out, megaout, Bordeaux. Ein Weinbaugebiet in der Imagekrise

Medoc und seine Appellationen, Bourg und Umgebung, Fronsac, Pomerol, Saint Emilion und Umgebung, Entre Deux Mers, Graves und Pessac-Leognan, Sauternes und Co.
bordeauxlover
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Re: out, megaout, Bordeaux. Ein Weinbaugebiet in der Imagekr

Beitrag von bordeauxlover »

Hallo Ollie,

klasse Beitrag! 200% einverstanden! :D

LG Armin,

der mit Bier und restsüßen Moselweinen aufgewachsen ist, bis zu seinem 32. Lebensjahr gar keinen Rotwein mochte, dann roten Bordeaux als erste große Weinliebe entdeckt hat und bis heute (20 Jahre später) dabei geblieben ist (trotz vieler toller anderer Weinentdeckungen rund um den Globus)

P.S.: Ich bin bis heute nicht auf die Idee gekommen, auch nur eine einzige Flasche 2007er Bordeaux zu kaufen. Wozu? :mrgreen:
Armin
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UlliB
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Re: out, megaout, Bordeaux. Ein Weinbaugebiet in der Imagekr

Beitrag von UlliB »

Ollie hat geschrieben:Burgund ist eine schoene Liebe, aber Bordeaux ist Vernunft.
Wo ist hier der "Like"-Button? Hier könnte ich den wirklich mal gebrauchen :D

Ollie,

rede mal mit ein paar Weinhändlern. Zumindest in D ist die Bordeaux-Krise nicht nur eingebildet, sondern Realität. Das zeigt sich nicht nur in drei mehr oder minder komplett gescheiterten Primeurkampagnen in Folge, sondern auch in der Nachfrage nach lieferbaren Weinen. Und dass sich ein sehr großer Händler am Standort Bordeaux (Millesima) mittlerweile in alle denkbaren Richtungen diversifiziert, ist der Absatzkrise geschuldet, und nicht einer plötzlich entstandenen Liebe zu Burgundern, Rhone-Weinen und zuletzt sogar zu Italienern.

Dass es sich hierbei meiner Meinung nach um ein vorübergehendes Phänomen handelt, habe ich schon weiter oben geschrieben. Wie ein Freund meinte, der mich vor über 30 Jahren mit Bordeaux infiziert hat: früher oder später landet jeder, der sich ernsthaft für Rotwein interessiert, bei Bordeaux :lol:

Gruß
Ulli
Matthias Hilse
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Re: out, megaout, Bordeaux. Ein Weinbaugebiet in der Imagekr

Beitrag von Matthias Hilse »

Hallo aus dem sonnigen Rheinhessen,
"
"Hallo zusammen,

interessante Diskussion, deren Grundlage ich allerdings nicht ganz verstehe. Worauf basiert denn die hier offenbar allgemein geteilte Einschaetzung, die Boom-Phase des Bordelais sei um..."(Ollie)


die Basis in Form einer Anregung könnte ein mailing eines Kölner Kollegen gewesen sein, das den Ball so platziert hat, dass Bordeaux gut zum Superlativ einer negativen Reihung taugt. Ich finde Ihre Analyse brillant, und es bereitet viel Freude, den Argumenten zu folgen. Gleichwohl meine ich, dass Wolf's Intention Züge einer Apophasis trägt.

"1. "Junge Menschen trinken kein Bordeaux mehr."

Junge Menschen haben noch nie Bordeaux getrunken. ..."(Ollie)


Wenn Bordeaux ein Kulturgetränk ist und "Kultur" nicht einfach so da ist, sondern es einer Erziehung dazu bedarf (im aristotelischen Sinn ist die Aufgabe der Erziehung, das Angenehme schmecken zu lernen), dann ist Bordeaux selten der Ausgangspunkt vinophiler Sozialisation.

"2. "Junge Menschen interessieren sich eher fuer Burgund als fuer BDX." ..."(Ollie)

Wenn Bordeaux als das "Establishment" angesehen wird, gibt es für juvenile Weinkäufer gute Gründe, hier eher als in Burgund den Muff zu vermuten; Burgund ist ausserdem so schön unübersichtlich, dass man permanent ein neues Grunztier daraus durch die Gazetten treiben kann - und nur darauf kommt es doch oft an.

"3. "Bordeaux ist zu teuer."

