Moin,
über Charlies imho zutreffende Einschätzung hinaus finde ich diesen Schlusssatz aufschlussreich: "Sollten Sie neugierig geworden sein auf seine schroffen Weine ..."
OK, Spanier macht keine "Fruchtbomben", aber "schroff"? Das ist schon bemerkenswert: Offenbar hilft es mittlerweile bei einer Marktpositionierung, nicht nur die Abwesenheit von Gefallsucht zu betonen, sondern sogar deren Gegenteil offensiv hervorzuheben und dabei imho masslos zu übertreiben - 'mein Hund bellt nicht nur, der beißt auch'. 
Ich schrieb es hier im Forum schon an anderer Stelle, dass derzeit unter Weinfreaks in meiner Wahrnehmung schon fast ein Misstrauen gegenüber dem Wohlgeschmack Einzug gehalten hat. Ein bisschen kommt mir das vor wie eine verspätete Feuilletionisierung und Intellektualisierung des Weintrinkens, 40 Jahre nach dem deutschen Autorenfilm und 90 Jahre nach der Zwölftonmusik.  
Gruß
Guido
			
			
									
																
						Welt am Sonntag 27.03.11 - TERROIR
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				Bernd Schulz
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Re: Welt am Sonntag 27.03.11 - TERROIR
Da ist zweifelsohne etwas dran, Guido! Und den Vergleich mit der Zwöltonmusik finde ich sehr treffend, wobei übertriebene Reaktionen wie die völlige Verachtung des Wohlgeschmacks oder der Tonalität immer dann erfolgen, wenn auf der anderen Seite etwas Grundlegendes faul ist. Das gilt für die Musik des späten 19./frühen 20. Jahrhundert ebenso wie für die heute vorherrschende Art einer übermäßig manipulativen Weinbereitung.Ich schrieb es hier im Forum schon an anderer Stelle, dass derzeit unter Weinfreaks in meiner Wahrnehmung schon fast ein Misstrauen gegenüber dem Wohlgeschmack Einzug gehalten hat. Ein bisschen kommt mir das vor wie eine verspätete Feuilletionisierung und Intellektualisierung des Weintrinkens, 40 Jahre nach dem deutschen Autorenfilm und 90 Jahre nach der Zwölftonmusik.
Beste Grüße
Bernd
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Re: Welt am Sonntag 27.03.11 - TERROIR
Liebe Forianer!
Gerne können wir hier eine Terroir-Diskussion führen, wohl entweder unter Allgemeines Weinwissen oder bei Tendenzen im Weinbau. Dieser Artikel - da schließe ich mich einigen Vor-Schreibern an - dient wohl eher dem eigenen Marketing, denn der Terroir-Diskussion. Also lasse ich mein Statement dabei bewenden .
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													Gerne können wir hier eine Terroir-Diskussion führen, wohl entweder unter Allgemeines Weinwissen oder bei Tendenzen im Weinbau. Dieser Artikel - da schließe ich mich einigen Vor-Schreibern an - dient wohl eher dem eigenen Marketing, denn der Terroir-Diskussion. Also lasse ich mein Statement dabei bewenden
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 .MvG
(Mit vinophilen Grüssen)
Daniel
			
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- Gerald
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Re: Welt am Sonntag 27.03.11 - TERROIR
Also wie schon geschrieben kann ich die Grundaussage aus meinem - vor allem auf Österreich beschränkten - Erfahrungshorizont durchaus nachvollziehen. Ein Riesling Smaragd von Prager beispielsweise schmeckt vor allem einmal typisch nach dem Stil des Weingutes, egal ob er aus der Achleiten oder der - vom Boden her ganz anderen - Hollerin kommt. Jedenfalls sind da viel mehr Ähnlichkeiten als zwischen Pragers Achleiten und den Achleiten-Weinen anderer Winzer. So zumindest meine Beobachtung.
Aber man kann das natürlich nicht wirklich so betonen, da ansonsten die über Jahrhunderte (?) etablierte Art der Vermarktung über die Herkunft beschädigt wird. So gesehen kann man sich schon die Frage stellen, was der Autor mit dem Beitrag wirklich sagen möchte ...
Grüße,
Gerald
			
			
									
