Green hat geschrieben:
ich finde die Frage wie viele teure Jahrgänge der Markt verträgt schon interessant, ohne, dass muss ich voranstellen, dass ich eine Antwort hätte.
Meine These:
1. die Anbieter haben, gezogen durch die Marktspitze und getrieben durch allgemein bessere Qualität mittlerweile ein durchgängig höheres (innerhalb der letzten Dekade) Preisniveau etablieren können
2. ein Teil dieser Preiserhöhung wird einfach akzeptiert, ein anderer Teil (wieviel???) führt wie bei jeder Preiserhöhung zu einem geänderten Konsumverhalten, nämlich weniger Verbrauch
3. und jetzt kommt das besondere am BDX, hier fällt Kauf (Subs etc.) und Konsum gemeinhin (u.U. deutlich) auseinander
4. und trifft dann noch möglicherweise auf einen „Vermögenseffekt“ d.h. man wird durch den gefüllten Keller gefühlt immer „reicher“
5. und nun passiert Folgendes: man (ich auch, Ihr auch???) kauft munter weiter ein (den hohen Preis hat man ja geschluckt und hofft u.U. sogar auf Wertsteigerung ohne Verkaufsabsicht), man hat dadurch zwar Ausgaben, aber erst einmal liegt der Wein im Keller und bildet Vermögen, daher keine Kosten
6. wenn der Wein dann trinkreif ist (sein wird) und man in den Keller geht (gehen wird) steht man vor relativ teuren Flaschen und jetzt erst geht der Konsum zurück (zu diskutierende These !!!, meine Stichprobe ist eher klein: nur ich selbst), ich greife nämlich zum günstigeren Spanier oder Italiener o.Ä. und spare (buchstäblich) den teuren Bdx Franzosen auf
7. und jetzt bilden sich (in meinem, in Euren auch???) Kellern wg. des geringeren Konsums mit der Zeit Weinüberhänge
8. und wenn das so ist, dann wird dieser Überhang irgendwann in der Zukunft (wenn ja wann??) (weil Wein letztendlich doch ein verderbliches Gut ist) eine Rückkoppelung in den Markt entfalten, d.h. der Preis für Wein würde in der Zukunft dann niedriger ausfallen, als er ohne diesen Effekt gewesen wäre (das bedeutet nicht zwangsläufig, das der Preis sinken wird), weil der Kellerinhalt wieder an den Markt kommt (sprich verkauft wird) oder im eigenen Glas zukünftig angebotene Weine verdrängen wird.
Macht das Sinn? Ich möchte betonen, dass ist eine rein mikroökonomisch getriebene Theorie, die ich ausdrücklich mit mehreren Fragezeichen versehe und nur anhand meines eigenen Verhaltens testen kann. Vielleicht ist es tatsächlich so, dass auch in Zukunft aller Wein durch einen wachsenden Markt absorbiert wird und der Markt für Bdx Lagerweine und Bdx Trinkweine zwar zeitlich auseinanderfällt, aber sich dennoch im Gleichschritt entwickeln wird.
Das geht mir schon lange im Kopf rum – es kann aber sein, dass ich völlig falsch liege und nur an eine Blase glaube, weil die Hoffnung (auf niedrigere Preise) zuletzt stirbt!
Einige interessante Vermutungen. Ich denke aber, dass diese "mikroökonomisch getriebene Theorie" an der Krankheit sehr vieler ökonomischer Theorien leidet: sie setzt einen (wenigstens einigermaßen) rational handelnden Marktteinehmer voraus. Wenn ich aber mein eigenes Verhalten kritisch ansehe, dazu lese, was einige hier schreiben (der einschlägige Beitrag von
schneesurfer ist wirklich genial), und mich dann noch in meinem weintrinkenden Bekanntenkreis umschaue, kann man zumindest auf Käuferseite hiervon wohl nicht durchgängig ausgehen....