Keine Ahnung, ob und wann Bordeaux jemals ein vernueftiges PLV hatte. Seit ich denken kann, schimpfen die Konsumenten auf die Preise - um dann doch zu kaufen. ..."(Ollie)


Meist wird ja "Teuer-Sein" mit "einen hohen Preis haben" verwechselt. Von den vielen Chateaux, die es in Bordeaux gibt, wird man Mühe haben, auch nur einem einzigen Prozent davon zu attestieren, sie seien teuer. Die Preisklasse bis 15 EUR ist ausserhalb der Subskription sicherlich ein Segment, in dem andere Regionen oder Länder besser punkten. Zwischen 20 und 30 EUR sieht das aber schon ganz anders aus.

Wäre Bordeaux wirklich zu teuer, hätte es den Hype besonders um die Subskription 2009 garnicht geben dürfen. Wir jedenfalls hatten gerade bei den im Verdacht Stehenden (Weine jenseits 100 EUR) stellenweise die 20-fache Nachfrage.

"4. "Ja, aber der Preisanstieg in den letzten Jahren war unverschaemt."

Nix fuer ungut, aber wer zwei Kisten subst, um mit dem Verkauf der einen die andere zu finanzieren, ist nicht nur ein Teil des Problems, sondern ziemlich vollstaendig das Problem. Irgendjemandem naemlich war der Wein auch nach der saftigen Preissteigerung das Geld noch wert. Das heisst: Das Geld war immer schon da und wurde willig hingeblaettert; die Erzeuger haben ueber die Jahre lediglich die Preisschere zwischen primaerem und sekundaerem Markt geschlossen. Das wiederum heisst: Das Geld ist immer noch weg, es hat nur jemand anderes.
..."(Ollie)


Wenn die Preise sich so entwickelt hätten, dass dem Endkunden immer noch die Rolle des Arbitrageurs, der die Lücke zwischen den Primär- und den Sekundärmärkten nivellieren kann, verblieben wäre, würden das nur noch diejenigen behaupten, die da etwas verschlafen haben.

"5. Bordeaux steht am Rande einer Krise.(...)

Fuer die meisten Weingueter ist preislich das Ende der Fahnenstange erreicht, oder zumindest sind die Preise schon sehr nah am Limit dran. Erst wenn die 2009er und 10er in ihre Trinkreife kommen, und falls sie am Sekundaermarkt heftig nachgefragt werden (so ab 2030/35), ..."(Ollie)



Bordeaux steht nicht nur, sondern ist bereits dort in einer Krise, wo es den Erzeugern nicht gelungen ist, die gerade von den oft so gescholtenen Ikonenbetrieben in Gang gebrachte Gleichung: "weniger Quantität bei höherer und nachhaltiger Qualität = (potentiell) höhere Preise" umzusetzen.

"Unterm Strich sehe ich keinen Grund, Bordeaux abzuschreiben.

..."(Ollie)


Wenn mich meine Beobachtungen nicht täuschen, dann hat der Markt bereits seinen Zenit, den er in der irrigen Annahme spekulativ erreichte, jeder reiche Chinese (man ergänze nach Belieben "Inder, Brasilianer...etc") sei ein "geborener" Bordeauxtrinker, überschritten. Wenn erst einmal die Weine, die in angelsächsischen Fonds der Marktflutung durch liquiditätsbegierige Investoren harren, mit ins Spiel kommen, könnte es lustig werden.

Überdies darf man Eines nicht vergessen: ohne Robert Parker, der das Sprachrohr der globalen Weinkritik war und dessen Urteile Preise manifest veränderten, hat die Option, die der Subskriptionshändler seinem Kunden anbietet, einen geringeren inneren Wert. Wenn die führenden Chateaux diesen Mechanismus verstehen, werden sie die richtigen Schlüsse daraus ziehen und mit ihrer Preisgestaltung schon recht bald zeigen, dass Tot-Sein anders geht.

Zum Schluß sollte aber auch dies nicht unerwähnt bleiben: die Struktur des inländischen Bordeauxhandels ist wenig innovativ und trägt der Bedeutung der Region nur in ganz seltenen Fällen Rechnung. Mir würden mehr als zwei Handvoll Bordeaux einfallen, die für das Stigma des Elitären nichts taugen, die grandios sind, die aber in Deutschland kaum zu haben sind. Warum? Weil es kaum Kritiker gibt, die sie bewerten.

Ich habe es jedenfalls noch keine Sekunde bereut, einen reinen Bordeaux-Auftritt lanciert zu haben.

