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Re: Welt am Sonntag 27.03.11 - TERROIR

Verfasst: Di 29. Mär 2011, 11:28
von pivu
Bernd Schulz hat geschrieben:Eine wiedererkannbare Lagencharakteristik finde ich meistens nur in zumindestens etwas gereiften Weinen. Und wie gesagt oft in eher nicht vollfetten Exemplaren. Deshalb halte ich den "Lagenverbrauch" in Verbindung mit der GG-Politik auch für ausgemachten Nonsens. Gar nicht so selten transportiert der Kabinett (in trocken oder restsüß) den Lagencharakter eher als das Große Gewächs oder die Auslese.
"eher" im Sinne von früher, d'accord. Beim GG im Idealfall erst im Laufe der Zeit, dafür umso nachhaltiger und komplexer. Wobei Terroir wie es der Autor (und ich auch) verstehe eben mehr als der reine Lagencharakter ist.

Ciao
Peter

Re: Welt am Sonntag 27.03.11 - TERROIR

Verfasst: Di 29. Mär 2011, 11:30
von Gerald
Hallo Bernd,
Und wie gesagt oft in eher nicht vollfetten Exemplaren. Deshalb halte ich den "Lagenverbrauch" in Verbindung mit der GG-Politik auch für ausgemachten Nonsens. Gar nicht so selten transportiert der Kabinett (in trocken oder restsüß) den Lagencharakter eher als das Große Gewächs.
da kann ich dir jedenfalls uneingeschränkt zustimmen. Auch in der Wachau zeigen meiner Ansicht nach die Federspiele oder leichteren Smaragde deutlicher den Lagencharakter als die "Powerweine". Vielleicht aber noch deutlicher bei den Blaufränkischen vom Eisenberg: bei den Winzern, die sich den körperreichen Fruchtbomben verschrieben haben, ist die - ansonsten äußerst typische - Note der Lage kaum oder gar nicht mehr zu erkennen.

Man darf aber nicht vergessen, dass auch dem Winzer viele Möglichkeiten offen stehen, den "Lagencharakter" aus seiner Sicht zu verstärken oder auch zu reduzieren. Bei der Jahrgangspräsentation der Domäne Wachau wurde mir von kompetenter Seite erklärt, dass die einzelnen Lagen bewusst mit unterschiedlichen Hefestämmen vergoren werden, um die Lage prägnanter zum Ausdruck zu bringen.

Grüße,
Gerald

Re: Welt am Sonntag 27.03.11 - TERROIR

Verfasst: Di 29. Mär 2011, 11:44
von Bernd Schulz
"eher" im Sinne von früher, d'accord.

Nein, nicht im Sinne von "früher", sondern so grundsätzlich, wie es auch Gerald in seinem letzten Beitrag schrieb. Konzentration und Typizität sind zumindestens beim Riesling zwei unterschiedliche Paar Stiefel, Konzentration und Reifefähigkeit ebenso (auch wenn oft etwas anderes behauptet wird)!
Man darf aber nicht vergessen, dass auch dem Winzer viele Möglichkeiten offen stehen, den "Lagencharakter" aus seiner Sicht zu verstärken oder auch zu reduzieren.
Klar, die Lage vinifiziert ihre Weine nicht selber! Dass der Mensch als Interpret mit in den Terroirbegriff hineingehört, finde ich auch.

Beste Grüße

Bernd

Re: Welt am Sonntag 27.03.11 - TERROIR

Verfasst: Di 29. Mär 2011, 11:50
von pivu
Wie gesagt, ich würde da strikt zwischen Terroir und Lage unterscheiden. Ein Terroir, also Lage plus x, drücke ich am besten mit Trauben höchster Qualität aus, da bleibt dem Winzer sicher mehr Spiel- und Freiraum als bei "normaler" Kabinettqualität. Und wenn wir jetzt 2 sehr konträre Weine hernehmen, einmal Wachau und einmal Rheinhessen, Franz Hirtzbergers 'Singerriedel' und Oliver Spaniers 'Frauenberg', sind doch beides klassische Terroirweine.

Und um die Wachau nicht gleich wieder in die XXL-Schublade zu stecken, das Spiel können wir auch mit Peter Malbergs Riesling 'Bruck' und KePi Kellers 'G-Max' machen, hier ist der (Neo-)Wachauer der Purist.

