Sehr interessante Zusammenstellung, danke euch!
Einige allgemeine Gedanken, die mir natürlich im Sitzen kamen und denen deshalb nicht zu trauen ist:
1. Weingüter, die stark mit Tranchen arbeiten, benutzen diese zur Preisfindung - sie wissen ja selbst nicht, was der "wahre" Wert ist. Also versuchen sie herauszufinden, welchen Preis der Markt gerade noch bezahlt.
2. Der aktuelle Preis für die Flasche im Laden ist derjenige, zu dem die Flasche nicht mehr verkauft werden konnte - sonst stünde die Flasche ja nicht im Laden. Dieser Preis liegt also
über dem "wahren" Wert.
3.
Wieviel unter diesem letzten Preis der "wahre" Wert liegt, wird man sehen, wenn am (symmetrischen?) Sekundärmarkt Mengen gehandelt werden, die eine sinnvolle Preisermittlung ermöglichen (das alte Problem von Geld und Brief). Das "Sixpack auf eBay" ist also anekdotisch. Aber Live-Ex usw. zu glauben, ist auch keine Lösung.
4. Dieser Preis (aber halt nicht der "wahre" Wert) steigt natürlich mit der Zeit an, wegen der Kapitalkosten, mit einem letzten Anstieg. Sobald der Wein in sein Trinkfenster kommt und der "zweite Hype" losgeht, steigt vielleicht auch der "wahre Wert. Bei LCHB sind die Mengen vielleicht gering genug, um da noch Bewegung reinzubringen. Und vielleicht reift der Wein sogar so gut, daß er zur Legende wird, dann bezahlt mir jemandem sogar das Risiko, den 2016er LCHB zwei Jahrzehnte gegen Mondphasen geschützt zu haben. (Siehe aber 6.) Wenn der Wein eine "negative Restlaufzeit" hat, ist er solange zu teuer, bis er zu alt wird. Im Zweifelsfalle muss man den Wein selber trinken oder den Verlust realisieren.
5. Das nächste Dutzend Jahrgänge wird absehbar Weine in einer Qualität erbringen, die mindestens auf dem Niveau der existierenden Referenzen (2016, 2020, 2022) liegt. Schon 2023 ist stellenweise wirklich sehr gut und gar "best ever". Wir bezahlen
jetzt genau jenes Geld, welches das sicherstellt, der Klimawandel macht den Rest. Damit setzen wir unser eigenes Investment aber unter Druck. (Leider zahlt mir der LCHB in meinem Keller keine Dividende.)
6. Um den Sekundärmarkt zu stützen ("Print the legend!"), ist das neue Schlagwort "Herkunft", zu deutsch "Provenance". Laserverschweißte OHKs mit QR-Code nur noch ab Gut, "void when broken", usw. Hat mein kleiner gammeliger Keller nicht, also bin ich raus. Ist also eine Operation
der organisierten Kriminalität des organisierten Investment-Handels. In einigen Jahren werden große BDX-Händler, die signifikante Mengen verbunkert haben, durch Negociants und/oder Chateaux zertifiziert werden können. Gegen Geld, versteht sich. - Würden sie das nicht tun, könnte der Primärmarkt bis spätestens 2030 kollabieren, weil sich aufgrund der hohen Verfügbarkeit zurückliegender "Auch-100-Punkte"-Jahrgänge und einer Menge Investoren, die jetzt ihre Pension aufbessern wollen, die Preise implodieren würden. Denn diejenigen, die Bordeaux trinken wollen, haben mehr, als sie jemals trinken können, und zwar schon gekauft und bezahlt und verkellert. Die brauchen nix mehr, schon gar nicht
more of the same. Und neue Märkte? Momentan nicht absehbar. Das ist ja der Grund für den anhaltenden Stilwechsel bzw. die Fragmentierung des Geschmacks- und Distinktionslandschaft im Bordelais.
7. Dieser Stilwechsel wird, falls er nicht schnell gegen sein gewünschtes Ziel konvergiert, dafür sorgen, daß der 2030er nicht sinnvoll mit dem 2015er vergleichbar sein wird, anders etwa als der 2015er mit dem 2005er. Falls der (neuentwickelte?) Markt also den 2030er aufsaugen kann, wird genau dieser Markt kein sonderliches Interesse am 2015er haben. Ich sehe nämlich einfach nicht, wie junge Konsumenten heutzutage auch nur eine einzige Flasche von Chateau Pavie-Tropbeaucoup aus der Parker-Ära aufmachen wollen würden - außer "ironisch", natürlich.
Fazit: Das Geld ist also futsch, und zwar ziemlich unwiederbringlich.
Cheers,
Ollie
PS: Galloni? Für Bordeaux? Echt jetz?

Funktioniert so gar nicht für mich (zunehmend auch nicht mehr in Italien, btw.)