Absatzprobleme im Bordeaux

Medoc und seine Appellationen, Bourg und Umgebung, Fronsac, Pomerol, Saint Emilion und Umgebung, Entre Deux Mers, Graves und Pessac-Leognan, Sauternes und Co.
Benutzeravatar
Dominik Mueller
Beiträge: 210
Registriert: Sa 8. Jul 2023, 17:48
Wohnort: Deutschland
Kontaktdaten:

Re: Absatzprobleme im Bordeaux

Beitrag von Dominik Mueller »

Kommt schon, Leute. Wir wissen doch, was gemeint ist. Danke an Udo für den Artikel, den ich sonst nicht gelesen hätte. An anderer Stelle wurde ja auch passender mit "Abkehr vom Rotwein" übersetzt, und da bin ich d'accord.

Dem Grundtenor des Artikels kann man wohl kaum widersprechen. Die jüngsten Generationen haben zwar auch Wein für sich entdeckt, trotz insgesamt geringerem Alkoholkonsum. Aber es geht eben mehr um Weiß-, Rosé- und Orange-Weine. Da ist etwas in Gange und die Bdx Châteaux werden gut daran tun, wenn sie nach Wegen suchen, junge Menschen für ihre (roten) Erstweine zu begeistern. Eine große Aufgabe, kann ein angestaubtes Image doch nicht über Nacht aufpoliert oder angepasst werden.
mixalhs
Beiträge: 1816
Registriert: Mi 7. Sep 2011, 11:29

Re: Absatzprobleme im Bordeaux

Beitrag von mixalhs »

"Abkehr" trifft es besser als "Abneigung" aber auch dafür hätte ich einen stärkeren Rückgang des Konsums als um drei Prozentpunkte von knapp über 50 auf knapp unter 50 Prozent in mehr als 20 Jahren erwartet. Wie auch immer, ich kann's nachvollziehen, dass weniger Rotwein getrunken wird. Wenn's warm ist, trinke ich auch lieber weiß als rot, und dass es klimawandelbedingt immer wärmer wird, ist ja wohl nicht mehr von der Hand zu weisen.

Spannender ist aber - und darum geht's in dem Times-Artikel ja auch - der Rückgang der Nachfrage nach teurem Bordeaux. Ja, die chinesische Wirtschaft boomt seit Corona nicht mehr so wie davor. Das erklärt einiges, aber nicht alles. War die Preisentwicklung der letzten zehn bis zwanzig Jahre vielleicht nicht nur von Konsumwünschen getrieben, sondern auch von spekulativen Erwartungen? Erleben wir das Platzen einer spekulativen Blase? Das kann man wahrscheinlich jetzt noch nicht sagen, sondern erst, wenn die Preise wirklich im Keller sind.

Wenn ich mir die Preise gereifter Bordeauxweine anschaue, die jetzt gut zu trinken sind, und sie mit den Subs-Preisen der letzten Jahre vergleiche, sehe ich eigentlich keine großen Potenziale für spekulative Gewinne. Vielleicht irre ich mich ja auch, aber diese Frage sollten eher diejenigen beantworten, die sich heute teuerste Weine in den Keller legen, die vielleicht in 15 bis 20 Jahren, vielleicht auch noch später, ihren Höhepunkt erreicht haben werden. Ich selbst habe gestern einen großartigen 1982er Palmer aufgemacht, den ich im April zu einem Preis ersteigert habe, der mit Mwst und Auktionsgebühren dann bei knapp über 50% des 2022er Subs-Preises lag.
Zuletzt geändert von mixalhs am Mi 17. Jul 2024, 10:27, insgesamt 1-mal geändert.
JPO
Beiträge: 105
Registriert: Sa 15. Jul 2023, 15:02
Wohnort: Schleswig-Holstein

