So, nachdem ich gegen 21:30 die Werkstatt verlassen habe, versuche ich nun mal, das leichte Nachlassen meiner Bewunderung für Reinhard Löwenstein näher zu erklären:
Als ich meinen ersten Löwenstein-Riesling - einen Schieferterrassen aus 1999 (?) - im Glas hatte, war das für mich ein ziemliches Aha-Erlebnis. Etwas geschmacklich Vergleichbares aus dem M-S-R-Gebiet hatte ich bis dato noch nicht getrunken, und das, was z.b. von Pigott über Löwenstein geschrieben wurde, weckte meine Neugierde über das besondere Geschmackserlebnis hinaus sehr stark. Mit dem Kennenlernen weiterer Löwensteinscher Weine wuchs die Begeisterung; eine ausführliche TV-Reportage über Löwensteins Lebensweg habe ich damals auf Videocassette mitgeschnitten und mehrfach angeschaut. In dieser Sendung wurde der Idealismus des Winzers besonders deutlich hervorgehoben; seine Arbeit auf Kuba und sein Engagement für Flüchtlinge aus dem Pinochet-Chile kamen hier klar zur Sprache.
2003 konnte ich dann das Weingut besuchen. Reinhard Löwenstein nahm sich richtig Zeit und war ausgesprochen entgegenkommend, er fuhr uns durch seine Lagen, und wir redeten natürlich viel über Wein. Besonders im Gedächtnis behalten habe ich aber einen Satz, der sich nicht auf das Thema Moselriesling bezog: "Im Grunde meines Herzens bin ich immer noch ein Linker!"
Nun mag man über das Thema "links" und "rechts" denken, was man mag (ich selber sehe mich nebenbei bemerkt beileibe nicht als "links", sondern eher als unpolitisch- wertkonservativ im nichtmateriellen Sinne), aber damals hatte ich den Eindruck, einem Mann mit einer klaren, aus einem ebenso klaren Idealismus entsprossenen Überzeugung gegenüberzustehen, einem Querdenker, der keine Lust hat, Konzessionen an das Establishment zu machen.
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Danach war Reinhard Löwenstein immer häufiger in der Glotze zu sehen. In vielen Sendungen stolperte man früher oder später über ihn, ganz gleich, ob es um die Mosel im Allgemeinen oder die Haltung des VDPs zu den Möglichkeiten der modernen Kellertechnik ging. Irgendwann hatte man den Eindruck, bezüglich der Fernsehauftritte sei Löwenstein der etablierteste deutsche Winzer....
Außerdem stiegen die Preise seiner Weine. Sie stiegen nicht allzu extrem, aber sie stiegen immerhin viel deutlicher als mein Einkommen (bzw. als die von mir für meine eigenen Produkte verlangten Preise). Der Gutsriesling ist inzwischen bei stolzen 14,50 Euronen angekommen... und da stellt sich schon die Frage, welche Klientel man mit derartigen Kursen anspricht....und ob es mit gutem Willen nicht möglich wäre, dem Ottonormalverdiener zumindestens
einen einstellig bepreisten Riesling anzubieten...
Nun, die Preise sind ein sensibles Thema, und vermutlich wird Löwenstein mit dem inzwischen erreichten Level noch lange kein Millionär.
Dann kam die Geschichte mit dem Roundup....Gerald hat sich in den damaligen Diskussionen darüber ziemlich stark engagiert - und nicht ganz grundlos, wie ich finde.
Schließlich wurde Löwenstein zu einer führenden Person im VDP. Zwischenzeitlich war er, wenn ich richtig informiert bin, mal wieder nicht mehr im Präsidium, aber seit 2012 gehört er ihm erneut an.
Und was ist der VDP?
Richtig, er ist ein Lobbyverband der etabliertesten Winzer!
Handelt es sich hier um den berühmten "Marsch durch die Institutionen"

, den der einstige "Rebell von der Mosel" angetreten hat? Oder ist vom Rebellentum nur noch die Legende übriggeblieben?
Zudem haben sich meine Vorstellungen vom idealen Moselriesling im Laufe der letzten 15 Jahre stark gewandelt. Wenn ich den dicken Stil Löwensteins als verfehlt bezeichnen würde, würde ich wohl übers Ziel hinausschießen, aber für problematisch halte ich das Erscheinungsbild eines Uhlen oder Röttgen, den man blind überhaupt nicht an die Mosel stecken würde, sondern mit etwas weniger Restzucker

auch für einen Wachauer halten könnte, jedenfalls schon.
Langer Rede kurzer Sinn: Es sind mehrere Mosaiksteine, die meine Schwärmerei für Reinhard Löwenstein und seine Weine im Laufe der letzten Jahre etwas abgekühlt haben.
Ich werde hier vermutlich einigen Widerspruch ernten. Wenn ich versichere, dass es mir nicht darum geht, auf ein einstiges Idol immer feste einzudreschen, geschieht das nicht, um diesem Widerspruch von vorneherein den Wind aus den Segeln zu nehmen. Diesem Ziel dient auch nicht mein abschließendes Bekenntnis, dass in Bezug auf Löwenstein nicht alle meine Sympathien komplett verflogen sind. Trotz des Schily/Fischer-Syndroms verfügt der Mann über eine besondere Ausstrahlung. Dass ich ihm mit meiner jetzigen Sicht der Dinge ein wenig Unrecht tue, will ich nicht komplett ausschließen.
Sorry, der Beitrag ist jetzt - wie ich das schon kommen sah - etwas länger geworden....
Beste Grüße
Bernd