Neue Rebfflächen

Von der Weinbergspflege bis zur Kellertechnik
Blaufränkisch
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Re: Neue Rebfflächen

Beitrag von Blaufränkisch »

Interessante Diskussion, in die ich gerne eine andere Produzentensicht einbringen möchte, die zugegebenermaßen wohl eher eine Minderheitenposition darstellt.

Das aktuelle Pflanzrechteregime schützt niemanden vor irgendwas. Die Weinbauern nicht vor zuviel und/oder zu billiger Konkurrenz, denn außerhalb der EU gibt es keinerlei Pflanzbeschränkungen und diese Weine können weitgehend ungehindert importiert werden. Innerhalb der EU gibt es jede Menge freier Pflanzrechte (wenn auch nicht immer dort, wo sie manche gerne hätten) die nicht genützt werden, weil es nicht wirtschaftlich wäre. Darüber hinaus gibt es in manchen EU-Ländern recht leger verwaltete Weinbaukataster, die eine Sanktion von Pflanzungen ohne entsprechende Rechte praktisch unmöglich machen...

Die Steillagen schützt das Pflanzrechtsregime auch nicht, wie die Entwicklung der letzten Jahrzehnte beweist und die Tatsache, dass in Deutschland offenbar Pflanzrechte aus der Steillage in Flachlagen aber eben nicht umgekehrt transferiert werden können (wenn ich das als Österreicher richtig verstanden habe. Verfällt in der Steillage ein Pflanzrecht, weil die Parzelle einige Jahre nicht bepflanzt war, erschweren die Kosten für ein neues Pflanzrecht (so überhaupt verfügbar) die (Wieder-)Bewirtschaftung sogar.

Warum trotzdem von den meisten EU-Weinbauländern (nach entsprechendem Lobbying der Produzentenverbände) so darauf gepocht wird, hat ganz andere Gründe: Zum einen sind alle an das Pflanzrechtsregime gewöhnt, und die konservative Weinbranche (sowie insgesamt die Landwirtschaft) tut sich immer mit größeren Veränderungen schwer. Zweitens zementieren die Pflanzrechte den aktuellen Besitzstand (bzw. den zu Zeiten des EU-Beitrittes oder früherer Rebflächenbestandsaufnahmen), den zu verwalten für alle Beteiligten einfacher ist, als mit neuen Gegebenheiten umgehen zu lernen. Drittens ist damit eine gewisse (Markt-)Macht verbunden, die von Weinbauverbänden, -behörden, -bundesländern und Staaten gelegentlich auch benutzt wird. Und viertens scheut man die Abschaffung, weil man meint (und entprechende Ängste schürt) damit in de Zeit der EU-Weinüberschüsse zurückzufallen und die gleichen teuren Maßnahmen von damals wieder anwenden zu müssen.

Die Pflanzrechte (und die damit verbundenen Rodungsprämien, Überschussverwertungen, etc.) haben/hatten nämlich auch eine sozialpolitische Komponente, weil sie (zumindest vermeintlich) einen geschützen Bereich für viele Klein- und Kleinstwinzer vor allem in Spanien, Italien und Frankreich geschaffen haben, als diese kaum "echte" Sozialleistunen in Anspruch nehmen konnten. Dass es aber sinnvoller, transparenter und wohl auch billiger ist/wäre, diesen Menschen (von denen EU-weit sehr viele heute durch den Generationen- und Strukturwandel ohnehin gar keinen Weinbau mehr betreiben) direkt mit sozialpolitischen Werkzeugen oder speziellen auflagengebundenen Förderungen (für Bioanbau, Landschaftspflege, Steilhangbewirtschaftung,...) zu helfen, anstatt mit wenig wirksamen und oft auch kontraproduktiven Markteinschränkungen will die Agrarpolitik der meisten Länder nicht verstehen.

Ebensowenig wie die Tatsache, dass gute Lagen mit einer Art Flächenwidmungsplan für Auspflanzungen (der z.B. Steillagen aus Landschaftsschutzgründen und im Interesse einer geschlossenen Weinbauflur in irgend einer Form begünstigt) besser zu schützen wären, als mit einer generellen Auspflanzungsbeschränkung.