Re: Absatzprobleme im Bordeaux

Beitrag von JPO »

wegen China: ab 2013 lief eine Antikorruptionskampagne, in Folge dessen verringerte sich der Import und Verkauf von Luxusgütern erheblich, da sind sicherlich auch teure Bordeauxweine von betroffen, und China's Appetit nach teuren ausländischen Weinen dürfte seitdem gedämpft sein unabhängig von der Konjunkturentwicklung. Ob dies aber Einfluss hat auf die derzeitige Krise, oder ob die derzeitige Panik nicht der vorläufige Höhepunkt einer schleichenden Entwicklung der letzten Jahre ist? Dazu müsste man die Absatzstatistiken der Top-Chateaux der letzten 10 Jahre kennen. Haben die Weingüter es jahrelang geschafft, durch Preiserhöhungen einen mengenmässigen Absatzrückgang zu kaschieren, bis der Bogen überspannt war?
Benutzeravatar
UlliB
Beiträge: 5020
Registriert: Mo 6. Dez 2010, 18:27

Re: Absatzprobleme im Bordeaux

Beitrag von UlliB »

Ich denke, es gibt für die Absatzprobleme nicht die eine Ursache - da gibt es ein ganzes Bündel von Faktoren, die dazu beitragen. Eine geringfügige Verschiebung des Weinkonsums von rot zu weiß bzw. rosé dürfte da eher das geringste Problem sein.

Im Grunde kann es dem Weinkonsumenten doch völlig egal sein, wenn man nicht gerade in der Hoffnung auf weiter steigende Preise hoch investiert ist und die Weine weiter verkaufen möchte. Es mag eine Marktbereinigung geben, vielleicht sogar einen regelrechten Crash, aber deswegen wird Bordeaux nicht völlig vom Weinmarkt verschwinden. Weder der teure noch die Basisqualitäten.

Im Übrigen sind Absatzprobleme bei Wein durchaus ein globales Problem. Dass diese bei Bordeaux eine besonders hohe Aufmerksamkeit bekommen, liegt zum Einen an der schieren Größe des Gebietes, zum anderen an spezifischen Marktgegebenheiten: bei den hochwertigen Weinen kulminiert der Absatz zu einem einzigen Zeitpunkt im Jahr und bekommt dann entsprechend hohe mediale Aufmerksamkeit.

Anderswo wird leise gestorben. In Chile ist die Anbaufläche in nur fünf Jahren um 20% zurückgegangen. So sieht das aus, wenn es keine staatlichen Subventionen gibt, die unwirtschaftliche Betriebe über Wasser halten. Und schreiben tut da auch keiner drüber.

Gruß
Ulli
Benutzeravatar
ledexter
Beiträge: 505
Registriert: Mo 14. Mär 2016, 11:54

Re: Absatzprobleme im Bordeaux

Beitrag von ledexter »

Wobei man schon zugeben muss, dass Bordeaux von vielen Weinkarten in Restaurants verschwunden ist. Ich habe sogar das Gefühl, dass zeitgemäße Restaurants sogar bewusst Bordeaux meiden, da es zu dem angestaubten alten Image von Feinschmeckerrestaurants der 80er gehört, dem man sich widersetzen möchte. Auf Burgund können sich hingegen immer noch alle einigen.
Benutzeravatar
Dominik Mueller
Beiträge: 210
Registriert: Sa 8. Jul 2023, 17:48
Wohnort: Deutschland
Kontaktdaten:

Re: Absatzprobleme im Bordeaux

Beitrag von Dominik Mueller »

Jemand, der das so in seinem Restaurant lebt (obwohl privat keine Abneigung gegen klassische Bordeaux), ist Billy Wagner vom Nobelhart. Kommt sicher auf das Konzept im Restaurant an. Hip und innovativ ist halt nichts, das man direkt mit Bordeaux verbindet. (Wohl aber auf den zweiten Blick, denn da ändert sich schon manches!)

