Merkwürdige Herkunftsangaben

Was Sie schon immer über Wein wissen wollten, aber nie zu fragen wagten
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VillaGemma
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Re: Merkwürdige Herkunftsangaben

Beitrag von VillaGemma »

mixalhs hat geschrieben:Parmaschinken darf NICHT von dänischen Schweinen stammen - allerdings dürfen die Schweine auch aus dem Veneto, der Toskana und einigen anderen Regionen Italiens kommen.
Sorry...hatte ich doch glatt mit Schwarzwälder Schinken verwechselt. Asche auf mein Haupt. Parmaschinken muss von einer bestimmten Schweinesorte mit einem Mindestalter kommen, korrekt. Und die Gegenden sind spezifiziert.

Aber "der guuude Schwarzwälder Schinken" kann vom dänischen Schwinn kommen...
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Auch eine Enttäuschung, wenn sie nur gründlich und endgültig ist, bedeutet einen Schritt vorwärts. (Max Planck)
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UlliB
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Re: Merkwürdige Herkunftsangaben

Beitrag von UlliB »

Tja, eben: "Schwarzwälder Schinken" = g.g.A., "Parmaschinken" = g.U.

Soweit alles in Ordnung, wobei schon fraglich ist, wie vielen Konsumenten der Unterschied zwischen den beiden EU-Herkunftsbezeichnungen klar ist.

Aber was ist denn der Wert von Herkunft? Relevant ist die für den Konsumenten doch nur, wenn sie im Endprodukt auch erkennbar ist. Bei Schwarzwälder Schinken würde ich vermuten, dass der ziemlich rabiate Herstellprozess (Pökeln, Würzen, dann scharfes Räuchern über Tannen- und Fichtenholz) die Herkunft des Fleisches tatsächlich weitgehend überdeckt. Bei der vergleichsweise "sanften" Behandlung des Parmaschinkens mag das anders aussehen.

Gruß
Ulli
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VillaGemma
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Re: Merkwürdige Herkunftsangaben

Beitrag von VillaGemma »

UlliB hat geschrieben: Aber was ist denn der Wert von Herkunft? Relevant ist die für den Konsumenten doch nur, wenn sie im Endprodukt auch erkennbar ist.
Nun ja, ich bin der Meinung, dass es einer der vielen Tricks der Lebensmittelindustrie ist, die Leute zu veräppeln. Wenn ich einen Schwarzwälder Schinken kaufe, dann assoziiere ich damit ein "Stück heile Welt"...oder so ähnlich. Natürlich ist das heutzutage ein Massenprodukt, weil in Deutschland beliebt. Das Schwein kommt aus Polen oder DK, die Buche aus der Slowakei, das Salz usw. Aber wenn das so dick draufstände, hmmm, könnte ich mir vorstellen, dass der Umsatz runtergeht. Es müsste bei solchen Zutaten wohl eher heißen: Schinken nach schwarzwälder Art. Aber das ist natürlich nicht erwünscht...man möchte ja (gilt für vieles) ein "Billigprodukt" oder etwas netter formuliert ein prozesstechnisch bestens durchplantes/optimiertes Produkt zu eben jendem Preis verkaufen, als wäre es ein Premiumprodukt. Bisweilen / ziemlich oft ist das eben extrem grenzwertig...wenn auch juristisch einwandfrei :-/
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UlliB
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Re: Merkwürdige Herkunftsangaben

Beitrag von UlliB »

VillaGemma hat geschrieben: [...] die Buche aus der Slowakei, [...]
Nix Buche. Fichte oder Tanne, und das Holz muss (anders als das Fleisch) tatsächlich aus dem Schwarzwald kommen.
Es müsste bei solchen Zutaten wohl eher heißen: Schinken nach schwarzwälder Art.
Schon richtig, aber nichts anderes besagt eine g.g.A. - Schlussendlich bleibt es Aufgabe des Konsumenten, sich schlau zu machen, und nicht immer nur rumzugrummeln, dass man von "der Industrie" beschissen wird. Alle Regelungen hinsichtlich der EU-Herkunftsbezeichnung sind öffentlich zugänglich und heute lediglich ein paar Mausklicks entfernt.

Und was "Billigprodukt" betrifft - es gibt absolut erstklassigen Schwarzwälder Schinken, aber daneben natürlich auch viel belangloses Zeug. Wie beim Parmaschinken auch. Eine Herkunftsbezeichnung - ganz egal wie eng oder weit die gefasst ist - sagt zunächst einmal nichts über die Qualität eines Produktes aus.

Das ist beim Wein leider auch so, um mal wieder zurück aufs Thema zu kommen.