Herzliche Sonntagsgrüße,
Matthias Hilse
Matthias Hilse
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Re: out, megaout, Bordeaux. Ein Weinbaugebiet in der Imagekr

Beitrag von Matthias Hilse »

UlliB hat geschrieben:

... Und dass sich ein sehr großer Händler am Standort Bordeaux (Millesima) mittlerweile in alle denkbaren Richtungen diversifiziert, ist der Absatzkrise geschuldet, und nicht einer plötzlich entstandenen Liebe zu Burgundern, Rhone-Weinen und zuletzt sogar zu Italienern....

Ulli
Man müsste hier jetzt unterscheiden zwischen "Bordeaux" und "Place de Bordeaux". Wenn Millesima sein Sortiment in die europäische Peripherie ausweitet, hat das auch damit zu tun, dass mittlerweile eben auch Rhôneweine, Italiener und was sonst noch über den Platz Bordeaux gehandelt werden.

Dazu ein Beispiel: früher bekam man als Beaucastel-Händler in den Jahren, in denen es einen Hommage a Jacques Perrin gab, ein paar Flaschen in Relation zu der Größenordnung, in der man sich für die Perrins engagiert hat, angeboten. Seit ein paar Jahren haben die das komplett entkoppelt. Den Hommage kaufe ich jetzt in Bordeaux, und niemanden kümmert es, ob ich auch nur eine Flasche deren sonstiger Weine im Sortiment habe.

Sollte Bordeaux tatsächlich so knietief in der Krise sein, wie man das nach der Lektüre dieses Threads vermuten darf, dann befindet sich der "Place de Bordeaux" in einem entsprechenden Aufwind.

Herzliche Grüße,
Matthias Hilse
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UlliB
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Re: out, megaout, Bordeaux. Ein Weinbaugebiet in der Imagekr

Beitrag von UlliB »

Matthias Hilse hat geschrieben: Gleichwohl meine ich, dass Wolf's Intention Züge einer Apophasis trägt.
Hallo Herr Hilse,

auch nachdem ich den Begriff "Apophasis" auf Wikipedia nachgeschlagen habe (ich hatte den zugegebenermaßen noch niemals vorher gehört), weiß ich nicht, was Sie damit eigentlich sagen wollen. Ist aber auch egal, denn ich gehe mittlerweile davon aus, dass Sie mit ihren schriftlichen Äußerungen nicht wirklich verstanden werden möchten.

Glücklicherweise tut das Ihrem Sortiment keinen Abbruch ;)

Gruß
Ulli
Matthias Hilse
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Re: out, megaout, Bordeaux. Ein Weinbaugebiet in der Imagekr

Beitrag von Matthias Hilse »

UlliB hat geschrieben:
auch nachdem ich den Begriff "Apophasis" auf Wikipedia nachgeschlagen habe ...denn ich gehe mittlerweile davon aus, dass Sie mit ihren schriftlichen Äußerungen nicht wirklich verstanden werden möchten.

Glücklicherweise tut das Ihrem Sortiment keinen Abbruch ;)

Gruß
Ulli
Hallo UlliB,

danke für das Letztere. Ich lese Wolf's Text als mit einem Hauch Ironie verfasst, indem er das zu Tode trägt, was er für ziemlich lebendig hält. Das kann man als Apophasis bezeichnen. Ich kenne kein deutsches Wort dafür, rate aber, beim googlen die englischsprachigen Einträge zu nutzen.

Wenn ich nicht hoffte, verstanden zu werden, würde ich nicht schreiben, denn ich kenne angenehmere Formen, "sich eine Abfuhr" einzuhandeln :D

Herzliche Grüße,
Matthias Hilse
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innauen
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Re: out, megaout, Bordeaux. Ein Weinbaugebiet in der Imagekr

Beitrag von innauen »

Hallo,

ja, "was wollte uns der Autor damit sagen" Ist das nicht auch egal? Spannender als der Text sind die Antworten. Engültige Wahrheiten über den Zustand von Bordeaux wollte ich auch gar nicht verbreiten. Nur ein wenig provozieren. :mrgreen: Aber ein paar Sachen wollte ich noch richtig stellen.

@Ollie. Natürlich habe ich Bordeaux 2007 gesubst. Nämlich Sauternes 8-) Die Roten gab´s später im Abverkauf.

@Matthias Hilse. Ich würde sogar sagen, dass es in der Region unter 20 Euro jede Menge Weine gibt, die weltweilt locker bestehen können, insbesondere wenn es um Weine geht, die länger als fünf Jahre durchhalten.

