Neue Lagenklassifikation im VDP ?!

Hohe Brisanz, kurzes Verfallsdatum
BerlinKitchen
Beiträge: 1535
Registriert: Di 23. Nov 2010, 19:21

Re: Neue Lagenklassifikation im VDP ?!

Beitrag von BerlinKitchen »

Hier ein Kommentar von Felix Eschenauer:

http://www.captaincork.com/Meinung/vdp- ... -kommentar
"Ein Leben ohne Riesling ist zwar möglich, aber sinnlos!"
Benutzeravatar
UlliB
Beiträge: 4906
Registriert: Mo 6. Dez 2010, 18:27

Re: Neue Lagenklassifikation im VDP ?!

Beitrag von UlliB »

BuschWein hat geschrieben:Bleibt die Frage ob EIN Klassifikationssystem, bzw. Qualitätssystem für GANZ Deutschland wirklich so sinnvoll ist?
Hallo Armin,

die Frage ist völlig berechtigt, wie auch Deine weiteren Ausführungen zu diesem Thema. Nur: man hätte diese Frage stellen müssen, als das Projekt zur Klassifizierung konzipiert wurde, d.h. vor mehr als zehn Jahren, und nicht jetzt, wo man sieht, dass die ursprünglichen hehren Pläne nicht durchzusetzen waren.

An ein grundlegend neues Klassifizierungssystem wird jetzt niemand mehr herangehen wollen. Erst einmal muss das, was man jetzt hat - so unbefriedigend es ist - zumindest einigermaßen konsistent umgesetzt werden, was trotz des einstimmigen Beschlusses noch einiges an Arbeit bedeuten wird; und in dieser Phase wird es noch weitere (kleine) Korrekturen und Anpassungen geben.

Ich nehme an, dass das in den letzten 10 Jahren entstandene und vorerst abgeschlossene Konzept des VDP verbandsintern für extrem viel Unruhe, Reibungsverluste und zumindest bei Teilen der Mitgliedschaft auch zu massiver Verstimmung geführt hat. Da man schon nicht mehr die Kraft hatte, ein wirklich logisches und klares Konzept auch nur für die trockenen Weine durchzusetzen, wird niemand mehr einen Vorstoß unternehmen, das Konzept noch einmal grundlegend zu revidieren und zu regionalisieren: er würde Kopf und Kragen riskieren.

Fazit: es wird jetzt und vermutlich auf zwei oder drei Jahrzehnte hinaus keinen weiteren Versuch einer Neuklassifizierung oder einer Revision des jetzt erreichten Modells durch den VDP geben. Wir müssen damit leben, womit wir jetzt konfrontiert werden.

Und mal ehrlich: es gibt schlimmeres im Leben. :|

Gruß
Ulli
BuschWein
Beiträge: 542
Registriert: Mi 3. Nov 2010, 15:33

Re: Neue Lagenklassifikation im VDP ?!

Beitrag von BuschWein »

Wie Ulli, die ganze Zeit schimpfst Du, dass das VDP-System für den Kunden Mist ist und jetzt so milde? ;) 8-)

Ich glaube auch nicht, dass der VDP sich noch einmal neu Gedanken zur Klassifikation machen wird.

Aber und hier wird es spannend, im gesamten Deutschen Weinbau muss man sich Gedanken zum Weinrecht machen, denn das aktuelle Weingesetz harmonisiert nicht mit dem neuen EU-Weingesetz. Sprich hier tut sich eine Option auf etwas Neues zu schaffen, an der Mosel gibt es da außerhalb des VDP schon einige Gedanken dazu.

Hier stellt sich die Frage ob man da nicht aus den Fehlern des VDP lernen könnte?
Bei einer zukunftsgerichteten und langfristigen Betrachtung ergibt aber aus meiner Sicht auch für Weine aus dem Schweigener Sonnenberg, aus dem Kenzinger Hummelberg, aus dem Schlatterer Maltesergarten und aus dem Klingenmünster Maria Magdalena (ok, der vielleicht nicht ) die Lagenangabe Sinn. Wenn beispielsweise für Spätburgunder Burgund das Vorbild ist, müsste man eigentlich eine Lagenkultur herausarbeiten und fördern. Und wenn ein Winzer für den Wein aus einer bestimmten Lage vielleicht ein paar Jahre hinweg bessere Kritiken bekommt und ihn an die Spitze seines Sortiments setzen kann, dann spornt das vielleicht auch andere Winzer an, aus der gleichen Lage einen Spitzenwein zu machen und ihn mit der Lage zu bezeichnen und nicht mit Sternen oder "R"s.
Ulli, das glaube ich nicht wirklich, denn für mich machen Lagen nur dann Sinn, wenn der Wein der aus der Lage kommt wiedererkennbar ist, dass es einer oder mehrere Winzer schaffen einen hochklassigen Wein aus einer Lage zu erzeugen ist kein Argument für eine Lagenbezeichnung der Weine.

