Bordeaux 2000

Medoc und seine Appellationen, Bourg und Umgebung, Fronsac, Pomerol, Saint Emilion und Umgebung, Entre Deux Mers, Graves und Pessac-Leognan, Sauternes und Co.
Weinbertl
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Re: Bordeaux 2000

Beitrag von Weinbertl »

Hallo Zusammen,

im Rahmen unseres Weinkreises haben wir uns dieses mal dem Thema Pessac-Leognan 2000 gewidmet. Verkostet wurden 14 Rotweine aus der besagten Region, die angestellten Weine waren bekannt, die Reihenfolge allerdings nicht, sozusagen eine halb blinde Verkostung. Alle Weine wurden erst kurz vor dem Servieren in großer Dekanter gefüllt, viel Luft bekamen die Weine also nicht. Im folgenden meine Eindrücke in der angestellten Reihenfolge:

1. Rochemorin
In der Nase zunächst spendabel und duftig, Tabak, etwas Zedern, genereller Eindruck von viel Holz, nach 10-15 Minuten im Glas dann etwas abflachend. Am Gaumen ausgewogen, rote frische Frucht, Kaffee, mittelkräftig, an der Luft dann zusehends abbauend, mittlere Länge, ein wenig ein Blender. Sollte in nächster Zeit getrunken werden. Knappe 16 P.

2. La Garde
zunächst etwas verhalten, dann recht edles dunkles Holz, macht an der Luft auf, gewiße Tiefe. Am Gaumen einfacher gestrickt, als die Nase vermuten lässt, etwas laktisch/metallisch, die Säure empfinde ich etwas disharmonisch, gewinnt jedoch auch am Gaumen an der Luft. Braucht vll. noch etwas Zeit.
16-16,5 P.

3. Carbonnieux
leider Kork!

4. La Louviere
zunächst etwas verhalten, dann frische, etwas minzige Art, zum Schluss harmonisches Nasenbild.
Am Gaumen gutes, straffes Tanningerüst, auch Säure blickt durch, ledriger Typ. Charaktervoll, aber braucht noch ein bisschen Zeit. 16,5-17 P.

5. Latour-Martillac
Duftig und ausladend, feines Holz und Tabak. Am Gaumen tolle Harmonie, schöner Schmelz, guter Gripp von den Tanninen und der Säure, gute Länge. 17 P.

6. Larrivet Haut Brion
In der Nase deutlich besser als am Gaumen. Feinwürziges Bouquet. Am Gaumen leider schwachbrüstig und eindimensional, evtl. auch fehlerhafte Flasche (wurde zumindest diskutiert). 15,5-16 P.

7. de Fieuzal
erster Wein des Abends, der mich richtig aufhorchen lies. In der Nase nobel, komplex und fein verwoben. Am Gaumen fein gereift, auch hier wieder komplex, viel Extrakt, griffige Struktur, lang, fast noch zu jung. 17,5-18 P.

8. Haut Bailly
größte Enttäuschung des Abends: aber den Wein selbst trifft keine Schuld, sondern den leidigen Korken!

9. La Tour Haut Brion
dunkle, klassische Nase. Am Gaumen saftig, Kaffee, kräftige Struktur, dunkler Typ. Mittellang bis lang. 17-17,5 P.

10. Les Carmes Haut Brion
wieder Kork!

11. Malartic-Lagraviere
komplexe Nase, Mischung aus dunkler Schokolade, süßlicher Zigarre und etwas Kaffee, schön verwoben.
Am Gaumen schmeckt man das reife Lesegut, sehr extraktreich, tolle griffige Struktur, alles in der Balance. Langer Abgang. 18 P.

12. Domaine de Chevalier
In der Nase Weihnachtsgewürze, leicht gemüsig, kompakt, noch eher verschlossen. Am Gaumen dann große Irritation: metallisch und kühl, schlanker Typ. Sehr schwierig zu bewerten, evtl. problematische Zwischenphase. Keine Bewertung!

