Bordeaux 2011

Medoc und seine Appellationen, Bourg und Umgebung, Fronsac, Pomerol, Saint Emilion und Umgebung, Entre Deux Mers, Graves und Pessac-Leognan, Sauternes und Co.
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dyingromeo
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Re: Bordeaux 2011

Beitrag von dyingromeo »

kristof hat geschrieben:
weinfex hat geschrieben: zumal in diesem speziellen Fall die Qualitäten sogar
höher anzusetzen sind,
Dann hoffe ich mal, dass die Qualität wirklich nur in diesem speziellen Fall höher ist als in 2009 und 2010, sonst haben wir es mit dem 11er plötzlich wieder mit einem Jahrhundertjahrgang zu tun... :mrgreen:

Hallo Christoph,

das liegt schlicht und ergreifend daran, dass 2011 kein wirklicher Terroir Jahrgang ist, sondern eher einer der Weinmacher!

Klar, gute Terroirs hatten es einfacher gute Qualität zu ernten...im Prinzip kam es da aber gar nicht so sehr darauf an, denn reif wurde das Lesegut dort wo man geduldig genug war.
Alles andere wurde am Sortiertisch und in der Art der Verarbeitung entschieden.
Deshalb gibt es in 2011 sehr gute Cru Bourgeois die in der Qualität gar nicht sooo weit von den großen Namen entfernt liegen.
weinfreudige Grüße
Christian

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weinfex
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Re: Bordeaux 2011

Beitrag von weinfex »

sorgenbrecher hat geschrieben: zu 2. ebenso korrekt, allerdings heißt aus meiner sicht "bullish" nicht zwangsläufig in bezug auf die absoluten preiserwartungen, sondern eben auch auf die relative preiserwartung ggü. der alternative "sub".
Entscheidender Punkt, hier bringt sich das Chateau in eine "brilliante" Lage, denn "das Hauptproblem" der
Subskription, die breite Streuung und damit "eine unkontrollierte Preissetzung" ist damit komplett umgangen,
da die Käufer sich quasi vor dem Ch. "legitimieren" müssen.
Das mag in grossen Jahren mit starker Nachfrage untergeordnet gesehen werden können, ansonsten
ist es aber eine der grössten Herausforderungen um in diesem Segment dauerhaft Akzeptanz zu finden...
Grüsse weinfex
weinfex
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Re: Bordeaux 2011

Beitrag von weinfex »

dyingromeo hat geschrieben: Hallo Christoph,

das liegt schlicht und ergreifend daran, dass 2011 kein wirklicher Terroir Jahrgang ist, sondern eher einer der Weinmacher!
Das ist glaube ich die Essenz, was man über diesen Jahrgang sagen kann, und
wie man ihn verstehen kann und muss...
Grüsse weinfex
Bottlebinder
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Re: Bordeaux 2011

Beitrag von Bottlebinder »

weinfex hat geschrieben: ... warum meinst Du, zieht sich Latour
aus dem Subsgeschäft zurück. Warum werden grössere Mengen
an Allokationen überhaupt nicht mehr am Markt zur Subskription erst angeboten,
sondern wandern gleich "bildlich" in den Keller?
Hallo Andreas,

ich bin zwar nicht Marko, möchte aber meine Meinung hierzu trotzdem kundtun.

Ich denke, dass Latour und die anderen Premiers einem harten Konkurrenzdruck durch qualitativ gleichwertige Chateaux standhalten müssen. Selbst wenn harte Sammler, die es sich leisten wollen, sich vielleicht jedes Jahr eine Flasche von jedem Premier ins Regal legen, werden sie doch eher kistenweise die Konkurrenzprodukte erwerben, die zu einem Fünftel oder Zehntel zu haben sind, qualitativ aber nicht zurückstehen. Der Name allein kann dieses Defizit nicht heilen. Latour hat die Chance durch Abkehr vom Subskriptionssystem den Verfolgern Paroli zu bieten, was diese letztlich auch wieder zu marktgerechten Preisen bringen kann. Man sollte nicht vergessen, dass es einen gesonderten Markt für die Weine gibt, die in die Subskription gelangen. Mengenmäßig ist das aber immer mehr zurückgegangen. Latour und Lafite sind fast überall aus 2009 und 2010 noch zu haben! Jedenfalls könnte es sich Latour ohne weiteres "leisten" seinen Wein aus einem trinkreifen Jahrgang direkt zu einem Preis anzubieten, der dafür sorgt, dass auch mal wieder 2/3 eines Jahrgang verkauft werden. Irgendwann ist übrigens auch jeder Wein mal tot.
Grüße
Mathias
weinfex
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Re: Bordeaux 2011

