Pinot weit weg

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Oh Dae-Su
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Re: Pinot weit weg

Beitrag von Oh Dae-Su »

Hallo Klaus,

ja schon wieder ein "Pinot weit weg". Danke für deine Eindrücke! Wenn das so weitergeht knacken wir die 100 demnächst :D .
Machte echt Spaß, auch am nächsten Tag. Ist nicht super vielschichtig und es gibt auch elegantere Pinots, aber regt zum probieren weiterer NZ Pinots an ;)
Da stimme ich dir sehr gerne zu. Auch ohne enorme Vielschichtigkeit kann Pinot Spass machen.
Gesehen habe ich den Clos Henrie, immerhin ein Kiwi mit einem Hauch Loire im Blute ;) , schon öfters, aber noch nie getrunken. Deine Beschreibung hört sich so an als ob auch der mir schmecken könnte.

Das weitere Probieren von NZ-Pinots kann ich dir sicherlich empfehlen. So richtig daneben liegt man eher sehr selten. Doch die ganz großen Würfe kommen auch nicht so oft vor. Auf die Alkoholangabe sollte man vielleicht achtgeben. Leider ist bei vielen Neuseeländern, auch sehr namenhaften, öfters ein wenig viel (schmeckbarer) Dampf unter dem Kessel ;).

Ich freue mich schon auf den nächsten "Pinot weit weg" von euch. Mein nächster kommt von nicht so weit weg, aber alltäglich ist er eigentlich nicht ...

Besten Gruss und schönes Wochenende

Chris
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Oh Dae-Su
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Re: Pinot weit weg

Beitrag von Oh Dae-Su »

Hallo zusammen,

wie vor zwei Wochen schon leicht angedeutet geht es dieses mal nicht so weit weg. Diesmal ruft nicht der Wilde Wein Western der USA, auch nicht die Pampa und schon gar nicht das Outback. Dafür aber die Puszta (mit geographischer Toleranz eingerechnet ;) ).

Weninger & Gere Pinot Noir 2007, Villány

http://wine-zeit.blogspot.de/2014/02/we ... llany.html

Nach langer langer Zeit mal wieder ein ungarischer Pinot Noir. Die Wunden vom letzten Mal vor zwei Jahren sind geheilt und, soviel darf ich vorwegnehmen, auch nicht mehr aufgerissen worden. Der heutige Pinot Noir kommt aus dem heißen Villány, welches man verwegener, und zugegebenerweise etwas pathetisch-schmalziger Weise, als das dynamische südlichen roten Herz Ungarns ;) bezeichnen darf. Hier sind Cabernet Franc, Syrah, Kekfrankos, Cabernet Sauvignon und Merlot in aller munde. Vor nicht all zu langer Zeit hat sich einer der regionalen „Großmeister“ dieser Rebensorten, Atilla Gere, in Zusammenarbeit mit dem Hortischoner Franz Weninger zusammengeschlossen um aus Lagen des Ördögárok einen vor strammer Konzentration, robuster Kraft, übermannendem Extrakt und tiefer Erdigkeit strotzenden Pinot Noir zu kreieren. Zumindest für das Exemplar aus dem Jahr 2007 dürfte das gelten. Was für ein Pinot (!? :D)…hmmmm ...