Alles tolle Beobachtungen von euch. Ja, die Branche hat global zu kämpfen. Es trifft alle, aber besonders stark die kleinen Betriebe. In allen Regionen wird wohl Rebfläche verschwinden. Die heißen und teils trockenen Jahre werden auch nicht geholfen haben. Ich denke aber, dass das mit einer Konsolidierung, wie in anderen Branchen, vergleichbar ist. Am Ende bleiben die großen Betriebe und einzelne, gefragte Spezialisten übrig. Etwas vereinfacht gesagt, aber wirkt auf mich in der Tendenz so.
Benutzeravatar
UlliB
Beiträge: 5020
Registriert: Mo 6. Dez 2010, 18:27

Re: Absatzprobleme im Bordeaux

Beitrag von UlliB »

ledexter hat geschrieben: Mi 17. Jul 2024, 11:36 Wobei man schon zugeben muss, dass Bordeaux von vielen Weinkarten in Restaurants verschwunden ist. Ich habe sogar das Gefühl, dass zeitgemäße Restaurants sogar bewusst Bordeaux meiden, da es zu dem angestaubten alten Image von Feinschmeckerrestaurants der 80er gehört, dem man sich widersetzen möchte.
Ich sehe da weniger das zweifellos vorhandene Imageproblem als Ursache, sondern viel eher die Tatsache, dass roter Bordeaux zu den momentanen kulinarischen Trends in der gehobenen Gastronomie - fermentiert, roh oder fast roh, vegan - wenig bis gar nicht passt.

Dazu kommt, dass die wirtschaftliche Situation in der Gastronomie es nicht erlaubt, sich teure Weine hinzulegen. Das betrifft auch das gehobene und Top-Segment; im etwas weiteren Umkreis von meinem Heimatort haben in den letzten zwei Jahren gleich mehrere besternte Betriebe die Grätsche gemacht. Was da vorher angeboten wurde, waren mit wenigen Ausnahmen Weine, die im Einkauf unter 20 Euro netto gekostet haben. Da läuft bei gutem Bordeaux nicht so viel.

Gruß
Ulli
Benutzeravatar
Gerald
Administrator
Beiträge: 7777
Registriert: Do 24. Jun 2010, 08:45
Bewertungssystem: Auf Benutzername klicken
Wohnort: Wien

Re: Absatzprobleme im Bordeaux

Beitrag von Gerald »

Ich lese ganz gerne die Onlineausgaben von französischen und italienischen Zeitungen - und da liest man schon öfters, dass einerseits vor allem die jüngere Generation immer weniger Interesse an Wein hat. Und andererseits in der Rubrik "Gesund leben", dass man vom Alkohol am besten ganz die Finger lassen sollte - statt wie früher den moderaten Konsum zu empfehlen. Ist vielleicht ja nur ein Stimmungsbild, aber wenn sich hier nichts grundlegend ändert, ist Weinbau wohl eindeutig am absteigenden Ast. Natürlich wird es Nischenmärkte immer geben und manche Weingüter werden bestimmt weiter gut davon leben können. Für den überwiegenden Teil der Betriebe könnte es aber wohl sehr schwer werden - nicht nur für die Rotweinproduzenten.

Grüße
Gerald
Benutzeravatar
ledexter
Beiträge: 505
Registriert: Mo 14. Mär 2016, 11:54

Re: Absatzprobleme im Bordeaux

Beitrag von ledexter »

UlliB hat geschrieben: Mi 17. Jul 2024, 12:19 Ich sehe da weniger das zweifellos vorhandene Imageproblem als Ursache, sondern viel eher die Tatsache, dass roter Bordeaux zu den momentanen kulinarischen Trends in der gehobenen Gastronomie - fermentiert, roh oder fast roh, vegan - wenig bis gar nicht passt.
Das mit den modernen internationalen Koch Trends kommt natürlich dazu, da wären noch asiatische und arabische Einflüsse zu nennen (Gewürze, Chili, Ingwer etc), und speziell noch japanische Aromen (Sojasoße, purer Geschmack). Und, dass ein Geschmacksbild oft um die Richtungen süß, sauer, scharf ergänzt wird, was leider alles mit Bordeaux clashed. Obendrauf noch, dass oft Herkunft und Regional groß geschrieben wird, in USA trinkt man jetzt vorwiegend heimisch, in Portugal, Spanien, Chile oder Australien gilt das selbe. Und das war in der Spitzengastronomie früher oft anders, bzw hat sich auch die Qualität in vielen Regionen enorm verbessert.
Benutzeravatar
UlliB
Beiträge: 5020
Registriert: Mo 6. Dez 2010, 18:27