Beitrag von weinfex »

Hallo Mathias,

es geht mir nicht darum das "System" zu verteidigen, noch
um es gut zu heissen. Es geht mehr um den Versuch Erklärungen
zu suchen und zu finden, warum gerade dies oder das geschieht...

Ich glaube man muss um zu verstehen was dort in den letzten Jahren
und im Moment geschieht, gewisse "liebgewonnene Gewohnheiten" aus
der Vergangenheit komplett ausblenden. Was ich damit meine?
Wenn heute jemand Premiers kauft (Einzelflaschen werden da praktisch
nur in Ausnahmefällen gekauft, normal geschieht dies kistenweise), dann
ist natürlich die Qualität des Produktes sehr wichtig, aber mitnichten das
einzige und entscheidende Kriterium. Deshalb spielt Dein "qualitativer Gedankenansatz"
eine nur sehr untergeordnete Rolle.

Und ich glaube auch nicht, dass Ch. Latour nur ansatzweise einen trinkreifen Wein
auf den Markt zu bringen gedenkt, welcher in unserem Verständnis einen "realistischen
Preis" haben wird, ganz egal ob man das "könnte" oder nicht bzw. 2/3 seiner Ernte
auf einmal zu verkaufen...
Grüsse weinfex
C9dP
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Re: Bordeaux 2011

Beitrag von C9dP »

Ich hätte mal eine Zwischenfrage zu dem Verhalten von Latour. Das es sich im Moment aufgrund der Zinsen am Kapitalmarkt und der hohen Inflation durchaus lohnt, aus dem Subsgeschäft auszusteigen ist durchaus nachvollziehbar.

Mir stellt sich jedoch auch die Frage, ob die Iconweine damit auf die zunehmende Fälschungsquote ihrer Weine abzielen und einem wachsenden Misstrauen gerade der montär extrem potenten Käuferschicht (ob aus Fernost oder woher auch immer ist ja egal) gegenüber den im Umlauf befindlichen trinkfertigen Weine entgegenwirken wollen. Ist doch dann durchaus möglich, dass man dadurch einfacher Maßnahmen ergreifen kann, um Fälschungen zu verhindern (unbekanntes Flaschen- / Etikettendesign bis zur Auslieferung, Sicherheitsmerkmale auf dem dann aktuellen Stand der Technik, Zertifizierung und lückenloser Eigentümernachweis ähnlich einem Orderpapier).

Bei mir als Käufer entfallen immerhin auch die Lagerkosten für einige Jahre oder gar Jahrzehnte, die ich habe, wenn ich einen Wein en primeur selber kaufen muss um Fälschungen auszuschließen.
Viele Grüße

Aloys
Bottlebinder
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Re: Bordeaux 2011

Beitrag von Bottlebinder »

weinfex hat geschrieben: ... Natürlich geht es um Profitmaximierung und Stabilisierung des status quo und wenn man die momentane Situation als optimal einschätzen würde, müsste man ja nicht zu solch drastischen
Eingriffen greifen. Ob es sich bei dem momentanen Gebilde "Bordeaux" um eine Blase handelt oder nicht
stelle ich mal hintenan, ansonsten gehe ich mit Deinen weiteren Überlegungen meist konform.
Nur, woher weisst Du ob diese theoretisch zurückgehaltenen 2/3 inzwischen nicht längst auf dem Markt sind? Im Falle von 2007, 2008 und nun auch 2009 dürfte nach meinen Informationen in den allermeisten
Fällen soviel Menge, dass man von irgendeiner Art Blasenbildung sprechen könnte, nicht mehr in den Kellern sitzen...
Hallo Andreas,

Latour Präsident Engerer hat zumindest behauptet, das Chateau habe einen sehr hohen Prozentsatz aller Jahrgänge zurückgehalten ("Latour has always held back a large percentage of each year’s wine production").

