Markus Vahlefeld hat geschrieben:Ausserdem halte ich die These, eine neutrale RZH könne den Lagencharakter sauberer zum Vorschein bringen, für genau jenes Missverständnis des Lagencharakters, das ich seit jeher kritisiere. Gäbe es, wie Gerald insinuiert, eine "reine" Lage, die dann "rein" auf die Flasche kommt, würde die "neutralste" Hefe sicher die beste sein. Aber es gibt diese reine Lage ja eben nicht. Es gibt immer nur einen Winzer, der diese Lage interpretiert. Da ist ganz und gar nichts "Neutrales" dran. Und in diesem Zusammenhang kann ich Roman Ns Pöbeln über die Wissenschaftshörigkeit schon verstehen, nach dem Motto: Wissenschaft ist neutral, ergo muss die neutralste Hefe die Lage am neutralsten herausbringen. Sorry, aber diese Art neutralen Wein möchte ICH nicht trinken müssen.
Ganz ehrlich, mir geht es da beim Wein wie mit allem, was ich zu schätzen weiss (Kunst, Literatur, Musik etc.): je neutraler es wird, desto mehr erreichen wir das Niveau von Arztromanen oder seichtem Popgedudel.
Daher: nieder mit der Neutralität! Her mit dem Charakter!

Markus, das hat zwar etwas für sich und ich glaube auch ganz fest an wissenschaftlich nicht belegbare Sensationen, die sich beim Weinkonsum einstellen (abgesehen von der Wirkung des Alkohols

).
Das von dir immer wieder vorgebrachte Argument hinkt aber m.E. immer noch. Es geht doch beim Transport von Lagencharakter
gerade nicht um Neutralität. Es geht darum, dass ein Volnay Taillepieds anders schmeckt als ein Volnay Clos des Ducs. Oder (so hoffe ich doch) ein Hohen-Sülzener Kirchenstück anders als ein Nieder-Flörsheimer Frauenberg

. Wie ein Winzer eine Lage interpretiert, ist natürlich unterschiedlich. Aber auf einige Geschmacksnuancen haben sich die Weintrinker und Journalisten dann doch im Laufe der Jahrzehnte und Jahrhunderte bei bestimmten Lagen verständigen können, die unabhängig von Winzer und Kellermeister charakteristisch für die Lage sind bzw. sein sollen. Ziemlich oft kann ich mich auch mit dem identifizieren, was andere Leute in einer Lage finden können.
Folgendes (ganz und gar nicht wissenschaftliches, sondern fast schon esoterisches) Argument spricht aus meiner Sicht gleichwohl dafür, dass weinbergs- und traubeneigene Hefen den Lagencharakter jedenfalls in der Theorie besser transportieren können als Reinzuchthefen: die weinbergs- und traubeneigenen Hefen gehören eben zum Ausgangsprodukt (Traube) naturgemäß dazu. Wenn man diese Hefen nicht machen lässt, sondern (wenn auch neutral) extern nachhilft und damit die weinbergs- und traubeneigenen Hefen letztlich sterben lässt, fehlt im Endprodukt ein Baustein. Ganz überzeugend finde ich dieses Argument zugegebenermaßen auch nicht, zumal ich mir schon vorstellen kann, dass eine Probe aufs Exempel in der Praxis zu ganz anderen Ergebnissen führt.