Re: Absatzprobleme im Bordeaux

Beitrag von UlliB »

Gerald hat geschrieben: Mi 17. Jul 2024, 12:41 Ich lese ganz gerne die Onlineausgaben von französischen und italienischen Zeitungen - und da liest man schon öfters, dass einerseits vor allem die jüngere Generation immer weniger Interesse an Wein hat. Und andererseits in der Rubrik "Gesund leben", dass man vom Alkohol am besten ganz die Finger lassen sollte - statt wie früher den moderaten Konsum zu empfehlen. Ist vielleicht ja nur ein Stimmungsbild, aber wenn sich hier nichts grundlegend ändert, ist Weinbau wohl eindeutig am absteigenden Ast. Natürlich wird es Nischenmärkte immer geben und manche Weingüter werden bestimmt weiter gut davon leben können. Für den überwiegenden Teil der Betriebe könnte es aber wohl sehr schwer werden - nicht nur für die Rotweinproduzenten.
Was Du schreibst, ist richtig. Man sollte mal nach "Weinkonsum(ent) + Altersstruktur" googeln - die Ergebnisse sind da für alle entwickelten Länder ähnlich.

In Deutschland trinken zwei Drittel der 16- bis 30-jährigen überhaupt keinen Wein. Ein großer Teil des gehandelten Weins (nach allen mir bekannten Studien über 60%) wird von der Boomer-Generation und noch älteren getrunken. In Frankreich scheint diese Tendenz noch etwas drastischer zu sein, Zitat aus Wein+:
Das Durchschnittsalter der Weinkonsumenten in Frankreich wird immer höher. Das ist das Ergebnis einer vom Beratungsunternehmen Kantar durchgeführten Studie. So hat im Jahr 2021 die Altersgruppe der 65-jährigen und Älteren 44 Prozent der Stillweine in Frankreich konsumiert. Das bedeutet einen Anstieg um 11 Prozentpunkte in zehn Jahren. In der Gruppe der 50- bis 64-jährigen ging hingegen der Konsum in zehn Jahren um 7 Prozent auf 34 Prozent zurück. Der Anteil der Verbraucher unter 35 blieb mit 6 Prozent gegenüber 7 Prozent vor zehn Jahren und der Anteil der Altersgruppe 35 bis 49 mit 17 Prozent gegenüber 19 Prozent schwach stabil.
Nun ist es zwar so, dass der Weinkonsum bei Älteren schon immer ausgeprägter war als bei den Jüngeren - manche Leute wechseln erst irgendwann nach Dreißig von Bier, Longdrinks oder harten Alkoholika zu Wein. Aber alleine die demographische Entwicklung sorgt dafür, dass nicht genügend Weintrinker nachkommen, um den absehbaren Abgang derjenigen zu kompensieren, die momentan einen Großteil des Weines konsumieren.

Dazu kommt bei Jüngeren völlige Abstinenz als Trend. Wer mit Mitte 20 Bier trinkt, wird vielleicht irgendwann zu Wein übergehen - wer aber in dem Alter ganz "trocken" ist, wird das voraussichtlich für den Rest des Leben auch bleiben.

Es ist außerdem abzusehen, dass von staatlicher Seite die Repressionen gegen Alkoholkonsum zunehmen werden - da darf man schon gespannt sein, was da noch passieren wird.

Alles in allem: der seit einem Jahrzehnt anhaltende Trend, dass der globale Weinkonsum sinkt, wird sich noch beschleunigen. Um eine erhebliche Konsolidierung wird die Branche nicht herumkommen, und diese Konsolidierung wird nicht nur Bordeaux betreffen.

Gruß
Ulli
Antworten

Zurück zu „Bordeaux und Umgebung“