																
						Aber man kann das natürlich nicht wirklich so betonen, da ansonsten die über Jahrhunderte (?) etablierte Art der Vermarktung über die Herkunft beschädigt wird. So gesehen kann man sich schon die Frage stellen, was der Autor mit dem Beitrag wirklich sagen möchte ...
Grüße,
Gerald
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				Bernd Schulz
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Re: Welt am Sonntag 27.03.11 - TERROIR
Ganz sicher spielt die Handschrift des Winzers eine nicht zu unterschätzende Rolle!Ein Riesling Smaragd von Prager beispielsweise schmeckt vor allem einmal typisch nach dem Stil des Weingutes, egal ob er aus der Achleiten oder der - vom Boden her ganz anderen - Hollerin kommt
ABER umgekehrt habe ich bei etlichen Verkostungen mit Freunden auch die Erfahrung gemacht, dass sich bestimmte Lagen (Ürziger Würzgarten, Wehlener Sonnenuhr...) und bestimmte Lokalitäten (rund um Traben-Trarbach, Piesport, Rüdesheim....) blind erstaunlich gut herausfinden lassen (wir trinken, wenn wir uns treffen, die Weine nie offen, sondern betreiben immer ein fröhliches Ratespiel). Und witzigerweise kann man die Lagentypizität oder zumindestens den Ortscharakter (kurz: das Terroir
 ) unabhängig vom Winzer am besten bei den von Spanier als "schwachbrüstig" bezeichneten Weinen erschmecken, nämlich bei restsüßen Kabinetten und Spätlesen, wenn sie sich nicht noch im embryonalen Stadium befinden und einigermaßen vernünftig vinifiziert wurden.
 ) unabhängig vom Winzer am besten bei den von Spanier als "schwachbrüstig" bezeichneten Weinen erschmecken, nämlich bei restsüßen Kabinetten und Spätlesen, wenn sie sich nicht noch im embryonalen Stadium befinden und einigermaßen vernünftig vinifiziert wurden.Viele Grüße
Bernd
- Gerald
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Re: Welt am Sonntag 27.03.11 - TERROIR
Hallo Bernd,
Moselweine kenne ich leider fast nicht, aber bei dem Beispiel aus der Wachau ist die Achleiten ja auch eine sehr charakteristische und (oft) wiedererkennbare Lage, die sich durch gemüsig-kräuterige Noten bemerkbar macht (andere beschreiben es als "rauchig", aber wahrscheinlich meinen sie dasselbe).
Aber trotz dieser Wiedererkennbarkeit ist die typische Note ja nur ein kleiner Mosaikstein im Gesamtbild des Weines - und meiner Erfahrung nach sind viel mehr bzw. größere Mosaiksteine typisch für den Stil des Winzers als für die Lage. Aber mag schon sein, dass dieses Verhältnis an der Mosel umgekehrt ist ...
Grüße,
Gerald
			
			
									
																
						Moselweine kenne ich leider fast nicht, aber bei dem Beispiel aus der Wachau ist die Achleiten ja auch eine sehr charakteristische und (oft) wiedererkennbare Lage, die sich durch gemüsig-kräuterige Noten bemerkbar macht (andere beschreiben es als "rauchig", aber wahrscheinlich meinen sie dasselbe).
Aber trotz dieser Wiedererkennbarkeit ist die typische Note ja nur ein kleiner Mosaikstein im Gesamtbild des Weines - und meiner Erfahrung nach sind viel mehr bzw. größere Mosaiksteine typisch für den Stil des Winzers als für die Lage. Aber mag schon sein, dass dieses Verhältnis an der Mosel umgekehrt ist ...
Grüße,
Gerald
Re: Welt am Sonntag 27.03.11 - TERROIR
Hi there,
also was Terroir ist und was nicht, darüber sind schon Tausende von Seiten geschrieben worden ohne Aussicht auf Konsens. Macht auch nichts. Für mich jedenfalls bedeutet Terroir mehr als nur (geographische) Herkunft, Terroir inkludiert für MICH die Handschrift des Winzers unisono, seine jeweilige Interpretation der geographischen und klimatischen Gegebenheiten.
Die Quasi-"Verdammung" üppiger, fruchtbetonter, vordergründiger Weine im Zusammenhang mit Terroir kann ich nachvollziehen. Das heißt aber nicht, dass sie gut oder schlecht, richtig oder falsch ist, jeder Betrieb entwickelt seine Stilistik, die er und seine Kundschaft eben schätzt. Nicht überall gibt es Lagen, die schmeckbar sind, auch in Rheinhessen . Dass dennoch puristische, auf die Herkunft limitierte Weine mehr Lagencharakter besitzen als extrahierte Alkoholbomben, deren honigartige Frucht genau diesen Lagencharakter verdecken, liegt auf der Hand. Wobei bei vielen Fruchtbomben ohne Frucht am Ende nichts mehr übrigbleibt, auch keine Herkunft.
 . Dass dennoch puristische, auf die Herkunft limitierte Weine mehr Lagencharakter besitzen als extrahierte Alkoholbomben, deren honigartige Frucht genau diesen Lagencharakter verdecken, liegt auf der Hand. Wobei bei vielen Fruchtbomben ohne Frucht am Ende nichts mehr übrigbleibt, auch keine Herkunft.
Ciao
Peter
			
