Bordeaux 2010

Medoc und seine Appellationen, Bourg und Umgebung, Fronsac, Pomerol, Saint Emilion und Umgebung, Entre Deux Mers, Graves und Pessac-Leognan, Sauternes und Co.
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innauen
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Re: Bordeaux 2010

Beitrag von innauen »

UlliB hat geschrieben:Ermuntert durch die Notiz zum Vieux Chateau Mazerat zwei Beiträge weiter oben habe ich mich mal an einen 2010er aus dem oberen Segment gewagt - leider war das in diesem Fall keine gute Idee:

Le Gay (Pomerol) 2010 ......
Gruß
Ulli
Oh. Das tut mir leid. Aber in kleines Warnschild hatte ich aufgestellt und "Noch kein ganz großer Genuss aber Riesenpotential " geschrieben. Einen Tag später hat sich der Wein übrigens in den Winterschlaf verabschiedet. Kiste zu und Ruhe.

Grüße,

wolf
„Es war viel mehr.“

Johnny Depp dementiert, 30.000 Dollar im Monat für Alkohol ausgegeben zu haben. (Quelle: „B.Z.“)
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UlliB
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Re: Bordeaux 2010

Beitrag von UlliB »

innauen hat geschrieben: Oh. Das tut mir leid.
Hallo Wolf,

mach Dir keinen Kopp. Ich trinke lange genug Bordeaux, um zu wissen, auf welches Risiko ich mich einlasse, wenn ich jetzt einen solchen Bordeaux aus 2010 aufmache. Es hatte mich halt gereizt, und manchmal hat man ja auch Glück...

Sei's drum, es sind noch genug 10er im Keller. Und um die besseren davon werde ich jetzt erstmal wieder einen ganz großen Bogen machen ;)

Gruß
Ulli
Trinkfreude
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Re: Bordeaux 2010

Beitrag von Trinkfreude »

UlliB hat geschrieben:pop & pour. Das mache ich bei jungen Bordeaux grundsätzlich so
Mache ich genauso, und oft mit viel Genuss - zum Beispiel habe ich mir einen erklecklichen Teil meiner 2007er auf diese Weise einverleibt, bevor sie ihren ersten Jahrestag im Keller erlebt haben. Auch der eine oder andere 2012er ist schon diesen Weg gegangen... aber da ist das Fenster inzwischen bei einigen Weinen zugegangen.
UlliB hat geschrieben:Karaffieren befördert den Wein in den Tiefschlaf, und aus dem bekommt man ihn meistens nicht mehr erweckt, ganz egal wie lange man belüftet.
In der Karaffe habe ich auch kaum jemals wieder einen reanimiert bekommen. Was in einigen wenigen Fällen funktioniert hat, wenn ich bei einem Wein das Ende der Fruchtphase verpasst hatte, war, die noch zu 2/3 gefüllte Flasche einfach wieder verkorkt in den Keller zu stellen und nach einer Woche mal wieder nachzuschauen. Damit ist meine Trefferquote bisher gefühlt irgendwo zwischen 1/3 und der Hälfte, der Rest scheint irgendwie nahtlos von "Verschlussphase" in "oxidiert" übergegangen zu sein. Die Frage, warum bei einem Wein das eine passiert und beim anderen Wein das andere, ist eines der vielen ungelösten Rätsel des Weines für mich...
derwolf
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Re: Bordeaux 2010

Beitrag von derwolf »

Hallo allerseits,

Ich lese schon lange im Forum mit, nun endlich habe ich mich entschlossen aktiv hier mitzuwirken - gerade beim Drüberlesen zu Bordeaux 2010 wollte ich nun rezente Erfahrungen teilen.

Les Ormes de Pez 2010
Hatte ich unlängst im Glas, nach langem Hin- und Her dann ohne Belüftung und über mehrere Arbeitstage verkostet. Verdammt dunkles Purpur, schon beim Füllen des Glases zieht eine Rispe schwarzer Holunder vorbei nebst einer Tasse tiefschwarzem Espresso. Im Mund will das Ganze erst nach einigem zähen Warten größere Erkenntnis und Freude bereiten, am ersten Abend enthüllt erst der letzte Tropfen reichlich schwarzbeerige Früchte neben den herben Weihnachtsgewürzen und der griffige Gerbstoff ordnet sich schließlich etwas unter - am dritten Tag leert sich dann die Flasche deutlich rascher, nun gibt die Frucht Gas, der Wein ist harmonisch geworden und bleibt lange hängen. Starker Auftritt in der mittleren Preiskategorie, erfreulich!

