BORDEAUX 2012

Medoc und seine Appellationen, Bourg und Umgebung, Fronsac, Pomerol, Saint Emilion und Umgebung, Entre Deux Mers, Graves und Pessac-Leognan, Sauternes und Co.
Ollie
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Re: BORDEAUX 2012 - Aktuelles zur Primeurkampagne

Beitrag von Ollie »

octopussy hat geschrieben:[Jane Ansons] Notizen lesen sich gut, allerdings ist es recht schwer, ihren Geschmack einzuschätzen.
Wenn ich ihre Notizen seit 2009 richtig interpretiere, dann bevorzugt sie - offenbar noch offener ("outspoken") als Jancis - frische und saftige Weine mit saftiger, knackiger ("croquant", sie benutzt sogar das franzoesische Wort) Frucht. Das heisst, alles, was in Richtung Ueberreife (Feigen, Rosinen, Karamel, Malz) geht, wird sie entsprechend notieren (und vielleicht abwerten, das habe ich noch nicht raus).

Bei Holz ist sie sehr skeptisch, und angesichts des fast immer gekonnten Holzhandlings der Franzosen gehen bei mir immer die Lampen an, wenn sie sich negativ ueber das Holz aeussert.

Tannine muss sie nicht im Uebermass haben; einen Batailley bezeichnete sie gar als "souped-up Ford Escort", auf "Deutsch" also "getunter Opel Manta", und als Wein "for the boys". Sie scheint also durchaus ein Gespuer dafuer zu haben, welche Weine bei von jungen Maennern dominierten Verkostungsrunden die Punkte fangen :D, auch wenn ihr das vielleicht manchmal den Blick auf robust strukturierte Weine verstellt.

Besonders hilfreich finde ich ihre Notizen immer dann, wenn sie Alkohol erwaehnt. Das passiert ihr noch viel oefter als Jancis, und ich finde es gut, dass sie recht deutlich macht, wie ein Merlot seine 15% abv wegsteckt (oder eben nicht).

Ganz objektiv ist sie natuerlich auch nicht, denn sie favorisiert eben diesen eben beschriebenen Stil. Gelegentlich gibt sie deshalb Weinen, die besonders gut fuer sie funktionieren, zwei oder drei Punkte "zuviel". (Ich jedenfalls wuerde mich wundern, wenn ich dem 2010 Capbern wirklich 93-94 Punkte gaebe.)

Cheers,
Ollie
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octopussy
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Re: BORDEAUX 2012 - Aktuelles zur Primeurkampagne

Beitrag von octopussy »

Hallo Ollie,

danke für die Erklärung, das klingt einleuchtend. Manche Weine, die allgemein als eher (nicht total) modern beschrieben werden (auch von ihr), d.h. nicht zu wenig Holz, kräftige Extraktion, Kaffee, Vanille, etc., findet sie allerdings auch gut, z.B. Léoville Poyferré, Beausejour-Bécot, La Tour Carnet. Das spricht für mich aber eher dafür, dass sie keine Dogmatikerin ist (so wie z.B. John Gilman), sondern am Ende vor allem nach "gut" sucht.

Etwas ungläubig staunend macht mich langsam Cos Labory:
Jane Anson hat geschrieben:Cos Labory AOC St Estephe 2012
High intensity, deep plum fruit in colour. This is high alcohol on the nose, very interesting on the palate, a food fruited attack, rich and well worked, good aromatic intensity, and good texture on the attack. High astringency in the tannins, coffee, empreumatic nose, quite well balanced I would say, plenty to play for. Good (and in that Lafite, Mouton, Cos corner that seems to have worked out well this year). 92-93 / 17.75 – 18. Highly recommended. Drink 2020-2035.
Hier noch ein paar Preise von heute:

Boyd-Cantenac: ca. 45 Euro EVP (ca. -8% auf 2011, wer kauft eigentlich so einen Wein?)
Pagodes de Cos: ca. 37 Euro EVP (ca. -7% auf 2011)
Feytit-Clinet: ca. 45 Euro EVP (ca. -11% auf 2011)
Beste Grüße, Stephan
Ollie
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Re: BORDEAUX 2012 - Aktuelles zur Primeurkampagne

Beitrag von Ollie »

octopussy hat geschrieben:Etwas ungläubig staunend macht mich langsam Cos Labory:
Eben. Oder Labegorce erst (95!!). So ein paar Knallerbsen wirft sie dann doch gelegentlich in die Menge. :roll:

Wobei, die Notizen von extraprima sind manchmal auch sehr anders als die vieler anderen Kritiker. Weiss jemand, wie er einzuschaetzen ist bei Bordeaux?