			
													also was Terroir ist und was nicht, darüber sind schon Tausende von Seiten geschrieben worden ohne Aussicht auf Konsens. Macht auch nichts. Für mich jedenfalls bedeutet Terroir mehr als nur (geographische) Herkunft, Terroir inkludiert für MICH die Handschrift des Winzers unisono, seine jeweilige Interpretation der geographischen und klimatischen Gegebenheiten.
Die Quasi-"Verdammung" üppiger, fruchtbetonter, vordergründiger Weine im Zusammenhang mit Terroir kann ich nachvollziehen. Das heißt aber nicht, dass sie gut oder schlecht, richtig oder falsch ist, jeder Betrieb entwickelt seine Stilistik, die er und seine Kundschaft eben schätzt. Nicht überall gibt es Lagen, die schmeckbar sind, auch in Rheinhessen
 . Dass dennoch puristische, auf die Herkunft limitierte Weine mehr Lagencharakter besitzen als extrahierte Alkoholbomben, deren honigartige Frucht genau diesen Lagencharakter verdecken, liegt auf der Hand. Wobei bei vielen Fruchtbomben ohne Frucht am Ende nichts mehr übrigbleibt, auch keine Herkunft.
 . Dass dennoch puristische, auf die Herkunft limitierte Weine mehr Lagencharakter besitzen als extrahierte Alkoholbomben, deren honigartige Frucht genau diesen Lagencharakter verdecken, liegt auf der Hand. Wobei bei vielen Fruchtbomben ohne Frucht am Ende nichts mehr übrigbleibt, auch keine Herkunft.Ciao
Peter
					Zuletzt geändert von pivu am Di 29. Mär 2011, 11:23, insgesamt 1-mal geändert.
									
			
																
						Re: Welt am Sonntag 27.03.11 - TERROIR
Hallo Gerald,
die Lagencharakteristik zeigt nicht zwingend bei jungen Weinen, sondert bildet sich erst im Laufe der Reifung voll heraus. Was für den Riesling gilt, trifft z.B. auch für Bordeaux zu. Es ist schon manchmal erstaunlich, wie sich die Herkunft im Laufe der Zeit (bei gut vinifizierten Weinen) sensorisch zunehmend durchsetzt.
Grüße
Hartmut
			
			
									
																
						die Lagencharakteristik zeigt nicht zwingend bei jungen Weinen, sondert bildet sich erst im Laufe der Reifung voll heraus. Was für den Riesling gilt, trifft z.B. auch für Bordeaux zu. Es ist schon manchmal erstaunlich, wie sich die Herkunft im Laufe der Zeit (bei gut vinifizierten Weinen) sensorisch zunehmend durchsetzt.
Grüße
Hartmut
Re: Welt am Sonntag 27.03.11 - TERROIR
Hallo Harti,
den Faden will ich gleich mal aufnehmen: bildet sich die Lagencharekteristik erst aus oder bleibt sie übrig, wenn die Schminke (in Form von Primärfrucht) erst ab ist? Beides ist wohl richtig, und bei HO ist diese ihn "störende" Primärfrucht erst gar nicht da. Wobei bestimmte primärfruchtige Komponenten definitiv zur Lage gehören und damit Terroircharakter haben, ich nenne mal Bürklins 'Kirchenstück' beispielhaft.
Ciao
Peter
			
			
									
																
						den Faden will ich gleich mal aufnehmen: bildet sich die Lagencharekteristik erst aus oder bleibt sie übrig, wenn die Schminke (in Form von Primärfrucht) erst ab ist? Beides ist wohl richtig, und bei HO ist diese ihn "störende" Primärfrucht erst gar nicht da. Wobei bestimmte primärfruchtige Komponenten definitiv zur Lage gehören und damit Terroircharakter haben, ich nenne mal Bürklins 'Kirchenstück' beispielhaft.
Ciao
Peter
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				Bernd Schulz
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Re: Welt am Sonntag 27.03.11 - TERROIR
Moselweine kenne ich leider fast nicht, aber bei dem Beispiel aus der Wachau... 
Ich wiederum kenne mich mit Österreichern überhaupt nicht aus. So argumentiert halt jeder auf der Grundlage seiner subjektiven Erfahrungen....
bildet sich die Lagencharekteristik erst aus oder bleibt sie übrig, wenn die Schminke (in Form von Primärfrucht) erst ab ist?
Eine wiedererkannbare Lagencharakteristik finde ich meistens nur in zumindestens etwas gereiften Weinen. Und wie gesagt oft in eher nicht vollfetten Exemplaren. Deshalb halte ich den "Lagenverbrauch" in Verbindung mit der GG-Politik auch für ausgemachten Nonsens. Gar nicht so selten transportiert der Kabinett (in trocken oder restsüß) den Lagencharakter eher als das Große Gewächs oder die Auslese.
Beste Grüße
Bernd
			
			
									
																
						Ich wiederum kenne mich mit Österreichern überhaupt nicht aus. So argumentiert halt jeder auf der Grundlage seiner subjektiven Erfahrungen....
bildet sich die Lagencharekteristik erst aus oder bleibt sie übrig, wenn die Schminke (in Form von Primärfrucht) erst ab ist?
Eine wiedererkannbare Lagencharakteristik finde ich meistens nur in zumindestens etwas gereiften Weinen. Und wie gesagt oft in eher nicht vollfetten Exemplaren. Deshalb halte ich den "Lagenverbrauch" in Verbindung mit der GG-Politik auch für ausgemachten Nonsens. Gar nicht so selten transportiert der Kabinett (in trocken oder restsüß) den Lagencharakter eher als das Große Gewächs oder die Auslese.
Beste Grüße
Bernd



