Interessant: Spontanvergärung

Von der Weinbergspflege bis zur Kellertechnik
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T's Weinblog
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Re: Interessant: Spontanvergärung

Beitrag von T's Weinblog »

pivu hat geschrieben:
Ich bleib' dabei, das ganze ist a) eine (kleine) Stellschraube im Gesamtgebilde und b) bitteschön kein Dogma.

Ciao
Peter
Da muss ich dir zu 100 % Recht geben. Mein bester Wein, den ich bis jetzt getrunken habe, war ein RZ-Wein (Dies ist meine persönliche Erfahrung. Die kann sich ja noch ändern...). Ich glaube hier möchte keiner irgendeine der beiden Verfahrensmethoden schlecht reden. Beide können, wenn alles andere auch stimmt, großartige Weine hervorbringen. Das kommt eben immer auch auf den eigenen Geschmack an!

Gruß Thorsten
Zuletzt geändert von T's Weinblog am Mi 17. Aug 2011, 13:57, insgesamt 1-mal geändert.
Bernd Schulz
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Re: Interessant: Spontanvergärung

Beitrag von Bernd Schulz »

Hallo Bodo,

deinen Hinweis auf die Geisenheimer Veranstaltung finde ich sehr interessant. Meine Erfahrungen waren bislang eher gegenteiliger Natur - in den letzten Jahren habe ich etliche RZ-Winzer heimgesucht und bin dort in der Mehrzahl der Fälle auf Weine gestoßen, die zwar nett, aber völlig austauschbar nimmzweifruchtig schmeckten. Oft konnte ich noch nicht einmal eine Gebietscharakteristik erkennen, von Böden oder Lagen ganz zu schweigen.

Es wäre recht spannend, zu erfahren, um welche Erzeuger es sich bei deiner Fortbildung konkret gehandelt hat. Ich will keine Verschwörungstheorien in Gang bringen und nichts unterstellen, aber mit Blick auf den Firmensitz von Erbslöh halte ich eine bewusste Auswahl der damals präsentierten Spontis und Reinzuchtis nicht für hundertprozentig (sondern nur für achtundneunzigkommafünfprozentig :mrgreen: ) ausgeschlossen...

Beste Grüße

Bernd
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Markus Vahlefeld
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Re: Interessant: Spontanvergärung

Beitrag von Markus Vahlefeld »

Ausserdem halte ich die These, eine neutrale RZH könne den Lagencharakter sauberer zum Vorschein bringen, für genau jenes Missverständnis des Lagencharakters, das ich seit jeher kritisiere. Gäbe es, wie Gerald insinuiert, eine "reine" Lage, die dann "rein" auf die Flasche kommt, würde die "neutralste" Hefe sicher die beste sein. Aber es gibt diese reine Lage ja eben nicht. Es gibt immer nur einen Winzer, der diese Lage interpretiert. Da ist ganz und gar nichts "Neutrales" dran. Und in diesem Zusammenhang kann ich Roman Ns Pöbeln über die Wissenschaftshörigkeit schon verstehen, nach dem Motto: Wissenschaft ist neutral, ergo muss die neutralste Hefe die Lage am neutralsten herausbringen. Sorry, aber diese Art neutralen Wein möchte ICH nicht trinken müssen.

Ganz ehrlich, mir geht es da beim Wein wie mit allem, was ich zu schätzen weiss (Kunst, Literatur, Musik etc.): je neutraler es wird, desto mehr erreichen wir das Niveau von Arztromanen oder seichtem Popgedudel.

Daher: nieder mit der Neutralität! Her mit dem Charakter! ;)
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T's Weinblog
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Re: Interessant: Spontanvergärung

Beitrag von T's Weinblog »

Genau :!: :!: :!: :!: :!: :!: :!: :!:
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Gerald
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Re: Interessant: Spontanvergärung

Beitrag von Gerald »

Hallo Markus,
Es gibt immer nur einen Winzer, der diese Lage interpretiert.
das ist ja der Ansatz von H.O., und es ist verständlich, dass du diese Ansicht teilst. Es gibt aber meines Wissens doch auch andere Vorstellungen vom Charakter einer Lage, die den Winzer nicht oder nicht in so großem Ausmaß einbeziehen, oder?

