Von reiner Power kann nach meiner Wahrnehmung bei den gut gemachten Großen Gewächsen keine Rede sein. Natürlich ist ein trockenes Riesling Großes Gewächs druckvoller als ein restsüßer Mosel-Kabinett. Das dürfte ja wohl selbsterklärend sein. Die Kunst dürfte darin liegen, dass der Winzer das Große Gewächs so erzeugt, dass es nicht auf einen reinen Probenwein reduziert ist, sondern auch gut zum Essen zu trinken ist und mehr Komplexität, Vielschichtigkeit, Nuancen, Lagencharakter und Lagerfähigkeit bietet als günstigere Weine (wie z.B. ein "Ortswein" oder die "Spätlese Trocken" eines Nicht-VDP-Winzers).
Leider fallen mir da nur die Beispiele ein, die auch die anderen schon genannt haben. Und leider sind das gar nicht mal viele Beispiele. Und für jedes höchst gelungene Große Gewächs, das nach meiner Preisvorstellung 30 oder 35 Euro oder sogar mehr kosten darf (auch wenn ich mir bodenständige Preise natürlich wünsche

Ich merke bei mir selber, dass ich von Jahr zu Jahr weniger Große Gewächse kaufe, von immer weniger Erzeugern. Ich bin zu faul, jedes Jahr die (zudem eigentlich immer stark divergierenden) zahlreichen Verkostungsnotizen von den Verkostungen in Wiesbaden und danach im Detail zu studieren und mir zu überlegen, wer wohl dieses Jahr einen Treffer gelandet hat. Da bleibe ich lieber bei den Erzeugern, die eigentlich jedes Jahr gut sind (Wittmann, Keller, Schäfer-Fröhlich, Emrich-Schönleber, Dönnhoff, Bürklin-Wolf in meinem Fall zum Beispiel) und schaue ansonsten außerhalb des VDP bei den verlässlichen Erzeugern (Koehler-Ruprecht, Siener, J.B. Becker, Weingart in meinem Fall zum Beispiel). Natürlich probiere ich auch immer mal etwas Neues aus, bin mal begeistert und mal enttäuscht. Aber bei einem Flaschenpreis von 30 Euro liegt Enttäuschung natürlich näher als bei einem Flaschenpreis von <20 Euro.
Damit das wirklich was wird mit dem in- und ausländischen Prestige für die Großen Gewächse müsste es m.E. vor allem viel mehr Wiedererkennungswert nicht nur für einen Hausstil, sondern vor allem für bestimmte Lagen geben. Das ist ja gerade, was bei Keller und Wittmann (und dazu noch Groebe und Fauth) oder bei Schäfer-Fröhlich, Emrich-Schönleber und Dönnhoff oder bei Rebholz, Dr. Wehrheim und Siener Spaß bringt. Man kann die jeweiligen Weine aus denselben Lagen vergleichen oder wird das jedenfalls in Zukunft tun können, wenn mal genügend gute Jahrgänge auf der Flasche und vernünftig gereift sind. Der VDP mit seinem huis clos Prinzip ist da aus meiner Sicht eher kontraproduktiv. Er macht mehr Winzer-Marketing (die VDP-Mitglieder) als Lagenmarketing. So reduziert man dann schnell eine Lage auf einen oder zwei (VDP-) Winzer und die Nicht-VDP-Winzer werden eben weniger wahrgenommen. Dabei würde es vielleicht dem Prestige einer Lage (vor allem dem internationalen Prestige) helfen, wenn die großen Verkostungen auch Nicht-VDP-Winzer einschließen würden. Die großen Lobpreisungen hier im Forum für die Niederhäuser Herrmannshöhlen von Racknitz und Jakob Schneider sind nur ein Beispiel von vielen. Ich finde, dass sich der VDP mit seiner gesteuerten Preispolitik und der Beschränkung auf VDP-Mitglieder da auch selbst im Weg steht.