Ich fürchte das ist sowieso das Hauptproblem und die Achillesverse der ganzen Klassifikation nach Herkunft, gibt es überhaupt eine regionale Typizität in Deutschland? Der Kunterbunte Rebsortenmix bei den "Qualitätsweinen" spricht dagegen, dazu dann noch die diversen Süßegrade, ich glaube man hat hier das Pferd von hinten aufgezäumt.

Andererseits spricht der wirtschaftliche Erfolg für das Vorgehen des VDPs.
Armin
www.gutsweine.com

Dumme Menschen machen immer den gleichen Fehler, intelligente immer Neue ;)
Neuppy
Beiträge: 211
Registriert: Do 4. Aug 2011, 16:48
Wohnort: Gräfelfing

Re: Neue Lagenklassifikation im VDP ?!

Beitrag von Neuppy »

Erst einmal Grüß Gott aus dem Süden,

grundsätzlich habe ich mit den neuen Beschlüssen des VDP zwei Probleme. Wenn man von einer Überarbeitung der Lagenklassifikation spricht, sollte man meines Erachtens erst mal über eine Überarbeitung der Lagen selbst sprechen.
Selbstverständlich gibt es Lagen, die erschmeckbar sind und daher die notwendige Typizität haben. Aber das Problem des Weingesetzes von 1971 war doch vielmehr, daß zahlreiche berühmte Lagen um qualitativ minderwertige Bereiche zum Teil erheblich erweitert wurden. Von Typizizität kann dann wirklich nur noch bei einzelnen Gewannen gesprochen werden. Auch gibt es andere Lagen, deren Größe bereits eine Typizität unmöglich machen, da der Boden zum Teil vollkommen unterschiedlich ist. Von einer Lage kann man dann nach meiner Auffassung eigentlich nicht sprechen.
Um es deutlich zu machen, meines Erachtens gibt es vor diesem Hintergrund zu viele Grosse Gewächse. Die Winzer des VDP meinen wahrscheinlich eher das Gegenteil, zumindest soweit es den jeweiligen eigenen Betrieb geht.

Auch kann ich das Thema des Lagenverbrauches nicht nachvollziehen. Ich vermute, der VDP fürchtet eine Verwechslungsgefahr beim Verbraucher.
Weder aus Qualitätsgründen noch aus historischen Gründen ist der Lagenverbrauch nachvollziehbar.
Meines Erachtens führt die Möglichkeit eines "Zweitweines" aus den großen Lagen eher zur Steigerung der Qualität des Grossen Gewächses. Das ganze auf wirtschaftlich vernünftiger Basis für den Winzer, weil er das Renommee der Lage auch noch für seinen Zweitwein (der meines Erachtens immer noch lagentypisch ist, siehe Halenberg oder den vom Rotliegenden von Rebholz) nutzen kann.
Daneben dürfen wir nicht vergessen, daß die Prädikate eine deutsche Tradition sind und damit auch zum "Terroir" gehören. Wenn man die Prädikate ernst nimmt (und nicht Kabinette mit 12,5 Alkohol verkauft), macht ein Kabinett aus einer großen Lage mehr als Sinn. Es wäre traurig, wenn das verloren ginge.

Trotzdem sind die Bemühungen des VDP beachtenswert, weil sich ja sonst niemand um die Veränderung der verheerenden deutschen Weingesetzgebung kümmert. Wir dürfen uns alle nicht wundern, daß eine privatwirtschaftliche Vereinigung mit kommerziellen Interessen die Vorreiterschaft macht, wenn unsere Politiker das Probblem bis zum heutigen Tage nicht auf dem Schirm haben und wenn dann immer auf der Basis der Großindustrie das Problem betrachten. Da muss endlich angesetzt werden.
Benutzeravatar
UlliB
Beiträge: 4906
Registriert: Mo 6. Dez 2010, 18:27

Re: Neue Lagenklassifikation im VDP ?!