Nectar des Bertrands 2010
Ein Tier von einem Wein, direkt aus der Flasche hat es sich aber noch weit in seine Höhle zurückgezogen und will erst nach einigen Tageslichtstunden zeigen, was es zu bieten hat. Tiefe Nase mit Herzkirschen und Pflaumen, Zimt und Piment kommen schließlich dazu - was die Nase verspricht, hält der Mund vorerst noch nicht, verschlossen und zurückhaltend bleibt die Frucht, zur Zeit merkt man die Kraft des Weines nur am Mundgefühl. Die Handbremse kann der Wein, auch mit viel Luft, vorerst noch nicht lösen.

Planquette 2010 (Medoc)
Wohl eher unbekanntes Weingut, geht absolut in die Naturweinrichtung mit wenig SO2 und olfaktorisch einer ordentlichen Runde Brett zum Einstand .... Erstaunlicherweise verliert sich der Stinker im Glas rasch, was bleibt sind intensive rote Früchte, ein Hauch aus der Kaffeerösterei und ein ganzes Maul voll mit Gerbstoffen, die fast schon wehtun. Mit O2 zivilisiert sich das ganze, doch sehr kraftvolle, Paket etwas, aber es bleibt ein unnahbarer Eindruck - die anderen Flaschen werden definitiv noch einige Winterrunden im Keller rasten.

Soviel dazu, vielleicht hat der eine oder andere auch diese Weine verkostet und kann was dazu schreiben!

Servus,
Wendelin
Bradetti
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Re: Bordeaux 2010

Beitrag von Bradetti »

Am Wochenende im Glas:

2010 Chateau Siaurac (Lalande de Pomerol)

Nach dem die erste Flasche einen leichten Korkeindruck in meiner Nase hinterließ und sich dies auch am Gaumen in Form von einer absoluten Unbalance und irgendwie schroffem Alkohol bemerkbar machte, musste dann gleich eine 2. Flasche dran glauben und die war Gott sei Dank ohne jeglichen Kork.

Geöffnet und 8 Stunden ruhen lassen (aber nicht dekantiert). Sehr schöne, klare, satte Purpurfarbe. In der Nase sehr schöne Frucht (rot und schwarz) sowie leichter Kräuternote.
Am Gaumen ebenfalls die rote und schwarze Frucht mit leichtem Tabak und Würze.
Was mir gar nicht gefiel ist letztlich der irgendwie sehr pfeffrige Abgang. Zu viel Grip im Finish. Harmonie ist anders...
86+ Punkte

Und nun mal eine Frage an euch Fach-Experten. Lobenberg, Suckling und WS schreiben zu diesem Wein übereinstimmend: "Gut integrierte, softe Tannine".
Aber machen die Tannine nicht auch den Grip im Finish aus? D.h. wenn ich also sage, dass mir der Grip viel zu Schroff war, dann sind doch auch die Tannine nicht wirklich soft, oder?
Viele Grüße
Dirk
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UlliB
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Re: Bordeaux 2010

Beitrag von UlliB »

Bradetti hat geschrieben: Und nun mal eine Frage an euch Fach-Experten. Lobenberg, Suckling und WS schreiben zu diesem Wein übereinstimmend: "Gut integrierte, softe Tannine".
Aber machen die Tannine nicht auch den Grip im Finish aus? D.h. wenn ich also sage, dass mir der Grip viel zu Schroff war, dann sind doch auch die Tannine nicht wirklich soft, oder?
Erstens: 2010 ist einer der tanninstärksten Jahrgänge, die im Bordelais jemals erzeugt worden sind. Da kann jedes Urteil nur relativ sein.

Zweitens: der Wein ist - wie eigentlich alle 2010er - noch viel zu jung. Deine VKN lässt darauf schließen, dass der Wein noch in der Fruchtphase war; Glück gehabt: der hätte auch ganz zu sein können, und dann wäre da nur noch Tannin gewesen. Bis zur vollen Trinkreife brauchen die besten 2010er noch mindestens ein volles Jahrzehnt (eher mehr), aber auch Weine der zweiten Linie (wozu Siaurac zu rechnen ist) werden noch einige Jahre brauchen, um sich zu harmonisieren.

Wer Bordeaux aus großen Jahren so früh aufzieht, braucht zwei Eigenschaften: eine Spielernatur (das kann nämlich ganz schiefgehen, siehe meine letzte VKN zum Le Gay weiter oben), und vor allem einen tannintoleranten Gaumen.

Gruß
Ulli
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innauen
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Re: Bordeaux 2010

Beitrag von innauen »

Hallo,

also ich war am Beginn des Jahres sehr angetan von dem Wein.

