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Große Gewächse 2006

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octopussy

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Re: Große Gewächse 2006

BeitragFr 19. Feb 2016, 15:01

Moin Moin,

in den letzten Wochen hatten wir mal wieder unsere Ten Years After Verkostung der Riesling Großen Gewächse und ihrer Pendants, ausgerichtet in zwei Sessions von Ole und Michael (vielen Dank an die beiden). Das war insofern höchst spannend, da wir bei der zweiten Session 8 identische Weine hatten wie in der ersten Session, das aber nicht wussten (blind probiert). Wir wussten zwar, dass es Überschneidungen geben werde, aber nicht wie viele und bei welchen Weinen. So gewann die Verkostung dann doch etwas mehr an Objektivität, denn mit ein bis zwei Ausnahmen und leichter Varianz waren die Gewinner und Verlierer der ersten Session auch die Gewinner bzw. Verlierer der zweiten Session. Außerdem zeigten sich die Weine teils durchaus konsistent in den beiden Sessions.

Ein kurzer Vergleich zu den Vorjahren:

2006 war ja bekanntlich kein einfaches Jahr für trockene Rieslinge. Eine ungleichmäßige Reife während des Jahres, viel Regen kurz vor und während der Ernte, enormer Fäunisdruck, eine überhastete Lese. Bei dem Traubenmaterial war es nicht leicht, gute Weine auf die Flasche zu ziehen. Und so erstaunt es auch nicht, dass das Niveau doch deutlich unter dem Niveau der Vorjahre lag: 2002, 2004 und 2005. Sogar die nicht ganz einfachen 2003er machten in der Breite mehr Spaß als die 2006er. Wir hatten deutlich mehr Weine, die nur so gerade eben über die 80 Punkte im Schnitt kamen als in den Vorjahren. Und die ganz großen Highlights blieben auch aus.

Gleichwohl war erstens das Niveau in der zweiten Session etwas besser als in der ersten Session. Und zweitens gab es schon eine ganze Reihe von Weinen, die richtig Spaß machten, sich gut entwickelt hatten und von denen man gerne eine Flasche zuhause trinkt. Auf Auktionen nachkaufen würde ich aber keinen der probierten Weine, da sind andere Jahrgänge schon deutlich besser.

Die Gewinner, die Mitte und die Verlierer

Fangen wir mal mit den Verlierern an. Ganz vorne steht da Kühling-Gillot. Niersteiner Pettenthal und Nackenheimer Rothenberg "Wurzelecht" (immerhin ein 50 Euro Wein) hatten wir in beiden Proben und in beiden Proben waren sie die schwächsten Weine und zeigten ihre Schwächen auch jeweils konsistent. Überreif, schwammig, botrytisgeladen, lätschig, unsauber, scharf und bitter. So lassen sich die Weine ganz kurz zusammenfassen. Was da schief gegangen ist, who knows?

Ziemlich schwach war auch ein Wein, der sonst stets reüssiert: Dönnhoff - Niederhäuser Hermannshöhle. In der zweiten Session zeigte er sich deutlich verbessert, aber die Harmonie sucht man hier mit der Lupe, die Aromatik ist verwaschen, da passt irgendwie nichts so richtig zum anderen.

Auch Emrich-Schönleber war nicht so richtig dolle. Monzinger Frühlingsplätzchen war kein Augenöffner und irgendwie plump. Halenberg war deutlich besser, kommt aber auch bei weitem nicht an sein Niveau aus anderen Jahren dran. Letztlich muss auch Koehler-Ruprecht Kallstadter Saumagen Auslese trocken zu den Verlierern zählen. Mir gefiel er beim Nachprobieren zwar sehr gut, aber in der Gruppe fiel der schon recht deutlich durch.

Für mich der groteskeste Wein der beiden Session war der Clemens Busch - Pündericher Marienburg "Rothenpfad", der trotz 14,5% Vol. (!) Alkohol pappsüß war. Das war ein bisschen wie der Versuch, eine feinherbe Beerenauslese abzufüllen. Überreife, wahnsinnig viel Alkohol und eine Öligkeit in der Textur paarten sich mit der pappigen Süße und einem alkoholisch-scharfen Abgang. Gruselig.

In der Mitte fanden sich unter anderem zwei Weine von der Mosel und Saar, nämlich Heymann-Löwenstein Winninger Uhlen "Roth Lay" und Van Volxem Scharzhofberger Pergentsknopp. Den Löwenstein habe ich jetzt schon drei Mal getrunken und er ist konstant sehr ordentlich und hat sein Profil. Auch der Van Volxem konnte gefallen.