Ich selber habe übrigens kein persönliches Interesse an einer Aufgabe der Pflanzrechte, aber ich empfinde diese Einschränkung abgesehen von ihrer Nutzlosigkeit außerdem als eine nicht mit höheren Interessen zu begründende Einschränkung der unternehmerischen Freiheit einer ganzen Branche. Wenn man Steillagen- oder Umweltschutz betreiben will, dann geht das anders. Wenn man armen Weinbauern helfen will, dann bitte über Fördersysteme, die deren Einsatz für die Allgemeinheit honorieren und ihr Einkommen durch den Weinbau ergänzen. Oder noch besser über Unterstützungen, die sie in die Lage versetzen, von ihrem Produkt leben zu können. Und wenn man sich vor der Konkurrenz von außen schützen will, dann möge man sich bitte etliche Jahrzehnte zurückbeamen lassen, denn heute geht das nicht mehr. Gottseidank.

Grüße

Bernhard
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sorgenbrecher
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Re: Neue Rebfflächen

Beitrag von sorgenbrecher »

ein wunderbar sachlicher und meines erachtens inhaltlich voll zutreffender beitrag, der sichtweise kann ich mich vollständig anschließen.

herzlich willkommen hier, das war ein toller einstand mit diesem beitrag !
Gruß, Marko.
C9dP
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Re: Neue Rebfflächen

Beitrag von C9dP »

Ich kann mich Marko nur anschließen.

Mich würde nur noch interessieren, ob du generell gegen oder eher für eine Beschränkung der Flächenaufstockung (also eine Erweiterung der weinbaulich genutzten Fläche) bist. Vielleicht habe ich deine Positionierung auch nur übersehen.
Zum einen sind alle an das Pflanzrechtsregime gewöhnt, und die konservative Weinbranche (sowie insgesamt die Landwirtschaft) tut sich immer mit größeren Veränderungen schwer. Zweitens zementieren die Pflanzrechte den aktuellen Besitzstand (bzw. den zu Zeiten des EU-Beitrittes oder früherer Rebflächenbestandsaufnahmen), den zu verwalten für alle Beteiligten einfacher ist, als mit neuen Gegebenheiten umgehen zu lernen. Drittens ist damit eine gewisse (Markt-)Macht verbunden, die von Weinbauverbänden, -behörden, -bundesländern und Staaten gelegentlich auch benutzt wird. Und viertens scheut man die Abschaffung, weil man meint (und entprechende Ängste schürt) damit in de Zeit der EU-Weinüberschüsse zurückzufallen und die gleichen teuren Maßnahmen von damals wieder anwenden zu müssen.
Symphatisch ehrlich. Danke.
Viele Grüße

Aloys
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Alas
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Re: Neue Rebfflächen

Beitrag von Alas »

Zitat:

Was dagegen deutlich weniger bekannt ist, ist die Tatsache, dass die aktuellen Pflanzrechtsbeschränkungen keineswegs automatisch eine Beibehaltung der aktuellen Rebfläche, des Status quo bedeuten. Der würde allenfalls in Deutschland eingefroren, wo die verfügbaren, noch nicht genutzten Pflanzrechte nur gut 3.700 ha (Stand 2010/11) betreffen - gerade 3,5 % der aktuellen Gesamtrebfläche. Ganz anders das Bild in den anderen weinbautreibenden Ländern der EU: Spanien verfügt noch über knapp 100.000, Frankreich über fast 70.000 und Italien über gut 50.000 ha so genannter Pflanzrechtsreserven - das sind Flächen, auf denen auch bei einer Aufrechterhaltung der aktuellen Beschränkungen schon morgen wieder Reben gepflanzt werden könnten. In Österreich ist die verfügbare Fläche in absoluten Zahlen zwar kleiner, aber die knapp 14.000 ha stellen immerhin fast ein Viertel der aktuell bewirtschafteten Fläche dar. Alle EU-Pflanzrechtsreserven zusammen genommen ergeben die gigantische Fläche von knapp 300.000 ha - das ist fast drei Mal der gesamte deutsche Weinbergsbestand!

