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Re: Südtirol - die Rotweine

Verfasst: Mo 22. Apr 2013, 14:33
von Oh Dae-Su
Hallo zusammen,

von mir kurz die Nachlieferung einer Verkostungsnotiz:

Franz Haas Pinot Nero 2005, Südtirol


Ich möchte den Wein kurz erwähnen, da er für mein Dafürhalten gegenüber einer Verkostung vor ca. zwei Jahren eine sehr positive Entwicklung durchgemacht hat. Vor ca. zwei Jahren empfand ich den Wein zwar als durchaus gut und zufriedenstellen, doch eher stromlinienförmig, simpel gestrickt, sehr modern und monoton fruchtig. Ich muss zugeben, damals war ich schon ein wenig enttäuscht, wenn es mir natürlich auch bewusst war, dass es sich bei diesem Pinot Nero um den Einstiegswein des Hauses handelte. Dennoch, eher schwach ...

Nun, vor ca. zwei Wochen, präsentierte sich dieser Pinot Nero als sehr charaktervoll, fast tiefgründig und eigenständig. Für mich eine ziemlich starke Metamorphose.

Zunächst zeigte die Nase sehr eigene Gerüche. Dabei konnte ich strengen Rauch, Minze, dunkle Beeren, etwas Äther + Klebstoff, Teer und ein Konglomerat an wilden und erdigen Geruchsnuancen wie nasse Erde, Heu, etwas „Bergziegen-Pups“ und Unterholz festmachen. Nach einer guten Stunde dezimierten sich die etwas gewöhnungsbedürftigen Gerüche (insbesondere der Äther und Klebstoff) und eine sehr wandlungsfähige, dunkle und charakterstarke Pinot Nase trat zu Tage. Die Frucht, jetzt auch mit dunklen und leicht getrockneten Kirschen, konnte mehr und mehr Boden dazugewinnen. Was in verbindung mit den erdigen Komponenten zu einem sehr ausbalancierten Bouquet führte. Neben einer gewissen Wildheit stellten sich mehr und mehr auch schüchterne Ansätze von Eleganz ein. Sehr angenehme und sehr ernsthafte Nase.

Was den Geschmack betrifft, verhielt sich die Entwicklung in etwa deckungsgleich. Überrascht hat mich das immer noch recht jung wirkende Tanningerüst. Diese Festigkeit verlieh der Struktur des Weines viel Biss und angenehmen ernsthaften Charakter. Auch die Säure zeigte sich sehr angenehm integriert und sicher keinesfalls schwächelnd. Für die Preisklasse erwies sich der Abgang als sehr raffiniert, lange anhaltend und komplex. Für mich sicher ein sehr anständiger (++) Pinot Noir aus Italien.

http://wine-zeit.blogspot.de/2013/04/pi ... rcato.html

Kennt von euch jemand diesen Wein und diesen Jahrgang? Mit ähnlichen Entwicklungsphänomene belohnt worden?

Besten Gruß

Chris

Re: Südtirol - die Rotweine

Verfasst: Mo 22. Apr 2013, 15:45
von olifant
Hallo Chris,

deine Wertung (++) übersetzt aus deiner Legende bedeutet Consumable ** / Trinkbar ** = 79 - 81 P :shock: ,
hast du dich da nicht etwas vertan, sollte wohl Very Decent ***** / Sehr Anständig ***** = 89 - 91 P :mrgreen: heissen - zumindest hat sich das so gelesen.

Deine Beobachtung hinsichtlich der Reifefähigkeit, bzw. der Reifewürdigkeit, des Haas'schen Pinot Nero, (ohne 'Schweitzer', der braucht sowieso Zeit,) kann ich nur bestätigen.
Manche Jahrgänge (vorallem jene, in denen kein Pinot Nero Schweitzer abgefüllt wird), reifen sehr sehr gut und vollziehen eine aromatisch-komplexe Wandlung - und liegen damit qualitativ mit Hofstätters Mazzon Riserva durchaus auf Augenhöhe. Auch wenn man dies nicht immer über einen Kamm scheren kann, da die Grundausrichtung bei Haas' Basis Pinot Nero eher eine elegantere ist. Dennoch kann auch der einfache Pinot Nero in gereifter Fassung, gerade mit der richtigen Essensbegleitung, fast grosses Kino sein - etwas exotische Gewürze, z.B. Masalla (Tandoori), oder Curry (Pulver), harmonieren da u.U. erstaunlich. Die junge Frucht des Basis-Pinots bei Release täuscht da über die vorhandenen Reifequalitäten, und den damit einhergehenden Verschlussphasen, gern hinweg.

Ich wünsche dir weiterhin viel Freude mit Südtiroler Pinot Nero / Blauburgunder.