Im übrigen wäre nach deinem Verständnis ja auch nichts gegen Aromahefen einzuwenden, wenn der Winzer die Lage auf diese Weise interpretieren möchte, oder habe ich das falsch verstanden? ;)

Grüße,
Gerald
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pivu
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Re: Interessant: Spontanvergärung

Beitrag von pivu »

Gerald hat geschrieben:
Es gibt immer nur einen Winzer, der diese Lage interpretiert.
das ist ja der Ansatz von H.O. ...
Mist, ich hätt' mir den Ausdruck damals (bei der never-ending Terroir-Diskussion - http://bit.ly/r0u0HO ) schützen lassen sollen. Aber HO und Markus dürfen ihn eh gerne nutzen.

Ciao
Peter (der sich ob seiner neutralen Herkunft (im geographischen Sinn) alles andere als schämt)
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octopussy
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Re: Interessant: Spontanvergärung

Beitrag von octopussy »

Markus Vahlefeld hat geschrieben:Ausserdem halte ich die These, eine neutrale RZH könne den Lagencharakter sauberer zum Vorschein bringen, für genau jenes Missverständnis des Lagencharakters, das ich seit jeher kritisiere. Gäbe es, wie Gerald insinuiert, eine "reine" Lage, die dann "rein" auf die Flasche kommt, würde die "neutralste" Hefe sicher die beste sein. Aber es gibt diese reine Lage ja eben nicht. Es gibt immer nur einen Winzer, der diese Lage interpretiert. Da ist ganz und gar nichts "Neutrales" dran. Und in diesem Zusammenhang kann ich Roman Ns Pöbeln über die Wissenschaftshörigkeit schon verstehen, nach dem Motto: Wissenschaft ist neutral, ergo muss die neutralste Hefe die Lage am neutralsten herausbringen. Sorry, aber diese Art neutralen Wein möchte ICH nicht trinken müssen.

Ganz ehrlich, mir geht es da beim Wein wie mit allem, was ich zu schätzen weiss (Kunst, Literatur, Musik etc.): je neutraler es wird, desto mehr erreichen wir das Niveau von Arztromanen oder seichtem Popgedudel.

Daher: nieder mit der Neutralität! Her mit dem Charakter! ;)
Markus, das hat zwar etwas für sich und ich glaube auch ganz fest an wissenschaftlich nicht belegbare Sensationen, die sich beim Weinkonsum einstellen (abgesehen von der Wirkung des Alkohols ;)).

Das von dir immer wieder vorgebrachte Argument hinkt aber m.E. immer noch. Es geht doch beim Transport von Lagencharakter gerade nicht um Neutralität. Es geht darum, dass ein Volnay Taillepieds anders schmeckt als ein Volnay Clos des Ducs. Oder (so hoffe ich doch) ein Hohen-Sülzener Kirchenstück anders als ein Nieder-Flörsheimer Frauenberg :mrgreen:. Wie ein Winzer eine Lage interpretiert, ist natürlich unterschiedlich. Aber auf einige Geschmacksnuancen haben sich die Weintrinker und Journalisten dann doch im Laufe der Jahrzehnte und Jahrhunderte bei bestimmten Lagen verständigen können, die unabhängig von Winzer und Kellermeister charakteristisch für die Lage sind bzw. sein sollen. Ziemlich oft kann ich mich auch mit dem identifizieren, was andere Leute in einer Lage finden können.

