Noch ein paar Gedanken dazu. Von nachgewiesener Flaschenvarianz kann man nur dann reden, wenn man zeitgleich vom selben Wein aus mehreren Flaschen verkosten kann. Die Möglichkeit ergibt sich regelmäßig nur bei größeren Verkostungen, bei denen wegen der Anzahl der Personen jeweils mehrere Flaschen aufgezogen werden. Außerdem kann man, wenn eine Flasche nicht "richtig" performt, eine Konterflasche aufziehen, wenn denn eine zur Verfügung steht und man diese opfern möchte. Eigentlich kann man nur in diesen beiden Situationen bei beobachteten Unterschieden mit Sicherheit von Flaschenvarianz reden.
Bei Verkostungen mit zeitlichem Abstand gibt es eine wesentlich näher liegende Erklärung für vermeintliche Unterschiede zwischen zwei Flaschen: die "Varianz des Verkosters". Unterschiedliche Tagesform ist immer möglich, und ganz besonders wichtig ist ein unterschiedlicher Kontext. Wurde vorher schon etwas anderes getrunken? Gab es etwas Essen zum Wein? Auch Wetter und Stimmung können das Ergebnis beeinflussen.
Im Übrigen: es gibt genügend Evidenz, dass selbst geschulte und geübte Verkoster ihre eigene Bewertung im 100-Punkte-Schema nicht besser als ±3 Punkte reproduzieren können. Schon eine geänderte Probenreihenfolge führt zu abweichenden Ergebnissen.
Man muss aufpassen, unterschiedliche Eindrücke vom selben Wein nicht automatisch auf Flaschenvarianz zu schieben. Gerade bei jüngeren Weinen (und 2021 ist noch jung) ist echte Varianz doch eher selten, wenn mal vom Verschlussphänomen bei manchen Rotweinen absieht.
Gruß
Ulli
@Ollie: Kreuzpost