Hallo,
wie lange dauert das eigentlich so?
Hintergrund - hatte neulich mal einen Pedesclaux 2009 offen, der angeblich noch gar nicht trinkreif ist, aber der war gar betörend, sehr lecker, fruchtig und aromatisch.. frage mich nun allerdings, ob der schon trinkreif ist (was auch einige leute bei cellartracker sagen), oder gar noch gar nicht verschlossen und in oben genannter Phase??
Und dann hatte ich 2011 mal einen Desmirail 2006, den ich ebenfalls super fand (obwohl der ja gar nicht sooo nen guten Ruf hat), der schmeckt mir mittlerweile nicht mehr so gut, ein Hauch Aroma scheint mir verloren. Kann es sein dass der 2010 noch in dieser Phase war und nun "zu" ist und noch gewartet werden muss? Was mich ja etwas wundern würde weil so dolle ist der ja (angeblich) gar nicht.
Oder wie muss ich mir das vorstellen?
Gruß+Danke
Frage zu Bordeaux Primärfruchtphase
Re: Frage zu Bordeaux Primärfruchtphase
Wie antwortet der Jurist? "Kommt drauf an!" Bei jedem Jahrgang ist es anders und bei jedem Jahrgang sammelt man neue Erfahrungen. Grob kann man natürlich sagen, je mehr Tannin, desto kürzer verläuft die Primärfruchtphase. 2005 war deshalb nur sehr kurz zugänglich, bei 2010 ist das ähnlich. 2009 wiederum hat viel Tannin, aber noch mehr Fruchtanteil als zB 2005. Deshalb sind einige Weine auch jetzt immer noch offen. Das hat viele verblüfft. Etliche 2009er sind dagegen auch schon zu. Auch hier kommt es eben drauf an. Generalisierungen sind schwierig.JanHH hat geschrieben:Hallo,
wie lange dauert das eigentlich so?
Auch die Frage, wann sich die Weine wieder öffnen ist fallweise zu beantworten. Die 2000er machen zB derzeit langsam auf, ebenso die größeren 2004er und wenn mich nicht alles täuscht, sinkt die Dekantierzeit, die man für die 2008er braucht. Die 1995er sollten längst offen sein, aber hier besteht zB die Frage, ob die Frucht jemals dem sehr heftige Tannin wird Paroli bieten können. Weine, bei denen das nicht gelingt trocknen aus, dh sie kommen nie mehr in die Harmonie, die Tannine und irgendwann die Säure überlagern den sich ausbildenden Sekundärgeschmack. Bei einigen 1994ern und 1995ern kann man das vermuten. Generell kann man sagen, schwache tanninarme Jahre durchlaufen kurze Verschlussphasen (2002, 2007), große Jahrgänge brauchen lang (Legendär der Jahrgang 1928, bei denen einige Weine erst nach 50 Jahren zugänglich gewesen sein sollen - hier stütze ich mich aber nicht auf eigenes Wissen).
Übrigens, was ich unter Primäraromen verstehe sind vor allem Fruchteindrücke. Also Cassis, je nach Jahrgang rote oder schwarze Kirschen, Erdbeere, Himbeere oder bei Weißweinen Aprikose, Steinfrüchte etc.
In der Sekundärphase wandelt sich das Geschmacksbild. Die Primäreindrücke gehen zurück und Aromen zB von Rumtopf, gekochte Früchte, Leder, Zigarre, Waldboden, Speck etc. werden spürbar.
Grüße,
wolf
„Es war viel mehr.“
Johnny Depp dementiert, 30.000 Dollar im Monat für Alkohol ausgegeben zu haben. (Quelle: „B.Z.“)
Johnny Depp dementiert, 30.000 Dollar im Monat für Alkohol ausgegeben zu haben. (Quelle: „B.Z.“)
Re: Frage zu Bordeaux Primärfruchtphase
Der extrem "primärige" Geschmack des Pedesclaux spricht dann also eher dafür, dass der noch offen ist, oder?
Ist eigentlich der Primär-Geschmack irgendwie "billiger", also effektheischender, vordergründiger, als der Sekundärgeschmack, und letzterer ist der "eigentliche, edle" Geschmack des Weines, den der Winzer erzielen wollte? Oder haben beide gleichberechtigt ihren Reiz?
Ist eigentlich der Primär-Geschmack irgendwie "billiger", also effektheischender, vordergründiger, als der Sekundärgeschmack, und letzterer ist der "eigentliche, edle" Geschmack des Weines, den der Winzer erzielen wollte? Oder haben beide gleichberechtigt ihren Reiz?
