Das Thema ist ein Dauerbrenner. M.E. ist die Qualität von Wein genausowenig oder genauso objektivierbar wie die Qualität von Musik, Filmen, Theaterstücken oder Essen im Restaurant.
Ein gewisser Bodensatz mag noch objektivierbar sein:
- Ist der Wein fehlerhaft?
- Ist er zu stark geschwefelt?
- Hat er ungewollte Brett-Aromen?
- Ist er ungewollt oxidativ oder reduktiv?
Dann wird es schon etwas haariger, aber m.E. ebenfalls zu einem bestimmten Grad noch objektivierbar:
- Hat der Wein ein gewisses Mindestmaß an Spannung oder schmeckt er extrem flach?
- Hat der Wein ein gewisses Mindestmaß an Substanz oder ist er dünn bis wässrig?
- Gibt es Merkmale, die offensichtlich den eigentlichen Charakter des Weines verfälschen? Stechender Alkohol? Aromahefen? Eichenholzchips?
Schon hier werden sich aber die Geister scheiden. Die Alkholtoleranz ist je nach Verkoster deutlich unterschiedlich. "Künstliche" Aromen durch den Einsatz bestimmter künstlicher Hefen findet der eine widerlich, der andere kann sich den Sauvignon Blanc kaum "ohne" vorstellen. Auch bei der Substanz und der Spannung werden die Geister sich scheiden. Ich denke aber, dass Filme wie "Showgirls" oder "Gigli" tatsächlich so flach und spannungsarm sind, dass sie zu recht Goldene Himbeeren einsammeln.
Im Parker'schen 100 Punkte System sind wir jetzt in etwa bei 80 Punkten angekommen (bei anderen - wie dem Falstaff - sind wir jetzt schon bei 90

).
Und ab hier wird es m.E. ganz schwierig: Massenverkostungen, wenig Zeit, Probierreihenfolge, persönlicher Geschmack, Eitelkeiten, die eigene Profilstärkung, Tagesform, etc. lassen eine halbwegs verlässliche Einschätzung kaum zu.
Aber: selbst, wenn man sich eine Woche für einen Wein Zeit nimmt, sind die Verkostungseindrücke für mich kaum belastbar. Erstens trinkt kaum jemand zu Hause einen Wein konzentriert über eine Woche. Zweitens habe ich selbst schon festgestellt, dass intensive Konzentration, das "Eintauchen" in einen Wein zur sehr persönlichen Reise wird, mit der Dritte kaum etwas anfangen können.
Somit gibt es für mich kein "Patentrezept" für verlässliche Verkstoungen.
Das Einzige, was an den Profinotizen oder Amateurnotizen wie hier im Forum, auf Blogs oder in Datenbanken wie Verkostungsnotizen.net oder Cellartracker brauchbar ist, ist ein gewisser kleinster gemeinsamer Nenner. Und der existiert aus meiner Sicht definitiv. Ist ein Wein zugänglich oder muss man sich näher mit ihm beschäftigen, um ihn mögen zu können? Was sind die ganz groben aromatischen Eingenschaften (z.B. dunkelfruchtig vs. hellfruchtig bei Rotweinen)? Ist ein Wein schlank oder üppig, säurereich oder -arm, hat er kräftige oder sanfte Tannine? Das sind alles Eigenschaften, die aus meiner Sicht die allermeisten geübten Weintrinker verlässlich einschätzen können.
Und das ist für mich schon sehr viel wert.