Re: Südtirol - die Rotweine

Verfasst: Mo 22. Apr 2013, 16:03
von Oh Dae-Su
Kleines Missverständnis. ;)
Die Bewertungs"skala" auf meinem Blog ist eine andere als hier im Forum (bitte unter meinem User im Forum die Skala einsehen). Die im Forum ist zwar sehr ähnlich aufgebaut, aber etwas kleinteiliger (z.B. mit Zwischenschritten). Das wollte ich mir im Blog sparen und mich nicht im Klein-Klein verlieren. Ich bin sowieso nicht so der Freund von Punkten und Ähnlichem. Letzlich sind solche Kategorisierungen als grobe Orientierung ganz nützlich :roll:. Ich weiss - eine etwas unausgegorene Angelegenheit :oops: .
hast du dich da nicht etwas vertan, sollte wohl Very Decent ***** / Sehr Anständig ***** = 89 - 91 P :mrgreen: heissen - zumindest hat sich das so gelesen.
Das (++) entspricht dem ;) . Da hast du schon recht!

Gruss

Chris

Re: Südtirol - die Rotweine

Verfasst: Di 28. Mai 2013, 09:40
von olifant
... vor kurzem im Glas ...

Huck am Bach 2012 St. Magdalener, KG Bozen (KG St. Magdalener) - Bozen

kräftiges transparentes Mittelrot; Erdbeer-, Himbeer- und Süsskirschnoten, Mandel- und florale Noten; am Gaumen samtig mit leichter Süsse, zur Nase korrespondierende Fruchtnoten, dazu leicht vegetale Noten und ein Tick Mandel, gut spürbares, sanftes Tannin, milde Säure, fruchtig trinkig, leichter Alkoholtouch; mittellanger-langer Abgang mit gewissem Süsse-Säure-Spiel - 15,5-16/20 op

Der erste 2012 Vernatsch im Glas. Dieser Huck am Bach wird wohl etwas Lagerung vertragen können um besser zu einander zu finden, gute Anlagen, etwas vorstehender Alkohol und Süsse. Für mich noch etwas zu nett.

Re: Südtirol - die Rotweine

Verfasst: Mo 1. Jul 2013, 17:31
von olifant
... die vergangenen Tage im Glas ...

Lagrein 2007, Franz Haas - Montan
Rubinviolett; dichte würzige Heidelbeer-/Waldboden-Nase; am Gaumen angenehme Dichte, Aromen korrespondierend zur Nase, im Hintergrund angenehme Holzausbaunoten (mehrfach belegte Barrique) mit leichtem Gewürz-/Waldtouch, reife noch minimal kantige Tannine, gute Säure, ausgewogen, süffig und saftig, sortentypisch; mittellanger-langer saftiger Abgang auf saubere Frucht und leicht rauem Tannin - 16-16,5/20 op

und

Campill 2009 Rosso IGT, Pranzegg (Martin Gojer) - Bozen , Vernatsch von alten Reben, mit Anteilen von Lagrein und Barbera
dunkles Mittelrot; rotfruchtige würzige Nase mit Kirsch- und Waldbeernoten; am Gaumen gutes Mittelgewicht, mineralisch-erdige kühle rote Frucht, feines Tannin, noch angenehm rau, gute Säure, saftig, ausgewogen, zupackend, eigenständig mit Tiefe; mittellanger-langer elegant-kühler Abgang mit feinem Tannin- 16,5(+)/20 op

Mit Luft baut sich der Wein zusehends auf, sehr 'mineralische' Frucht - ungewöhnlich und Lust auf 'mehr' machend.

Re: Südtirol - die Rotweine

Verfasst: Mi 3. Jul 2013, 17:16
von olifant
... gestern im Glas ...

Kirchhügel Cabernet Riserva 2009, KG Kurtatsch - Kurtatsch

dunkles Rubinrot; schwarze Johannisbeere/Cassis, etwas Minze, erdige Würze; am Gaumen gute Konzentration und Dichte, wiederum schwarze Johannisbeere/Cassis und Minznoten, danach erdige Würze (und ganz vertsteckt am Ende etwas vegetale Noten), rundes samtiges Tannin mit Grip, schön balanzierte Säure, frisch, eher kühl, süffig und angenehme Tiefe, harmonisch; mittellanger - langer Abgang mit würziger Frucht und gutem Tannin - 16,5(+)/20 op