Die Farbe des Weninger & Gere Villány Pinot Noir 2007 zeigte ein sehr dunkel getöntes Rubinrot mit eindeutig ins Rot-Braune gehenden Randregionen. Eine eindeutig vorhandene Trübung und kräftig viel Depot waren ebenfalls offenSichtlich. Die Nase verströmte zunächst ein Viel an Heustadel, dunkler Erde, duftigem Kaffee, an Kalk erinnernde Mineralität, etwas moschuslastiges Herrenparfum, dazu leicht ätherisch wirkende Gewürze, und sehr seriös und dunkel wirkende Fruchtaromen. Die Letztgenannten entwickelten sich über Stunden hinweg zu einer sehr ansprechenden, stark zur Schattenmorelle neigenden, Nasenverwöhnung. Etwas Frische zusteuernde Zitrusgewächsdüfte unterstützten diese sehr ansprechenden dunklen Fruchtaromen auf gekonnte Weise. Die erdig-mineralischen Komponenten traten mit der Zeit nur leicht in den Hintergrund und öffneten dem Wein die Türen zu vielerlei Nasenfacetten. So schön, so wunderbar – auch am Gaumen. Aber, wie es im Leben und auch im Leben eines Weines nun mal ist, kommen die "Abers" und "Dochs" immer ein wenig später im Text. Meins kommt an dieser Stelle: DOCH die der minimale Moschuseidruck und die ätherischen wirkenden Gewürze wurden in der Nase und mehr noch am Gaumen mit der Zeit zu meinem eintrübendem Problem. Die wunderbare dunkle, ziemlich strenge und sehr trockene -„anti-süße“ reife Frucht, die ziemlich tiefgreifende und gut balancierte mineralische an Kalk erinnernde Prägung, die tolle Säure, das sehr robuste und dennoch fein wirkende Tannin wurden leider nach gut einer Stunde vom glyzerin'isch-ätherischem alkoholischen Geschmack (14,5 %), ohne wirklich brandig zu wirken oder ins Süßliche zu gehen, realtiv stark überlagert. Im Fall des Villany Pinots fand ich diese Entwicklung besonders schade, weil er bis zu diesem Zeitpunkt eine wirklich gewisse, wahrscheinlich auch nicht zu übertreibende, Größe hatte. Ich bin kein Freund von Vergleichen von Weinen der gleichen Rebsorte aus komplett unterschiedlichen Regionen. Um ein wenig zu verdeutlichen wie der Wein in der ersten Stunde auf mich wirkte bediene ich mich dennoch einem solchen unsäglichem und eigentlich inakzeptablen Vergleich. Aufgrund seiner Seriosität, Strenge, Kraft, dem recht strengen Tannin und der andeutungsweise vorhandenen sanft-kühlen „Gewalt“ ohne dieses präsente, und aus meinen Augen klare, Defizit des schmeckbaren sehr kalr Alkohols, hätte man mir diesen Wein blind als ein Corton oder einen ähnlich zur Robustheit neigenden Pinot Noir aus dem Burgund verkaufen können. Meine bis auf einen wichtigen Punkt eingeschränkte "Fast-Begeisterung" treibt mich dazu mir noch einen weiteren Jahrgang dieses Weines vorzuknöpfen. Der 2007er war für mich trotz des präsentem Alkohols ein guter (+) Pinot Noir. Ohne diese Prägung …. puuhh, um Einiges besser ...

Besten Gruss

Chris
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Oh Dae-Su
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Re: Pinot weit weg

Beitrag von Oh Dae-Su »

Hallo zusammen,

weiter geht es mit "Pinot weit weg"! Dieses mal etwas gepflegt und langweilig ...

Vina Casablanca Nimbus Pinot Noir 2010, Valle de Casablanca


http://wine-zeit.blogspot.de/2014/02/vi ... -2010.html

„Gepflegte Langeweile“ ist auch bei Wein keine Schande! Manchmal kann solch eine unaufgeregte Erfahrung auch von Vorteil sein. Immerhin kann man in solchen Fällen nicht davon schreiben, dass es zu Überraschungen negativer Natur und Ähnlichem kam. Solche Überraschungen sind mir leider bei Verkostungen von Pinot Noirs viel zu vertraut und kommen leider viel zu häufig vor. Letztlich ist alles immer eine Ansichtssache. Kurz geschrieben. Im vorliegenden Fall sollte man als Leser nicht davon ausgehen, dass gepflegte Langeweile negativ konnotiert ist. Daher, bitte kein voreiliges Abbrechen des „Lesegenusses“ ;-) ...

