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Re: Heymann Löwenstein

Verfasst: Di 1. Okt 2013, 16:00
von Goldtröpfchen
Räusper ...

Re: Heymann Löwenstein

Verfasst: Di 1. Okt 2013, 16:57
von Birte
Lassen wir ihm noch ein wenig Zeit, er schrieb ja frühestens...

Re: Heymann Löwenstein

Verfasst: Di 1. Okt 2013, 17:57
von Bernd Schulz
Tja, angesichts permanenter Arbeitsüberlastung bin ich gerade eher geneigt, mich aufzuhängen, anstatt hier lange Abhandlungen über heikle Themen zu verfassen....
:( :(

Fix und feddich grüßt

Bernd

Re: Heymann Löwenstein

Verfasst: Di 1. Okt 2013, 22:56
von Bernd Schulz
So, nachdem ich gegen 21:30 die Werkstatt verlassen habe, versuche ich nun mal, das leichte Nachlassen meiner Bewunderung für Reinhard Löwenstein näher zu erklären:

Als ich meinen ersten Löwenstein-Riesling - einen Schieferterrassen aus 1999 (?) - im Glas hatte, war das für mich ein ziemliches Aha-Erlebnis. Etwas geschmacklich Vergleichbares aus dem M-S-R-Gebiet hatte ich bis dato noch nicht getrunken, und das, was z.b. von Pigott über Löwenstein geschrieben wurde, weckte meine Neugierde über das besondere Geschmackserlebnis hinaus sehr stark. Mit dem Kennenlernen weiterer Löwensteinscher Weine wuchs die Begeisterung; eine ausführliche TV-Reportage über Löwensteins Lebensweg habe ich damals auf Videocassette mitgeschnitten und mehrfach angeschaut. In dieser Sendung wurde der Idealismus des Winzers besonders deutlich hervorgehoben; seine Arbeit auf Kuba und sein Engagement für Flüchtlinge aus dem Pinochet-Chile kamen hier klar zur Sprache.

2003 konnte ich dann das Weingut besuchen. Reinhard Löwenstein nahm sich richtig Zeit und war ausgesprochen entgegenkommend, er fuhr uns durch seine Lagen, und wir redeten natürlich viel über Wein. Besonders im Gedächtnis behalten habe ich aber einen Satz, der sich nicht auf das Thema Moselriesling bezog: "Im Grunde meines Herzens bin ich immer noch ein Linker!"

Nun mag man über das Thema "links" und "rechts" denken, was man mag (ich selber sehe mich nebenbei bemerkt beileibe nicht als "links", sondern eher als unpolitisch- wertkonservativ im nichtmateriellen Sinne), aber damals hatte ich den Eindruck, einem Mann mit einer klaren, aus einem ebenso klaren Idealismus entsprossenen Überzeugung gegenüberzustehen, einem Querdenker, der keine Lust hat, Konzessionen an das Establishment zu machen.
- -
Danach war Reinhard Löwenstein immer häufiger in der Glotze zu sehen. In vielen Sendungen stolperte man früher oder später über ihn, ganz gleich, ob es um die Mosel im Allgemeinen oder die Haltung des VDPs zu den Möglichkeiten der modernen Kellertechnik ging. Irgendwann hatte man den Eindruck, bezüglich der Fernsehauftritte sei Löwenstein der etablierteste deutsche Winzer....

Außerdem stiegen die Preise seiner Weine. Sie stiegen nicht allzu extrem, aber sie stiegen immerhin viel deutlicher als mein Einkommen (bzw. als die von mir für meine eigenen Produkte verlangten Preise). Der Gutsriesling ist inzwischen bei stolzen 14,50 Euronen angekommen... und da stellt sich schon die Frage, welche Klientel man mit derartigen Kursen anspricht....und ob es mit gutem Willen nicht möglich wäre, dem Ottonormalverdiener zumindestens einen einstellig bepreisten Riesling anzubieten...

Nun, die Preise sind ein sensibles Thema, und vermutlich wird Löwenstein mit dem inzwischen erreichten Level noch lange kein Millionär.

Dann kam die Geschichte mit dem Roundup....Gerald hat sich in den damaligen Diskussionen darüber ziemlich stark engagiert - und nicht ganz grundlos, wie ich finde.

Schließlich wurde Löwenstein zu einer führenden Person im VDP. Zwischenzeitlich war er, wenn ich richtig informiert bin, mal wieder nicht mehr im Präsidium, aber seit 2012 gehört er ihm erneut an.
Und was ist der VDP?
Richtig, er ist ein Lobbyverband der etabliertesten Winzer!
Handelt es sich hier um den berühmten "Marsch durch die Institutionen" :mrgreen: , den der einstige "Rebell von der Mosel" angetreten hat? Oder ist vom Rebellentum nur noch die Legende übriggeblieben?