Ein schöner Cabernet der bis zum Optimum noch ca. 3 Jahre vor sich hat (aber je nach Jahrgang auch bedeutend länger reifen, bzw. getrunken werden kann), geht solo, aber auch sehr gut als Essensbegleiter.
Die minimal vegetalen, böse Zungen würden sagen grünen, Noten wecken Erinnerungen an viele südtiroler Cabernets er '90er. Was hier nicht unbedingt mangelnde Reife anzeigte, sondern suboptimale Klone und ein nicht geringer Anteil von Carmenere in den Pflanzungen.
Die Weinberge sind inzwischen grossteils neu bepflanzt und nur in Altanlagen finden sich noch Carmenere-Reben mit diesem Ton - was i.m.A. durchaus seinen eigenen Reiz hat. Nach m. K. wird die Kurtatscher Lage Kirchhügel in den kommenden Jahren ebenfalls vollständig neu bestockt werden, was hier schonenderweise Zug um Zug erfolgt. Der neue Typus ist nun weniger straff und sehnig, dafür mit dichterer Frucht bei nach wie vor guter Struktur ausgestattet.

Inzwischen steht Cabernet fast nur noch ausschliesslich in geeigneten Lagen des südtiroler Südens zwischen Leifers und Magreid, sowie vereinzelt in mikroklimatisch begünstigten Lagen wie z.B. Castell Schwanburg im Etschtal, (dass wg. Erbfall und den damit verbundenen Folgen seit 2004 leider nicht mehr existiert).

Re: Südtirol - die Rotweine

Verfasst: Do 4. Jul 2013, 11:51
von olifant
Für Interessierte ein informativer Artikel / Interview zum Südtiroler Weinbau im allgemeinen und Vernatsch im besonderen aus Jens Priewes - Weinkenner.de - blog.
http://www.weinkenner.de/2013/guenther- ... rar-27823/

Re: Südtirol - die Rotweine

Verfasst: Di 30. Jul 2013, 13:58
von olifant
... vor kurzem des öfteren im Glas ...

Lagrein Dunkel 2007 DOC, Glögglhof (Franz Gojer) - Bozen (St.Magdalena)
Granatrot mit leicht violetten Reflexen; dichte saftig würzige Waldbeeren, etwas florale Noten; am Gaumen angenehme Dichte, Aromen korrespondierend zur Nase, auf der fruchtig-würzigen Seite, saftig, samtig geschmeidig gereifte Tannine, gute Säure, sortentypisch, harmonisch; mittellanger-langer saftiger Abgang mit würziger Frucht und geschmeidigem Tannin - 16-16,5/20 op

2 - 5 Jahre Lagerfähigkeit gibt Gojer auf seiner Homepage für seinen Lagrein Dunkel an.
Für klassische Jahrgänge mag dies angehen - im 2007er Jahrgang ist dies eher eine Untertreibung. Frucht wie nahezu am ersten Tag, dazu Mengen an geschmeidug gereiftem Tannin, ein Tannin, dass in seiner Jugend einiges zugedeckt hat.
Viele 2007er Lagrein gefielen mir in Ihrer Jugend eher gar nicht - zu massiv. Nun zeigt sich der Jahrgang in gereifter Art von seiner besten Seite. Ich denke, dass einige Lagrein Riserva-Qualitäten, die, als sie neu in den Verkauf kamen, gar nicht gingen - bitter ohne Ende - sich nun auch in ganz anderem Licht zeigen werden.

Re: Südtirol - die Rotweine

Verfasst: Di 13. Aug 2013, 08:34
von Oh Dae-Su
Hallo zusammen,

vor ein paar Tagen hatte ich einen aufgrund seines Alters enorm überraschenden Cabernet aus Südtirol im Glase:
Es ist manchmal schon verwunderlich was sich so alles in Weinhandlungen finden lässt. Erst letztens bin ich über ein paar in Originalfolie verpacke Flaschen aus der Prä-Mauerfall-Ära gestolpert, die sich äußerlich in einem fantastischen Zustand befanden. Wenn diese besagten Weine nun aus einem der klassischen Weinbaugebiete der großen Bs, Rs oder Ms gewesen wären würde ich mich nicht so wundern, dass ich mich hier auto-genötigt fühle darüber schreiben zu müssen. Doch es war kein Wein aus den berühmten alterungsfähigen Fabellagen der Weinwelt. Mein heutiger Wein stammt aus dem kleinen Südtirol und war noch so erschreckend gut in Schuss, dass ich doch sehr überrascht war …