Beim heutigen Pinot Noir handelt es sich um den Nimbus Estate 2010 von Vina Casablanca aus dem westlichen Teil des Valle de Casablanca in Zentralchile. Die mehrheitlich auf Granitböden gewachsenen Pinot Trauben wurden von Hand gelesen, zweimal im Namen der Qualität über den table de triage gejagt, dann einer fünftägigen Kaltmazeration unterzogen, danach in Edelstahl und Holz vergoren um letztlich zwischen 10 und 12 Monaten einem Schlummerschlaf in 50%igem neuen französischen Holz zu verbringen.

Die Farbe des Nimbus passte zur ursprünglichen Bedeutung des lateinischen Wortes Nimbus = dunkle Wolke. Er war sehr dunkel für einen Pinot, doch schleierhaft war diese dunkle Wolke nicht. "Satte" Durchsichtigkeit war druchweg gegeben. Seine Nase war vom Start weg 100% Chilenisch. Viel Kühle, viel Eukalyptus und viel frische Minze. Dazu Düfte von sehr reifen Himbeeren einigen Brombeeren und etwas von Hibiskus. Jenseits seiner sehr fruchtbetonten Art konnte ich keine hervorstechenden Facetten erriechen. Der Geschmack zeigte sich sehr unterkühlt und relativ einfach gestrickt. Sehr sauber und etwas glatt wirkende Fruchtaromen von Brombeeren, nicht sehr reif wirkenden Pflaumen, Spuren von Heidelbeeren und die eine oder andere Himbeere prägten den Wein. Beim offensichtlichen Einfluss der Fruchtsüße auf das Gesamtbild wurde mir ein wenig zu viel Ambition an den Tag gelegt. Der eukalyptisch-minzige chilenische Touch war am Gaumen nicht so ausgeprägt wie es Nase vorab vermuten lies. Nach vielen Stunden gesellten sich zu diesem Potpourri aus Früchten ganz fein nuancierte erdige Noten und Aromen von getrocknete Pilze hinzu. Die Tannine waren dunkel, gut abgeschliffen und kaum noch spürbar. Glücklicherweise stellten seine 14 % Alkohol kaum ein Problem dar.

Jetzt dürfte klarer werden was ich mit „gepflegter Langeweile“ meinte. Keine Überraschungen, keine flamboyant Charakterzüge, keine Zickigkeit, keine Ecken, keine Kanten! Einfach nur ... einfach gestrickter und fruchtbetonter Pinot Noir aus Chile. Für mich einfach einfacher Wein (o).

Mit diesem habe ich auch den "Spitzen" Spätburgunder von Weingut Jürgen Ellwanger aus dem Jahr 2003 getrunken. Dieser war anders ...

Den findet ihr hier: http://wine-zeit.blogspot.de/2014/02/vi ... -2010.html

Besten Gruss

Chris
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Oh Dae-Su
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Re: Pinot weit weg

Beitrag von Oh Dae-Su »

Hallo zusammen,

weil es in Ungarns Pinotwelt so schön war schlage ich vor: Auf zu einem weiteren Mal nach Ungarn bei "Pinot weit weg"– doch diesesmal nach Eger zu Tibor Gál! Nach Attila Gere muss fast zwangsläufig ein Tibor Gál Wein folgen. Genau wie Gere war auch Gál einer der Pioniere des, und Garanten für, hohe Qualität im „neuen“ ungarischen Weinbau. Nach seinem unglücklichen Tod im Jahr 2005 führte seine gesamte Familie das Weingut mit internationalem Erfolg weiter. Mittlerweile ist das Weingut über 50 Hektar groß und bietet in etwa zwanzig verschiedene Weine an. Insbesondere spielen die Pinot Noirs aus den kleinen Einzellagen, natürlich neben den klassischen Bikavér Verschnitten, eine sehr wichtige Rolle im Sortiment des Weinguts. Letztlich war es Tibor Gál selbst der dieser Rebsorte den maßgeblichen Qualitätsschub in Ungarn zukommen ließ. Aus solch einer Einzellage stammt auch dem Weingut sein bekanntester Pinot Noir namens Sikhegy. Sikhegy ist eine nach Süd-Südosten ausgerichtete nicht all zu steile Lage mit Böden reich an Lehm und braunem Waldboden.

