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Re: Bordeaux 2010

Verfasst: Di 5. Apr 2011, 18:16
von Green
Frankie Wilberforce hat geschrieben:Mir stellt sich unwillkürlich die Frage, wieviel teure und sehr teure Jahrgänge so kurz hintereinander verträgt der europäische Markt und seine Normalverbraucher? :? :idea: :?:
Guten Tag,
ich finde die Frage wie viele teure Jahrgänge der Markt verträgt schon interessant, ohne, dass muss ich voranstellen, dass ich eine Antwort hätte.
Meine These:
1. die Anbieter haben, gezogen durch die Marktspitze und getrieben durch allgemein bessere Qualität mittlerweile ein durchgängig höheres (innerhalb der letzten Dekade) Preisniveau etablieren können
2. ein Teil dieser Preiserhöhung wird einfach akzeptiert, ein anderer Teil (wieviel???) führt wie bei jeder Preiserhöhung zu einem geänderten Konsumverhalten, nämlich weniger Verbrauch
3. und jetzt kommt das besondere am BDX, hier fällt Kauf (Subs etc.) und Konsum gemeinhin (u.U. deutlich) auseinander
4. und trifft dann noch möglicherweise auf einen „Vermögenseffekt“ d.h. man wird durch den gefüllten Keller gefühlt immer „reicher“
5. und nun passiert Folgendes: man (ich auch, Ihr auch???) kauft munter weiter ein (den hohen Preis hat man ja geschluckt und hofft u.U. sogar auf Wertsteigerung ohne Verkaufsabsicht), man hat dadurch zwar Ausgaben, aber erst einmal liegt der Wein im Keller und bildet Vermögen, daher keine Kosten
6. wenn der Wein dann trinkreif ist (sein wird) und man in den Keller geht (gehen wird) steht man vor relativ teuren Flaschen und jetzt erst geht der Konsum zurück (zu diskutierende These !!!, meine Stichprobe ist eher klein: nur ich selbst), ich greife nämlich zum günstigeren Spanier oder Italiener o.Ä. und spare (buchstäblich) den teuren Bdx Franzosen auf
7. und jetzt bilden sich (in meinem, in Euren auch???) Kellern wg. des geringeren Konsums mit der Zeit Weinüberhänge
8. und wenn das so ist, dann wird dieser Überhang irgendwann in der Zukunft (wenn ja wann??) (weil Wein letztendlich doch ein verderbliches Gut ist) eine Rückkoppelung in den Markt entfalten, d.h. der Preis für Wein würde in der Zukunft dann niedriger ausfallen, als er ohne diesen Effekt gewesen wäre (das bedeutet nicht zwangsläufig, das der Preis sinken wird), weil der Kellerinhalt wieder an den Markt kommt (sprich verkauft wird) oder im eigenen Glas zukünftig angebotene Weine verdrängen wird.

Macht das Sinn? Ich möchte betonen, dass ist eine rein mikroökonomisch getriebene Theorie, die ich ausdrücklich mit mehreren Fragezeichen versehe und nur anhand meines eigenen Verhaltens testen kann. Vielleicht ist es tatsächlich so, dass auch in Zukunft aller Wein durch einen wachsenden Markt absorbiert wird und der Markt für Bdx Lagerweine und Bdx Trinkweine zwar zeitlich auseinanderfällt, aber sich dennoch im Gleichschritt entwickeln wird.
Das geht mir schon lange im Kopf rum – es kann aber sein, dass ich völlig falsch liege und nur an eine Blase glaube, weil die Hoffnung (auf niedrigere Preise) zuletzt stirbt!
Gruß, Chr.

Bzgl. der USA Nachfrage möchte ich kurz zu bedenken geben, dass der USD heute bei 1,42 notiert hat

Re: Bordeaux 2010

Verfasst: Di 5. Apr 2011, 19:31
von Mr. Tinte
Wirklich spannende Gedanken! Ich werde nach gründlicher Überlegung darauf antworten..

Re: Bordeaux 2010

Verfasst: Di 5. Apr 2011, 19:51
von dazino
Hoi green

Ich frag mich nur ob der Wertzuwachs in Zukunft gross (wenn überhaupt) ausfällt. Die Chateaus haben ja mit 2009 (und 2010?) eine gewisse Wertsteigerung bereits in den Subpreis einkalkuliert. Ausnahme, die 100 PP Weine der Non-Premiers. Aus diesem Grund kaufe ich eigentlich nur was ich auch selber trinke.

Gruss
David

Re: Bordeaux 2010

Verfasst: Di 5. Apr 2011, 20:34
von Green
Wertsteigerungen kann ich mir auch nicht mehr vorstellen !
Andererseits, wenn ich ein Prophet wäre, würde ich sicher mehr Lafite trinken (ca. 0) als ich es im Moment tue!