Der Castel Schwanburg Südtiroler Cabernet 1989, ein einst prächtiges Weingut das es mittlerweile leider nicht mehr gibt, konnte mich gleich vom Start verblüffen. An seiner Farbe konnte man natürlich ein vermutbar langes und erfülltes Leben festmachen - nun ja die Haupterfüllung fand ja gerade im Moment des Trinkens statt - doch Anzeichen von übermäßiger Altersmüdigkeit konnte ich kaum feststellen. Ich meinte sogar ein oder zwei jugendlich glitzernde Reflexe aufgeschnappt zu haben. Die Nase zeigte elegante und im Höchstmaß gut ausbalancierte und rebsortentypische Würzigkeit, eine fein anmutende Leichtfüßigkeit und erstaunlicherweise relativ präsente Frucht von dunklen Kirschen. Auch was den Geschmack betraf zeigte sich dieser leichtfüßig, um es etwas zu übertrieben zu wollen nahezu frisch, wunderbar ausbalanciert und geschliffen ohne abgestumpft oder ausgezehrt zu wirken. Die veilchenverwöhnte Eleganz dieses Cabernets erstaunte mich am meisten. Zeitweise war mir so als ob ein von Erhobenheit geschwängertes margaux'iges Alpenlüftchen an meinem Gaumen tänzelte. Ein wenig Übertreibung darf doch immer sein, oder!?! Wie auch immer … natürlich gab es auch ein paar minimale Defizite hinsichtlich einer nicht vorhandenen überwältigenden Komplexität usw., doch letztlich bleibt für mich ein sehr überraschender und mehr als nur anständiger, nämlich ein sehr guter (++), Zeitzeuge aus Cabernet Sauvignon.


Dazu gab es noch "Blaulemfränkberger" ;) vom Weingut Schnaitmann aus dem Jahr 2003 und einen Szapary 2006 vom Weingut Uwe Schiefer:

http://wine-zeit.blogspot.de/2013/08/ca ... ernet.html

Da ich vom Weingut Castel Schwanburg sogut wie nichts kenne, ich glaube insgesamt zwei Weine mal probiert - beides wahrscheinlich Pinot Noir, wollte ich mal die Fachleute fragen ob dieses Weingut einstens viele erwähnenswerte Weine produziert hat? Zum Beispiel auch im Bereich der "regionstypischeren" Rebsorten wie Lagrein, Traminer, Sauvignon usw?

Besten Gruss

Chris

Re: Südtirol - die Rotweine

Verfasst: Do 29. Aug 2013, 14:55
von olifant
Natürlich müssen nach einem Südtirolaufenthalt nach der Rückkehr ein paar Weine aus dem Bestand entsorgt werden, diesmal waren Vernatsch an der Reihe

Freisinger Vernatsch 2009, KG Tramin - Tramin
rel. dunkles transparentes Kirschrot; klare herbe rote Frucht, florale Noten; recht komplex; am Gaumen mittelgewichtig, saubere Frucht vermengt mit steinig-mineralischen Noten, dazu traubige Noten (Schalen und Kerne), gewisse angenehme Herbe vom Tannin, harmonisch, tief, steiler Trinkfluss; langer Abgang korrespondierend zum Gaumen - 17-17,5/20 op.

Einfach ein richtig geiler Vernatsch ;), jetzt genau im richtigen Alter!

Keil Kalterersee Auslese 2011, Manincor - Kaltern
mittleres klares Rot; eher typische rotfruchtige Nase, leichter Mandelton; am Gaumen rotfruchtig, typischer Mandelton, geschmeidig, fast etwa breit wirkend, aber gut balanciert und angenehm zu trinken; mittellanger bis langer Abgang korrespondierend zu Gaumen mit Fruchtnchhall - 16-16,5/20 op

Nicht ganz so bestechend wie der gereifte Freisinger, aber dennoch sehr gut.

... und nochmals, wie vor gar nicht all zu langer Zeit
Campill 2009 Rosso IGT, Pranzegg (Martin Gojer) - Bozen
dunkles Mittelrot; rotfruchtige würzige Nase mit Kirsch- und Waldbeernoten; am Gaumen gutes Mittelgewicht, mineralisch-erdige kühle würzige rote Frucht, feines Tannin, noch angenehm rau, gute Säure, saftig, ausgewogen, zupackend, eigenständig mit Tiefe; mittellanger-langer elegant-kühler würziger Abgang mit feinem Tannin- 16,5(+)/20 op
Wobei ich das + hinter der 16,5 nun entfernt, und den Wein nun mit weniger 'Kühle' und die Frucht eher 'würzig' wahrgenommen habe. Und, der Wein erinnert so gar nicht an Vernatsch ...

Ganz klar auf dem absteigenden Ast, befindet sich der Blauburgunder 2000, Ignaz Niedrist - Girlan, der mir mit seinen deutlichen süsslichen rosinig rumtopfigen Altersnoten und wenig Spannung keine grossen Gefühle erweckte. Als Altwein sicher noch in Ordnung 15/20 op, für mehr fehlt es an Finesse und Tiefe, oder einfach an Säure.