Cheers,
Ollie
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UlliB
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Re: BORDEAUX 2012 - Aktuelles zur Primeurkampagne

Beitrag von UlliB »

Wie schon letztes Jahr schießt ein trockener Weißwein preislich den Vogel ab: Haut Brion blanc gibts für gut 800 Euro EVP incl. bei Millesima. Die Flasche, nicht die Kiste.

Zugreifen! :lol:

Gruß
Ulli
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octopussy
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Re: BORDEAUX 2012 - Aktuelles zur Primeurkampagne

Beitrag von octopussy »

Hallo zusammen,

die Kampagne scheint weiterhin ziemlich beschî$$€n zu laufen. Ich selbst habe sogar ein paar Flaschen subskribiert, auch wenn der Preisvorteil zur Arrivage entweder nicht vorhanden oder klein sein wird. Denn bei der Arrivage bin ich auch nicht nennenswert "schlauer" als jetzt (es sei denn, ich kaufe dann ganz viele Flaschen und probiere mich durch). Je nach Preisgefüge werden es vielleicht auch noch ein paar mehr werden. Mein Gefühl sagt mir, dass mir der Jahrgang schmecken wird. Viele Preise (wie z.B. der von Haut Bailly) sind allerdings für mich nicht attraktiv.

Ich habe das Gefühl, dass die Bordelaiser es nicht oder nicht in ausreichendem Maße verstehen, wie viel Kredit sie mit den Kampagnen 2010 und 2011 (mit Blick auf die zu melkende Kuh in China) verspielt haben. Mein Eindruck ist zum Beispiel, dass Bordeaux von Restaurantkarten immer mehr verschwinden. Zum einen wollen oder können sich immer weniger Restaurants einen großen Lagerbestand zulegen. Zum anderen sind einfach viel zu viele Weine viel zu teuer geworden. Auch immer mehr Händler scheinen sich von Bordeaux zu verabschieden. Mir fällt auch auf, dass die "üblichen" Subskriptionshändler viel stärker selektionieren als früher (außer vielleicht Unger und C&D, wobei letzterer ja fast nur noch 12er Kisten anbietet). Das finde ich grundsätzlich gut. Wie auch bei Burgundern finde ich Händlerempfehlungen für Bordeaux besonders wertvoll. Denn die stilistische Vielfalt scheint mir wieder größer zu werden. Es zeigt aber auch, dass zum einen der Kaufdruck zum Halten von Allokationen kleiner zu werden scheint und sich zum anderen manche Weine einfach schwer zu verkaufen scheinen.

Jedenfalls scheinen die von den Luxuskonzernen hinter den Châteaux getriebenen Marketingkonzepte, die Bordeaux als Luxusobjekt (wie Taschen) zu etablieren versuchten, vorerst gescheitert zu sein. Wein funktioniert halt nicht wie Taschen. Und selbst die Preissenkungen der letzten beiden Jahre scheinen nicht auszureichen, um wieder auf breiter Front viel zu verkaufen. Wenn man mal die Preisexzesse der mittelmäßigen Jahre nach den Wunderjahren (2006, 2007, 2011) außer Acht lässt, bietet Bordeaux für mich letztlich doch viel Wein fürs Geld. Die Eleganz eines schön gereiften Bordeaux kann mir leider kein Südfranzose bieten, kein Madiran, kein Cahors, kein Wein aus dem Midi. Alles tolle Weine (wenn gut gemacht), aber es ist eben kein Bordeaux. Vermeintlich preisgünstigere Alternativen aus Südafrika, Chile oder Deutschland konnten für mich auch so gut wie nie das halten, was sie versprachen (die drei Jahrgänge Mont du Toit (Südafrika) neulich waren ein echter Augenöffner im negativen Sinne). Man darf auch nicht vergessen, dass man in Bordeaux wirklich lagerfähige (10-25 Jahre) Rotweine auch jetzt noch für etwas über 10 Euro bekommt. Wo gibt es das sonst noch?