Aus:
http://enobooks.de/aktuell/editorial/qu ... arkenweine

Einen guten Tag wünscht

Alas
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MichaelWagner
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Re: Neue Rebfflächen

Beitrag von MichaelWagner »

ich versuchs mal nach und nach:

@ Ulli: mit falsch war nicht die Zahl sondern die Interpretation selbiger gemeint.

@ Aloys: bin diplomierter Kaufmann, da waren auch diese Dinge mit der Volkswirtschaft enthalten. Habe auch schon Marketingbudgets verantwortet, für Gallo (Deutschland). Controlling für den Vertriebsbereich verantwortet, so ca. 80 Millionen Umsatz (Wein). Und heute gesamtbetrieblich für das Weingut, was Dich aus unerfindlichen Gründen zu dem Schluss bringt, ich seiein kleiner Winzer, der von Wirtschaft & Finanzen keine Ahnung hat. Sorry, muss Dich enttäuschen.
Was deine Kalkulation angeht: Du nimmst leider fälschlicherweise an, dass spanische Importware günstiger ist, weil sie günstiger produziert werden kann. Das ist leider falsch. Er wird nur unter Erzeugungskosten eingekauft weil niemand ihn nachfragt und die Entsorgung teurer wäre. Tolles Geschäft für die Kellerei, schlechtes für den spanischen Winzer. Und für den deutschen auch. Denn der Einkäufer sagt: ist mir doch egal wo der Wein herkommt, ich will billig einkaufen und teuer verkaufen. So läuft das Geschäft im deutschen Lebensmitteleinzelhandel (und international). Meinst Du da interessiert sich jemand für Herkünfte, Rebsorten oder sonstiges. Und da spielt numal für die Fassweinerzeuger die Musik. Die billigen Regalpreise sind in Wirklichkeit teuer subventioniert.

@ Blaufränkisch: die anderen Fördermaßnahmen die Du ansprichst wären ja eine tolle Sache, aber Du glaubst nicht wirklich daran, dass diese kommen werden.

@ alle: der Grundunterschied in unserer Sichtweise ist doch folgender: ihr argumentiert, dass in den derzeitigen Weinbauländern noch reichlich ungenutzte Pflanzrechte vorhanden sind und keiner Sie nutzt, da ohnehin schon zuviel Wein auf dem Markt ist. Deshalb kann man die Regelung auch abschaffen, da sowieso niemand auf die Idee käme in den dann neuen Ländern anzupflanzen, da es ja unrentabel ist. Klingt logisch, ist es aber nicht:
es wird mit absoluter Sicherheit einen Run auf diese Flächen geben und es wird noch mehr sinnlos angepflanzt werden. Es gibt namhafte Konzerne die schon darauf warten bspw. den englischen Markt auf diese Weise zu versorgen. In Großbritannien sind die großen Abfüllanlagen schon in Betrieb. Im Moment müssen sie allerdings noch Fassware importieren. Und was denkt ihr was dann an europäischen Subventionsgeldern fließen wird für den Aufbau einer Sache die woanders schon nicht funktioniert. Nur damit noch mehr Wein auf den Markt kommt, für den keine Nachfrage besteht und der weiter den Preis nach unten drückt? Die Produzenten in Übersee haben auch Millionen von Hektar gepflanzt obwohl es eigentlich schon mehr als genug Wein gab. Und nun? Großes Jammern. Wo eine Bank Kredite gibt, da ist ein Weg auch die sinnlosesten Vorhaben zu verwirklichen. Und die Banken geben gerne im Moment...von daher ist der Anbaustopp sicherlich nicht die Ideallösung (es wird nicht bei dieser Lösung bleiben, es wird lediglich an einer besseren Lösung gearbeitet innerhalb der EU), die jetzige abrupte Aufhebung würde allerdings in der Katastrophe enden.