Bild

Zu den Tanninen kann ich mich Uli nur anschließen und ergänzen: Viele 2010er haben sich bereits verschlossen oder sind gerade dabei. Bei der Arrivage hätte ich vermutet, dass sie sich auf Grund der großen Tanninmenge sogar sehr viel schneller verschließen würden. Doch die 2010er haben sich ähnlich wie die 2005er verhalten und boten für ca. drei Jahren eine schöne Primärfrucht. Das ist nun vorbei und das ohnehin starke Tannin tritt natürlich in den Vordergrund. Und ich würde sie jetzt noch länger als die Vertreter des Jahrgangs 2005 erst einmal "vergessen". Dieser Jahrgang beginnt mir erst jetzt wieder langsam Spaß zu machen.

Grüße,

wolf
„Es war viel mehr.“

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Bradetti
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Re: Bordeaux 2010

Beitrag von Bradetti »

Ok, danke euch.
D.h. im Prinzip könnten Lobenberg und Co recht gehabt haben, da sie die Weine ja vom Fass probierten und hier das Tannin wohl eh etwas hinter der Frucht bleibt. Und ich auch, weil eben die Frucht gerade am Abtauchen ist und damit automatisch das Tannin die dominante Rolle übernimmt.

Dann lege ich die anderen 10er erstmal völlig beiseite. Der Eindruck des Siaurac reicht mir erstmal... :|
Viele Grüße
Dirk
Ralf Gundlach
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Re: Bordeaux 2010

Beitrag von Ralf Gundlach »

Toller , kleiner Bordeaux aus dem belgischen Supermarkt: 2010 Chateau de By, aus dem Medoc, schon die Nase duftet nach Brombeeren , am Gaumen wieder Brombeeren, dunkle Schokolade, etwas Mokka, mittlerer Körper, schöne Struktur, zeigt eher eine elegante Seite, im Abgang feinkörnige Tannine, es fehlt etwas an Tiefe, steht am Anfang seines Trinkfensters und wird sicher noch 5-10 Jahre Spaß machen, da kann man durchaus sehen, was ein unbekanntes Weingut in einem guten Jahrgang schafft, 89 Punkte, hat um die 12 Euro gekostet und löst einen automatischen Nachkaufreflex aus :D

Gruß

Ralf
Trinkfreude
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Re: Bordeaux 2010

Beitrag von Trinkfreude »

Hallo zusammen, und erstmal ein verspäteter Willkommensgruß an Wendelin "derwolf",

denn mit Deiner obenstehenden Notiz zum Ormes de Pez 2010 hast Du mich auf den Gedanken gebracht, auch mal eine Flasche davon zu testen. Deinen geschilderten Eindrücken kann ich gut folgen. Für einen 2010er ist der Wein schon erstaunlich zugänglich, aber er braucht a) Zeit und b) ein großes Glas (da hat sich das Zalto Bdx-Glas mal wirklich gelohnt). Aus einem zu kleinen oder zu schmalen Glas wirkt der Wein viel abweisender, gibt aromatisch weniger Preis und die Säure tritt stärker nach vorne.

Interessant fand ich die aromatische Entwicklung über zwei Tage, die einen sozusagen einmal über den Atlantik und wieder zurück geführt hat: Der erste Eindruck erinnerte fast an einen modernen Ribera del Duero, deutliche Holzdominanz, Kaffee, Kokos und dergleichen. Nach einer Weile hat sich dann eine kalifornisch anmutende, eindeutig schwarzbeerige reife Frucht durchgesetzt, die zwar schön, aber nicht ausgesprochen komplex war. Das Holz hatte sich nach ca. 3 Stunden bereits integriert und war nicht mehr gesondert wahrzunehmen. Am zweiten Tag kehrte der Wein dann wieder an seine Wurzeln zurück und roch immer mehr wie ein zwar modern gemachter, aber typischer Medoc. Die Üppigkeit ging etwas zurück, die Nase fächerte sich auf, Cab Franc und Petit Verdot kamen etwas raus. In diesem Zustand - als die Flasche fast leer war - fand ich ihn am überzeugendsten, und wenn das seine zukünftige Entwicklung anzeigt, freue ich mich auf die restlichen Flaschen.

Im Mund war er von Beginn an - und die ganze Zeit über - schön integriert, mit einer angenehmen Konzentration und Fülle, nichts Störendes. Ich hatte erwartet, dass er entweder verschlossener sein würde oder zumindest sich relativ schnell nach dem Öffnen verschließen würde, aber keines von beiden war der Fall. In dieser Hinsicht erinnerte er mich an einige 2009er, die auch keine Verschlussphase zu kennen scheinen.

Alles in allem eine sehr gelungene Sache, macht Freude und ist sein Geld wert.
VG Jürgen
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