Auch sehr ordentlich war der Schäfer-Fröhlich Bockenauer Felseneck, der ausnahmsweise mal keinen Spontistinker hatte, trotzdem eher unangenehm roch. Das Mundgefühl rettete den Wein aber ins Mittelfeld, denn das war extraklasse. Der Wein hinterließ eigentlich bei allen ein positives Gefühl. Querbach Oestricher Doosberg Erstes Gewächs war ziemlich harmlos und ein nicht trockener easy-drinking Wein, aber warum nicht?

Das tut zwar weh, aber auch Keller Abtserde fiel eher ins Mittelfeld, auch wenn er an der Spitze kratzte. Der Wein war blitzsauber und hatte eine Menge Druck und - jedenfalls aus der ersten Flasche - eine schöne Mineralität. Am Ende fehlte ihm aber jedenfalls aus meiner Sicht etwas Komplexität und Tiefe. Der Wein war schon etwas eindimensional. Es wirkte fast so, als sei da einiges dran gemacht worden, damit er so sauber schmeckt. Und das hat ihm sozusagen die Magie entzogen. Vielleicht ist der Wein auch noch zu jung und wird noch aufblühen. Jedenfalls aktuell fehlte da was.

Jetzt zur Spitze:

Ganz klar Peter Jakob Kühn. Den Oestricher Doosberg fand ich beide Male nicht super überzeugend, aber jedenfalls höchst komplex und extrem interessant. Regelrecht vom Hocker gehauen hat mich beide Male (!) der Mittelheimer St. Nikolaus. Diese großartige Mischung aus höchst individuell, durchaus anstrengend, phenolisch-teeartig und trotzdem saftig, strahlend und extrem gut zu trinken war einfach hinreißend. Mein Wein des Jahres aus den ca. 16 Weinen, die wir am Start hatten.

Auch bei Wittmann ist das Jahr gut gelungen. Westhofener Morstein war beide Male großartig, beim ersten Mal etwas großartiger als beim zweiten Mal. Sauber, klar, druckvoll, sehr erdig, komplex und super zu trinken. Das ist einfach richtig gut. Westhofener Aulerde fand ich nicht ganz so spannend, aber gut war der Wein allemal, sauber auch.

Die Line-Ups:

(meine Punkte in Klammern dahinter, das entspricht nicht ganz der Gruppenmeinung, Notizen in der Datenbank)

Session 1:

1. Querbach - Oestricher Doosberg Riesling Erstes Gewächs (88)
2. Emrich Schönleber - Monzinger Frühlingsplätzchen Riesling GG (85)
3. Wittmann - Westhofener Morstein Riesling GG (93)
4. Dönnhoff - Niederhäuser Hermannshöhle Riesling GG (84)
5. Heymann-Löwenstein - Winninger Uhlen Riesling Roth Lay (89)
6. Van Volxem - Scharzhofberger Pergentsknopp Riesling (90)
7. Kühling-Gillot - Nackenheimer Rothenberg Riesling "Wurzelecht" (81)
8. Kühling-Gillot - Niersteiner Pettenthal Riesling GG (82)
9. Peter Jakob Kühn - Oestricher Doosberg Riesling Drei Trauben (83)
10. Schäfer-Fröhlich - Bockenauer Felseneck Riesling GG (90)
11. Clemens Busch - Pündericher Marienburg Riesling Rothenpfad (80)
12. Keller - Westhofener Brunnenhäuschen Riesling "AbtsE" (91)
13. Peter Jakob Kühn - Mittelheimer St. Nikolaus Riesling Drei Trauben (94)

Session 2

1. Peter Jakob Kühn - Oestricher Doosberg Riesling Drei Trauben (89)
2. Emrich Schönleber - Monzinger Halenberg Riesling GG (90)
3. Wittmann - Westhofener Morstein Riesling GG (92)
4. Dönnhoff - Niederhäuser Hermannshöhle Riesling GG (87)
5. Heymann-Löwenstein - Winninger Uhlen Riesling Roth Lay (89)
6. Kühling-Gillot - Nackenheimer Rothenberg Riesling "Wurzelecht" (82)
7. Kühling-Gillot - Niersteiner Pettenthal Riesling GG (81)
8. Keller - Westhofener Brunnenhäuschen Riesling "AbtsE" (91)
9. Peter Jakob Kühn - Mittelheimer St. Nikolaus Riesling Drei Trauben (93)
10. Koehler-Ruprecht - Kallstadter Saumagen Riesling Auslese Trocken (89)
11. Wittmann - Westhofener Aulerde Riesling GG (88)
Beste Grüße, Stephan
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