Des weiteren argumentiere ich (oder besser gesagt, die europäischen Winzer), dass wir deutschen (und französischen und spanischen und...) Winzer auch das Massengeschäft und die Fassweinproduktion brauchen um bestehen zu können. Nur eben kostendeckend. Nur auf dieser Grundlage können Spitzenbetriebe entstehen, die herausragende Flaschenweine produzieren.
Ich könnte mich als Flaschenweinerzeuger auch herrlich zurücklehnen und sagen: naja, links und rechts neben mir sterben ein paar Betriebe weg, aber was soll's: bei mir läufts von Jahr zu Jahr besser. Also was soll's. Mach ich aber nicht. Ich fahre bspw. jeden Tag durch ein teuer bezahltes Wegesystem mit Trockenmauern die für 100te von Millionen Euro vor gerade mal 30 Jahren errichtet wurden. Ja, da sind auch deutsche Steuergelder reingeflossen. Und nun lässt man alles vor die Hunde gehen, weil wir ja jetzt so schrecklich europäisch liberal sind und die Gleichheit & Brüderlichkeit nach Weinbergen am Nordpol verlangt. Obwohl wir eigentlich mehr als genug Wein produzieren und der dort dann auch noch nicht einmal günstiger wird als wer sowieso schon ist? Wo ist denn da der Vorteil?

Es ist schön liberal zu sein und freie Märkte und Wettbewerb zu fördern, nur wenn alle anderen Marktteilnehmer Protektionismus födern, dann endet man auf dem Weg in der Sackgasse.

Blaufränkisch: Mir ist schon klar, dass billiger Wein aus aller Welt auf den europäischen Markt drängt und der Anbaustopp nicht die letzte Lösung ist, aber deshalb sagen . Ist doch egal? Ich schliesse mich gerne einer Neuregelung an auf der deren Grundlage das alte System abgeschafft wird an. Aber erst will ich eine Neuregelung verabschieden. Die wird es nämlich nicht geben, wenn das alte System kippt. Dann wirds ganz schnell heißen "was interessiert mich mein Geschwätz von gestern" und man wird den Lobbyverbänden der anderen Seite folgen, da hier ja erstmal Arbeitsplätze und ganz viele tolle Dinge entstehen...
wenns läuft, dann läufts. Aber bis es läuft, dauerts...
MichaelWagner
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Re: Neue Rebfflächen

Beitrag von MichaelWagner »

so. Ich denke alles wurde gesagt, ausreichend Position bezogen. Von allen Seiten. Und nun lasst uns in Freunschaft ein Glas guten Wein trinken - wegen mir auch Bordeaux :D
wenns läuft, dann läufts. Aber bis es läuft, dauerts...
C9dP
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Re: Neue Rebfflächen

Beitrag von C9dP »

Du nimmst leider fälschlicherweise an, dass spanische Importware günstiger ist, weil sie günstiger produziert werden kann. Das ist leider falsch. Er wird nur unter Erzeugungskosten eingekauft weil niemand ihn nachfragt und die Entsorgung teurer wäre. Tolles Geschäft für die Kellerei, schlechtes für den spanischen Winzer.
Ich nehme in keinster Weise an, dass ein spanischer Erzeuger für diese Preise kostendeckend produziert. Ich nehme nur an, dass es schnuppe ist, ob ein spanischer Produzent seinen Kram für 30 Cent verscheuert oder ein englischer für 28 Cent.

Es wäre schön, wenn du für die ständig wiederholte Behauptung, dass die Fassweinware, aus der Discounterware hergestellt wird für die Produzenten von Qualitätsweinen lebensnotwendi ist auch mal anhand eines Beispiels mit konkreten Zahlen belegen könntest. Diesen Zusammenhang sehe ich immer noch nicht.

Das irgendwann vor 30 Jahren Steuergelder in die Trockenmauern gegangen sind ist zwar ärgerlich, aber es legitimert in keinster Weise, dass auch in Zukunft Subventionen in unrentable Weinbetriebe gesteckt werden. Denn eins ist in der Tat erwiesen: Durch diese Subventionen werden die schlechten und das Mittelmaß gefördert, aber nicht die guten Winzer.

