octopussy hat geschrieben:Am spannendsten fände ich mal eine bewusst rigoros reduzierte Art der Beschreibung, z.B. mit max. vier Wörtern, die dann die treffendsten sind. Ich könnte das nicht, aber es wäre mal spannend zu lesen.
Interessanter Vorschlag. Ich habe auch meine Zweifel, dass mir das gelänge. Aber vielleicht versuchen wir es einfach mal im Schlussteil unserer VKNs.
Keine schlechte Idee ! Ich glaube zwar auch nicht , dass ich das so perfekt hinkriege, aber einen Versuch am Ende der VKN kann man ja mal wagen
[album]2887[/album]Und ich hatte Musse im Rebberg, auch wenn die Handarbeit in den Reben Rückgrat verlangte. Jedenfalls schmerzte mir der Rücken nach gut sechs Stunden. Und während ich so schnitt und schnitt und schnitt kam mir eine Kolumne des Schweizer Schriftstellers Peter Bichsel in den Sinn, geschrieben etwa vor zwanzig Jahren. Ich habe sie damals archiviert – weil ich den Gedanken faszinierend fand. Heute habe ich sie nun wieder ausgegraben. Ihr Titel: „Erzähl mir doch was.“….unsere Zeit ist unfähig zur Legendenbildung, weil uns durch die Informationstechnik das Erzählen abhanden gekommen ist. Der kurze Fact, der kurze Eintrag im Guinness-Buch, hat das Erzählen verdrängt… Inzwischen erleben wir eine Welt voller Ereignisse, die alle letztlich nicht erzählenswert sind. Wir haben uns in dieser Welt nichts mehr zu erzählen, so erscheint sie uns dann beängstigend, apokalyptisch und langweilig belanglos zugleich, denn was keine Geschichte hergibt, das interessiert auch nicht mehr…. Hätte es viel früher ein Waldsterben gegeben, die Grossväter und die Mütter hätten davon erzählt, immer wieder und lange, inzwischen ist auch es nur eine Sensation: geschehen, beschrieben und vorbei – schon bald vergessen. Den nächsten Weltrekord bitte!... Leben ohne erzählen, fürchte ich, wird sinnlos und geht unter… Der Untergang der „Titanic“ (1912) liegt uns immer noch näher, wohl nur deshalb, weil er erzählt wurde…“.
Es braucht nicht viel Phantasie, um das, was Peter Bichsel schreibt, auch auf Weinkritik herunterzubrechen. Weine, die nicht erzählt werden, ersticken in Fakten, Schlagworten, Punkten, siie gehen unter in der Flut von Information. Auch Weinlegenden entstehen nur durch erzählen, immer wieder, mit vielen Fassetten, in immer neuen Varianten. Nur so werden sie erinnert. Sonst bleiben sie – im besten Fall – ein kurzlebiges Ereignis, morgen schon vergessen. Der Wein ist gekauft (weil xx-Punkte), das Weingut abgehackt, die Flasche getrunken. Bestenfalls statistisch festgehalten: „geschehen, beschrieben und vorbei.“
Wenn ich mir so überlege, hat mir der Begriff "Entertainer des Weins" wohl deshalb so gut gefallen, weil „Entertainer“ – wollen sie erfolgreich sein – immer gute Erzähler sind.
Herzlich
Sammlerfreak
Eine Vier-Worte-Kritik hat was. Es wäre schön, wenn ich das könnte. Vielleicht mal im Stillen probieren.
Allerdings bin ich eher der Ausschweifertyp, wenn mich etwas wirklich berührt kommen Bilder in mir hoch, Erinnerungen an sonstwas und häufig genug nerve ich meine Zuhörer damit. Vielleicht liegt es auch an meiner altertümlichen Grundhaltung, nix mit Twitter, FB etc.
Warum aber nicht mal beim Wein bzw. bei der Weinbeschreibung trainieren, man muß sich ja nicht komplett selbst verbiegen.
Dank für die Anregung sagt
Wolfgang,
der ansonsten gern mal Weinnotizen oder -kritiken liest aber fast nur noch hier im Forum o. ä., die Zeiten meiner Weinzeitschriften liegen lang zurück, irgendwie brauche ich dies nicht mehr.
Die Sache mit den max. 4 Wörtern klingt interessant, aber so richtig vorstellen kann ich mir das bislang nicht. Denn um einen Wein zu beschreiben, ist das ja viel zu wenig, man könnte sich nur auf besonders auffällige Faktoren beschränken, die vom "Standard" abweichen. Nachdem dieser Standard aber natürlich vom jeweiligen Kontext (Rebsorte, Herkunft, Stil, Jahrgang) abhängt, müsste man diesen immer als bekannt voraussetzen. Eine solche Beschreibung eines roten Burgunders könnte für einen Kenner dieser Weine hilfreich sein, für jemand, der nur gelegentlich solche Weine trinkt, aber kaum. Oder habe ich da etwas falsch verstanden?
Vielleicht hat jemand ein Beispiel, wie eine solche VKN aussehen könnte?
Ich finde die 4-Worte-Idee durchaus reizvoll, aber nicht an Stelle einer klassischen Vkn, sondern ZUSÄTZLICH, sozusagen als Abschluss. Dann aber moglichst keine Wiederholungen, zum Bsp. "Restsüß", sondern mit einem alternativen Zugang, z.B Charaktereigenschaften. Bsp.: "aufgetackelt, eitel, vordergründig, albern". Könnte den Unterhaltungswert von Vkns steigern und manchmal vielleicht sogar den Erkenntnisgewinn...
Na ja, Charlie beispielsweise hat ja in der VKN-Datenbank viele Einträge in dieser Art angelegt, wenn viele Weine zur Verkostung in sehr kurzer Zeit angestanden sind (nach "Kurzprobe" suchen). Ich muss allerdings gestehen, dass ich mir in solchen Fällen nicht wirklich ein Bild davon machen kann ...
Gerald hat geschrieben:Na ja, Charlie beispielsweise hat ja in der VKN-Datenbank viele Einträge in dieser Art angelegt, wenn viele Weine zur Verkostung in sehr kurzer Zeit angestanden sind (nach "Kurzprobe" suchen). Ich muss allerdings gestehen, dass ich mir in solchen Fällen nicht wirklich ein Bild davon machen kann ...
Grüße,
Gerald
Gerald, genau das ist das Problem. Wenn Du den Verkoster kennst, und ich kenne Charlie, dann kannst Du das sehr gut einordnen, wenn nicht - dann hast Du keine Chance.
So reizvoll der Gedanke von wenigen Worten für einen Wein ist, ich bin sicher sie werden dem Wein nur in den wenigsten Fällen gerecht, bzw. nur der Verkoster kann damit was anfangen.
Wobei die "Kurzproben" wahrscheinlich nicht dasselbe sind wie ausführliches Verkosten eines Weins mit anschließender absichtlicher Beschränkung auf wenige (z.B. 4) Wörter.
Bei solchen Kurzproben (beispielsweise bei einer Jahrgangspräsentation im Weingut oder einer Publikumsverkostung) mache ich mir normalerweise auch nur ganz kurze Notizen, die dann aber nur den Zweck haben, später auszuwählen, welche der probierten Weine ich in Ruhe zuhause verkosten möchte. Für sich alleine werden sie dem Wein sicher nicht gerecht.