Zudem haben sich meine Vorstellungen vom idealen Moselriesling im Laufe der letzten 15 Jahre stark gewandelt. Wenn ich den dicken Stil Löwensteins als verfehlt bezeichnen würde, würde ich wohl übers Ziel hinausschießen, aber für problematisch halte ich das Erscheinungsbild eines Uhlen oder Röttgen, den man blind überhaupt nicht an die Mosel stecken würde, sondern mit etwas weniger Restzucker :mrgreen: auch für einen Wachauer halten könnte, jedenfalls schon.

Langer Rede kurzer Sinn: Es sind mehrere Mosaiksteine, die meine Schwärmerei für Reinhard Löwenstein und seine Weine im Laufe der letzten Jahre etwas abgekühlt haben.

Ich werde hier vermutlich einigen Widerspruch ernten. Wenn ich versichere, dass es mir nicht darum geht, auf ein einstiges Idol immer feste einzudreschen, geschieht das nicht, um diesem Widerspruch von vorneherein den Wind aus den Segeln zu nehmen. Diesem Ziel dient auch nicht mein abschließendes Bekenntnis, dass in Bezug auf Löwenstein nicht alle meine Sympathien komplett verflogen sind. Trotz des Schily/Fischer-Syndroms verfügt der Mann über eine besondere Ausstrahlung. Dass ich ihm mit meiner jetzigen Sicht der Dinge ein wenig Unrecht tue, will ich nicht komplett ausschließen.

Sorry, der Beitrag ist jetzt - wie ich das schon kommen sah - etwas länger geworden.... :oops:

Beste Grüße

Bernd

Re: Heymann Löwenstein

Verfasst: Mi 2. Okt 2013, 10:18
von Birte
Hallo Bernd,

danke für die interessanten Ausführungen und gut, dass Du Dich nicht vor lauter Arbeit am heimischen Obstbaum aufgehängt hast. Ich war sehr überrascht, dass Deine Betrachtungen in eine ganz andere Richtung gingen, als ich erwartet habe.
Bernd Schulz hat geschrieben:bei Reinhard Löwenstein sehe ich eine stetig anwachsende Kluft zwischen der eigenen Überzeugung und der gelebten Realität.
Ich dachte nach diesem Satz, dass Du darauf hinaus willst, dass Herr Heymann Löwenstein den Wein, den er theoretisch anstrebt, nicht in die Flasche bringt. Der Schwerpunkt Deiner Kritik bezieht sich aber wohl eher darauf, dass er im "Wein-politisch-gesellschaftlichem-Sinn" nicht geradlinig genug ist.

Gruß
Birte

Re: Heymann Löwenstein

Verfasst: Do 3. Okt 2013, 09:48
von Goldtröpfchen
Lieber Bernd,
ich danke Dir ebenfalls für Deine Ausführungen! Ich kann Deinen Argumenten gut folgen, auch wenn ich, wie Birte, gedacht hätte, dass in deinem Focus mehr der Wein denn die Person steht. Letztlich prangerst du natürlich das an, was meine Generation ihren 68er-Vätern lange vorgeworfen hat: Sie haben ihre Ideale von damals für ein bisschen Macht, Karriere und Wohneigentum verkauft. Nur frage ich mich (und dich): Hat HL das wirklich getan? Macht er in seiner (Keller-)Arbeit Konzessionen an Massengeschmack und Markt? Denn nur, dass sich ein Künstler mit seiner Arbeit etabliert hat, kann ja kein Vorwurf sein (und dazu würde ich eigentlich auch den VDP-Vorsitz zählen). Oder würdest du sagen, dass man sich allein mit einer Preisgestaltung wie bei HL als "Linker" (was auch immer das heute noch sein soll) bereits disqualifiziert hat?

Und dann glimmt da noch eine Frage in meinem Hinterkopf auf: Wie ist vor diesem Hintergrund eigentlich die neue Entwicklng zu bewerten, dass HL seine Weine immer schlanker und weniger füllig ausbaut? Sind schlanke Weine nicht das, wonach in letzter Zeit alle schreien? Das ist nämlich der Punkt, an dem ich stutzig geworden bin, als ich das Weingut im Sommer besucht habe (obwohl mir die Weine natürlich trotzdem sehr gut gefallen) ...