Je länger ich darüber nachdenke wäre die einfachste Lösung folgende: Schrittweiser Abbau sämtlicher Subventionen innerhalb der nächsten Jahre und völlige EU-weite Freigabe aller Flächenbeschränkungen. Dann wird der Markt es relativ schnell regeln, dass unrentable Erzeuger vom Markt verschwinden und der Markt sich selber bereinigt. Ein Ergebnis wird sein, dass es steigende Preise geben wird, weil Produzenten vom Markt verschwinden, somit die Überproduktion zurückgeführt wird und jeder dauerhaft auch wirklich kostendeckend arbeiten muss, um zu überleben. Halt der Normalzustand in einer Marktwirtschaft.
Viele Grüße

Aloys
C9dP
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Re: Neue Rebfflächen

Beitrag von C9dP »

Die Idee mit dem Bordoh ist zwar gut, in Anbetracht des anstehenden Skiurlaubs wird es heute aber wohl ein Impressario oder nur der einfache BF Dürrau 2009 von Kerschbaum werden.
Viele Grüße

Aloys
MichaelWagner
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Re: Neue Rebfflächen

Beitrag von MichaelWagner »

Dass wir die Fassweinerzeuger brauchen lässt sich nicht mit exakten Zahlen belegen, sorry. Es sind auch nicht die Erzeuger selbst, sondern die Strukturen die durch die Branchengröße und den Umfang der Flächen geschaffen wurden, von denen auch die Spitze des Eisbergs profitiert. Da gehts um ganz praktische Dinge wie bspw.: Organisation des Pflanzenschutz, Nahversorger mit Weinbau & Kellereiartikeln, DLR, Forschungsanstalten, Hochschulen, Fachkräfteausbildung. Das ist alles futsch wenn 80% der Branche/Fläche wegfällt. In der Physik nennt man das denke ich kritische Masse. Aber keine Angst: wir spalten auch in Zukunft keine Kerne - wegen der Gerbstoffe :lol:

Die unrentablen Erzeuger verschwinden doch auch so. Warum noch zusätzliche in anderen Ländern aufbauen? Das ist mein Standpunkt.

Für einen schrittweisen Suventionsabbau (dann aber auch die verdeckten) bin ich zu haben. Für den Abwurf der Atombombe am 31.12.2015 nicht....

Also, Ski heil & Prosit!
wenns läuft, dann läufts. Aber bis es läuft, dauerts...
Blaufränkisch
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Re: Neue Rebfflächen

Beitrag von Blaufränkisch »

MichaelWagner hat geschrieben: es wird mit absoluter Sicherheit einen Run auf diese Flächen geben und es wird noch mehr sinnlos angepflanzt werden. Es gibt namhafte Konzerne die schon darauf warten bspw. den englischen Markt auf diese Weise zu versorgen. In Großbritannien sind die großen Abfüllanlagen schon in Betrieb. Im Moment müssen sie allerdings noch Fassware importieren. Und was denkt ihr was dann an europäischen Subventionsgeldern fließen wird für den Aufbau einer Sache die woanders schon nicht funktioniert.
Woher du die Sicherheit nimmst, dass es einen Run auf diese Flächen geben wird, ist mir absolut schleierhaft. Es gibt jetzt schon massenhaft Flächen mit Pflanzrechten in Ungarn und vor allem Rumänien, wo man vielleicht sogar trotz 30 Cent Faßweinpreis kostendeckend oder mit kleiner Spanne arbeiten könnte. Mir wäre allerdings noch keine Schwemme an solchen Weinen im deutsch-österreichischen LEH aufgefallen (und auch im englischen stehen sie wohl weit, weit hinter Australien). In Österreich haben wir - wie oben richtig zitiert - mehr als 10.000 Hektar ungenutzte Pflanzrechte und trotz mehrerer kleiner Ernten in Folge und einem Faßweinpreis von 1,30 Euro aufwärts gibt es keine außerordentliche Expansionswelle. Dass da und dort ausgepflanzt wird, ist klar. Dass sich einzelne Betriebe vergrößern auch. Dass sich dabei manche vergaloppieren werden ebenso. Was aber im Unterschied zu vor 20, 30 Jahren fehlt, sind die vielen, vielen, vielen Klein(st)betriebe, die zusammen enorme Flächen hatten, deren Markt (Flaschenwein auf niedrigem Niveau in Direktvermarktung, Faßwein- und Traubenverkauf auf dem Tagesmarkt) aber nicht mehr existiert. Wenn heute im größeren Stil gepflanzt wird, dann von relativ professionellen Betrieben und die sollen das meiner Meinung nach auch gerne auf ihr eigenes Risiko machen dürfen. Nachher um Förderungen jammern, wenn ihr Produkt keiner haben will, gilt aber nicht (wo ich allerdings in Kenntnis der französisch-spanisch-italienischen und auch ein wenig der eigenen Agrarpolitik ein gewisses Problem sehe).

