Genau das dachte ich auch, als ich das Posting von Herrn Hilse gelesen habe. Von Parker zu behaupten, dass dieser quasi "objektiv" verkostet habe, während Kelley ein "egoistischer Verkoster" sei, ist geradezu ein Treppenwitz. Bei kaum einem aktuell tätigen Verkoster sind die stilistischen Präferenzen und Abneigungen derart klar zu erkennen, wie es bei Parker zu seiner aktiven Zeit der Fall war. Außer eben bei Kelleypessac-léognan hat geschrieben: Parker mag zu seiner Zeit in der Tat mit der Einschätzung des Zukunftspotenzials überdurchschnittlich oft recht gehabt haben. Aber eines ist klar: Auch und gerade Parker hatte sein "Weltbild" bzw. sein Bild vom Bordeaux, wie er sein sollte. Statt "Weltbild" darf man wohl ganz einfach und mit Fug von "Geschmack" reden.

Es entbehrt dabei nicht einer gewissen Ironie, dass Kelley mit seinen Präferenzen eine fast schon diametrale Gegenposition zu Parker einnimmt, obwohl er ausgerechnet für das von Parker gegründete Medium tätig ist.
Und weil das so war, konnte Parker damals Bordeaux seinen Stempel aufdrücken. Nicht umsonst wird bis heute von "parkerisierten" Weinen geredet, und tatsächlich hat er sehr viele Erzeuger dazu gebracht, Weine in seinem Sinne zu erzeugen. Parkers enorme Verdienste um Bordeaux kann niemand bestreiten, sein ebenso enormer Einfluss auf den Weinstil war aber nicht nur positiv.Parker hatte mit seinem Geschmack eine enorme (Preis-)Gestaltungsmacht in Bordeaux. Wenn Parker 100 Punkte gab, konnten sich Preise von einem Jahr aufs nächste auch mal vervierfachen.
Keiner der heute aktiven Verkoster hat eine derartige Gestaltungsmacht, wie Parker sie hatte. Und das ist gut so. Statt eine "disparate, babylonische Sprachverwirrung" zu beklagen, sollte man sich eher darüber freuen, dass es nicht nur eine Einheitsmeinung gibt, sondern erkennbare stilistische Präferenzen. Welcher Meinung man nun anhängt, muss jeder für sich ermitteln.
Gruß
Ulli