Leider zieht sich die Kampagne doch länger hin als ich gedacht hatte. Manche Ch. scheinen noch mit sich zu ringen, ob sie ihr Luxusimage und ihren Status halten wollen (z.B. die Pichons, die wohl kaum unter dem Preis von Lynch Bages und Pontet Canet rauskommen wollen werden) oder Wein verkaufen wollen. Ich hoffe wirklich, dass noch ein paar Châteaux ein paar Flaschen an den Mann bringen wollen und ihre Weine entsprechend bepreisen werden.
Beste Grüße, Stephan
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dazino
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Re: BORDEAUX 2012 - Aktuelles zur Primeurkampagne

Beitrag von dazino »

Hoi Stephan

Bei den Preisen erwarte ich leider keine positiven Überraschungen mehr. Du hast es ja bereits erwähnt, die Pichons werden kaum unter Pontet und Lynch Bages rauskommen. Nach dem Motto "was nicht sein darf kann nicht sein". GPL wird sich wohl an Clerc Milon oder etwas darüber orientieren, Domaine de Chevalier wird etwa den gleichen Abschlag wie Haut-Bailly bringen usw.

Die grosse Frage für mich lautet: Was macht Figeac? Der Wein war seit dem 09er viel zu teuer und wurde entsprechend schlecht verkauft.

Bin mir immer noch nicht sicher ob ich überhaupt etwas subsen soll. Canon würde mich noch reizen und je nach Preis Domaine de Chevalier.

Gruss
David
Ollie
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Re: BORDEAUX 2012 - Aktuelles zur Primeurkampagne

Beitrag von Ollie »

Also, meinetwegen kann die Kampagne sich auch weiterschleppen. Da es in meinem Keller weder Faehigkeitsluecken noch Trinkfenster gibt, die nur 2012er Bordeaux schliessen koennten, kann ich auf meinen Haenden sitzenbleiben. Von dem halben Dutzend Weinen, die mich angucken, ist preislich eh nichts interessant genug fuer gesunden Opportunismus. Das waere eher retail therapy.

Es sei denn, DdC kaeme zu 33 Euro raus. :mrgreen: :roll: :( (Kommt kein Schiff.)

Cheers,
Ollie
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Re: BORDEAUX 2012 - Aktuelles zur Primeurkampagne

Beitrag von susa »

Heiner Lobenberg hat seine Notizen nun auch veröffentlicht, falls Interesse, hier kann man sie nachlesen

http://www.gute-weine.de/media/booklets ... on2012.pdf

lieben Gruß
susa
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Re: BORDEAUX 2012 - Aktuelles zur Primeurkampagne

Beitrag von m_arcon »

susa hat geschrieben:Heiner Lobenberg hat seine Notizen nun auch veröffentlicht, falls Interesse, hier kann man sie nachlesen

http://www.gute-weine.de/media/booklets ... on2012.pdf

lieben Gruß
susa

Er wertet in meinen Augen im Schnitt schon immer recht hoch oder lieg ich da falsch?
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innauen
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Re: BORDEAUX 2012 - Aktuelles zur Primeurkampagne

Beitrag von innauen »

Hallo,

was bei Lobenberg auffällt ist die großzügige Bewertung gegenüber einigen Weinen, die er exklusiv in seinem Programm hat. Du Retout gibt es zB nur bei ihm und Mövenpick und wird immer sehr gut bewertet. Ein paar Weine aus Margaux und Pomerol, die ich nicht kenne, die es aber nur da gibt, kriegen traditionell immer sehr gute Bewertungen. Immerhin greift er nicht mehr ganz so tief in die Punktekiste wie 2009/2010 und liegt damit sicherlich im Mittel näher an der Wahrheit als sonst. Vielleicht ist er sogar unnötig kritisch zu einigen Weinen - aber ich habe anders als Lobenberg auch nicht vor Ort verkostet.

Immerhin: Charmail wird auch nicht mehr so stark wie früher von ihm unterstützt ;)

Ich für meinen Teil habe begonnen die Lobenberg-Katalog nach einigen Erfahrungen eher "politisch" zu lesen und fahre damit über die Jahre betrachtet - persönlich - ganz gut. :mrgreen:

Grüße,

wolf
„Es war viel mehr.“

Johnny Depp dementiert, 30.000 Dollar im Monat für Alkohol ausgegeben zu haben. (Quelle: „B.Z.“)
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