Außerdem bin ich skeptisch, dass die englischen Abfüllanlagen unbedingt auf die europäische Weinmasse warten (und damit sozusagen Massenauspflanzungen provozieren). Warum sollten sie das tun, wenn sie auch jetzt schon unbegrenzt füllfertige Weine aus aller Herren Länder und Kontinente zu einem Spottpreis haben können? Oder anders gesagt, warum sollte jemand irgendwo in Europa hundertehektarweise Reben pflanzen, wenn sein einziges Geschäftsmodell das aus Ausdemmarktdrängen der chilenischen Faßware in England darstellt. Immerhin kostet das Auspflanzen ja auch Geld.

Das Geld zur Auspflanzung siehst du offenbar aus Brüssel fließen, aber ich bin diesbezüglich sehr skeptisch und verstehe auch nicht deinen Widerspruch, dass du meine Gedanken zur (Steillagen)förderung als utopisch ansiehst, gleichzeitig aber solche Geldströme quasi als fix annimmst.
Wo eine Bank Kredite gibt, da ist ein Weg auch die sinnlosesten Vorhaben zu verwirklichen. Und die Banken geben gerne im Moment...von daher ist der Anbaustopp sicherlich nicht die Ideallösung (es wird nicht bei dieser Lösung bleiben, es wird lediglich an einer besseren Lösung gearbeitet innerhalb der EU), die jetzige abrupte Aufhebung würde allerdings in der Katastrophe enden.
Dass die Banken in Zeiten von Basel III und verschärften Eigenkapitalvorschriften soo gerne geben - naja. Wie bereits geschrieben ist das Pflanzrechtesystem (ein "Anbaustopp" ist es ja real nicht, auch wenn du es so nennst) auf jeden Fall nicht nur keine Ideallösung, sondern gar keine Lösung. Insofern würde eine Aufhebung auch keine Katastrophe darstellen. Wir sind nicht mehr in den 60ern, 70ern und vielleicht noch 80ern, wo die Anzahl der europäischen Weinbauern ein Vielfaches höher war und jeder geprägt vom Wirtschaftswunder zwar nur kleine, in Summe aber riesige Flächen neu ausgepflanzt hat. Ohne professionelle kommerzielle Strategie und solange es nur irgendwie ging, bis der große Zusammenbruch kam (und dann leider um teures Geld jahrzentelang mit Zwangsdestillation, Rodeprämien, etc. verschleppt wurde).
Ich fahre bspw. jeden Tag durch ein teuer bezahltes Wegesystem mit Trockenmauern die für 100te von Millionen Euro vor gerade mal 30 Jahren errichtet wurden. Ja, da sind auch deutsche Steuergelder reingeflossen. Und nun lässt man alles vor die Hunde gehen, weil wir ja jetzt so schrecklich europäisch liberal sind und die Gleichheit & Brüderlichkeit nach Weinbergen am Nordpol verlangt. Obwohl wir eigentlich mehr als genug Wein produzieren und der dort dann auch noch nicht einmal günstiger wird als wer sowieso schon ist? Wo ist denn da der Vorteil?
Sag mal, glaubst du wirklich, dass du es noch erleben wirst, dass uns die Billigkonkurrenz aus England, Dänemark und Polen mit Millionen Hektolitern Billigfaßwein überschwemmen wird? Ehrlich? Ich will ja kein neues Faß aufmachen, aber auch wenn der Klimawandel die Bedingungen in den derzeitigen Weinbaugebieten verändert, halte ich es für die Masse der Rebfläche um einiges einfacher und preisgünstiger in bestehenden Lagen und Strukturen darauf zu reagieren, anstatt tausende Kilometer umzusiedeln.