Beitrag von UlliB »

BuschWein hat geschrieben:Wie Ulli, die ganze Zeit schimpfst Du, dass das VDP-System für den Kunden Mist ist und jetzt so milde? ;) 8-)
Hallo Armin,

ich halte das System nach wie vor für Mist; es ist sogar noch ein wenig schlimmer gekommen, als ich ohnehin schon angenommen hatte. Was hier milde ist, ist nur Resignation: wer das System versteht, braucht es eigentlich nicht. Wer es brauchen könnte, wird es nicht verstehen. So oder so, guten Wein wird's auch weiterhin geben, sogar von VDP-Winzern ;)
BuschWein hat geschrieben:
Bei einer zukunftsgerichteten und langfristigen Betrachtung ergibt aber aus meiner Sicht auch für Weine aus dem Schweigener Sonnenberg, aus dem Kenzinger Hummelberg, aus dem Schlatterer Maltesergarten und aus dem Klingenmünster Maria Magdalena (ok, der vielleicht nicht ) die Lagenangabe Sinn. Wenn beispielsweise für Spätburgunder Burgund das Vorbild ist, müsste man eigentlich eine Lagenkultur herausarbeiten und fördern. Und wenn ein Winzer für den Wein aus einer bestimmten Lage vielleicht ein paar Jahre hinweg bessere Kritiken bekommt und ihn an die Spitze seines Sortiments setzen kann, dann spornt das vielleicht auch andere Winzer an, aus der gleichen Lage einen Spitzenwein zu machen und ihn mit der Lage zu bezeichnen und nicht mit Sternen oder "R"s.
Ulli, das glaube ich nicht wirklich, [...]
Das war ich auch nicht...

Neuppy hat geschrieben: Wenn man die Prädikate ernst nimmt (und nicht Kabinette mit 12,5 Alkohol verkauft), macht ein Kabinett aus einer großen Lage mehr als Sinn.
Das sehe ich auch so, und damit sind wir beide hier auch nicht alleine. Gerade VDP-Winzer haben in der Vergangenheit bewiesen, dass auch trockene Weine mit niedrigem Alkoholgehalt ihren Lagencharakter sehr schön ausdrücken können (ich denke da z.B. an etliche trockene Kabinette von Emrich-Schönleber aus dem Halenberg und dem Frühlingsplätzchen, die es vor einigen Jahren noch gab). Insofern:
Neuppy hat geschrieben: Es wäre traurig, wenn das verloren ginge.
Ja, aber: beim VDP ist es spätestens jetzt verloren gegangen. Bei den meisten VDP-Winzern allerdings schon früher, denn die haben die jetzt verabschiedeten Regeln auch schon vorher eingehalten. Wer einen trockenen Leichtwein sucht, findet ihn nicht mehr bei den Betrieben mit dem Traubenadler.

Gruß
Ulli
Bernd Schulz
Beiträge: 7075
Registriert: Sa 11. Dez 2010, 23:55
Kontaktdaten:

Re: Neue Lagenklassifikation im VDP ?!

Beitrag von Bernd Schulz »

Wir dürfen uns alle nicht wundern, daß eine privatwirtschaftliche Vereinigung mit kommerziellen Interessen die Vorreiterschaft macht, wenn unsere Politiker das Probblem bis zum heutigen Tage nicht auf dem Schirm haben
Neuppy, ich bin in fast allen Punkten deiner Meinung. Aber dass die Politik Probleme wie das hier angesprochene lösen kann, glaube ich inzwischen nicht mehr. Gefragt sind zum einen die Winzer - sie haben es selber in der Hand, mit dem Prädikatssystem, den Lagen und ihrer Ausweisung auf dem Etikett sinnvoll umzugehen. Und zum anderen sollten wir Kunden den Erzeugern ständig auf die Zehen treten bzw. bevorzugt bei denjenigen kaufen, die entsprechende Vernunft walten lassen.

Die Politk kann nicht das leisten, was die Winzer nicht selber leisten wollen.

Beste Grüße

Bernd
BuschWein
Beiträge: 542
Registriert: Mi 3. Nov 2010, 15:33

Re: Neue Lagenklassifikation im VDP ?!

Beitrag von BuschWein »

Daneben dürfen wir nicht vergessen, daß die Prädikate eine deutsche Tradition sind und damit auch zum "Terroir" gehören. Wenn man die Prädikate ernst nimmt (und nicht Kabinette mit 12,5 Alkohol verkauft), macht ein Kabinett aus einer großen Lage mehr als Sinn. Es wäre traurig, wenn das verloren ginge.
Wobei man halt schon sagen muss, dass das Prädikat "Kabinett" eine Erfindung des 71er Weingesetzes war.
Armin
www.gutsweine.com

Dumme Menschen machen immer den gleichen Fehler, intelligente immer Neue ;)
Benutzeravatar
UlliB
Beiträge: 4906
Registriert: Mo 6. Dez 2010, 18:27

Re: Neue Lagenklassifikation im VDP ?!