Übrigens lässt sich der Gewinn nicht am Preis allein ablesen. Es kommt daneben auf die verkaufte Menge in einer bestimmten Zeit an.
Grüße
Mathias
Matthias Hilse
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Re: Bordeaux 2011

Beitrag von Matthias Hilse »

Hallo zusammen,

inmitten einer Primeurkampagne ist es nicht ganz leicht, konzentriert einen Text zu verfassen, daher bitte ich etwaige Unebenheiten zu entschuldigen.

Auch wenn man das Vorgehen von Latour kritisch beurteilen mag, muss man doch konzedieren, dass die durchaus explosive Dynamik der Ankündigung einen nicht zur Ruhe kommen lässt. Wenn der Eigner nur ein Châteaubesitzer wäre, würden die Dinge vielleicht anders liegen. Aber dort, wo man sich mit Geldmengenaggregaten bestens auskennt, geht man den Weg der Vereinzelung sicher nicht nur aus Eitelkeit heraus.

Dass Warentermingeschäfte das Zeug zum Schuss nach hinten haben, hat ja ein deutscher Sportwagenhersteller einer über das Segment seiner eignen Kundschaft weit hinausreichenden breiten Öffentlichkeit spottwirksam vor Augen geführt. In dem Moment, in dem ein Wein in Subskription angeboten wird, enzieht sich die Marktpreisbildung weitgehend dem Willen des Erzeugers. Die urreligiöse smith’sche „unsichtbare Hand Gottes“, wurde in den letzten Jahren durch das polytheistisch anmutende oligopole Auftreten einiger Winzerkönige abgelöst, die über extreme Mengenverknappung die Wirkung der Marktmechanismen eindämmen wollten.

Eine Blase ist eine Blase ex post. In dem Maß, in dem jedem neuen ökonomischen Krisenszenario Liquiditätstsunamis notwenig folgen, man quasi schon darauf wetten kann, dass neuer Bedarf an sicheren Anlagehäfen entstehen wird, kann man auf den Feldern, die sich auch jetzt noch zur Assetinflation anbieten, ein Auseinanderdriften von Angebotsmenge und verfügbarer Geldmenge vermuten.

Wer die Einladung der Kundschaft ausschlägt, negatives Working Capital zu erwirtschaften, geht nicht davon aus, dass morgen die Blase haussierenden ökonomischen Frohsinns platz. Er muss auch nicht mehr das Treiben der Händler beobachten, die bei seinen Luxuswaren mit Ramschmargen agieren (immerhin kommt es nur selten zu einem Disagio!). Und er braucht sich auch nicht um die lästigen Kritiker zu scheren, die sich anmaßen, den eigenen Wein im Stil einer Ratingagentur zu bewerten.

Es ist eine alte Weisheit, dass bei aller Spekulation auf Wein am Ende irgendjemand bereit sein muss, die Flasche zu trinken (oder zu zerdeppern oder sonstwie wirksam aus dem Verkehr zu ziehen). Solange der Erzeuger den Vermittler zum Kunden benötigt, der ihm z.B. die Ware vorfinanziert (oder der ihm neue Märkte und/oder Kundenkreise öffnet), geht er das intrinsische Spekulationsrisiko (dass der Mittelsmann sein Produkt unter Wert liquidieren muss) ein.

Wenn die Marktpreisentwicklung aber so ist, wie sie in den letzten Jahren eben war, dann entfällt für das Château der Nutzen des Händlers. Der Bedarf an Opportunitäsarbitrage ist schlichtweg nicht mehr vorhanden. Wenn zudem der Endkunde identifiziert werden kann, ist das Risiko der unsachgemäßen Handhabung erheblich eingegrenzt. Wenn es nicht mehr viel Wein im Zwischenhandel gibt, sondern nur noch bei verkaufsdruckimmunen Endkunden, ist das Marktpreisrisiko der eigenen Position nicht mehr signifikant – weil es eben keinen wirklichen Markt mehr für den Wein gibt.

Das Vorgehen zeugt von hohem Sachverstand, was rational-ökonomische Belange betrifft. Ob es der richtige Weg ist, entscheidet aber nicht das Château, sondern die Latourtrinker.

