Kräuter im Weinberg im Wein erkennbar?

Was Sie schon immer über Wein wissen wollten, aber nie zu fragen wagten
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Gerald
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Re: Kräuter im Weinberg im Wein erkennbar?

Beitrag von Gerald »

Na ja, einerseits müsste man schon die Bedingungen von Regen vergleichen. Andererseits sind die genannten Pflanzen weichlaubig, nicht wie die typischen Garrigue-Kräuter. Aber ich probiere es gleich mit einem Thymianzweig aus (habe ja den ganzen Garten voll mit diversen Kräutern).

Grüße,
Gerald
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Gerald
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Re: Kräuter im Weinberg im Wein erkennbar?

Beitrag von Gerald »

So, schon ausprobiert. Zwei typische Garrigue-Kräuter (Thymian sowie Bergbohnenkraut - letzteres gerade in Blüte), je 5 min. in einem Glas mit Wasser. Der Geruch nach den Kräutern ist geringfügig spürbar, nach dem Umgießen in ein anderes Glas aber kaum mehr zu erkennen (vermutlich auf der Glaswand durch die Reibung beim Eintauchen hängen geblieben). Geschmacklich aber ein bisschen deutlicher erkennbar.

Wenn sich dieses Aroma aber statt auf ein kleines Glas auf viele Kubikmeter Boden verteilt, aus dem der Weinstock sein Wasser bzw. seine Nährstoffe entnimmt, dann bewegen wir uns schon im Bereich von Ultraspuren ...

Grüße,
Gerald
toff
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Re: Kräuter im Weinberg im Wein erkennbar?

Beitrag von toff »

Hallo Gerald,

ich bin da auch skeptisch, was die Aufnahme über die Wurzeln betrifft, aber eine Anmerkung möchte ich machen
Gerald hat geschrieben: c) falls Kräuteraromen in den Boden gelangen: wie werden sie vom Weinstock aufgenommen? Die Wurzeln aller Pflanzen haben ja semipermeable Membranen und lassen von sich aus nur Wasser und sehr kleine Moleküle durch. Typische Kräuteraromen (Terpene) sind da schon zu groß. Außer es gäbe einen aktiven Stofftransportmechanismus für bestimmte Substanzen.
Das mit der semipermeablen Membran und der Größenselektivität gilt so streng wohl nur für hydrophile Moleküle. Terpene dürften ziemlich hydrophob sein und da könnte schon einiges durch die Membran durchdiffundieren. Ich selbst habe vor einigen Jahren Messungen mit Corticosteron gemacht (das Molekül ist noch ein Stück größer als Thymol) und die passive Aufnahme in die Zellen war beachtlich. Zugegebenermaßen waren das keine Pflanzenwurzeln sondern Froscheizellen, aber der prinzipielle Aufbau der Zellmembran dürfte ähnlich sein.

Grüße, Christopher
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Gerald
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Re: Kräuter im Weinberg im Wein erkennbar?

Beitrag von Gerald »

Hallo Christopher,

ja, das ist natürlich richtig. Allerdings sind die im Zusammenhang z.B. mit Thymian erwähnten Terpene (Thymol, Carvacrol, Linalool bzw. Geraniol) ja Terpenalkohole bzw. Phenole und daher nicht wirklich apolar. Bei Terpen-Kohlenwasserstoffen wie Pinen wäre es vielleicht etwas anders.

Anders gefragt: schmeckt man in einem Wein, wenn er in der Nähe eines Kiefernwaldes gewachsen ist?

Aber auch so: da es wohl keinen speziellen aktiven Stofftransport für diverse Terpene gibt, würde die Konzentration innerhalb der Pflanzenzelle höchstens so wie in der wässrigen Phase des Erdreichs sein - und das ist sicherlich ziemlich wenig.

Grüße,
Gerald
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Gerald
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Re: Kräuter im Weinberg im Wein erkennbar?

Beitrag von Gerald »

Nachtrag: wenn die Aufnahme von Aromastoffen über die Wurzel so einfach funktionieren würde, dann könnte man als Weinbauer ja einfach seine Reben mit Extrakten aus Zimt, Nelken & Co gießen und damit einen komplexeren Rotwein produzieren. Das wäre meines Wissens - anders als Zusätze zum Most bzw. fertigen Wein - auch sogar völlig legal ...

Grüße,
Gerald
Kle
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Re: Kräuter im Weinberg im Wein erkennbar?

Beitrag von Kle »

…eure Erkundungen sind schon sehr interessant. Falls die Kräuteraufnahme bewiesen wird, werden Verkostungsnotizen auf eine neue Grundlage gestellt. Falls nicht, kann man noch besser auf Durchzug schalten, wenn es mal wieder heißt: "Aus dem Wein atmen die Kräuterwiesen seines Terroir" oder so ähnlich. Außerdem müsste doch auch die Behauptung ein Ende haben, ausgerechnet Wachauer Weine würden nach Marillen schmecken.
Allerdings hätten die Kräuter-Idealisten noch die Möglichkeit, sich auf den Standpunkt der Homöopathen zu stellen. Deren extrem verdünnte, von wirksamen Molekülen befreite Arzneien helfen vielen Patienten ja nach Ansicht der Anhänger deshalb, weil sie von einer Art geistigen Information der Ausgangssubstanz durchdrungen sein sollen. Das klingt doch schon wieder sehr nach gehobenem Weingenuss! Viele Verkostungsnotizen, die von Phantasie oder Placebo-Effekten beflügelt schienen, wären dann in Wahrheit von Menschen geschrieben worden, die für den Geist des Weines besonders empfänglich sind.
Ich hoffe jedenfalls, dass ihr noch mehr Licht ins Dunkel bringt.