Aufgrund eines seltsamen Auswahlprozesses kam es dazu, dass ich ergänzend zu dem Sikhegy noch eine kleine Flasche vom Arachon Cuvée aus dem Jahr 2006 mir einverleibte. Soviel kann ich verraten. Eine interessante und sich in gewisser Weise ergänzende Kombination ...

Gál Tibor Síkhegy Pinot Noir 2009, Eger

http://wine-zeit.blogspot.de/2014/03/ga ... -eger.html

Die Farbe des Sikhegy Pinot Noir 2009 war überaus klar, transparent und durchaus satt bis direkt an den Rand heran. Dunkles Rubinrot dürfte die korrekte Umschreibung seiner Tönung sein. Alles in allem sehr jugendlich und frisch wirkend. Die Nase war in den ersten zwei Stunden sehr zurückgezogen, zeigte einige Indizien von diffuser zur Marmelade neigender Frucht. Im weiteren Verlauf der nicht weitreichenden Stunden änderte sich nicht sehr viel am Bukett. Zumindest nicht hinsichtlich der Aufzeigung typischer nasale Pinot Noir Eigenschaften. Nach ca. drei Stunden kamen vermehrt braun wirkende und reife Frucht, Erdigkeit und etwas Milchschokolade auf. Auch einige Stunden später zeigte sich die braune Frucht ein wenig diffus und nicht klar erriechbar, doch nun zeigten sich einge Düfte die sich von den bisherigen Naseneindrücken stark unterschieden. Insbesondere strenges und etwas brutal wirkendes Herrenparfüm zeigten die Entwicklung in eine andere Richtung auf. Es war ein etwas tierisch und recht „natürlich“ wirkendes Parfüm, dass im Gesamtbild nicht abstoßend wirkte. Dazu zeigten sich verstärkende erdige mineralische Züge. Insgesamt eine sehr schüchterne und jugendlich wirkende Nase der ich ihr prospektives Potential keinesfalls absprechen möchte. Ähnlich verhielt sich seine Performanz am Gaumen. Zunächst von Aromenseite her sehr zurückhaltend. Dazu recht strenges, etwas grün wirkendes und nicht unpassendes Tannin, sowie eine ziemlich stramme Säure. Die Frucht erschien mir sehr zurückhaltend und nicht wirklich gewollt irgend etwas von sich zu verraten zu wollen. Auch am Gaumen zeigte sich viel Erdigkeit und darüber hinaus ausgeprägte Aromen von getrockneten Pilzen und relativ schmeckbaren Holzeinfluss – wiederum ein nicht so unpassender, bezogen auf das Gesamtbild. Weiter wirkte der Pinot am Gaumen die ersten Stunden sehr robust, ernst, keineswegs kitschig, jugendlich und vielversprechend (für die nächsten Jahre, nicht im Moment). Weitere Stunden später zeigte sich eine ähnlich Entwicklung wie im Falle der Nase: Schokolade, Erde, eher diffuse Frucht – später immer stärker werdende mineralische Züge etc.

Alles in allem ein für die Zukunft vielversprechender Wein den man in den nächsten zwei Jahren am besten nicht anfassen sollten. Potentiell ohne Probleme ein guter (+) Pinot Noir (vielleicht auch mehr in etwas ferner Zukunft). Wenn man es etwas grob mag auch jetzt schon durchaus anständig nur eben ein klein wenig zickig und schüchtern zugleich.