Folgendes (ganz und gar nicht wissenschaftliches, sondern fast schon esoterisches) Argument spricht aus meiner Sicht gleichwohl dafür, dass weinbergs- und traubeneigene Hefen den Lagencharakter jedenfalls in der Theorie besser transportieren können als Reinzuchthefen: die weinbergs- und traubeneigenen Hefen gehören eben zum Ausgangsprodukt (Traube) naturgemäß dazu. Wenn man diese Hefen nicht machen lässt, sondern (wenn auch neutral) extern nachhilft und damit die weinbergs- und traubeneigenen Hefen letztlich sterben lässt, fehlt im Endprodukt ein Baustein. Ganz überzeugend finde ich dieses Argument zugegebenermaßen auch nicht, zumal ich mir schon vorstellen kann, dass eine Probe aufs Exempel in der Praxis zu ganz anderen Ergebnissen führt.
Beste Grüße, Stephan
Wolfgang
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Re: Interessant: Spontanvergärung

Beitrag von Wolfgang »

Gerald hat geschrieben:Hallo Markus,

[
Im übrigen wäre nach deinem Verständnis ja auch nichts gegen Aromahefen einzuwenden, wenn der Winzer die Lage auf diese Weise interpretieren möchte, oder habe ich das falsch verstanden? ;)

Grüße,
Gerald
Hallo Gerald, die Fragestellung ist klasse aber sehr theoretisch.
Aber bei allen Winzern, die öffentlich und ausführlich Ihre Philosophie äußern, danach arbeiten und deren Produkte vielen von uns hier bekannt sind wie z.B.
Velich(Moric),Uwe Schiefer,Battenfeld/Spanier, Leiner, van Volxem, PJ Kühn usw.
wird keiner Deine o.g. Interpretation ins Spiel bringen

Gruß
wolfgang
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Weinfreund
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Re: Interessant: Spontanvergärung

Beitrag von Weinfreund »

Hi Wolfgang,

wenn Gerald schreibt:
Einen interessanten Ansatz dazu gibt es übrigens von der Domäne Wachau: hier werden die Einzellagen bewusst mit speziell ausgewählten Reinzuchthefen (für jede Lage unterschiedlich) vergoren, um den besonderen Charakter der Lage richtig zum Ausdruck zu bringen.
Halte ich das übermäßige Interpretieren einer Lage durch den Winzer aber deutlich für problematisch.

Die Domäne Wachau spielt dem Weinfreund an dieser Stelle die Lagentypizität eigentlich nur vor.

Dies ist der IMHO schlechteste Weg ... grusel ... :shock:

Viele Grüße
Sascha
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pivu
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Re: Interessant: Spontanvergärung

Beitrag von pivu »

Weinfreund hat geschrieben:Hi Wolfgang,

wenn Gerald schreibt:
Einen interessanten Ansatz dazu gibt es übrigens von der Domäne Wachau: hier werden die Einzellagen bewusst mit speziell ausgewählten Reinzuchthefen (für jede Lage unterschiedlich) vergoren, um den besonderen Charakter der Lage richtig zum Ausdruck zu bringen.
Halte ich das übermäßige Interpretieren einer Lage durch den Winzer aber deutlich für problematisch.

Die Domäne Wachau spielt dem Weinfreund an dieser Stelle die Lagentypizität eigentlich nur vor.

Dies ist der IMHO schlechteste Weg ... grusel ... :shock:
ganz so schlimm find' ich das nicht. Ich geh' davon aus, die Domäne hat die Hefestämme je Lage über die Jahre beobachtet und die jeweils wirkungsvollsten gezüchtet. Bei einem Betrieb, der ein Drittel der Wachauer Weinproduktion ausmacht und seinen vielen Mitgliedern und Mitarbeitern verpflichtet ist, sicher nicht verkehrt.

Schlimm wär's freilich, wenn einem "neutralen" (das Unwort des Tages) Wein durch entsprechende Vergärung ein beliebiger Lagencharakter im wahrsten Sinne des Wortes eingeimpft wird. Dieses passiert freilich nirgendwo :roll: .

Ciao
Peter
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