32 Cent pro Liter Rotwein

Hohe Brisanz, kurzes Verfallsdatum
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Gerald
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Re: 32 Cent pro Liter Rotwein

Beitrag von Gerald »

Die 90-100 hL/ha sind aber mit einem erheblichen Einsatz an Pflanzenschutzmitteln erkauft - im wahrsten Sinne des Wortes, denn das ist ein nicht unerheblicher Kostenfaktor.
ja schon klar, außerdem sind die in niederschlagsreicheren Regionen wie Mitteleuropa viel stärker wachsenden Triebe auch nur mit viel mehr Aufwand zu "bändigen". Und wenn in einer trockenen Region außer Wein nicht viel Anderes wächst (man höchstens Schafe oder Ziegen dort halten könnte), kann man eben nicht auf andere Kulturen ausweichen, was auch vom Marktpreis der Angebotsseite zum Nachteil gereicht.

Allerdings sehe ich die niedrigen Weinpreise in Spanien aus Sicht des Umweltschutzes nicht absolut negativ - denn verglichen mit anderen Kulturen (z.B. das Glashausgemüse in Andalusien) dürfte Wein mit viel weniger Bewässerung (Grundwasserreserven!) und im sommertrockenen Klima auch mit vergleichsweise wenig Pestiziden auskommen.

Grüße,
Gerald
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hendrik
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Re: 32 Cent pro Liter Rotwein

Beitrag von hendrik »

32 cent, dass ist genau die preis die Hollandische Bauern fur Milch bekommen....
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Alas
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Re: 32 Cent pro Liter Rotwein

Beitrag von Alas »

hendrik hat geschrieben:32 cent, dass ist genau die preis die Hollandische Bauern fur Milch bekommen....
Und was ist der Preis für einen holländischen Hendrik?? :o :roll: ;) ;)
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Carpetbagger
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Re: 32 Cent pro Liter Rotwein

Beitrag von Carpetbagger »

UlliB hat geschrieben:
Gerald hat geschrieben: allerdings sind in Deutschland meines Wissens die mittleren Hektarerträge mit 90-100 hl/ha wesentlich höher als in Spanien mit 30-40 hl/ha.
Die 90-100 hL/ha sind aber mit einem erheblichen Einsatz an Pflanzenschutzmitteln erkauft - im wahrsten Sinne des Wortes, denn das ist ein nicht unerheblicher Kostenfaktor. In Zentral- und Südspanien ist da der Aufwand deutlich niedriger, vor allem gibt es dort deutlich weniger Probleme mit Pilzkrankheiten. Außerdem kostet Agrarfläche in Spanien deutlich weniger als in Rheinhessen.

Man kann es drehen und wenden, wie man will - in der wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung dürften am Ende 32 Cent / Liter in Spanien nicht problematischer sein als 50 oder 80 Cent in Deutschland. Und die Fassweinwinzer leben hier auch; irgendwie.

Gruß
Ulli

Eine Dummenfrage: Was ist ein Fassweinwinzer?

Ein Kleinbetrieb?
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UlliB
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Re: 32 Cent pro Liter Rotwein

Beitrag von UlliB »

Carpetbagger hat geschrieben: Eine Dummenfrage: Was ist ein Fassweinwinzer?

Ein Kleinbetrieb?
Nein, klein ist der Betrieb nicht notwendigerweise. Ein Fassweinwinzer produziert Trauben und vinifiziert diese auch, füllt aber nicht in Flaschen und vermarktet nicht selber, sondern liefert den Wein an Kellerreien.

Da mögen ein paar Kleinbetriebe dabei sein, die das nebengewerblich betreiben, aber etliche dieser Erzeuger haben eine durchaus erhebliche Größe, da man angesichts der Preise für Fasswein (siehe oben) nur davon leben kann, wenn man entsprechend viel Menge hat.

Es gibt natürlich auch hybride Konstruktionen. Viele Selbstvermarkter liefern einen Teil ihres Weins, den sie für nicht gut genug halten oder für den sie keine Absatzmöglichkeiten sehen, an Kellereien. Als "Fassweinwinzer" werden aber üblicherweise nur solche Betriebe bezeichnet, die den weit überwiegenden Teil der Produktion oder auch alles "lose" (= früher im Fass) verkaufen. So etwas gibt es überall. Im Bordelais z.B. verkaufen die meisten der etwa dreitausend Erzeuger dort an Kellereien.

Noch ein Schritt weiter geht der Traubenbauer. Der erzeugt Trauben, vinifiziert aber nicht, sondern liefert die Trauben an eine Kellerei ab. De facto sind die meisten Genossenschaftsmitglieder im eigentlichen Sinn Traubenbauern.