Die Beschreibung des Arachon T.FX.T. Evolution aus dem Jahr 2006 findet ihr hier, da kein "Pinot weit weg":

http://wine-zeit.blogspot.de/2014/03/ga ... -eger.html

Besten Gruss

Chris

PS: In letzter Zeit auch ein weiten oder nicht ganz so weiten (dafür aber aus einer etwas "ungewöhnlicheren" Gegend stammenden) Pinot Noir gehabt? Bitte berichtet hier!
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Oh Dae-Su
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Re: Pinot weit weg

Beitrag von Oh Dae-Su »

Hallo zusammen,

und wieder einmal hat sich ein Pinot aus der Großen Weißen Wolke namens Aotearoa auf den Weg gemacht um sich an den Gestaden meines Gaumens zu beweisen. Dieser, um den es heute gehen soll, kommt von einem der ältesten Weinproduzenten Neuseeland's. Babich Wines wurde vor nunmehr 98 Jahren von dem kroatischen Einwanderer Josip Babich unter dem Namen Babich Brothers in Western Auckland an der Nordspitze von Neuseeland's Nordinsel gegründet. Bis heute ist das Weingut, oder besser formuliert mehr oder weniger Großunternehmen, familiengeführt und hat sich bis in die für Weinbau wesentlich vorteilhafteren Regionen von Hawk's Bay und Marlborough gen Süden ausgebreitet. Aus letztgenannter Region entstammt der nun folgende Wein: Winemaker's Reserve Pinot Noir aus dem Jahr 2011. Das Traubengut für diesen Pinot entstammt aus dem Cowslip Valley Vineyard im Marlborough's Waihopai Valley. Vergoren wurde die Maische, zu kleinem Teil mit Rappen, in offenen Holzbottichen für mehrere Tage. Anschließend wurde der Winemaker's Reserve in neuem und gebrauchtem französischen Barriquefässern ausgebaut. Nun bin ich mal gespannt wie sich der Wein wohl „bewiesen“ hat …

Babich Pinot Noir Winemaker's Reserve 2011, Marlborough

http://wine-zeit.blogspot.de/2014/03/ba ... serve.html

Farblich zeigte sich der noch sehr junge Babich Pinot Noir violett-rot, ziemlich kühl, ein wenig fahl und dennoch sehr transparent. Die ersten Stunden zeigte sich die Nase getragen von sehr lebendiger und satter Frucht. Glücklicherweise wirkte diese nicht kitschig und auch nicht über-intensiv. Die Aromen zeigten sich sehr marlborough'istisch. Viel saftige Himbeere, nicht zu wenig Hagebutte, eine kleine frischeverleihende Infusion von Limonen und etwas getrocknetes Heu. Zeitweilig neigten diese Aromen die ersten zwei Stunden minimal zu einem Hauch an Marmelade. Nach ca. sechs Stunden und am folgenden Tag kamen zu dieser Fruchtigkeit auch tiefer greifende erdige und würzige Aromen hinzu. Diese wirkten herbstlich und sogar zu einem gewissen Grade durchaus raffiniert. Wie in der Nase war der Wein die ersten Stunden auch am Gaumen sehr von Fruchtaromen (Himbeeren, Hagebutten, etwas Limone und ergänzende Spuren von Pflaumen) geprägt. Die erste Stunde leider ein wenig unsauber und etwas gummihaft. Diese nicht all zu erquickenden Attribute nivellierten sich ins Gesamtbild und fielen glücklicherweise nach gut einer Stunde nicht mehr ins Gewicht. Die auf den nasalen Bereich bezogenen schwächlichen marmeladigen Tendenzen waren am Gaumen nicht präsent. Dafür zeigten sich leider einige brandige Spuren die mir in Verbindung der eher kühlen Charakteristik des Weines sehr eigene Züge annahmen. Nun ja, um es nicht zu übertreiben würde ich es eher mit einer präsenten und nicht zu starken alkoholischen Note umschreiben. Brandig dürfte in diesem Fall eine etwas zu weitreichende Beschreibung sein. Insbesondere deshalb weil am zweiten Tag diese wesentlich schwächer zum tragen kam. Was Tag 2. betrifft zeigte sich eine zur Nase ähnliche Entwicklung. Nicht mehr ganz so von Frucht getragen. Die herbstlichen Prägungen von feuchtem Waldboden, getrockneten Pilzen, Spuren von dunkler Schokolade und Heu vermochten es dem Reserve wein paar interessantere Facetten zu verleihen. Die eigentliche Struktur des Weines und seine Länge war eher unauffällig, solide, herkunftsgeprägt und eine wenig mit zu modernistisch-perfektionistischen Ansatz produziert. An dieser Stelle frage ich mich nur, was ich genau mit dem letzten Halbsatz gemeint haben könnte!? Was meint ihr? Wie auch immer - Dank der späten Entwicklungen hin zu einem positiveren Genusserlebnis würde ich diesem weiten Pinot Noir gute (+) Qualitäten zugestehen. In der Tat, an meinem Gaumen konnte sich der Winemaker's Reserve mehrheitlich positiver Weise beweisen ... ;-)