Gruß, Kle
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wiesengenuss
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Re: Kräuter im Weinberg im Wein erkennbar?

Beitrag von wiesengenuss »

Erstmal zurück zu den Wurzeln und dem Vergleich mit den Froscheizellen.

Membran ist nicht gleich Membran. Es gibt semipermeable Membranen, bei denen tatsächlich durch den osmotischen Druck im Innern der Wurzelzelle nur Wasser und Salze (in Form von Ionen) in die Zelle gelangen.

Und es gibt Membranen, Biomembranen, die Eiweißmoleküle (z.B. Tunnelproteine oder Carrier) enthalten, die auch große Stoffe passiv oder aktiv transportieren.

http://www.uni-duesseldorf.de/MathNat/B ... ionen.html

Und jetzt muss ich selbst mal nachschlagen, wie das bei den Wurzelzellen so ist ;-)

Interessanter neuer Aspekt auf jeden Fall, die Aufnahme über Wurzeln....

Der wichtigste Aspekt der Kräutervielfalt im Weinberg ist jedoch auf jeden Fall, die Auswirkung auf den Bodenhaushalt und die Biodiversität - auch the blossom effect genannt.

Bisher fehlt mir jedoch noch jeder "Beweis" von Wissenschaftlern für die Aufnahme von außen...
Dass im Innern der Beere Kräuteraromen gebildet werden ist jedoch bewiesen.

Hmm, weiter suchen...
wiesengenuss
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Re: Kräuter im Weinberg im Wein erkennbar?

Beitrag von wiesengenuss »

Ich hab nachgeschaut und gebe mir selbst die Antwort. Geht nicht! Große Moleküle (wie Terpene) können nicht in die Wurzel aufgenommen werden. Die "größten" Moleküle neben Wasser sind winzige Ionen, also "gespaltene" Salze, Natrium, Kalium etc.

Thats it.

Bleibt mir nur noch folgende These, dass Pflanzen unter ähnlichen Umweltbedingungen ähnliche Stoffe produzieren. Parallel zu einander. Vereinfacht gesagt: der Thymian hat festgestellt, dass sein Thymol positive Auswirkungen für ihn und seine Umwelt hat, also Konkurrenten und Schädlinge vertreibt - und die Rebe produziert ähnliche Stoffe bei Trockenheit und viel Sonne, weil sie ihr einen selektiven Vorteil verschaffen, evolutionsmässig.. (Bewiesen ist immerhin, dass Kräuter vermehrt ätherische Öle bei Trockenheit und Sonne produzieren, weshalb sie um die Mittagszeit gepflückt am aromatischten sind.)

Wie war das eigentlich nochmal mit den Tanninen? Tannine vetreiben Schädlinge und wirken antibakteriell. Wir schmecken im Wein Tannine und halten die für Kräuteraromen..?

Oder es bleibt nur noch die Möglichkeit, dass die Terpene in den Beerenhäuten gespeichert bleiben und den Gärungsprozess überstehen....

tja, ich fürchte....
C9dP
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Re: Kräuter im Weinberg im Wein erkennbar?

Beitrag von C9dP »

Erstmal vielen Dank für die äußerst interessanten Einblicke und Theorien in die Biochemie der Weinpflanze und den verschiedenen interessanten Ideen. Diskussionen auf diesem Niveau finden wahrscheinlich nicht in vielen Foren statt.

Ich habe jedoch wirklich immer noch arge Zweifel ob der Möglichkeit der florainduzierten Aromenübertragung in das Endprodukt Wein. Gibt es nicht gerade im Biobereich auch Winzer, die Ihre Weine mit pflanzlichen Schutzmitteln besprühen wie z.B. Brennesseljauche oder Basilikumtee? Dann müsste aber doch gerade dort eine massive geschmackliche Beeinflussung stattfinden und quasi jeder dieser Weine nach dem Schutzmittel riechen und schmecken. Oder sieht es bei Basilikum mit der chemischen Zusammensetzung des Aromas anders aus als bei Thymian?
Viele Grüße

Aloys
lepetitgourmet
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Re: Kräuter im Weinberg im Wein erkennbar?

Beitrag von lepetitgourmet »

Hallo Gerald
a) wie viel der Kräuteraromen werden tatsächlich vom Regenwasser in den Boden gespült? Wenn ich z.B. in der Küche Thymian oder Rosmarin kalt abbrause, hat das aufgefangene Wasser keinen erkennbaren Geruch nach diesen Kräutern (gerade ausprobiert).
Dass beim Abbrausen Deine Geruchschwelle im Brausewasser nicht überschritten wird, heißt nicht dass keine Terpene ins Wasser gekommen sind.

Gruß

Max
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