Ganz viele Grüße,
Harriet

Re: Heymann Löwenstein

Verfasst: Do 3. Okt 2013, 22:13
von Bernd Schulz
Denn nur, dass sich ein Künstler mit seiner Arbeit etabliert hat, kann ja kein Vorwurf sein (und dazu würde ich eigentlich auch den VDP-Vorsitz zählen).
Liebe Harriet, ohne Zweifel ist es erst einmal begrüßenswert, wenn jemand, der viel kann (und Reinhard Löwenstein kann als Winzer ganz fraglos eine Menge), mit seiner Arbeit auch Erfolg hat!
Die Übernahme eines VDP-Amts sehe ich allerdings trotzdem kritisch; meiner Auffassung nach hat (und hatte) Löwenstein so etwas überhaupt nicht nötig, um in der Öffentlichkeit als einer der führenden deutschen Winzer wahrgenommen zu werden. Er muss das wirklich nicht machen, und ich frage mich immer noch ernsthaft, warum er es macht? Ich würde ihn das sehr gerne auch mal selber fragen!
Oder würdest du sagen, dass man sich allein mit einer Preisgestaltung wie bei HL als "Linker" (was auch immer das heute noch sein soll) bereits disqualifiziert hat?


Schwierig, schwierig, schwierig....ich sehe die Preisfrage inzwischen schon etwas differenzierter als noch vor zwei oder drei Jahren. Vielleicht benötigt der Betrieb tatsächlich die derzeit geforderten Kurse, um einigermaßen gut zu überleben? Löwenstein hat das Spitzenweingut ja sozusagen aus dem Nichts gestampft, und wie es um die Bankverbindlichkeiten etc. ausschaut, weiß natürlich kein Außenstehender.
Aber ich weiß, dass die Weine für mich ganz subjektiv zu teuer geworden sind. Jenseits einer gewissen Grenze steige ich aus, und diese Grenze wurde hier in den letzten Jahren überschritten.
Wie ist vor diesem Hintergrund eigentlich die neue Entwicklung zu bewerten, dass HL seine Weine immer schlanker und weniger füllig ausbaut? Sind schlanke Weine nicht das, wonach in letzter Zeit alle schreien?
Eine durchaus interessante Frage (die nicht nur Löwenstein, sondern auch Van Volxem betrifft)! Inwieweit folgt man hier den eigenen Überzeugungen, inwieweit handelt es sich um Konzessionen an einen relativ neuen Trend? Von außen ist das natürlich auch nur schwer zu beantworten, und zudem sitze ich diesbezüglich im Glashaus, da ich selber auch nach schlankeren Rieslingen schreie (allerdings schon ein paar Jahre länger als viele andere ;) ): Wenn ich die neueren Entwicklungen bei H-L- und V V jetzt als Inkonsequenz kritisieren würde, könnten mir die eingeschworenen Fans vorwerfen, dass mir der Stil ihrer Gurus niemals recht wäre, da erst zu fett und dann zu schlank....

Am Ende bewegen sich meine in den letzten Jahren gewachsenen Vorbehalte eher auf der emotionalen als auf der komplett sachlichen Ebene. Dessen bin ich mir durchaus bewusst - aber Weingenuss hat für mich aber eben auch viel mit Emotionen zu tun!

Herzliche Grüße

Bernd

Re: Heymann Löwenstein

Verfasst: Fr 4. Okt 2013, 10:07
von Markus Vahlefeld
Nun kenne ich Reinhard Löwenstein recht gut und möchte hier auch meinen Senf dazugeben.

Reinhard WAR mal "Linker" und kokettiert sicher ab und an mit dieser Vergangenheit, was dann dazu geführt hat, dass die (oftmals ebenfalls ex-linken) Pressevertreter ihn zu einer Art sozial-bewegtem Winzer gemacht haben. Meiner Meinung nach liegt Reinhard Löwenstein nichts ferner, als das heutige "Links-Sein". Weder ist er angetreten, die Welt zu retten (auch nicht die Weinwelt), noch liegt ihm die politische Korrektheit des heutigen linken Mainstreams, der sich vor allem in "ökologisch" erschöpft. Das war auch mit ein Grund, warum er, um gedanklich ehrlich zu bleiben und nicht in diese "Weltretter"-Ecke gestellt zu werden, den Einsatz von Round-Up in den Schiefersteillagen offen gelegt hat. Für mich war das ein derart eklatanter Fall von Selbstdemontage, das ich den Hut davor gezogen habe. Denn jedem "Umweltbewegten" hatte Reinhard dadurch selbst die Waffen an die Hand gegeben, um auf ihn zielen zu können. Diese Art der Ehrlichkeit schätze ich an ihm ungemein. Denn in der Weinwelt wird so gerne nach dem Mund der Kunden und Presse geredet, bis sich die Balken vor lauter Lügen biegen - und keiner hat's gemerkt.