Beitrag von UlliB »

BuschWein hat geschrieben:Wobei man halt schon sagen muss, dass das Prädikat "Kabinett" eine Erfindung des 71er Weingesetzes war.
Ja; es gab allerdings vorher ein entsprechendes Pendant: die Bezeichnung "natur" ohne weitere Prädikatsangaben stand für den nicht chaptalisierten "Basiswein" des jeweiligen Erzeugers aus der genannten Lage und war insofern der legitime Vorgänger. Übrigens hieß der VDP vor 1971 noch VDN - und das "N" kam genau von diesen Weinen, die man jetzt schwuppdiwupp eliminiert (na ja, oder fast eliminiert)... :roll:

Gruß
Ulli
BuschWein
Beiträge: 542
Registriert: Mi 3. Nov 2010, 15:33

Re: Neue Lagenklassifikation im VDP ?!

Beitrag von BuschWein »

die Bezeichnung "natur" ohne weitere Prädikatsangaben stand für den nicht chaptalisierten "Basiswein" des jeweiligen Erzeugers aus der genannten Lage und war insofern der legitime Vorgänger. Übrigens hieß der VDP vor 1971 noch VDN - und das "N" kam genau von diesen Weinen, die man jetzt schwuppdiwupp eliminiert (na ja, oder fast eliminiert)...
Zu den damaligen "Naturweinen" zählten aber schon alle nicht chaptalisierten Weine, nicht nur der Basiswein. Und man kann auch nicht unbedingt davon sprechen, dass diese Weine eliminiert würden. Richtig ist aber, dass das "nicht Chaptalisieren" bei den trockenen Weinen nicht mehr im Zentrum steht, was auch aus meiner Sicht eine einschneidende Veränderung ist. Ob das unbedingt eine Verschlechterung sein muss würde ich aber nicht sagen.

Trotzdem fehlt mir da ganz deutlich eine Diskussion im VDP, immerhin war das mal ein Kerngedanke, auch bei der Gründung vor 100 Jahren, das jetzt ohne Diskussion über Bord zu werfen halte ich für nicht gut.
Armin
www.gutsweine.com

Dumme Menschen machen immer den gleichen Fehler, intelligente immer Neue ;)
Benutzeravatar
UlliB
Beiträge: 4906
Registriert: Mo 6. Dez 2010, 18:27

Re: Neue Lagenklassifikation im VDP ?!

Beitrag von UlliB »

BuschWein hat geschrieben: Zu den damaligen "Naturweinen" zählten aber schon alle nicht chaptalisierten Weine, nicht nur der Basiswein.
Hallo Armin,

das ist richtig - wobei m.W. schon vor 1971 bei den Prädikaten, die es damals schon gab (= ab Spätlese aufwärts), das Chaptalisieren verboten war. Insofern wäre so etwas wie "Spätlese natur" ein Pleonasmus, und ich kann mich jetzt nicht daran erinnern, ob es solche Doppel-Bezeichnungen damals gegeben hat. Woran ich mich allerdings noch ganz gut erinnern kann, sind etliche nur mit "natur" (ohne Prädikat) gekennzeichnete Weine, die ich vor allem in den späten 70ern und frühen 80ern vernichtet habe. Und die meisten davon waren echte Leichtweine - stilistisch tatsächlich die Vorgänger der 71er Kabinette.
BuschWein hat geschrieben: Richtig ist aber, dass das "nicht Chaptalisieren" bei den trockenen Weinen nicht mehr im Zentrum steht, was auch aus meiner Sicht eine einschneidende Veränderung ist. Ob das unbedingt eine Verschlechterung sein muss würde ich aber nicht sagen.

Trotzdem fehlt mir da ganz deutlich eine Diskussion im VDP, immerhin war das mal ein Kerngedanke, auch bei der Gründung vor 100 Jahren, das jetzt ohne Diskussion über Bord zu werfen halte ich für nicht gut.
Vermutlich stellt sich die Frage heute in den weitaus meisten Jahren nicht mehr, weil die natürlich erreichten Mostgewichte auch bei den "leichteren" Weinen eine Aufbesserung obsolet gemacht haben. Rein weinrechtlich betrachtet wäre allerdings bei allen Qualitätsstufen der VDP-Pyramide eine Aufbesserung möglich, es handelt sich ja durchweg um QbA. So weit ich weiß, haben mehrere VDP-Regionalverbände das Chaptalisieren von GGs dennoch verboten; bei den Qualitätsstufen darunter kenne ich die Beschlusslage aber nicht.

Gruß
Ulli
Antworten

Zurück zu „Aktuelle Themen“