Ciao
Peter

Re: Welt am Sonntag 27.03.11 - TERROIR

Verfasst: Di 29. Mär 2011, 11:56
von Bernd Schulz
Und wenn wir jetzt 2 sehr konträre Weine hernehmen, einmal Wachau und einmal Rheinhessen, Franz Hirtzbergers 'Singerriedel' und Oliver Spaniers 'Frauenberg', sind doch beides klassische Terroirweine.
Wie, was? Spanier will doch nach eigenem Bekunden gar keine Terroirweine produzieren! :twisted: Ihm geht es doch einzig um die "Vision des Winzers" und dessen "Idee", die dann als "grosses sinnliches Manifest" wahrgenommen werden kann. Oder habe ich da etwas falsch verstanden? :mrgreen:

Beste Grüße

Bernd

Re: Welt am Sonntag 27.03.11 - TERROIR

Verfasst: Di 29. Mär 2011, 12:08
von pivu
Bernd Schulz hat geschrieben:
Und wenn wir jetzt 2 sehr konträre Weine hernehmen, einmal Wachau und einmal Rheinhessen, Franz Hirtzbergers 'Singerriedel' und Oliver Spaniers 'Frauenberg', sind doch beides klassische Terroirweine.
Wie, was? Spanier will doch nach eigenem Bekunden gar keine Terroirweine produzieren! :twisted: Ihm geht es doch einzig um die "Vision des Winzers" und dessen "Idee", die dann als "grosses sinnliches Manifest" wahrgenommen werden kann. Oder habe ich da etwas falsch verstanden? :mrgreen:
Bernd
Die Vision, die Idee gehört für mich zum Terroir. Das wird halt nicht verstanden in D (und nicht nur in D). Und so hab' ich HO verstanden. Auch ich vermeide in Diskussionen, Artikeln, und Gespräche so gut wie es geht den Begriff Terroir, um nicht missverstanden zu werden oder eine Nebendiskussion zu eröffnen.

Ciao
Peter

Re: Welt am Sonntag 27.03.11 - TERROIR

Verfasst: Di 29. Mär 2011, 12:11
von Gerald
Nachdem hier ja anscheinend Einigkeit darüber herrscht, dass im - an Schwammigkeit kaum zu übertreffenden ;) - Terroirbegriff nicht nur Boden und Klima, sondern auch der Einfluss des Winzers enthalten ist:

Dementsprechend wäre der Punkt von H.O. Spanier ja nur, dass er sich nicht in die regional bezogenen Gepflogenheiten und Traditionen eingebettet sieht, sondern als Individuum, der abgesehen von den GPS-Koordinaten nichts mit den anderen Weinbauern der Umgebung gemeinsam hat :o

Kann man bestimmt so sehen, ist meiner Ansicht nach aber irgendwie überheblich und auch aus wirtschaftlicher Sicht - zumindest wenn man das konsequent weiterverfolgt und nicht nur als Artikel in einer Zeitung belässt - nicht unproblematisch ...

Grüße,
Gerald

Re: Welt am Sonntag 27.03.11 - TERROIR

Verfasst: Di 29. Mär 2011, 12:26
von Bernd Schulz
ist meiner Ansicht nach aber irgendwie überheblich und auch aus wirtschaftlicher Sicht - zumindest wenn man das konsequent weiterverfolgt und nicht nur als Artikel in einer Zeitung belässt - nicht unproblematisch ...
Genauso sehe ich das auch.

Damit klar wird, dass Peter und ich in Bezug auf Spanier geschmacklich nicht so weit auseinanderliegen, wie es den Anschein haben könnte, erlaube ich mir, noch fix eine VKN einzustreuen:

Bild

Beste Grüße

Bernd

Re: Welt am Sonntag 27.03.11 - TERROIR

Verfasst: Di 29. Mär 2011, 12:30
von dylan
Gerald hat geschrieben:
Kann man bestimmt so sehen, ist meiner Ansicht nach aber irgendwie überheblich und auch aus wirtschaftlicher Sicht - zumindest wenn man das konsequent weiterverfolgt und nicht nur als Artikel in einer Zeitung belässt - nicht unproblematisch ...

Grüße,
Gerald
Hallo Gerald,
Quertreiber, und das meine ich keinesfalls negativ, finden immer ihren Markt (wenn die Qualität ihres Produkts stimmt). Man denke nur an den exzentrischen Jacques Reynaud von Chateau Rayas oder den Musiker, der für meinen Nick verantwortlich zeichnet ;)

Gruss

dylan

Re: Welt am Sonntag 27.03.11 - TERROIR

Verfasst: Di 29. Mär 2011, 13:15
von Gerald
Hallo dylan,
Quertreiber, und das meine ich keinesfalls negativ, finden immer ihren Markt (wenn die Qualität ihres Produkts stimmt)
klar, keine Frage. Die negativen wirtschaftlichen Konsequenzen sehe ich ja nur, wenn diese Einstellung sich allgemein in den Köpfen der Winzer wie auch Konsumenten verankern sollte. Dann wäre die Region (z.B. Mosel) kein Kaufargument mehr, sondern nur der Name des Winzers. Und wenn man diesen nicht kennt, könnte man statt dessen den erstbesten Wein einer vergleichbaren Kategorie (z.B. weiß trocken) nehmen ...

Genau das Gegenteil wird ja derzeit in Ö mit dem DAC-Konzept verfolgt (wie sachgerecht und wie erfolgreich, ist ein anderes Thema ;) ).

Grüße,
Gerald