Gruß
Ulli
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VillaGemma
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Re: Merkwürdige Herkunftsangaben

Beitrag von VillaGemma »

UlliB hat geschrieben: Schlussendlich bleibt es Aufgabe des Konsumenten, sich schlau zu machen, und nicht immer nur rumzugrummeln, dass man von "der Industrie" beschissen wird. Alle Regelungen hinsichtlich der EU-Herkunftsbezeichnung sind öffentlich zugänglich und heute lediglich ein paar Mausklicks entfernt.
Das ist prinzipiell richtig; und ich mache das idR auch. Ich gehe auch weiter, dass ich versuche, die Produzenten vor Ort zu besuchen und mir das Steak vorher anzuschauen ;) ...oder beim Wein, wenn es passt, eben auch den Winzer mal zu besuchen. Oder eben La Vialla, wo ich viel von kaufe. Ich verstehe das meiste auch, wenn ich es lese. Und mir gehen dann auch solche Nürnberger Würstchen, Schwarzwälder Schinken usw. am ... vorbei; ich kauf so einen Kram nicht und esse dett auch nicht. Auch weil ich 100% Bio unterwegs bin, wie bekannt. Und dabei auch sehr sehr wenig Fleisch esse. Mein Schinken, wenn ich denn mal Schinken kaufe, ist vom Rind und kommt ganz aus der Nähe.

Nur: Das machen doch die wenigsten. Sich um alles selbst kümmern. Man möchte sich doch auch manchmal auf den Staat/die Industrie verlassen, oder? Klar, ich tue das nicht. Aber die Industrie nutzt das gandenlos aus und suggeriert eben an allen Ecken und Kanten genau die Qualität vergangener Tage, die in den heutigen Produkten eben nicht mehr drinsteckt. Olivenöl (einfaches/billiges) ist auch so ein Thema bzgl. Herkunft...auch hier hilft lesen, klar.

Nun ja, aber korrekt: Zum Wein. Bin gespannt, was da rauskommt. Wobei bei den Weinen, die hier so verkostet werden, das quasi ausgeschlossen sein sollte...
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VillaGemma
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Re: Merkwürdige Herkunftsangaben

Beitrag von VillaGemma »

UlliB hat geschrieben:]
Nix Buche. Fichte oder Tanne, und das Holz muss (anders als das Fleisch) tatsächlich aus dem Schwarzwald kommen.
Ok, bist Du von Beruf Anwalt oder Reviewer von Spezifikationen? ;-) ...ich wollte nur ein leicht sarkastisches Beispiel bringen. Ist mir nicht gelungen bzw. hätte ich dazuschreiben sollen...
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UlliB
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Re: Merkwürdige Herkunftsangaben

Beitrag von UlliB »

VillaGemma hat geschrieben: Ok, bist Du von Beruf Anwalt oder Reviewer von Spezifikationen? ;-) .
Nix Anwalt. "Reviewer von Spezifikationen" trifft die Sache schon etwas eher, aber auch nicht ganz. Ich mache mich halt auch über Hintergründe detailliert schlau, wo ich es beruflich muss, oder wo es mich interessiert. Und Nahrungsmittel interessieren mich ;)
Das machen doch die wenigsten. Sich um alles selbst kümmern. Man möchte sich doch auch manchmal auf den Staat/die Industrie verlassen, oder? Klar, ich tue das nicht. Aber die Industrie nutzt das gandenlos aus und suggeriert eben an allen Ecken und Kanten genau die Qualität vergangener Tage, die in den heutigen Produkten eben nicht mehr drinsteckt. Olivenöl (einfaches/billiges) ist auch so ein Thema bzgl. Herkunft...auch hier hilft lesen, klar.
Klar wird da über Werbung, Packungsgestaltung etc. versucht, den Kunden zu manipulieren - aber in welcher Branche geschieht das denn nicht? Und wie naiv muss man sein, um davon überrascht zu werden? Man kann nicht einerseits vom "aufgeklärten Konsumenten" reden, andererseits aber bei jedem Pups nach dem Staat rufen. Der kann den Kunden bei Lebensmitteln bestenfalls vor einer Vergiftung oder Betrug beschützen. Und Betrug liegt hier eben nicht vor: alle Voraussetzungen, um eine Herkunftsbezeichnung zu erlangen, sind öffentlich zugänglich.

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Re: Merkwürdige Herkunftsangaben

Beitrag von Alas »

UlliB hat geschrieben:das hat das Problem in Folge des einigermaßen unerklärlichen Prosecco-Booms nur noch weiter verschärft: die Diskrepanz zwischen dem theoretischen maximalen Produktionsvolumen und dem, was an Flaschen schlussendlich in deutschen Discounter- und Supermarktregalen steht. Schon zu Zeiten, als alles, was aus der Rebsorte Prosecco (nunmehr Glera) hergestellt wurde, auch als Prosecco deklariert werden durfte, ging die Bilanz nicht einmal annähernd auf.
Dafür hätte ich dann doch gern mal einen Beleg.