Und was die Güterwege betrifft: Wie schon gesagt, mit vermeintlicher Strukturkonservierung via Pflanzrechten sind die nicht zu retten. Immerhin gehen sie ja auch schon jetzt vor die Hunde, weil viele Parzellen brach liegen. Wenn man da was machen will, dann geht das anders.
Es ist schön liberal zu sein und freie Märkte und Wettbewerb zu fördern, nur wenn alle anderen Marktteilnehmer Protektionismus födern, dann endet man auf dem Weg in der Sackgasse.
Da wäre interessant zu wissen, wer genau wo außerhalb Europas beim Wein den Protektionismus fördert. Bzw. falls du Europa meinst, warum du die früher angesprochenen staatlichen Monopole in Skandinavien als Protektionismus ansiehst. Es geht dort nämlich nicht um hohe Steuern für böse deutsche Weine, um die schwedische Eigenproduktion zu schützen. Alle haben eine gleich hohe Hürde und die Monopolverwaltung formuliert ihre Ausschreibungen mittlerweile nicht gegen die Konsumentennachfrage in Schweden. Manchmal schreiben sie deshalb sogar vergleichsweise hochpreisige Weinarten aus. Dass innerhalb der Preisspanne für die einzelnen Weine die günstigeren eine bessere Chance haben: No na.
Blaufränkisch: Mir ist schon klar, dass billiger Wein aus aller Welt auf den europäischen Markt drängt und der Anbaustopp nicht die letzte Lösung ist, aber deshalb sagen . Ist doch egal? Ich schliesse mich gerne einer Neuregelung an auf der deren Grundlage das alte System abgeschafft wird an. Aber erst will ich eine Neuregelung verabschieden. Die wird es nämlich nicht geben, wenn das alte System kippt. Dann wirds ganz schnell heißen "was interessiert mich mein Geschwätz von gestern" und man wird den Lobbyverbänden der anderen Seite folgen, da hier ja erstmal Arbeitsplätze und ganz viele tolle Dinge entstehen...
Hier werden wir uns wohl nicht einigen, denn ich finde nicht, dass es eine "Lösung" geben muß. Nicht ganz allerdings, denn man sollte wohl vor dem Auslaufen der Pflanzrechte den einzelnen Ländern die Möglichkeit geben, Gebiete zu definieren, in denen Weinstöcke zugelassen sind, und andere, wo das nicht der Fall ist. Das wäre im Sinne der Landschaftsgestaltung, aber auch im Sinne der Bewirtschafter, weil geschlossene Weinbaufluren in vielen Bereichen besser sind, als ein Weingartenfleckerlteppich im gesamten Bundesgebiet.

Was man ebenfalls tun sollte, wäre eine Einstellung der sogenannten Umstrukturierungsförderungen. Die erhält man derzeit - länderweise unterschiedlich gestaltet - für die Auspflanzung von Weingärten, wenn damit ein marktfähigeres Produkt erzeugt werden kann (also z.B. neue Sorten, höhere Pflanzdichten für bessere Qualität, höhere Laubwände im Erziehungssystem, etc.). Wäre irgendwie unfair, freies Auspflanzen (nochmals: ohne konkretes persönliches Eigeninteresse) und mehr Marktwirtschaft zu fordern und sich das dann auch noch fördern zu lassen ;)

Deinen letzten Satz verstehe ich übrigens nicht. Wo sollen Arbeitsplätze entstehen? In den tausenden neu gepflanzten Weingärten? Ich glaube du überschätzt deren Zahl, deren Wertigkeit und vor allem das EU-Interesse daran.

Ist lang geworden, sorry.

Bernhard
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