Re: Bordeaux 2010

Verfasst: Di 5. Apr 2011, 20:39
von Trinkfreude
Hi Green,

wie erfrischend, daß sich mal einer mit klassischer Mikro-Theorie der Sache nähert... bist Du Volkswirt?
Ich kann Deine Logik sehr gut nachvollziehen. Allerdings sehe ich da noch ein paar andere Effekte. Beispiel: Wenn der Keller mal richtig voll ist, kann das auch dazu führen, daß man mitten in der Woche zur Tiefkühlpizza einen sauteuren Bordeaux aufreisst anstatt den günstigen Trinkwein, den man bei vernünftigem Nachdenken ohne überquellenden Keller öffnen würde, der aber blöderweise gerade nicht da ist. "Das Geld ist ja eh schon weg." Ist zwar vielleicht nicht rational - siehe der von Dir angesprochene Vermögenseffekt - aber dürfte oft passieren. (Rate mal wie ich darauf komme :roll: )
Außerdem müßte man zur Realisierung des Vermögenseffekts die Überbestände wieder verkaufen, und das bringen Weinliebhaber, die sich ja bei jedem Kauf was überlegt / Berge von VKN gewälzt / ... haben und danach die Flasche jahrelang im Keller liebevoll gestreichelt haben, eher selten übers Herz.
Ich glaube daher, daß eine ganze Reihe Leute eigentlich viel mehr teuren Wein konsumieren als eigentlich bei einer vernünftigen Keller-/Konsumplanung angemessen wäre. Strukturell vorprogrammierte Irrationalität sozusagen. Da unsereiner allerdings auch eine etwas verschobene Bedürfnisstruktur hat und sich z. B. auch einfach am Anblick der eingelagerten Flaschen erfreut, ist das dann vielleicht doch wieder individuell rational... ein weites Feld :-)

Viele Grüße
Jürgen

Re: Bordeaux 2010

Verfasst: Di 5. Apr 2011, 20:44
von Oberpfälzer
Hallo Chr. (weiss nicht wie Du heisst ;) ) ,

da hast Du Dir ja viele Gedanken gemacht. Sind sehr gute Anker für weitere Meinungen:
1. die Anbieter haben, gezogen durch die Marktspitze und getrieben durch allgemein bessere Qualität mittlerweile ein durchgängig höheres (innerhalb der letzten Dekade) Preisniveau etablieren können
Da ist was dran. Gilt für manch andere Regionen auch. Mosel, Rheingau, Nahe, Kamptal, Burgenland, Burgund - die Weine der Winzer, di emir besonders gut schmeckten haben beträchtlich angezogen.
2. ein Teil dieser Preiserhöhung wird einfach akzeptiert, ein anderer Teil (wieviel???) führt wie bei jeder Preiserhöhung zu einem geänderten Konsumverhalten, nämlich weniger Verbrauch
Weniger Verbrauch ist zumindest bei mir nicht angesagt, sondern eher Umorientierung hin zu bürgerlichen Gewächsen oder auch in andere Regionen wie Piemont.
3. und jetzt kommt das besondere am BDX, hier fällt Kauf (Subs etc.) und Konsum gemeinhin (u.U. deutlich) auseinander
Das stelle ich bei mir auch fest. Aber das hat mal ein Ende. Dann, wenn die Weine trinkreif sind, geht der Punk ab. Und wenn ich mal 50 bin (demnächst nach der nächsten Subs.kampagne :lol: ), gehen die Käufe kontinuierlich zurück.
4. und trifft dann noch möglicherweise auf einen „Vermögenseffekt“ d.h. man wird durch den gefüllten Keller gefühlt immer „reicher“
Das hatte ich noch nicht gefühlt. Ganz im Gegenteil, da ich nur Wein für den eigenen Genuss kaufe, fühle ich mich irgendwie finanziell ärmer - aber reicher im Sinne des Genusspotenzials 8-)
5. und nun passiert Folgendes: man (ich auch, Ihr auch???) kauft munter weiter ein (den hohen Preis hat man ja geschluckt und hofft u.U. sogar auf Wertsteigerung ohne Verkaufsabsicht), man hat dadurch zwar Ausgaben, aber erst einmal liegt der Wein im Keller und bildet Vermögen, daher keine Kosten
Das habe ich bisher so nicht gesehen. Wohl deshalb, weil ich für mich kaufe und nicht für den Wiederverkauf.
6. wenn der Wein dann trinkreif ist (sein wird) und man in den Keller geht (gehen wird) steht man vor relativ teuren Flaschen und jetzt erst geht der Konsum zurück (zu diskutierende These !!!, meine Stichprobe ist eher klein: nur ich selbst), ich greife nämlich zum günstigeren Spanier oder Italiener o.Ä. und spare (buchstäblich) den teuren Bdx Franzosen auf
Ja, das passiert schon mal. Wird im Lauf der Zeit stets seltener, weil sich mit fortgeschrittenem Alter die Prioritäten ändern (können). Wenn ich mal 70 bin, ist es mir völlig wurscht, was die Flasche gekostet hat. Da habe ich eher Sorge, dass ich nicht mehr alle guten Flaschen trinken kann :?
7. und jetzt bilden sich (in meinem, in Euren auch???) Kellern wg. des geringeren Konsums mit der Zeit Weinüberhänge
Das bekämpfe ich, indem ich nicht mehr Flaschen kaufe, als ich durchschnittlich trinke. Gut, ein paar Tricks müssen schon herhalten. Habe weniger Flaschen Allztagsweine im Keller als früher. Kaufe deshalb öfters mal kurzfristig Alltagsweine ein. Der eingesparte Platz wird dann für Lagerweine genutzt. Ist dann keine weitere Optimierung möglich (da bin ich jetzt angelangt), werden weniger Weine subskripiert (hoffe, meine Theorie wird in die Praxis umgesetzt :) )
8. und wenn das so ist, dann wird dieser Überhang irgendwann in der Zukunft (wenn ja wann??) (weil Wein letztendlich doch ein verderbliches Gut ist) eine Rückkoppelung in den Markt entfalten, d.h. der Preis für Wein würde in der Zukunft dann niedriger ausfallen, als er ohne diesen Effekt gewesen wäre (das bedeutet nicht zwangsläufig, das der Preis sinken wird), weil der Kellerinhalt wieder an den Markt kommt (sprich verkauft wird) oder im eigenen Glas zukünftig angebotene Weine verdrängen wird
Ja, das wird wohl so sein. Dem Käufer soll es dienen oder aber dem eigenen Gaumen. Neue Weine werden den gleichen Weg gehen, wie die alten. Es kommen junge Weinliebhaber nach, die dasgleiche mitmachen, wie wir derzeit :lol:

Re: Bordeaux 2010

Verfasst: Di 5. Apr 2011, 21:08
von Green
Trinkfreude hat geschrieben:
...Wenn der Keller mal richtig voll ist, kann das auch dazu führen, daß man mitten in der Woche zur Tiefkühlpizza einen sauteuren Bordeaux aufreisst anstatt den günstigen Trinkwein, den man bei vernünftigem Nachdenken ohne überquellenden Keller öffnen würde, der aber blöderweise gerade nicht da ist.
Das tut ein (geiziger) Volkswirt (ich) nicht !!!

...Außerdem müßte man zur Realisierung des Vermögenseffekts die Überbestände wieder verkaufen...
Der Vermögenseffekt hat nicht so viel mit der Realisierung des Vermögens zu tun, vielmehr mit dem Gefühl... Meine These ist, dass der Wein im Keller nicht zwingend verkauft werden wird, aber irgendwann muß man (ich) einfach weniger neuen (Bdx) Wein kaufen und Bestände abbauen - und wenn das die Kinder sind... Und wenn ich mutmaße (auf Basis meines Mitlesens bei TAW in den letzten Jahren) gilt das für einige Forumsteilnehmer vielleicht noch mehr als für mich.
Gruß, Christoph

Re: Bordeaux 2010

Verfasst: Di 5. Apr 2011, 22:49
von Frankie Wilberforce
Hallo zusammen,
vorab das wichtigste zuerst,die Champions League Ergebnisse von heute Abend:

Inter Meiland - Schalke 04
2 : 5
:!: :!: :!: :!: :!: :!: :mrgreen: :ugeek:

Re: Bordeaux 2010

Verfasst: Di 5. Apr 2011, 22:55
von Frankie Wilberforce
So, jetzt kann ich auch noch ein paar Zeilen zu BDX 2010 schreiben.
Da ich kein Millionär bin, und ich hab auch sonstwie kein Geld wie Heu, doch dafür glücklicherweise einen gut gefüllten Keller besitze (ich habe 2005, 2006, 2008 und 2009 gesubst), brauche ich keinen BDX 2010 zu subsen. :lol: :lol: :mrgreen:
Darum wird es keine En Primeur Kampagne für mich geben, bei der ich nach einzelnen Werten schaue, und schon gar nicht "grüne Gewächse" oder maßlos überteuerte Chateau.
Des weiteren gibt es auch noch genügend reife, weil ältere Jahrgänge zu günstigen Preisen. Wer suchet, der findet auch. ;) :!:

Re: Bordeaux 2010

Verfasst: Di 5. Apr 2011, 23:02
von Oberpfälzer
Frankie Wilberforce hat geschrieben: ... brauche ich keinen BDX 2010 zu subsen. :lol: :lol: :mrgreen:
Darum wird es keine En Primeur Kampagne für mich geben ...
Bin mal gespannt, ob Du das durchhältst - ich habe das bisher nicht geschafft. Zum Schluss wurde ich immer schwach :oops: