit gehen wollen wie Claude Bourguignon, der als Önologe aus dem Burgund notwendigerweise gebiast ist und apodiktisch verkündet hat, dass im Médoc überhaupt kein Terroir existiert, aber das permanente Hin- und Herschieben von Flächen zwischen unterschiedlich klassifizierten Gütern lässt die Relevanz der Lagengüte doch arg in den Hintergrund treten.
Übrigens ist das auch ein Grund, der das Bordelais manchen Leuten verdächtig machen kann - in diesem Fall sogar Leuten, die sich mit den dortigen Verhältnissen gut auskennen.
Gruß
Ulli