Die Frage, die oftmals links von rechts unterscheidet, lautet: ist man ins Scheitern verliebt oder ins Gelingen? Da geht es weniger um richtig oder falsch als vielmehr um: was ist machbar? Diese Grenze auszuloten, braucht, wenn man Ideen verfolgt, einiges an Erfahrung. Die Jahre, in denen Reinhard sich eher für das (wirtschaftliche) Scheitern entschieden hatte, sind wohl vorbei. Ihm deswegen "Abtrünnigkeit" von was auch immer vorzuwerfen, halte ich für verfehlt, weil es meist eine Projektion der eigenen Wünsche ist.

Was Reinhard definitiv geblieben ist: wortmächtig, streitlustig und sehr, sehr eigensinnig. Er verfolgt weniger einen Weg der wahren Überzeugung, als vielmehr einen Weg der nicht auflösbaren Widersprüche. Mit diesen Widersprüchen geht er jedoch ehrlicher um, als sehr viele andere seiner Kollegen.

Zu Reinhards linker Vergangenheit hat sich eine Art "mystischer" Spaß am Leben gesellt und mein Eindruck ist, dass man ihn als Winzer und Mensch nicht vollständig verstehen kann, wenn man nicht auch auf seine "weibliche" Seele schaut, die in Person von Cornelia immer an seiner Seite ist. Zum auf Krawall gebürsteten Linken hat sich ein sehr sensibler und ergriffener "Weiblichkeitsverehrer" gesellt und, ohne dass es groß herausgestellt würde, ist Heymann-Löwenstein eines der wenigen Weingüter in Deutschland, das trotz Neugründung auch den Namen einer Frau im Namenszug trägt (nicht geerbt, übernommen oder tradiert).

Die Lust am Mystischen hat bei Reinhard zu einer Art Aufladung des Terroir-Begriffs geführt. Auch wenn ich da nicht mit ihm übereinstimme, erlebe ich einen sehr stringenten Ansatz ohne ideologische Scheuklappen oder Denkverbote. Allein das schon macht Reinhard und auch Cornelia Löwenstein zu Menschen, mit denen ich gerne zusammen bin. So ganz persönlich und ohne Anspruch auf Allgemeingültigkeit.

In meinem letzten längeren Telefonat mit Reinhard habe ich ihn auch auf die "neue" Weinstilistik angesprochen. Ganz salopp meinte er nur, dass er sich vorgenommen habe, mit weniger oder gar keiner Botrytis mehr zu arbeiten, weil das durch die Botrytis verursachte "Barocke" ihm mit der Zeit auf den Keks gegangen ist.

Ich persönlich bin der Überzeugung, dass die veränderte Klimalage diesen Weinstil unterstützt. Seit mehr als 15 Jahren hat die Erwärmungskurve des Klimas einen Stop eingelegt und es scheint fast, als hätten sich die Riesling-Reben auf die etwas höheren Temperaturen inzwischen eingestellt und bringen wieder "knackigere" Weine hervor. Aber das werde ich das nächste Mal, wenn ich Reinhard treffe, mit ihm besprechen. Dass seine 2012er Kollektion großartig, mächtig und trotzdem wahnwitzig elegant ist, ändert ja erstmal nichts daran ;)

Re: Heymann Löwenstein

Verfasst: Fr 4. Okt 2013, 10:15
von BerlinKitchen
"In meinem letzten längeren Telefonat mit Reinhard habe ich ihn auch auf die "neue" Weinstilistik angesprochen. Ganz salopp meinte er nur, dass er sich vorgenommen habe, mit weniger oder gar keiner Botrytis mehr zu arbeiten, weil das durch die Botrytis verursachte "Barocke" ihm mit der Zeit auf den Keks gegangen ist."

Genau das hab ich schon im Frühjahr bei der Fassprobe entdeckt.

http://www.dasweinforum.de/viewtopic.php?f=57&t=2672

Grüße aus Berlin,
Martin Zwick

Re: Heymann Löwenstein

Verfasst: Sa 19. Okt 2013, 08:09
von mixalhs
Vom 2012er Jahrgang hatte ich schon Schieferterrassen, Kirchberg und Uhlen und gestern nun die Blaufüßer Lay: ein Superwein, jetzt schon toll zu trinken, mit großem Potenzial für eine lange Zukunft und mit 26 Euro ab Weingut unglaublich günstig. Man muss lange suchen, um für weniger als 30 Euro einen Riesling dieser Klasse zu finden.

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