Bordeaux 2024

Medoc und seine Appellationen, Bourg und Umgebung, Fronsac, Pomerol, Saint Emilion und Umgebung, Entre Deux Mers, Graves und Pessac-Leognan, Sauternes und Co.
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UlliB
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Re: Bordeaux 2024

Beitrag von UlliB »

Zaccetti hat geschrieben: Di 6. Mai 2025, 10:37 Smith Haut Lafitte für 76.- Fr resp. 86 Euro
Nimmt man den 22er mit 158,50 € ep als vorläufigen Hochpunkt, hat man den Preis seitdem um rund 45% zurückgenommen. Ähnlich bei Lynch Bages, damals 145 €, jetzt 83 €. Immerhin. Da könnte man glatt denken, dass die zur Abwechslung mal tatsächlich etwas verkaufen wollen :lol:

Ob das allerdings reicht, um die Käufer in Scharen hinter dem Ofen vorzulocken, bleibt abzuwarten. Von der dieses Jahr extrem inkosistenten und teilweise diametral gegensätzlichen Weinkritik ist jedenfalls nicht viel Rückenwind zu erwarten.

Gruß
Ulli
TOM
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Re: Bordeaux 2024

Beitrag von TOM »

UlliB hat geschrieben: Di 6. Mai 2025, 13:13 ...
Ob das allerdings reicht, um die Käufer in Scharen hinter dem Ofen vorzulocken, bleibt abzuwarten. Von der dieses Jahr extrem inkosistenten und teilweise diametral gegensätzlichen Weinkritik ist jedenfalls nicht viel Rückenwind zu erwarten.
Da gehen die ersten Händler schon in die Offensive. Thomas Boxberger von extraprima sagt: "Der neue Bordeaux-Jahrgang 2024 wurde von der Presse sehr unterschiedlich bewertet. Insbesondere die niedrigen Bewertungen von William Kelley bei Rober Parker’s Wine Advocate sorgen für Entsetzen unter den Erzeugern als auch bei mir. Mister Kelley liegt leider einfach falsch! Denn die 24er Bordeaux‘ wurden mit enormem Aufwand produziert und die gelungenen Weine sind tatsächlich deutlich besser als es derartig verunglimpfende Bewertungen darstellen."

Er veranstaltet daher für seine Kunden in Mannheim eine "BORDEAUX 2024 FASSMUSTER-VERKOSTUNG" an der viele namhafte Châteaux teilzunehmen. Wer also Kunde ist und am 09. Mai Zeit hat, kann sich sicherlich selbst überzeugen.

Klar! Boxberger ist Händler und will verkaufen. Aber meines Wissens schreibt er auch für den Weinwisser und seine Bewertungen finde ich recht fair.
Man muss immer etwas haben, worauf man sich freut. (Eduard Mörike)
amateur des vins
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Re: Bordeaux 2024

Beitrag von amateur des vins »

"Wurden mit enormem Aufwand produziert" hat soetwas von "hat sich stets redlich bemüht" oder "geprüfte Qualität". Und damit sich jeder ein Bild davon machen kann, präsentieren "viele namhafte Châteaux" wie in jedem Jahr Fassmuster - die schon immer ein exaktes Abbild dessen waren, das einen dann in der Flasche erwartet - für die Allgemeinheit.

Oh, wait...
Besten Gruß, Karsten
Matthias Hilse
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Re: Bordeaux 2024

Beitrag von Matthias Hilse »

Durfort Vivens geht zurück auf seinen Preis von 2015 @ € 31.20.

Herzliche Grüße,
Matthias Hilse
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UlliB
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Re: Bordeaux 2024

Beitrag von UlliB »

amateur des vins hat geschrieben: Di 6. Mai 2025, 13:53 "Wurden mit enormem Aufwand produziert" hat soetwas von "hat sich stets redlich bemüht" [...]
Genau das dachte ich auch. Der betriebene Aufwand rechtfertigt ja keine hohen Bewertungen, wenn die Weine trotz des Aufwands nicht besonders gut geworden sind.

Und da liegt doch das Problem bei den 24ern. Schaut man sich die Bewertungen der heute freigegebenen Cheval Blanc, SHL und Lynch Bages an, kann man festhalten, dass keiner von denen gleich gute Bewertungen erreicht hat wie deren 19er, 20er, 22er und zu großen Teilen sogar 23er, und das gilt auch dann noch, wenn man die Bewertungen von Kelley völlig ausblendet.

Ich bin sicher, dass die besten 24er gute Weine sein werden, bezweifele aber, dass sie den direkten Vergleich mit Weinen der selben Erzeuger aus besseren Jahren bestehen können. Und ich sehe bislang auch keinen professionellen Kritiker, der das behauptet. Da stellt sich die Frage, warum man dafür Geld ausgeben soll, nur weil man die Preise gegenüber besseren Jahren (und besseren Weinen!) zurückgenommen hat. Und vor allem, warum man das jetzt tun sollte.