13. Pape Clement
Jetzt wirds groß! Feinstes Leder, extrem duftiges und harmonisches Nasenbild. Am Gaumen feinstes Holz, sehr reife, gut stützende Tannine, viel Charme und Eleganz. Sehr intensiv und lang. 18,5-19 P.

14. Smith Haut Lafitte
Fast auf Augenhöhe mit Pape Clement, wenn auch anderer Natur. Feine Kräuter und Kaffee, sehr subtil und nobel. Am Gaumen frisch und saftig, fein strukturiert, vor allem die Säure fällt mir positiv auf, wiederum ein sehr eleganter, klassischer Bordeaux. Langer Abgang. 18,5 P.

Danach gabs geschmortes Lamm, dazu wurde vom großzügigen Gastgeber eine Magnum 94er Sammarco gereicht, der Wein passte nicht nur sehr gut zum Essen sondern wusste auch für sich zu überzeugen. Überhaupt keine Ermüdungserscheinungen, sehr guter Gripp und lang. Mehr hab ich dazu nicht notiert (um die 17,5 P). Als krönender Abschluss wurde noch ein Madeira Reserve Solera 1940 aus dem Hause Borges kredenzt. Der Wein zeigte eine große Komplexität und durch die noch sehr frische Säure wirkte der Wein alles andere als müde - großartiger Stoff!

Fazit:
Zuerst das Negative: die hohe Ausfallquote durch Kork oder andere Weinfehler war ein echter Jammer. Vor allem Haut-Bailly war ein echter Verlust, aber auch Dom. Chevallier war nicht 100%ig sauber.

Nun zum Positiven: Man konnte durchaus erkennen, dass alle Weine der gleichen Region entstammten und dort viel reifes Lesegut zur Verfügung stand. Keiner der Weine war verschlossen oder eindeutig zu jung. Die kleineren Weine sind jetzt komplett trinkreif, die besseren und die in meinen Augen teilweise großen Weine dieser Runde befinden sich in ihrer ersten Genußphase. Das beste PGV bot de Fieuzal, die Spitze bildeten Pape Clement und SHL.
Grüße
Robert
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UlliB
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Re: Bordeaux 2000

Beitrag von UlliB »

Oh je, das ist schon heftig: 14 Flaschen, davon drei mit Kork, und zwei weitere Verdachtsfälle...

Heftig, aber eben auch nicht außergewöhnlich. Vor einiger Zeit habe ich hier etwas Stirnrunzeln erzeugt, als ich von durchschnittlich 10% Ausfall durch Kork geredet habe - das wurde als viel zu hoch empfunden. Ich bleibe aber dabei, und solche Proben (die ich leider auch schon erlebt habe) stützen meine Schätzung. Im Gegenzug gibt es glücklicherweise auch die eine oder andere Probe, wo eineinhalb Dutzend Flaschen keinen Fehler haben.

Gruß
Ulli
Gast1

Re: Bordeaux 2000

Beitrag von Gast1 »

Aktuelle Wasserstandsmeldung zu einer 2000er Referenz:

Le Boscq 2000, St. Estephe
12,5% Alk.

Hatte bei diesem Wein noch nie Kork, auch diese Flasche nicht. Tiefe purpurne Farbe, keinerlei orangene Reflexe. Alles jetzt wunderbar trinkig, weich offen und geschmeidig und auch mit dem nötigen Halt, schöne Frucht von schwarzen kleinen Beeren. Macht viel Spaß, Flasche war schnell geleert, zu einem argentinischen Rinderfilet. Für mich 92 Pkte.