Gruß
Ulli
MichaelWagner
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Re: 32 Cent pro Liter Rotwein

Beitrag von MichaelWagner »

Hallo Ulli,

Kleine Anmerkung: je größer der Betrieb desto schlimmer die Situation - nicht desto besser...

Siehe auch Milch - bei nicht kostendeckenden Preisen hauts bei 1 Mio Liter halt schlimmer rein als bei 1000 Litern...

Gruß, m.
wenns läuft, dann läufts. Aber bis es läuft, dauerts...
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UlliB
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Re: 32 Cent pro Liter Rotwein

Beitrag von UlliB »

Michael,

der Vergleich mit der Milch zeigt ja nur, dass in der Landwirtschaft mittlerweile etliche Leute auf dem Selbstausbeutungstrip sind. Da wird die eigene Arbeitskraft nicht adäquat eingerechnet, die der mitarbeitenden Familienmitglieder natürlich auch nicht, kalkulatorische Kapitalkosten werden ausgeblendet... aber am Ende bleibt wohl immer noch genug übrig, um wenigstens überleben zu können.

Was mich mal interessieren würde: wie billig kann man in D denn tatsächlich produzieren? - In Baden hatte ich vor einigen Jahren einen teilselbstvermarkteten Betrieb kennengelernt, in dem im Prinzip keiner mehr die Hand an die Reben legt: flache Rebfläche, vollmechanisch bewirtschaftet, Minimalschnitt (in Baden ist das derzeit ein heißes Thema), zum Teil bestockt mit PiWis, ausschließlich vollmechanische Ernte. Die Weine gehen in der Flasche für 3 bis 5 Euro an den Endverbraucher, sind technisch einwandfrei und durchaus anständig (wenn auch nicht unbedingt etwas, was ich im Keller haben muss), und mir schien, dass man dort wirtschaftlich wirklich sehr gut über die Runden kommt. Rechnet man die Mehrwertsteuer heraus und den Aufwand für Ausbau und Abfüllung, Flasche, Verschluss, Ausstattung, Karton und schließlich Vermarktung, dürfte der Rohertrag pro Liter Wein wohl auch nicht weit über einem Euro liegen?

Gruß
Ulli
MichaelWagner
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Re: 32 Cent pro Liter Rotwein

Beitrag von MichaelWagner »

Hallo Ulli,

nunja, ich denke nicht dass da ausschließlich Masochisten mit Selbstausbeutungstrieb unterwegs sind. Für viele ist einfach der Rückweg versperrt. Siehe Milchindustrie...überschuldete Betriebe die nicht mehr einfach sagen können " Ich hör auf und verkauf die Bude", weil sie Ihnen gar nicht mehr gehört. Der Staat gewährt gleichzeitig zinsgünstige Kredite (Im Wissen das diese nie und nimmer zurückgezahlt werden können) für Modernisierungen und Vergrößerungen. Irgendwann ist dann Schicht und der Laden gehört der Bank/Staat etcpp...ich will gar nicht von geplanter Enteignung anfangen...im Weinbau lief/läuft das für "Fassweinbetrieb" nicht anders...

Die Signale sind längst klar. In D plant man nicht mehr mit der Landwirtschaft und will sie weghaben. Wein (Qualität sowieso egal) soll der Süden Europas in Menge X machen, wir machen Dienstleistung und ein bisserl Industrie...Planwirtschaft...hat ja schon immer erfolgreich funktioniert. Aber: das will man natürlich nicht laut sagen...

Teil 2, wie billig kann man in D produzieren? Gute Frage...kommt drauf an was man haben will und von wo?

Ich denke unter Deinen beschriebenen Bewirtschaftungsvoraussetzungen bei Ausreizung der Höchstertragsmenge und im Keller gemachter Qualität, die im ersten Moment nicht weh tut, sollte man inkl. Mwst schon einen Euro pro Liter für Fassware erwirtschaften, um seine Kosten zu decken. Wie gesagt kosten decken. man hat noch nicht gegessen, getrunken, Heizung angestellt, Zeitung gelesen....;) Der schleichende Tod...

In der Flaschenweinvermarktung bei Deinen beschriebenen Durchschnittspreisen dürfte eine schwarze Null stehen, gesetzt der Fall, dass man auch die Höchsterträge konstant erreicht und 100% über die Flasche absetzt. An überdurchschnittlichen Wein ist aber langfristig nicht zu denken, wobei in guten Jahren schon mal was passieren kann.

Vernünftiges Wirtschaften dürfte so ab 5,- Euro (brutto) pro Flasche 750ML aufwärts losgehen (je nach Menge/Qualität etc) losgehen. Wenn man Erträge begrenzt und die 85 Punkte (mal als Anhaltspunkt, bitte keine Punktediskussion jetzt:)) überschreiten will wirds natürlich mehr und nach oben offen.