Gruß
Ulli
Ollie
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Re: Bordeaux 2024

Beitrag von Ollie »

UlliB hat geschrieben: Di 6. Mai 2025, 14:14 Der betriebene Aufwand rechtfertigt ja keine hohen Bewertungen, wenn die Weine trotz des Aufwands nicht besonders gut geworden sind.
But they put in their heart and soul! :mrgreen: :mrgreen: :mrgreen:

La Lagune, den ich natürlich nicht verkostet habe, hat von Quarin immerhin 93 Punkte und von Burtschy sogar 94-95 gefangen, und beide mögen eigentlich keine grünen, harten Weine. Zu Lagune schreibt Quarin:
Jean-Marc Quarin hat geschrieben:Couleur sombre, d’intensité normale, aux reflets vifs. Nez très aromatique, fin et fruité. Moelleux en entrée de bouche, très parfumé au milieu, très bien construit, le vin caresse le palais, sans cesse fruité. Il s’achève savoureux sur une bonne longueur riche en arômes. C’est bon ! Assemblage : 52 % cabernet sauvignon, 42 % merlot, 6 % petit verdot. Degré d’alcool : 13° - pH : 3,4 - IPT : 55.
Der Wein scheint eine kleinen, saftiges, aromatisches Früchtchen zu sein, mehr durch Säure denn durch Tannin zusammengehalten, und mit einem IPT von 55(!) ist das gerade mal ein dunkler Rosé - beides kennt man ja vom Spätburgunder, das muss nicht schlecht sein. Solch extrem defensiv extrahierten Weine trinkt man zur Arrivage über den Sommer zu gehobenem Grillgut, und wenn Lagune es gut gewuppt bekam, kann der Wein ein guter Spaßbringer sein. Ob man dafür 28 Euro hinlegen muss, ist eine andere Frage, aber man kann ja mit der Entscheidung bis Frühjahr 2027 warten und selber probieren.

Der richtig geheime Geheimtip scheint 2024 aber Clos Puy Arnaud zu sein. Für diesen Castillon schreibt Galloni:
Vinous (A. Galloni) hat geschrieben:The Clos Puy Arnaud 2024 is one of the revelations of the vintage. Deep, powerful and resonant, without any harshness, the 2024 is absolutely magnificent. Dark red fruits, blood orange, spices, pomegranate and rose petals line the palate. Clos Puy Arnaud is without doubt one of the wines of this very difficult year. Considering that the estate is 100% biodynamic, this performance, including yields of 45 hectolitres per hectare, is simply unreal. The wine will be aged for around 12 months in a combination of demi-muid, barrique, amphora and porcelain. The blend is 60% Cabernet Franc and 40% Merlot, a little more Franc than usual. 94-96
Bei 60/40 Merlot/CabFranc nur 13 Vol% und einem pH-Wert von 3.30(!).

Cheers,
Ollie
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Matthias Hilse
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Re: Bordeaux 2024

Beitrag von Matthias Hilse »

Bordeaux 2024 hat es schwer:

re-Nationalisierung beendet das Projekt Globalisierung, die Zugmaschine der Bordeaux-Hausse im letzten Jahrzehnt;

Trump`sche Eskapaden erhöhen die Volatilität an den Märkten – Unsicherheit ist immer der Kompagnon des Attentismus;

die virale Meinungsabundanz spricht ein Verdikt über einen Jahrgang, der früher sicherlich so schlecht gewesen wäre, wie die meisten ihn heute vermuten;

die „aktiven“ Kunden sind „im fortgeschrittenen Alter“ und haben ihre Keller voll;

was ist die richtige Calibrierung für einen Jahrgang, den es so noch nicht gegeben hat?

Diese Auflistung ließe sich beliebig allongieren.

Ich gestehe, dass ich mich ebenso, wie viele andere, die berufsmäßig mit Bordeaux befasst sind, mit Überlegungen herumschlage, warum William Kelley mit seiner Jahrgangseinschätzung bei einzelnen Weinen „so aus der Reihe fällt“.
Nun lese ich, dass ein sehr geschätzter Kollege aus der Kurpfalz „zur Richtigstellung“ einlädt. Das höchste Gut, das ein Verfahren kennt, das auf das Vertrauen der pekuniär Beteiligten angewiesen ist, ist die Credibilität.
Man muss schon glauben, dass der Suckling James von dem etwas versteht, worüber er die Öffentlichkeit nicht unbeteiligt sein läßt.
Wenn ich überzeugt bin, dass diejenigen, die mich an ihren Erfahrungen mit den Fassmustern in Bordeaux teilhaben lassen, Ahnung in der Sache haben, gewinnt ihre Meinung Gewicht.