Weinfreundliche Grüße
Christian
Gast1

Re: Bordeaux 2000

Beitrag von Gast1 »

@Weinbertl
8. Haut Bailly
größte Enttäuschung des Abends: aber den Wein selbst trifft keine Schuld, sondern den leidigen Korken!
Ja, wirklich schade, ist wahrscheinlich momentan das Beste was man aus 2000 so trinken kann. Hatte mir selbst vor etwa drei Jahren ein paar kleinere Formate zugelegt. Jede davon hat bisher einen begeisternden Trinkgenuss geboten, i.e 95 Pkte und jetzt leider nur noch eine Flasche übrig :cry:

Gruss
Christian
manubi
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Re: Bordeaux 2000

Beitrag von manubi »

Eine positive Überraschung nach viel Frust mit der ersten Kiste (schade drum):

Bild

Falls es den noch im Handel gäbe, bis ca. 20 € wäre er sicher einen Kauf wert.

Beste Grüße

Manfred
Ich koche immer mit Wein. Manchmal kommt sogar etwas davon in den Topf . . .
manubi
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Re: Bordeaux 2000

Beitrag von manubi »

Heute, nach längerer Pause, mal wieder ein

Bild

Es gibt (oder würde man besser sagen: gab?) sie also noch, die Bordeaux mit herausragend gutem Preis-Genuss-Verhältnis.

Falls man diesem Wein im Handel begegnet: bis ca. € 25,00 unbedingt kaufen!

Beste Grüße

Manfred
Ich koche immer mit Wein. Manchmal kommt sogar etwas davon in den Topf . . .
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vanvelsen
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Re: Bordeaux 2000

Beitrag von vanvelsen »

Hallo zusammen

gestern hatte ich im Rahmen einer vinophilen Dreierrunde 4 schöne Weine aus 2000 blind im Glas. Kurze Wasserstandsmeldung:

Figeac 2000: mittelkräftiges Rot, erste Reifetöne. In der Nase Paprikawürze, von Beginn weg offen. Am Gaumen ausgewogen, klassisch mit reifem Gerbstoff und sehr guter Länge. Hält sich über 3h stabil im Glas. 17.5 vvPunkte (92) - jetzt bis 2018.

Domaine de Chevalier 2000: kräftige, noch jugendliche Farbe. Sehr ansprechende Nase, viel Würze, auch etwas weisser Pfeffer, sehr Bordeaux. Am Gaumen gut strukturiert, mittlerer Körper, leichter Säureüberhang, gute Länge. Macht viel Spass zur Zeit. 18 vvPunkte (93) - jetzt bis 2020.

Calon Ségur 2000: kräftige Farbe, noch jugendlich. In der Nase sehr laktisch (so hatte ich Calon noch nie im Glas). Diese Note verzieht sich erst nach 2h, bleibt aber dezent hängen. Am Gaumen top strukturiert, sehr dicht, mit viel Druck und herrlicher, dunkelbeeriger Frucht und sehr ansprechender Würze. Wenn die Nase nicht wäre (und ich kenne den 2000er anders), würde ich den Wein noch höher benoten. Diese Flasche 17.5+ vvPunkte (92+) - jetzt bis 2025.

Pichon Longueville Baron 2000: kräftige, noch jugendliche Farbe, schöner Glanz. Die Nase extrem tief und nobel, sehr komplex, dunkle Beeren, Rauch, Gewürze, wow, eine Droge, äusserst fein und präzis. Der Gaumen top strukturiert, feinste Gerbstoffe, genau richtig dosierte Säure, alles an seinem Platz. Der Wein fliesst seidenweich über die Zunge, bleibt im Abgang sehr lange und ist einfach nur gross! 19.5 vvPunkte (98) - jetzt bis 2030.