Gruß

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UlliB
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Re: Merkwürdige Herkunftsangaben

Beitrag von UlliB »

Alas hat geschrieben:
UlliB hat geschrieben:das hat das Problem in Folge des einigermaßen unerklärlichen Prosecco-Booms nur noch weiter verschärft: die Diskrepanz zwischen dem theoretischen maximalen Produktionsvolumen und dem, was an Flaschen schlussendlich in deutschen Discounter- und Supermarktregalen steht. Schon zu Zeiten, als alles, was aus der Rebsorte Prosecco (nunmehr Glera) hergestellt wurde, auch als Prosecco deklariert werden durfte, ging die Bilanz nicht einmal annähernd auf.
Dafür hätte ich dann doch gern mal einen Beleg.
Hallo Alas,

Du wirst zu diesem Thema keine justitiablen Zahlen finden, aber die Größenordnungen sprechen bereits für sich.

Die Anbaufläche der DOCen und DOCGen für Prosecco betragen irgendwas um die 5000 ha. Hier http://www.prosecco-doc.de/anbaugebiet.php ist von 4300 Hektar Rebfläche die Rede, anderswo von gut 5000 Hektar. Falsch sind mit Sicherheit beide Angaben, da es in Italien keinen Rebbaukataster gibt. Wein+ gibt als Gesamtanbaufläche von Glera= Prosecco in Italien 6700 Hekatar an, siehe hier http://www.wein-plus.eu/de/Glera_3.0.870.html (keine Ahnung, ob der Link ohne Abo funktioniert). Zumindest die Größenordnung scheint schon irgendwie zu stimmen.

Jetzt rechnen wir mal nur für die DOCen / DOCGen, und zwar sehr großzügig, nämlich mit einem schon einigermaßen exzessiven Ertrag von 120hL/ha. Macht bei 5000ha * 120hL = 60 Millionen Liter oder 80 Millionen Flaschen a 0,75 L. Mehr nicht.

Dem stehen die Konsumzahlen alleine in Deutschland entgegen. Was spumante ist, wird ziemlich genau über die Sektsteuer erfasst, laut destatis.de sind das beim Prosecco rund 45 Millionen Flaschen im Jahr. Da fehlt aber noch der (mengenmäßig wesentlich bedeutendere) frizzante. Durchaus seriöse Schätzungen gehen bei Prosecco insgesamt von einem deutschen Konsum von mindestens 150 Millionen Flaschen aus, was nicht ganz unplausibel ist (weniger als zwei Pullen pro Kopf der Bevölkerung und Jahr). Wo kommen die jetzt her? Und anderswo wird das Zeug ja auch noch getrunken...

Gruß
Ulli
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Alas
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Re: Merkwürdige Herkunftsangaben

Beitrag von Alas »

Hallo Ulli!

Die Zahlen über die Anbauflächen, die du verwendest stimmen nicht.
Bei deinem ersten Link handelt es sich lediglich um die Angaben für das Gebiet Prosecco di Conegliano-Valdobbiadene.
Wein-Plus dürfte auch eindeutig falsch liegen.

Gefunden habe ich u.a. dieses:

Aus http://nachgeschenkt.de/?p=1348

29. Juli 2011
Aktuelles | Prosecco DOC
Anbaubeschränkung
Der Präsident Venetiens und ehemalige Agrarminister Luca Zaia hat am 22. Juli einen Erlass zur Anbaubeschränkung von Glera in der interregionalen DOC-Zone unterzeichnet. Im Einvernehmen mit dem Friaul wurde festlegt, dass bis zur Saison 2013/2014 nicht mehr als ingesamt 20.000 Hektar mit Glera bepflanzt werden dürfen. 
16.500 Hektar Rebfläche sind das Limit für Venetien, 3.500 Hektar für das Friaul. Aktuellen Schätzungen zufolge wird die Gesamtproduktion der DOC in 2012 auf 280 Mill. Flaschen gestiegen sein. (vc)
Quelle: Weinwirtschaft, Juli 2011


Ähnliche Zahlen habe ich auch anderswo gefunden.

Im Decanter fand ich dieses über den Ertrag pro Hektar:

'After the removal of the Prosecco IGT designation, growers under the new DOC rules had to reduce their yields to an output of 180 hectolitres per hectare from the previous 250,' Poddana said.

Read more at: http://www.decanter.com/news/wine-news/ ... ztZytey.99

Gruß

Alas
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