Mit William Kelley scheint mir der Wine Advocate auf einem guten Weg, sein „historisches“ Alleinstellungsmerkmal nach Phasen der Schwäche, der Unentschiedenheit, der personellen Diskontinuität und dem Aufblühen alternativer „Auguren“ zumindest partiell zurückzugewinnen.
Ist dem Jahrgang 2024 ein Wert immanent, dies aufs Spiel zu setzen? Mir scheint ganz klar: nein!

Alternative Annäherung:

Wie weit gegen Null müsste der Preis für z.B. Ch. Ferrière 2024 gehen, damit sich Kunden zum Kauf veranlasst sähen? Denn die anderen Jahrgänge à la 2019, 2020 und 2022 werden ja nicht dadurch schlechter, dass sie relativ immer teurer sind (werden).

Indem ein Kritiker, der sich nach meiner Imagination anschickt, in der Vergangenheit verlorenes Terrain für seinen Arbeitgeber zurückzugewinnen in einer Phase, in der nicht nur in Frage steht, welcher Negociant oder Händler oder Erzeuger die Segel wird streichen müssen, sondern auch welcher aus den Reihen der Kritiker, dort einen partiellen Verriss platziert, wo es ohne bedeutende Implikationen bleibt.

Was ist das Szenario, das allgemein im Markt befürchtet wurde? Dass die „Abwertung“ des Jahrgangs 2024 die „back vintages“ mit deflationiert.
Wie ließe sich dem evtl. begegnen? Indem einzelne 2024er derart absurd niedrig bewertet werden, dass jeder andere Jahrgang dagegen „top“ aussieht.

Ich fühle mich ob der suckling`schen Invisibilität an Bruno Moravetz anno 1980 erinnert und frage in die Runde: „wo ist James“?
Das ist jetzt natürlich den Jüngeren gegenüber etwas unfair…

Herzliche Grüße,
Matthias Hilse
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UlliB
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Re: Bordeaux 2024

Beitrag von UlliB »

Ollie hat geschrieben: Di 6. Mai 2025, 20:44 Clos Puy Arnaud
Vinous (A. Galloni) hat geschrieben:[...]The wine will be aged for around 12 months in a combination of demi-muid, barrique, amphora and porcelain.
Porzellan lese ich das erste mal...

Und sorry, ich musste unwillkürlich an gebrauchte Kloschüsseln denken :oops:

Mist. Das ist ähnlich wie bei einem Ohrwurm. Wenn ich bestimmte Bilder erst einmal im Kopf habe, bekomme ich sie einfach nicht mehr raus. Ein Keller mit massenweise aufgereihten WCs. Mit Deckel natürlich, der Wein soll ja nicht verdunsten...

:roll:

Ulli
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Re: Bordeaux 2024

Beitrag von Matthias Hilse »

UlliB hat geschrieben: Di 6. Mai 2025, 21:44 ...

Und sorry, ich musste unwillkürlich an gebrauchte Kloschüsseln denken :oops:

....

Ulli
Den CPA (Clos Puy Arnaud) habe ich beim "Grand Cercle" probiert, und wenn etwas für die Art von Porzellan, bei denen selbst Elefanten Mühe hätten, ihrem Ruf gerecht zu werden, geeignet war dort, dann war es dessen Exklusion. Da gab es viele Weine, die all das beherzigten, was hier auf breiter Front vermutet wird. Dann aber der CPA.

Dieser Côtes de Castillon ist ein Leuchtturm an Präzision, Signatur und Energie und in seiner peer-group ohne Gleichen.

Nur ganz so hoch aufhängen würde ich ihn nicht. 93-94 Punkte von MH.

Herzliche Grüße,
Matthias Hilse
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Re: Bordeaux 2024

Beitrag von UlliB »

Aber mal im Ernst: wie muss ich mir denn einen Porzellanbehälter vorstellen, in dem Wein reift?

Aus Chemiebetrieben kenne ich glasierte Keramikbehälter mit einem maximalen Fassungsvermögen von 500 Litern, meistens aber nur mit 200 Litern und weniger, die für die Lagerung von Stoffen verwendet werden, die Metalle und Kunststoff angreifen. Aber eben: das ist Keramik, und kein Porzellan, die Dinger sind teuer, und im Umgang heikel. Porzellan wäre vermutlich noch teurer und noch empfindlicher. Oder handelt es sich um mit Porzellan(-fliesen) ausgekleidete Tanks aus anderem Material?

Gruß
Ulli
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