Re: Frage zu Bordeaux Primärfruchtphase
Lafite Rothschild 1975 ist heute "trinkreif"
Kenner haben das nie erwartet, !
Bis 2000 war es eine sauere und unangename Wein
Selbstverstandlich ist es eine "old school " wine
Seit ende 80er Jahre hat sich etwas geanderd in die Bordeaux
just my 2 cents
Hendrik

Kenner haben das nie erwartet, !
Bis 2000 war es eine sauere und unangename Wein
Selbstverstandlich ist es eine "old school " wine
Seit ende 80er Jahre hat sich etwas geanderd in die Bordeaux
just my 2 cents
Hendrik
Re: Frage zu Bordeaux Primärfruchtphase
Hallo Jan,JanHH hat geschrieben: Ist eigentlich der Primär-Geschmack irgendwie "billiger", also effektheischender, vordergründiger, als der Sekundärgeschmack, und letzterer ist der "eigentliche, edle" Geschmack des Weines, den der Winzer erzielen wollte? Oder haben beide gleichberechtigt ihren Reiz?
das würde ich unbedingt selber ausprobieren. Als ich die ersten BDX ab Cru Bourgeois kennenlernte, bin ich völlig ungebildet herangegangen und habe mich über die wilden, ungehobelten Aromen jüngerer Weine gewundert. Deren Wandelbarkeit bei längerem Luftkontakt war zugleich faszinierend. Wenn sich die Weine dann eine Weile harmonisch primärfruchtig präsentierten, war dies auch nur ein relativer Eindruck. Im Untergrund brodelte die Tannin-Chemie. Heute wäre es für mich ein Verlust, Bordeaux nur im gereiften Zustand zu trinken. Sie mögen mehr Finesse haben, komplexer sein. Aber auch das vordergründige, „impressionistische“ Geschmacksbild guter Bordeaux hat für mich großen Wert in jedem Reifezustand. Ich muss sogar sagen, das der Geruch und der Geschmack eines relativ frischen Medoc für mich eines der aufregendsten Weinerlebnisse ist. Es geht dann aber weniger um hedonistisches Zurücklehnen und Kulinarik, eher um die Beobachtung eines wilden Naturereignisses.
Gruß, Kle
Das Schema der Wirklichkeit ist das Dasein in einer bestimmten Zeit
Immanuel Kant, Elementarlehre
Immanuel Kant, Elementarlehre
Re: Frage zu Bordeaux Primärfruchtphase
kommt drauf an, ob Du zB lieber Scarlett Johanson oder sagen wir Nicole Kidman magst. Primärfrucht ist unmittelbar, direkt, hedonistisch und man darf auch mal lecker sagen. Sekundärfrucht ist vielschichtiger, interessanter, aber durchaus auch schwieriger.JanHH hat geschrieben:Der extrem "primärige" Geschmack des Pedesclaux spricht dann also eher dafür, dass der noch offen ist, oder?
Ist eigentlich der Primär-Geschmack irgendwie "billiger", also effektheischender, vordergründiger, als der Sekundärgeschmack, und letzterer ist der "eigentliche, edle" Geschmack des Weines, den der Winzer erzielen wollte? Oder haben beide gleichberechtigt ihren Reiz?
Das Klischee von "billig" kommt vielleicht daher, dass einfache Weine gar nicht erst in die Sekundärphase eintreten. Die gehen vorher kaputt. Große Weine sind dagegen immer groß, wie jemand im Forum richtig schrieb.
Ein Beispiel für eine ganz und gar nicht billige Primärfruchtphase hatte ich vorgestern im Glas:

Grüße,
Wolf
„Es war viel mehr.“
Johnny Depp dementiert, 30.000 Dollar im Monat für Alkohol ausgegeben zu haben. (Quelle: „B.Z.“)
Johnny Depp dementiert, 30.000 Dollar im Monat für Alkohol ausgegeben zu haben. (Quelle: „B.Z.“)
Re: Frage zu Bordeaux Primärfruchtphase
schön gesagt.innauen hat geschrieben:Wenn man sich dieser Sinnlichkeit nicht hingeben will, mag man Teer, Vanille., Speck oder was auch immer schmecken. Der Wein ändert alle zehn Minuten seinen geschmacklichen Schwerpunkt.
das Korkgeld war hoffentlich nicht zu hoch.innauen hat geschrieben:zB machte er sich heute Abend hervorragend zu Royal TS.
Gruß, Kle
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Immanuel Kant, Elementarlehre
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