Ich weiss, das ist jetzt alles mal grob dahingesagt, ohne Quellen & Beweisführung, aber so weit von der Wahrheit ist es nicht weg.

PS: hat man ein kostenintensives Chateau zu unterhalten - tja, dann wirds nochmal teurer:)

Bei aller Negativdarstellung zum Abschluss noch etwas Positives: es gibt zahlreiche Betriebe, die sich mit entsprechender Qualität adäquate Preise durchsetzen können.

Nur das Massensegment ist meiner Meinung nach in D zu Tode verurteilt. Ist aber auch nicht verwunderlich, weil Massenware bei uns einfach zu kostenintensiv ist im Vergleich (Löhne, Arbeitsschutz, regulierungen etcpp)

Amen :D

Michael
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VillaGemma
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Re: 32 Cent pro Liter Rotwein

Beitrag von VillaGemma »

EThC hat geschrieben: Man muß aus meiner Sicht einfach akzeptieren, daß es zwei Weinwelten gibt, die eigentlich wenig miteinander zu tun haben. Die hier im Forum vertretenen Mitglieder, die den Genuß von lecker Tröpfchen auch monetär zu schätzen wissen, leben in einer völlig anderen (Genuß-) Welt als das Gros der Weinkonsumenten.
Danke für die Erdung; obwohl ich im geerdeten Berlin wohne und dort auch eher in Thermo denn in Schmargendorf vergisst man so manchmal die Wirklichkeit. Insbesonder wenn man noch recht frisch aus dem C9-Urlaub zurück kommt. Aber Dein Satz bringt es auf den Punkt. Beides wird in Flaschen gefüllt, in Wahrheit sind es jedoch vollkommen unterschiedliche Produkte, die nichts miteinander zu tun haben.
Trotzdem ist eine interessante Diskussion zum Thema entstanden. Der Vergleich zur Milch hinkt gar nicht mal so sehr. Beides offensichtlich Produkte aus der Landwirtschaft, wo der Markt zurückgeht und der Preis ins Bodenlose fällt :|

PS: Das mit dem weniger Spritzen im Süden war dieses Jahr übrigens ein anderes Bild. Die Winzer im C9 und auch im Elsass haben sich doch recht lautstark beschwert, dass sie ständig raus müssen...insbesondere auch die BIOs mit Cu bewaffnet.
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Auch eine Enttäuschung, wenn sie nur gründlich und endgültig ist, bedeutet einen Schritt vorwärts. (Max Planck)
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EThC
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Re: 32 Cent pro Liter Rotwein

Beitrag von EThC »

VillaGemma hat geschrieben:Danke für die Erdung
Oh bitte! Ich habe gerade erst wieder bei einem Städtetrip nach Hamburg festgestellt, welch Außenseiter man ist, wenn man auch in einem durchaus besseren Restaurant was in Flaschenform von der separaten Weinkarte bestellt. Sofern's die überhaupt gibt. Auch die Reaktionen bzw. Antworten des Personals fand ich teils schon drollig. "Wo kommt denn der Silvaner her?" - "Aus Frankreich!" - "Das glaube ich weniger!" - "Doch! Aus Franken." - "Und wie heißt das Weingut?" - "Würzburg."...
Wenn ich restaurantmäßig entsprechend hochpreisig einsteige, finde ich natürlich in der Regel auch eine brauchbare Weinkarte vor, aber in der durchaus gehobenen Mittelklasse findet sich weinseitig sehr oft nur belanglose Basisware, die dem Essen in keinster Weise gerecht wird. Warum das so ist? Einfach, weil's niemanden interessiert.

Und noch eine Anmerkung zu den deutschen Faßweinwinzern. Es gibt ja einige Stimmen, die prophezeihen, daß diese über kurz oder lang aussterben, wenn in anderen Regionen der EU der gleiche Schrott produziert werden kann, eben nur viel billiger. Oder sie werden halt deutlich dezimiert. Diesen Stimmen kann ich mich durchaus anschließen. Allerdings sehe ich nicht, daß sich dies nun nachteilig auf MEINE Weinwelt auswirken wird, denn wie schon gesagt: zwei völlig verschiedene Weinwelten. Es sei denn, eine signifikante Anzahl von Erzeugern wollen von der einen in die andere Weinwelt wechseln, was dann in meiner Weinwelt das Angebot erhöhen und ggf. die Preise hier wiederum in manchen Sparten drücken würde. Aber den Sprung muß man erst mal schaffen...
Viele Grüße
Erich

Nicht was lebendig, kraftvoll, sich verkündigt, ist das gefährlich Furchtbare. Das ganz Gemeine ist's
DAS EWIG GESTRIGE
was immer war und immer wiederkehrt und morgen gilt, weil's heute hat gegolten.

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