Dennoch ein paar Kommentare zu einzelnen Punkten:
die Anbieter haben, gezogen durch die Marktspitze und getrieben durch allgemein bessere Qualität mittlerweile ein durchgängig höheres (innerhalb der letzten Dekade) Preisniveau etablieren können
Das ist kein Phänomen der letzten Dekade; so läuft der Hase schon, seitdem ich Bdx subskribiere (das sind jetzt 24 Jahre). Gezogen von der Spitze gab es drastische Preissprünge auch schon für die Jahrgänge 1989 und 1995/1996. Nach 1989 gab es noch einen kurzen Rücksetzer, aber nach 1996 schon nicht mehr.
ein Teil dieser Preiserhöhung wird einfach akzeptiert, ein anderer Teil (wieviel???) führt wie bei jeder Preiserhöhung zu einem geänderten Konsumverhalten, nämlich weniger Verbrauch
Zustimmung zu Teil 1 - einer ganzen Menge Leute ist es im Prinzip völlig egal, ob sie für ihren Lieblingswein 50 oder 100 Euro die Pulle bezahlen, weil sie genug Geld haben. Andere spielen das Spiel mit geballter Faust in der Tasche mit und üben anderweitig Verzicht. Mit Teil 2 wird es schon schwieriger. Natürlich gibt es Leute, die ihr Konsumverhalten ändern und z.B. auf CBs oder gleich in andere Gebiete ausweichen. Solange noch genug
neue Konsumenten nachkommen, bleibt diese Verschiebung allerdings für die Gesamtlage völlig wirkungslos. Und genau bei diesen neuen Konsumenten liegt die große Unbekannte der Gleichung - gibt es die tatsächlich in großer Zahl, oder nicht? Wirklich harte Fakten dazu wird man wohl kaum bekommen.
und jetzt kommt das besondere am BDX, hier fällt Kauf (Subs etc.) und Konsum gemeinhin (u.U. deutlich) auseinander
Vielleicht "besonders", aber keineswegs einmalig. Ein anderes Gut, für das es in letzter Zeit z.T. drastische Preissteigerungen gegeben hat, wird im strengen Sinne überhaupt nicht konsumiert: (teure) Kunst. Und hier gibt es schon einige Parallelen: etliches an Bdx wird heute gar nicht mehr "konsumiert", sondern de facto gesammelt. Und der eigentliche Wert teurer Bordeaux liegt für viele Käufer überhaupt nicht mehr im Konsum (selbst wenn der Wein schlussendlich doch getrunken wird), sondern im
Besitz (und dem damit verbundenen Prestigegewinn). Insofern ist auch die Frage des gebildeten Überhangs sekundär, denn mehr Besitz fühlt sich bekanntlich besser an als weniger: 12 Flaschen Chataeu Margaux '96 im Keller sind besser als 6. Selbst wenn ich die nie trinke.
dann wird dieser Überhang irgendwann in der Zukunft (wenn ja wann??) (weil Wein letztendlich doch ein verderbliches Gut ist) eine Rückkoppelung in den Markt entfalten, d.h. der Preis für Wein würde in der Zukunft dann niedriger ausfallen, als er ohne diesen Effekt gewesen wäre (das bedeutet nicht zwangsläufig, das der Preis sinken wird), weil der Kellerinhalt wieder an den Markt kommt (sprich verkauft wird) oder im eigenen Glas zukünftig angebotene Weine verdrängen wird.
Wie gesagt, ich traue der Überhang-These nicht, und dergleichen ist jedenfalls bislang noch nicht mit wirklich relevanten Mengen passiert, obwohl etliche Leute zum Platzen volle Keller haben. Und da Bordeaux aus guten Jahrgängen wirklich verdammt lange haltbar ist, wird
dieser Mechanismus für die neueren Jahrgänge zumindest zu meinen Lebzeiten auch nicht mehr greifen. Was nicht heißen muss, dass die Preise immer hoch bleiben werden. Wenn sie aber fallen, wird das nicht an massenhaften Verkäufen von "Besitzern" oder "Selbertrinkenwollern" liegen, sondern daran, dass irgendwo erhebliche Mengen aus spekultiven Gründen gehortet worden sind und die Spekulanten (aus welchen Gründen auch immer) gezwungen sind, in großen Mengen zu verkaufen.
Gruß
Ulli