Werden andere Châteaux sich das abgucken? Für die mengenmäßig Großen ist das sicher keine Alternative, aber diejenigen, die schon jetzt wie die erfolgreichen europäischen Fußballclubs Merchandising in eigenen Shops betreiben, könnten von diesem virus horribilis erfasst werden.

Herzliche Grüße,
Matthias Hilse
weinfex
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Re: Bordeaux 2011

Beitrag von weinfex »

Bottlebinder hat geschrieben:Hallo Andreas,

Latour Präsident Engerer hat zumindest behauptet, das Chateau habe einen sehr hohen Prozentsatz aller Jahrgänge zurückgehalten ("Latour has always held back a large percentage of each year’s wine production").

Übrigens lässt sich der Gewinn nicht am Preis allein ablesen. Es kommt daneben auf die verkaufte Menge in einer bestimmten Zeit an.
Hallo Mathias,

ich hatte dies nicht speziell auf Latour, sondern auf die
gesamten Chateaus bezogen, denn der Vorwurf steht ja
allgemein im Raum.

Bei Latour liegt es in der Tat anders, hier kann man davon
ausgehen, dass spätestens mit dem Jahrgang 2001 systematisch
Allokation gekürzt, bzw. entsprechende Mengen nicht in der
Subskription angeboten wurden. Vorwurf war hier, man würde damit den
Markt verknappen um den Preis zu stützen. Rückblickend ist es natürlich
praktisch unmöglich die wahre Strategie dahinter zu erfahren, jedenfalls
argumentiert man jetzt, dass man zukünftig nur noch trinkreife Jahrgänge
auf den Markt geben wird. Was den vor 10 Jahren eingeschlagenen Weg zumindest
theoretisch 8-) erklären würde, denn dazu benötigt man ja "Masse"...
Klar ist aber auch, wenn sich ein Premier so positioniert, wird er nicht lange
"alleine" bleiben (darüber wird zu einem späteren Zeitpunkt noch zu sprechen sein) ...
Grüsse weinfex
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UlliB
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Re: Bordeaux 2011

Beitrag von UlliB »

Matthias Hilse hat geschrieben:– weil es eben keinen wirklichen Markt mehr für den Wein gibt.
Tja, genau so wird die Wunschvorstellung wohl sein - kein Markt mehr. Das wollten und wollen auch ganze philosophische Schulen.

Tatsache ist aber: so lange es noch irgend jemanden gibt, der außer dem Chateau auch nur eine einzige Flasche Latour verkaufen möchte, wird es für diese Flasche einen Markt und einen Marktpreis geben, der sich der Kontrolle des Erzeugers entzieht. Denn merke: auch illegale Produkte haben einen Marktpreis. Und in Staaten, die Märkte komplett eliminieren wollten, war das Bewusstsein über bestimmte Marktpreise meistens wesentlich größer als in Ländern mit "freier Marktwirtschaft".

Vollständige Kontrolle über ein bewegliches und in durchaus relevanten Stückzahlen hergestelltes Gut ist und bleibt Illusion. Und zumindest in dieser Hinsicht wird Latour scheitern. Ob es unabhängig davon gelingen wird, die Rendite des Unternehmens zu erhöhen, ist eine andere Frage - es bleibt ein Experiment mit ungewissem Ausgang.
C9dP hat geschrieben: Mir stellt sich jedoch auch die Frage, ob die Iconweine damit auf die zunehmende Fälschungsquote ihrer Weine abzielen und einem wachsenden Misstrauen gerade der montär extrem potenten Käuferschicht (ob aus Fernost oder woher auch immer ist ja egal) gegenüber den im Umlauf befindlichen trinkfertigen Weine entgegenwirken wollen. Ist doch dann durchaus möglich, dass man dadurch einfacher Maßnahmen ergreifen kann, um Fälschungen zu verhindern (unbekanntes Flaschen- / Etikettendesign bis zur Auslieferung, Sicherheitsmerkmale auf dem dann aktuellen Stand der Technik, Zertifizierung und lückenloser Eigentümernachweis ähnlich einem Orderpapier).
Interessante Hypothese. Zumindest ist das ein erkennbarer Zusatznutzen. Die eigentliche Zielsetzung ist aber wohl eine andere, siehe oben: komplette Marktkontrolle.

Gruß
Ulli
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