Besten Gruss

Chris
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Re: Pinot weit weg

Beitrag von weingeist »

Pinot - weit weg, ich hoffe, es ist mir trotzdem erlaubt....von einem eindrucksvollem Wein zu schreiben, den wir diesen Samstag aus meinem Kellerbestand im Glas hatten (auch wenn Ö nicht so weit weg ist...).

Blauer Burgunder Auslese, Ried Kugelzipf, JG 1994, Stiftsweingut Heiligenkreuz unter dem früheren Kellermeister, Herrn Koch, trocken ausgebaut, 14 %

Gekauft habe ich den Wein im März 1997, weil er mich in einer Verkostung am Gut (Herr Koch präsentierte die Weine damals einmal im Jahr gemeinsam mit einem dazu passenden Menü) schon damals, als relativ junger Wein, einfach überwältigt hat. Damals wusste ich noch nicht, was ich hier für einen "Griff" hatte. Heute, viele Jahre danach, präsentiert sich dieser Pinot für mich wie von einem anderen Stern.

Die Farbe ist durch die Qualität immer schon dichter gewesen, als man es oftmals von Pinot's kennt. Das ist hier auch heute noch so. An der Nase ist nicht zu erkennen, dass dieser Wein jetzt doch schon einige Jahre gereift ist. Es strömt einem ein Duft wunderschöner Fruchtaromen von roten Beeren, etwas Himbeer- oder Erdbeermarmelade entgegen. Am Gaumen dominiert dieser Eindruck ebenfalls, keine Spur von Altersnoten, er wird nie aufdringlich, sondern wirkt trotz seiner Vollmundigkeit fast zart oder anmutig. Tannine sucht man vergebens, trotzdem hat der Wein am Gaumen Druck, die Fruchtsüße macht ihn herrlich zu trinken. Auch im Abgang dominiert einfach nur lang anhaltend dieses Geschmackserlebnis in einer geschlossenen Einheit.
Liebe Grüße
weingeist
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Oh Dae-Su
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Re: Pinot weit weg

Beitrag von Oh Dae-Su »

Hallo Weingeist,

natürlich ist das erlaubt ;-). Zudem hab ich, soweit ich mich erinnern kann, noch nie einen Pinot aus der Thermenregion (Ried Kugelzipf ist doch Thermenregion, oder?) gertrunken. Also ist es für mich etwas sehr Ungewöhnliches, wenn auch nicht sehr Weites.

Dein Wein hört sich spannend an. Vor allem wenn man sein Alter bedenkt. Mit österreischischen Pinots mit einem Alter jenseits der 10 Jahres Marke hab ich keinerlei Erfahrung. Hast du da einen breiteren Erfahrungsschatz? Gibt es vermehrt österreichische Pinots die ein gutes Alterungspotential haben?

Ich muss gestehen, dass ich österreischischen Pinots in einer Phase vor 4 bis 6 Jahren vermehrt verkostet habe, aber immer wieder zu dem Schluss gekommen bin, dass mir aus dem Burgenland und Carnuntum (waren die beiden Hauptherkunftsregionen damals) Blaufränker, Zweigelt und Cuvées fast immer wesentlich besser gefielen als die Pinot Noirs. Das hat natürlich mit persönlicher Präferenz zu tun.