Gruss,

Adrian
olifant
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Re: Bordeaux 2000

Beitrag von olifant »

vanvelsen hat geschrieben:...
Calon Ségur 2000: kräftige Farbe, noch jugendlich. In der Nase sehr laktisch (so hatte ich Calon noch nie im Glas). Diese Note verzieht sich erst nach 2h, bleibt aber dezent hängen. Am Gaumen top strukturiert, sehr dicht, mit viel Druck und herrlicher, dunkelbeeriger Frucht und sehr ansprechender Würze. Wenn die Nase nicht wäre (und ich kenne den 2000er anders), würde ich den Wein noch höher benoten. Diese Flasche 17.5+ vvPunkte (92+) - jetzt bis 2025.
...
Hallo Adrian,

deine Notiz lässt mich für meine Magnum hoffen, wollte ich anlässlich eines 2020 anstehenden Jubiläums aufziehen - aber ist ja noch ein Weilchen hin.
Wie sollte denn die Nase sich deiner Erfahrung nach eigentlich sein?
Grüsse

Ralf

Die Zukunft war früher auch besser.
Karl Valentin
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dazino
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Re: Bordeaux 2000

Beitrag von dazino »

vanvelsen hat geschrieben:Hallo zusammen
gestern hatte ich im Rahmen einer vinophilen Dreierrunde 4 schöne Weine aus 2000 blind im Glas. Kurze Wasserstandsmeldung:

Figeac 2000: mittelkräftiges Rot, erste Reifetöne. In der Nase Paprikawürze, von Beginn weg offen. Am Gaumen ausgewogen, klassisch mit reifem Gerbstoff und sehr guter Länge. Hält sich über 3h stabil im Glas. 17.5 vvPunkte (92) - jetzt bis 2018.

Domaine de Chevalier 2000: kräftige, noch jugendliche Farbe. Sehr ansprechende Nase, viel Würze, auch etwas weisser Pfeffer, sehr Bordeaux. Am Gaumen gut strukturiert, mittlerer Körper, leichter Säureüberhang, gute Länge. Macht viel Spass zur Zeit. 18 vvPunkte (93) - jetzt bis 2020.

Calon Ségur 2000: kräftige Farbe, noch jugendlich. In der Nase sehr laktisch (so hatte ich Calon noch nie im Glas). Diese Note verzieht sich erst nach 2h, bleibt aber dezent hängen. Am Gaumen top strukturiert, sehr dicht, mit viel Druck und herrlicher, dunkelbeeriger Frucht und sehr ansprechender Würze. Wenn die Nase nicht wäre (und ich kenne den 2000er anders), würde ich den Wein noch höher benoten. Diese Flasche 17.5+ vvPunkte (92+) - jetzt bis 2025.

Pichon Longueville Baron 2000: kräftige, noch jugendliche Farbe, schöner Glanz. Die Nase extrem tief und nobel, sehr komplex, dunkle Beeren, Rauch, Gewürze, wow, eine Droge, äusserst fein und präzis. Der Gaumen top strukturiert, feinste Gerbstoffe, genau richtig dosierte Säure, alles an seinem Platz. Der Wein fliesst seidenweich über die Zunge, bleibt im Abgang sehr lange und ist einfach nur gross! 19.5 vvPunkte (98) - jetzt bis 2030.
Danke für die Notizen Adrian, die ich so bestätigen kann. Das war wirklich ein toller Abend. Ich persönlich sah den Figeac hinter dem Baron an zweiter Stelle bei ca. 94 Punkte und knapp vor dem Domaine. Die laktischen Noten beim Calon fand auch ich sehr störend und hoffe, dass meine letzte Flasche davon verschont bleibt.

Alles in allem war es aber erstaunlich wie gut sich die 2000er trinken lassen. Der 2000er Baron ist für mich Bordeaux in Perfektion. Besser geht es fast nicht mehr!

Gruss
David
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Panamera
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Re: Bordeaux 2000

Beitrag von Panamera »

Ui ui ui, da habe ich aber etwas verpasst ;)

Einen Calon Segur 2000 hatte ich neulich auch im Glas, konnte von dieser "laktischen" Note allerdings nichts bemerken. Viel mehr habe ich den Wein von seiner druckvollen, dichten und (noch) sehr fruchtigen Seite erlebt. Hat definitiv noch Potential für einige weitere Jahre und sollte aus der Magnum 2020 kein Problem sein.

Zu Pichon Longueville Baron 2000 gibt es nur eines zu sagen: grossartig!!
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