@UlliB. 2005 habe ich ernsthaft mit Bordeauxkäufen begonnen. Doch meine erste Begegnung mit BDX hatte ich viel früher im Alter von 19 mit einem 1989er Cru Bourgeois 1991 in Marburg. Da hat sich ein geschmackliches Leitbild ausgeprägt, das ich danach immer wieder gesucht habe. Aber damals gab es in jedem gut sortierten Weingeschäft gute Bordeauxs, bevorzugt stand in einer Vitrine ein Bordeaux, dessen Etikett in jedem Jahr wechselte.

Aber genau das ist meine Frage. Wie finden künftige Käufer noch zu Bordeaux?

Den Laden in Marburg gibt es jedenfalls nicht mehr.

Grüße,

Wolf
„Es war viel mehr.“

Johnny Depp dementiert, 30.000 Dollar im Monat für Alkohol ausgegeben zu haben. (Quelle: „B.Z.“)
Matthias Hilse
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Re: out, megaout, Bordeaux. Ein Weinbaugebiet in der Imagekr

Beitrag von Matthias Hilse »

innauen hat geschrieben:
Aber genau das ist meine Frage. Wie finden künftige Käufer noch zu Bordeaux?

Den Laden in Marburg gibt es jedenfalls nicht mehr.

Grüße,

Wolf
Die Kunden finden auch zukünftig zu Bordeaux, indem sie sich der Medien bedienen, die dann noch solche Inhalte transportieren. Die Printmedien werden es wohl nicht sein, und im Netz ist die Segmentierung eben verdammt zeitraubend.

Um mal einen Begriff, der in Jeremy Rifkins neuem Buch eine gewisse Rolle spielt, anzuführen: das Internet der Dinge bringt Prosumenten hervor, also Konsumenten, die auch produzieren. Solche Seiten wie Cellartracker werden an Gewicht gewinnen, die Käufer werden zu Kritikern. Und die Weinhändler werden wieder mehr zu Kritikern, die viel mehr mit den Dingen, die sie anbieten, involviert sein müssen. Es wird halt nicht mehr reichen, Parker und Konsorten zu zitieren.

Wie war das denn früher? Der Weinhändler kaufte Faßware und baute sie aus und verkaufte sie dann. Heute ist es bequemer, er kann Flaschen einkaufen. Warum er die aber einkauft, sollte mehr mit ihm zu tun haben als das blinde Folgen externer Kritiker. In dem Sinn, indem wir uns in eine Gesellschaft, die Dinge teilt, entwickeln, muss die Intention des Händlers werden, als Verursacher der "likes" erinnert zu werden. Sowohl seine Verantwortung als auch sein Spielraum werden zunehmen. Nur kann man eben Bordeaux als Händler nicht "en passant" betreiben.

Bordeaux ist nicht nur alma mater, sondern auch Diva: wer ihre Geheimnisse ergründen möchte, muss sich ganz auf sie einlassen.

Herzliche Grüße,
Matthias Hilse
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Tackleberry
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Re: out, megaout, Bordeaux. Ein Weinbaugebiet in der Imagekr

Beitrag von Tackleberry »

Matthias Hilse hat geschrieben: Bordeaux ist nicht nur alma mater, sondern auch Diva: wer ihre Geheimnisse ergründen möchte, muss sich ganz auf sie einlassen.
Ganz einlassen ist bei den momentan aufgerufenen Preisen bei mir, als auch bei vielen Anderen, nicht (mehr) möglich.
Da verzichte ich gern auf die "Diva" und greife zu erschwinglicheren Pinots oder Lemberger. ;)

Gruß Alex
Matthias Hilse
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Re: out, megaout, Bordeaux. Ein Weinbaugebiet in der Imagekr

Beitrag von Matthias Hilse »

Tackleberry hat geschrieben:
Matthias Hilse hat geschrieben: Bordeaux ist nicht nur alma mater, sondern auch Diva: wer ihre Geheimnisse ergründen möchte, muss sich ganz auf sie einlassen.
Ganz einlassen ist bei den momentan aufgerufenen Preisen bei mir, als auch bei vielen Anderen, nicht (mehr) möglich.
Da verzichte ich gern auf die "Diva" und greife zu erschwinglicheren Pinots oder Lemberger. ;)

Gruß Alex
Das ist aus Händlersicht geschrieben. Ein Händler, der sich mit Bordeaux befasst, muss dieser Diva viel Zeit widmen. Anders als immer wieder zu lesen ist, gibt es viele Bordeaux, die in einer gedachten Relation Preis/Genuß keinen Vergleich scheuen müssen, schon bestimmt nicht zu Pinots.

Herzliche Grüße,
Matthias Hilse
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