Ich werde dieses Jahr aber mal einen Pittnauer und Prieler Pinot trinken. Die liegen schon länger im "to-drink-shelf" ;-). Wenn ich es nicht vergessen sollte (oder zu faul bin), was leider öfters vorkommt, werde ich im Forum darüber berichten.

Besten Gruss

Chris
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Re: Pinot weit weg

Beitrag von weingeist »

Hallo Chris,

Thermenregion ist natürlich richtig. Der Pinot, glaube ich, passt dort auch ganz gut hin. Herr Koch hat immer wieder solche "Experimente" gemacht. Ich bin mir nicht sicher, ob ihm das bei den Mönchen nicht den "Kopf" gekostet hat (er hat mir einmal erzählt, dass sein im ersten Jahr trocken ausgebauter Messwein zurückgeschickt und dann mit irgendeiner Süßreseve geschönt werden musste - keine Ahnung wie man das macht, aber es dürfte funktioniert haben). Heute ist das Weingut "Mainstream", wenn man so sagen darf (was aber in dieser Besetzung kein Wunder ist).

Mein Problem beim Pinot ist, dass ich ihn nur selten kaufe, was den Grund hat, dass er zwar mir schmecken würde, meine bessere Hälfte aber von diesen Weinen nicht sehr begeistert ist. Und das muss ich ihr glauben, es ist tatsächlich die einzige Rebsorte, die sie bis dato immer, auch wenn sie nicht wusste, was ich auf den Tisch stellte (und auch bei Verkostungen in Betrieben) sofort als selbige erkannt hat bzw. erkennt (gilt jetzt nicht nur für Pinot, sondern auch für St. Laurent, bei dem nur nicht so ganz 100%tig).

Sollte ich aber wieder auf ein berichtenswertes Exemplar stossen, werde ich gerne, hier in "Pinot - weit weg" davon berichten.
Zuletzt geändert von weingeist am Mo 24. Mär 2014, 17:33, insgesamt 1-mal geändert.
Liebe Grüße
weingeist
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Re: Pinot weit weg

Beitrag von Gerald »

Hallo Chris,
Zudem hab ich, soweit ich mich erinnern kann, noch nie einen Pinot aus der Thermenregion (Ried Kugelzipf ist doch Thermenregion, oder?) gertrunken. Also ist es für mich etwas sehr Ungewöhnliches, wenn auch nicht sehr Weites.
in Österreich wird lustigerweise die Thermenregion immer wieder mit der Côte d'Or verglichen. Einerseits hat die Landschaft doch eine (zumindest entfernte) Ähnlichkeit mit der Ebene, die westlich mit den Hügeln des Wienerwaldes abschließt. Dazu der Boden mit hohem Kalkanteil.

Geschmacklich konnte ich persönlich aber noch nie Ähnlichkeiten herstellen, aber das ist wohl Interpretationssache ...

Grüße,
Gerald
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Re: Pinot weit weg

Beitrag von Oh Dae-Su »

Hallo Gerald,
... in Österreich wird lustigerweise die Thermenregion immer wieder mit der Côte d'Or ...
Hoppala ;) , das wusste ich gar nicht. Für mich stand die Thermenregion meistens für die auto-weißen Rebensorten wie Zierfandler, Rotgipfler etc. Da sollte ich mal ein wenig nachholen und mich weiterbilden!

Habe jetzt virtuell in einer alten Excel VKN Datenbank von mir, habe ich mal ein ganzes Jahr durchgehalten wirklich alle verkosteten Weine zu notieren :shock:, gekramt und gefunden, dass ich vom Weingut Fischer wohl doch mal einen 2004er Pinot Noir verkostet habe. Dieser war mir persönlich ein wenig viel zu reif. Anscheinend, erinnern kann ich mich an den Wein gar nicht mehr ...

Besten Gruss

Chris
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